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Der König von Martensburg
Der König von Martensburg
Der König von Martensburg kniete auf dem Boden, den er einst regierte. Sich auf sein Schwert stützend betrachtete er ein letztes mal die wundervolle Landschaft, die so viele schöne Erinnerungen in ihm hervorrief. Er sah die Stadtmauer, die er vor zwei Jahrzehnten hatte errichten lassen. Er sah die riesigen Bäume, die das Land schmückten und von denen jeder einzelne über längst vergangene Taten zu berichten hatte. Er sah die unzähligen Häuser, in denen sein Volk lebte und starb. Er sah den alten Glockenturm, der jeden Sonntag die Menschen zu sich rief. Und er sah den Friedhof, auf dem den Gefallenen die letzte Ehre erwiesen wurde. Obwohl der König von Martensburg wusste, dass seine Zeit gekommen war, erfüllte ihn der Anblick mit tiefsten Stolz, denn er war sich sicher, dass er und sein Volk niemals in Vergessenheit geraten würden. Überall auf der Welt würde man sich von dem großen Herrscher erzählen, der so lange gegen eine solche Übermacht Widerstand geleistet hatte und für sein Volk den Heldentod gestorben war. Absolut frei von Furcht und Zweifel wendete er sich schließlich seinem Widersacher zu, der sich nur durch sein triumphierendes Lachen aus dem scheinbar endlosen Teppich von in schwarze Rüstungen gehüllten Reitern hervorhob. Ihm war der Anblick der sich vor ihm stapelnden Leichen und der Geruch von Tod und Zerstörung sichtlich ein Genuss. Und der König sprach:
Der letzter Mann ist gefallen.
der letzte Pfeil ist verschossen.
die letzte Klinge ist stumpf geschlagen.
der letzte Winkel meines Landes ist in Blut getränkt.
Nichts wird sich Euch noch in den Weg stellen.
Nichts kann Euch noch Einhalt gewähren.
Nun kommt und beendet es.
Holt Euch das, wofür ihr habt so tapfer gekämpft.
Ich gratuliere Euch, mein alter Freund,
ein wahrhaft grandioser Sieg!
Und sein Widersacher atmete noch einmal tief ein. Wollte den Duft des Sieges ein weiteres mal spüren. War für einen Wimpernschlag der Ekstase nahe. Es gab seiner Existenz nur für diesen Moment einen Sinn. Und er sprach:
Folgt mir Männer, wir kehren Heim!
Und sie kehrten Heim.