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Der Kandidat

Tom

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Beitritt
06.04.2005
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83

Der Kandidat

„Nehmen Sie doch bitte Platz, Herr Gremel.“
„Danke.“
„Nun, Herr Gremel, dann will ich mal ohne Umschweife zum Punkt kommen.“
„Gerne.“
„Leider wurde die Entscheidung getroffen, den Posten des Abteilungsleiters mit einem anderen Kandidaten zu besetzen.“
„?“
„Das überrascht Sie nun sicherlich. Lassen Sie mich daher bitte erklären, was es mit dieser Entscheidung auf sich hat.“
„Bitte.“
„Also zunächst einmal möchte ich betonen, dass die Leistung, die Sie in unserem Unternehmen erbringen, sehr geschätzt wird. Herr Gremel, Sie sind einer unserer besten Männer, daran hegt niemand einen Zweifel.“
„Danke.“
„Dass wir uns dennoch für einen anderen Kandidaten entschieden haben, liegt einzig und allein an den unglaublichen Voraussetzungen, die der Mann mitbringt. Dieser Mann ist eine Chance, die sich das Unternehmen einfach nicht entgehen lassen darf.“
„Klingt nach einem wahren Supermann, Ihr Kandidat.“
„Ein Supermann, das ist er tatsächlich. Herr Gremel, Sie werden staunen, wenn Sie ihn sehen. Da fällt mir ein: Sie haben Ihn heute früh bereits gesehen.“
„Nicht, dass ich wüsste.“
„Doch. Gegen halb neun, als Sie mir auf dem Parkplatz zugewunken haben. Da stand er neben mir.“
„Ja, ich erinnere mich. Sie hatten Ihren Sohn dabei.“
„Nein, Herr Gremel. Der junge Mann, das war nicht mein Sohn. Das war Herr Dr. Krausfeld, der Kandidat unserer Wahl.“
„Einen Moment. Jetzt müssen Sie etwas verwechseln. Als ich Ihnen zugewunken habe, waren Sie in Begleitung eines Jungen von vielleicht zwölf Jahren.“
„Elf. Herr Dr. Krausfeld ist elf.“
„Elf?“
„Herr Gremel, haben Sie sich verschluckt? Möchten Sie vielleicht ein Glas Wasser?“
„Nein, möchte ich nicht. Ich möchte, dass Sie mir erklären, warum sich ein elfjähriger Junge, ein Kind, besser als Abteilungsleiter eignen soll als ich. Genau das ist es, was ich möchte!“
„Sie wirken auf mich ein wenig emotional aufgewühlt, Herr Gremel. Lassen Sie uns das Gespräch lieber ein andermal ...“
„Ich bin emotional aufgewühlt! Aber bitte fahren Sie fort.“
„Sehen Sie, Herr Gremel. Sie sind nun einunddreißig und seit sieben Jahren bei uns angestellt. Vor drei Jahren haben wir Sie zum Gruppenleiter befördert.“
„Vor vier Jahren war das.“
„Meinetwegen auch vor vier Jahren. Nehmen wir einmal an, Sie setzen Ihre Karriere in diesem Tempo fort. Dann wären Sie nicht vor Mitte vierzig im Vorstand. Herr Gremel, in diesem Alter verabschieden sich die ersten Kollegen bereits in den Vorruhestand.“
„Was erzählen Sie mir da eigentlich?“
„Herr Dr. Krausfeld könnte mit vierundzwanzig in den Vorstand einziehen. Wir haben das durchgerechnet.“
„Und wenn schon.“
„Die Entscheidungen von Morgen werden von jungen Erfolgsmenschen getroffen, die im Zenith ihrer Reife stehen. Nur so können wir unseren wirtschaftlichen Erfolg sichern.“
„Indem wir einem Kind diese Abteilung anvertrauen?“
„Herr Dr. Krausfeld ist nicht irgendein Kind, Herr Gremel. In einem der weltweit führenden Elitekindergärten bereitete er sich mit dreieinhalb schon auf das Abitur vor. Und wissen Sie, auf welche Grundschule er ging?"
"Nein."
"Es handelte sich dabei um eine einzigartige Institution zur Talentförderung. Zwei Wochen war er dort, dann konnte er den Rest überspringen und gleich auf ein Gymnasium für Superextrembegabte wechseln, wo er nebenher sein Diplom und seinen Doktor machte. Er absolvierte zwei dutzend Praktika, allesamt im Ausland, und gründete mit neun seinen ersten Betrieb, eine innovative Internetfirma.“
„Worin bestand die Innovation?“
„Darüber liegen mir keine Informationen vor. Jedenfalls meldete die Firma letzten Monat Konkurs an. Ist das nicht fantastisch? Der Mann verfügt sogar über Erfahrung im Entlassen von Mitarbeitern. Herr Gremel? Legen Sie doch bitte den Brieföffner wieder hin.“

 

Hallo Tom,

ok, es ist eine Satire, die erste Hürde haste hier in diesem Forum spielend genommen.
Die Sache mit der wörtlichen Rede gefällt mir auch gut, weil sich damit der Inhalt frisch verpackt rüberbringen lässt, aber inhaltlich lockt mich der Plot nicht hinterm Ofen hervor.
Ist zwar ein brisantes Thema, wohl zugegeben, aber mir fehlt einfach eine spritzigere Umsetzung, eine schlicht verblüffendere Aufbereitung dieses Plots. So wirkt es etwas langweilig, weil jeder ja schon am Anfang weiß wies endet.

Schade, aber da ich weiß, dass du ganz gut schreiben kannst, mache ich mir keine Sorgen, dass eine deiner nächsten Satiren mal wieder was richtig Feines wird, nicht wahr? ;)

Lieben Gruß
lakita

 

Hi Tom,

Mein Ende:
Dr. Krausfeld kommt zur Tür rein und teilt dem Gesprächspartner von Herrn Gremel mit, dass er auch durch einen Jüngeren ersetzt wird.

Deine KG riss mich nicht aus dem Stuhl, aber sie war trotz alledem gut zu lesen.
Haften bleiben wird sie aber wohl nicht, dazu fehlt noch etwas der Biss.

Lieber Gruß
ber

 

Hallo Tom,

zu deiner Geschichte kann ich nur sagen: "Willkommen im Berufsleben".

Auch wenn das Ende vorhersehbar ist, so oder gerade deswegen trifft es doch genau den Punkt.
Jeder Personaldisponent möchte einen zwanzigjährigen Angestellten mit mindestens 37,8 Jahren Berufserfahrung haben.

Betrachtet man deine KG aus Sicht des Chefs so reiht er sich nahtlos in die Reihe unserer Politiker ein.
Warum kann man jemandem seine Entscheidung nicht klar und deutlich mitteilen. Als Chef muss ich in erster Linie aus wirtschaftlichen Überlegungen meine Entscheidung treffen, ich muss sie nicht kommentieren (Ausnahme: Montessorischülern). Aber so ist das in unserer derzeitigen Wirtschaft halt, man redet und redet und zum Schluß geht man mit 30 Mio in Ruhestand.
Wie du siehst regt deine KG (zumindest mich) zum denken an also ist es wohl eine gelungene Geschichte.
@ber

Haften bleiben wird sie aber wohl nicht,...

braucht sie auch nicht, wir erleben sie doch jeden Tag live. ;)

netten Gruß
Micha

 
Zuletzt bearbeitet:

Ich fand den Plot ganz gut, nur "reden mir die Jungs zu viel" - das lässt keinen echten Drive entstehen, der für einen komödiantischen Dialog wichtig ist (das Schlag-auf-Schlag):

„Doch. Gegen halb neun, als Sie mir auf dem Parkplatz zugewunken haben. Da stand er neben mir.“
„Ja, ich erinnere mich. Sie hatten Ihren Sohn dabei.“
„Nein, Herr Gremel. Der junge Mann, das war nicht mein Sohn. Das war Herr Dr. Krausfeld, der Kandidat unserer Wahl.“
„Einen Moment. Jetzt müssen Sie etwas verwechseln. Als ich Ihnen zugewunken habe, waren Sie in Begleitung eines Jungen von vielleicht zwölf Jahren.“
„Elf. Herr Dr. Krausfeld ist elf.“
„Elf?“
„Herr Gremel, haben Sie sich verschluckt? Möchten Sie vielleicht ein Glas Wasser?“
„Nein, möchte ich nicht. Ich möchte, dass Sie mir erklären, warum sich ein elfjähriger Junge, ein Kind, besser als Abteilungsleiter eignen soll als ich. Genau das ist es, was ich möchte!“
„Sie wirken auf mich ein wenig emotional aufgewühlt, Herr Gremel. Lassen Sie uns das Gespräch lieber ein andermal ...“

würde ich verkürzen:

„Doch. Neben mir, auf dem Parkplatz.“
„Ihr Sohn?“
„Doch nicht mein Sohn - der Mann, der neben mir stand.“
„Was? Der war doch höchstens zwölf!“
„Elf. Herr Dr. Krausfeld ist elf.“
„Elf?“
„Herr Gremel, möchten Sie vielleicht ein Glas Wasser?“
„Nein, danke!“
„Oder eine Beruhigungstablette?“

usw.

Den Schluss von Bernadette würde ich ebenfalls in Erwägung ziehen.

 

Hallo Tom,

die Geschichte hat mir sehr gut gefallen! :thumbsup: Die Dialoge wirken natürlicher wie sie sind, als in der von Flic vorgeschlagenen Verkürzung. Wir leben auch so schon in einer viel zu schnell lebigen Zeit. :) Das von Bernadette vorgeschlagene Ende ist unlogisch, da der Leuteeinsteller, der Dr. Krausfeld eingestellt hat, in der Hierarchie (noch) über diesem steht.

Die Pointe am Ende finde ich gut. Fragt sich, ob das ständige Leute-entlassen sich nicht nachteilig auf die Motivation und die langfristigen Überlebenschancen eines Unternehmens auswirkt. Vor allem, wenn es durch Leute geschieht, die sich selbst gern immer wieder mal eine Gehaltserhöhung gönnen. Ich bin allerdings kein Betriebswirt. ;)

lg Fritz

 

Die Dialoge wirken natürlicher wie sie sind, als in der von Flic vorgeschlagenen Verkürzung.

Echt? Findest du? Glaubst du die Leute würden in dieser Situation so reden?
„Einen Moment. Jetzt müssen Sie etwas verwechseln. Als ich Ihnen zugewunken habe, waren Sie in Begleitung eines Jungen von vielleicht zwölf Jahren.“
Oder: „Herr Gremel, haben Sie sich verschluckt? Möchten Sie vielleicht ein Glas Wasser?“
„Nein, möchte ich nicht. Ich möchte, dass Sie mir erklären, warum sich ein elfjähriger Junge, ein Kind, besser als Abteilungsleiter eignen soll als ich. Genau das ist es, was ich möchte!“

Hm naja, das klingt mir eher nach literarischer Prosa, in einem Theaterstück hätte ich Mühe, das authentisch klingen zu lassen.

Aber ich bin auf mehr Meinungen gespannt.

 

Amüsant. Gute Dialoge, gefällt mir. Aber die IDee is eigentlich voll billig, so n kleiner Hochbegabter... na ja...

 

Wow. Also ich fands ziemlich toll. Schön flüssig zu lesen. Die Dialoge sind natürlich, man bleibt nirgends hängen, die Idee ist witzig.
Sicher kann man noch ein bisschen druaf aufbauen. Aber muss man? ich denke nicht.

 

Hi Tom!

Das Thema, das du da ansprichst, ist eines von jenen, die mein Gemüt in Wallung bringen können, und das, obwohl ich wohl immer noch der Generation angehöre, die von einer solchen Einstellungspraxis profitiert.

Der Unsinn ist kaum noch zu überbieten: Erfahrene Leute werden mit 45 in den Vorruhestand gedrängt, weil sie keiner mehr haben will, und die Jungen hängen sich selbstausbeuterisch rein, weil sie sich und der Firma ihren Wert beweisen wollen - nur um irgendwann dasselbe Schicksal zu erleiden wie die Alten.
Es gibt durchaus Studien darüber, ob es sich für eine Firma rechnet, so zu verfahren, mit ziemlich negativen Befunden. An der Praxis der Unternehmen scheint es nichts zu ändern. Auch die Entlassung von Leuten wirkt sich klar negativ aus, aber auch das scheint die Chefs nicht zu beeindrucken.

Du hast dir also schon das richtige Thema ausgesucht, die Idee mit dem elfjährigen Abteilungsleiter ist spitze.

Ich hätte es mir auch gewünscht, am Ende eine Pointe zu haben. Das gäbe dem Ganzen mehr Pfiff. Ich gebe aber zu, dass ich im Moment auch etwas überfragt bin, worin die bestehen sollte. :D

Was die Kürzung der Dialoge angeht: An der einen oder anderen Stelle könnte mit den Worten etwas sparsamer umgegangen werden. Du darfst ja nicht vergessen, dass vollkommen authentische Dialoge noch viel langatmiger und holpriger klingen würden. In Wirklichkeit sind wir meist entsetzliche Schwafler. ;)

Vorschläge:

„Nun, Herr Gremel, dann will ich mal ohne Umschweife zum Punkt kommen.“

"... ich will mal sofort ..."

„Das überrascht Sie nun sicherlich. Lassen Sie mich daher bitte erklären, was es mit dieser Entscheidung auf sich hat.“

"Das überrascht sie sicherlich. Aber lassen Sie mich bitte erklären ..."

„Also zunächst einmal möchte ich betonen, dass die Leistung, die Sie in unserem Unternehmen erbringen, sehr geschätzt wird.

"Zunächst will ich betonen, dass Ihre Leistung für das Unternehmen ..."

Es sind vor allem die Füllwörter, die wegmüssen, weil sie für die Geschichte nichts leisten. Die Funktion, den Chef als Schwafler hinzustellen, erfüllen sie nicht, weil er ja nicht um den heißen Brei herumredet, sondern so schnell zur Sache kommt, wie es geht, ohne Gremel vor den Kopf zu stoßen.

Mit ein bisschen Verschlankung gewinnt der Text schon viel. Als Pointe könnte ja kommen, dass der Chef ankündigt, bald in Rente zu gehen, und durch einen Zwanzigjährigen ersetzt wird.

Ciao, Megabjörnie

 

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