Der Kartenspieler - Traum
Before you know I´ll be waiting all awake
Dreams are made winding through her hair
(System Of A Down – Spiders)
Was würden Sie tun, um ein erfolgreiches Leben führen zu können? Wie viel würden Sie auf´s Spiel setzen, wie viel würden Sie geben, um beruflichen Erfolg und Reichtum zu erlangen?
Manche Menschen existieren, nur um auf diese Weise leben zu können. Sie investieren ihre gesamte Freizeit, nur damit ein paar Cent mehr auf der Lohnabrechnung verzeichnet werden. Viele davon treibt es sogar in den Wahnsinn.
Ich weiß nicht, ob Sie zu diesen Menschen gehören. Aber ich kann Ihnen versichern, dass ich mich dagegen entschieden habe. Meine Karriere und meinen mit Reichtum gefüllten Lohnzettel habe ich aufgegeben. Ich habe mich losgesagt von den Zwängen und Pflichten, die ich mir einst selber auferlegt hatte. Die Chance, ein erfolgreiches Leben führen zu können: Ich habe sie verschenkt. Weggeworfen.
Warum?
Weil ich kurz davor stand, wahnsinnig zu werden.
Früher war ich einmal ein, bei Kollegen und Vorgesetzten, angesehener Polizist. Ich machte meine Arbeit und gab alles, um noch besser werden zu können. Ich wollte die Karriereleiter ganz nach oben klettern.
Doch der Stress und die zunehmenden privaten Probleme mit meiner Frau Andrea ließen mich allmählich verrückt werden. Ich bekam Alpträume, konnte nicht mehr schlafen und habe irgendwann sogar angefangen, Dinge zu sehen...
Dinge, die einfach nicht da sein konnten. Halluzinationen, wenn Sie es so nennen wollen.
Ich habe Menschen gesehen, die zu mir sprachen.
Menschen, die eigentlich tot waren oder gar nicht existiert haben.
Denken Sie, ich bin verrückt?
Einen Psychologen wollte ich nie aufsuchen. Ich hatte einfach Angst davor, dass er mir irgendwelche Medikamente verschreiben oder mich gar in die Anstalt stecken würde. Angst vor dem Entzug meiner Freiheit, die ich gerade neu gewonnen hatte. Angst davor, für diese Gesellschaft nicht mehr zulässig zu sein.
Doch vielleicht redete ich mir diese Ängste auch nur ein.
Vielleicht hatte ich in Wahrheit einfach nur Angst vor der Diagnose. Angst davor, dass der Doktor mir sagen würde, ich sei gar nicht verrückt.
Was, wenn dem so wäre?
Was, wenn die ganzen Einbildungen Realität waren?
Die Ängste drohten, mich seelisch fertig zu machen. Ich hatte geglaubt, nachdem ich meinen Job und den damit verbundenen Stress gekündigt hatte, würde es mir besser gehen.
Das Gegenteil war der Fall.
Die Wahnvorstellungen verschwanden zwar, doch die Ängste, die mit ihrem Verschwinden gekommen waren, wollten mich innerlich auffressen.
Und die Ängste nahmen zu.
Zwei Jahre nachdem ich meinen Job als Polizist gekündigt hatte; zwei Jahre nach diesen unerklärlichen Ereignissen, fingen die Träume wieder an.
Es waren die gleichen Träume, wie damals. Genauso realistisch und echt und...
... furchterregend.
In diesen Träumen sitze ich nackt und gefesselt auf einem Stuhl. Nur die Seile, die mich festbinden sind unsichtbar. Ich kann sie nicht sehen und nicht spüren. Ich bin einfach nur unfähig, mich zu bewegen oder zu befreien.
Vor mir steht eine Frau, Astrid Kaiser ist ihr Name. Ich erinnere mich gut an sie, sehr gut sogar. Sie war vor zwei Jahren eine Zeugin, die ich verhört hatte, als ich noch Polizist war.
Sie beginnt, mit verführerischen Bewegungen, sich zu entkleiden. Ihre Hände streicheln über ihren eigenen Körper, begleitet von einer eleganten Hüfte, die sich vor mir räkelt. Sie legt ihre Bluse und ihren BH zur Seite und streift ihre Hose ab, wobei sie sich zu mir herunter beugt und mir mit heißem und feuchtem Atem ins Ohr haucht. Ich kann ihn spüren. So deutlich, dass ich felsenfest überzeugt bin, nicht zu träumen.
Meine Vernunft versiegt immer mehr. Ich will mich nicht mehr wehren und lasse es geschehen.
Frau Kaiser küsst sanft meine Lippen. Die Erregung in mir lässt sich nicht vermeiden. Es ist, als könne sie durch ihre Lippen meinen Kreislauf anregen und mit Lust infizieren. Sie liebkost meinen Hals und meinen Nacken, während sie mit ihren Händen beginnt, Penis und Hoden zu streicheln.
Ich schließe meine Augen und gebe mich ihr hin. Mein Puls scheint jetzt schon auf 140 oder noch mehr. Frau Kaiser fährt mit ihrem Mund weiter an mir herunter, küsst meinen Körper, erreicht meinen Schambereich. Ihre Zunge spielt und ihre Lippen streicheln...
Ich stöhne vor Lust und Erregung.
„Wie ich sehe, tut es gut“, höre ich eine Stimme hinter mir. Die Stimme eines Mannes, leise, tief und berauschend. Der Klang verursacht eine Gänsehaut bei mir.
Ein Schatten legt sich über mich. Ich spüre, wie der Mann hinter mir steht.
„Genieße es“, sagt er. Seine Hände legen sich auf meine Wangen, während Frau Kaiser damit beschäftigt ist, mir einen zu blasen.
Es braucht keine drei Minuten bis zu meinem Orgasmus. Er ist so intensiv, das all meine Muskeln mindestens eine halbe Minute lang völlig angespannt sind. Mein Glied zuckt in Frau Kaisers Mund. Ich stöhne laut auf.
Sie lässt von mir ab und stellt sich wieder aufrecht vor mir hin. Ein vergnügtes Lächeln umspielt ihre Lippen. Dann öffnet sie ihren Mund und legt ihre Finger auf die Zunge. Doch von Samenflüssigkeit ist da keine Spur zu sehen. Das was sie aus ihrem Mund herausnimmt ist ein Stück Pappe. Rechteckig, mit abgerundeten Ecken und einem roten Muster auf der einen Seite.
Ein Pik-Ass auf der anderen.
„Na sieh mal einer an“, sagt der Mann, der immer noch seine Hände an meine Wangen hält, hinter mir. „Wir sind alle sehr stolz auf dich, Alex. Du nimmst in unserem Spiel eine sehr hohe Rolle ein.“
Die Bedeutung dieser Sätze ist mir nicht bewusst. Und allmählich bekomme ich wieder Angst. Angst vor dem, was mir noch bevorsteht.
„Lass dich nur nicht erwischen“, sagt der Mann und dreht meinen Kopf in eine andere Richtung.
Ich sehe eine dritte Person im Raum stehen. Es ist eine Frau.
„Sonst wird hier jemand sauer sein.“
Ich kenne diese Frau.
„Sehr sauer!“
Es ist Andrea.
Sie schlief neben mir. So wie sie es immer tat. Und ich empfand große Dankbarkeit dabei. Ich war dankbar dafür, dass ich tatsächlich nur geträumt hatte. Es war nichts weiter, als ein beschissen realistischer Traum. Verblüffend echt.
Die Angst, dass diese Träume etwas mit sich bringen, hatte mich befallen. Etwas, das auch mein wahres Leben terrorisieren könnte. Sind diese Träume Vorboten von etwas viel Schrecklicherem? Verliere ich schon wieder den Verstand?
„Alles in Ordnung?“, murmelte Andrea im Halbschlaf.
Ich schmiegte mich an sie und nahm sie in die Arme. Die Gewissheit, dass sie noch da war und wirklich existierte, beruhigte mich.
„Es ist alles in Ordnung.“ Ich wusste nicht warum, ich sie anlog. Denn in Wahrheit war nichts in Ordnung. Versuchte ich der Realität zu entfliehen? War ich wirklich verrückt oder tatsächlich Teil eines übernatürlichen Spiels?
„Du wolltest zum Arzt gehen.“
Wollte ich das?
„Ich mache mir Sorgen. Das geht schon seit Nächten so mit dir.“
Wie gerne hätte ich ihr gesagt, dass ich Angst davor hatte. Doch da war etwas, das ich nicht erklären konnte und das mich davon abhielt.
„Ich weiß“, beruhigte ich sie und streichelte ihren Kopf. „Ich weiß.“
Wie würden Sie Wahnsinn definieren? Realitätsverlust? Unfähigkeit Fiktion von Wahrheit zu unterscheiden? Glauben, dass das, was man sieht und sich einbildet, real ist? Auch wenn es noch so unnatürlich und nicht zu erklären ist?
Unser Gehirn spielt uns manchmal einen Streich, ohne dass wir es mitbekommen.
Viele glauben, dass ihre Wahnvorstellungen ein Zeichen von diabolischer Besessenheit sind. Sie weigern sich deswegen, sich rationalen Heilmethoden auszuliefern und geben sich den Spirituellen hin. Wir stempeln sie als durchgeknallt und bescheuert ab und formen uns somit ein Urteil.
Doch was ist, wenn diese Menschen gar nicht mal so falsch liegen? Was, wenn es tatsächlich diese übernatürlichen Mächte gibt, die von uns Besitz ergreifen und uns terrorisieren?
Glauben Sie an Gott? Wenn, dann müssten Sie auch an einen Teufel glauben. Die Sinnbilder für Gut und Böse.
Ich hatte nie an so etwas geglaubt.
Doch allmählich begann ich zu zweifeln. Ich wollte es nicht zugeben, weil ich Angst davor hatte und versuchte mir weiterhin einzureden, verrückt zu sein.
Der Traum kam wieder. Und dieses Mal war es am Schlimmsten.
Alles begann wieder, wie es auch in allen anderen Träumen begonnen hatte. Ich saß nackt und gefesselt auf einem Stuhl. Astrid Kaiser kniete vor mir, streichelte und liebkoste mich.
Und auch der Mann, der nur als ein Schatten über mir lag, war wieder da.
Ich wusste, dass es ein Traum war, doch es wirkte alles so echt. Wieder einmal.
„Ich habe eine Aufgabe für dich, Alex“, sagte der Mann. Seine Stimme war wieder genauso berauschend, wie immer. Die Haare stellten sich mir zu Berge. „Dein erster Spielzug, sozusagen.“
Ich versuchte, etwas zu sagen, doch aus meiner Kehle drang nur ein Krächzen. Aber es war auch gar nicht nötig, etwas zu sagen. Der Mann konnte anscheinend meine Gedanken lesen.
„Ist das so wichtig, wer ich bin?“ Der Klang ging unter die Haut. „Wichtig ist nur, was du tun musst, Alex.“
Ich bekam es wieder mit der Angst zu tun. Wer weiß, zu was mich diese Einbildung zwingen wollte. Ich musste vernünftig bleiben. Das hier war nur ein Traum. Nur ein...
„Finde ihn!“, sagte der Mann.
Ich wartete einen Moment darauf, ob er mir auch einen Namen nennen würde. Doch als ich in meinem Kopf die Frage Wen? Formulierte, gab er mir nur ein Rätsel als Antwort:
„Er ist alles.“
Ich war verwirrt. Es gab keine andere Erklärung, als dass ich den Verstand verloren hatte. Was sollte das heißen? Er ist alles? Was ist überhaupt alles?
„Solltest du dich vor deiner Aufgabe drücken oder sie nicht erfüllen“, fuhr der Mann fort. Und seine Stimme wurde bedrohlich. „So werde ich sehr verärgert sein.“
Allein der Gedanke daran, dass dieser Mann in der Lage war verärgert zu sein, bereitete mir Panik.
„Und dann wird es nicht mehr gut tun.“
Frau Kaiser ergriff meinen Penis und schloss ihre Finger um ihn herum.
„Es wird schmerzen.“
Ein Stück meiner Eichel schaute noch aus ihrer Faust heraus.
„Und zwar auf diese Weise.“
Sie schlug mit der anderen, flachen Hand drauf, so fest sie konnte.
Es musste ein Traum sein, es konnte gar nicht anders sein.
Doch warum wurde ich an dieser Stelle nicht wach?
Und warum konnte ich den Schmerz fühlen? Denn ich kann Ihnen eines verraten: Es schmerzte höllisch, so bestialisch, dass ich keinen Ausdruck dafür finde. Ich nutzte mein gesamtes Lungenvolumen, um aus Leibeskräften zu brüllen. Ich schrie, als würde man mich verbrennen. Der Schmerz zog sich durch meinen gesamten Körper. Ich glaube ich habe noch nie in meinem Leben so laut gebrüllt und so große Schmerzen erlitten. Wenn ich auch sonst nie eine Vorstellung von der Hölle hatte, so konnte ich es mir nun zumindest im Ansatz ausmalen.
Ich schrie eine halbe Ewigkeit, wie es mir schien. Und der Schmerz wollte nicht aufhören.
„Tröste dich mit dem Gedanken, dass das hier vorübergehen wird“, sagte der Mann. „Dies war nur eine Kostprobe für dich.“
Frau Kaiser lächelte. Jeder andere Mann hätte dieses Lächeln wahrscheinlich als erotisch oder verführerisch empfunden. Doch in meinen Augen war es von nun an mit Schmerzen und Angst verbunden. Ein Lächeln des Teufels.
„Solltest du deine Aufgabe nicht zu Ende bringen“, ergänzte der Mann. „Wird der Schmerz Ewigkeiten dauern.“
Und plötzlich waren beide verschwunden. Wie in Luft aufgelöst und in den Weiten meiner Träume verschwunden. Genau wie der gesamte Ort.
Doch ich träumte noch immer. Ich musste träumen, denn sonst wäre ich in meinem Bett aufgewacht. Andrea hätte neben mir gelegen und mir gesagt, ich solle endlich zum Arzt gehen. Ich musste einfach nur aufwachen.
Ich sah Licht, hell und blendend. Meine Augen fingen an zu brennen.
Ich musste aufwachen. Ich musste...
Ich sah die Wüste. Weißer, glühender Sand, überall um mich herum. Der Horizont war eine gerade Linie, egal wohin ich blickte.
Ich war gefangen in meinem Traum. Doch so allmählich glaubte ich nicht mehr, dass dies einfach nur ein Traum war. Womöglich wurde ich in eine fremde Welt entführt.
Was für eine Welt? Hinter den Grenzen des uns Vorstellbaren? Gottes Welt?
Oder war ich einfach nur verrückt geworden? Hatte ich lediglich den Verstand verloren?
Warum bin ich nicht zu einem Arzt gegangen? Warum hatte ich nicht auf Andreas Vorschlag gehört?
Können Sie mir vielleicht sagen, ob ich verrückt bin? Bin ich das? Habe ich nicht mehr alle Tassen im Schrank?
Können Sie mir bitte sagen, dass ich einen Schuss in der Birne habe?
Hehe, ich wäre Ihnen sehr dankbar dafür, hehe! Haha!
Muhahahahahaaaaaaaa...
Wüste... haha...
Heiß!
Brennend heiß!