Der König des Wohnzimmers
Paule
Er ist der ungekrönte König des Wohnzimmers. Der Herrscher über Schränke, Fensterbänke, Sessel und Sofas. Anmutig wie eine Elfe, stolziert er durch sein Reich. Den Schwanz die Luft zerschneidend wie ein mahnender Zepter, würdigt er uns keines Blickes und gibt uns so das Gefühl, nur Diener und nicht Herr zu sein. Als meine Freundin und ich, uns seinerzeit diese Handvoll Katze ausgesucht hatten, konnten wir nicht ahnen, daß wir uns für einen felidaeschen Napoleon entschieden hatten.
Wir haben Ihn von einem Schwulen Pärchen gekauft, auf dessen Anzeige wir in einer Regionalen Zeitung aufmerksam wurden. Als wir die Wohnung des Paares betraten, mußte ich mich erst mal zusammenreißen um nicht nach einer Atemmaske zu fragen. Ich bin bei weitem kein Ordentlicher Mensch, aber was die beiden Süßen auf schätzungsweise Fünfzig Quadratmeter, an Kram, um nicht zu sagen Müll, verteilt hatten, war schon eine logistische Wunderleistung.
Der Hausherr, er war eindeutig der Herr, den er hatte im Gegensatz zu seinem Partner kurze Haare und männliche Bewegungsabläufe, bat mich, ihm in die Küche zu folgen. Der Geruch von Essensresten, kaltem Zigarettenrauch und Katzenpisse traf mich wie ein olfaktorischer Hammer. Ich blieb erst stehen und suchte den Blickkontakt zu meiner Freundin. Sie rollte die Auge und ich wußte, daß sie trotz Ihrer Erkältung, den Gestank wahrnehmen konnte. Sie stieß mich mit dem Ellbogen an und ich betrat den Tempel des Todes. Es war liebe auf den ersten Blick. In einer Ecke der Küche, wo das Gerümpel zur Seite geräumt worden war, lag in einem zerfetztem Karton, ein kleines zitterndes Bündel Fell. Als ich mich näherte, bewegte sich der Knäuel, und schaute mich mit einem mitleiderregenden Blick an. Es war um mich geschehen.
Der Kater war erst fünf Wochen alt, eigentlich zu früh um ihn von seiner Mutter zu trennen, aber wir wollten dem armen Tier nicht zumuten, noch länger in dieser Umgebung aufzuwachsen. Einige Geldscheine wechselten Ihren Besitzer und Paule wurde vom Bettler zum König. Die ersten Tage waren nicht einfach, wir versuchten Ihn mit der Flasche zu Füttern, doch er verweigerte die Ersatzmilch. Meine Freundin bekam stündlich Heulkrämpfe und sah sich schon mit einer toten Katze auf dem Schoß. Es blieb uns also nicht anderes übrig als Zwangsfütterung. Ich fuhr zur nächsten Apotheke, lächelte Freundlich und kaufte drei Spritzen. Die Apothekerin hatte nur einen abschätzigen Blick für mich übrig, als könnte sie sich ausmalen wie ich die Spritzen, auf einer Dunklen Bahnhofstoilette, in meine Venen steche. Aus dem kleinen zerbrechlichen Kater wurde ein agiler, intelligenter Hauspanther. Durch die frühe Trennung von seiner Mutter, ist er dermaßen auf uns bezogen, daß er kaum von unserer Seite weicht. Zum Glück, konnten wir Ihm die Angewohnheit, an den Hosenbeinen hoch zu klettern abgewöhnen. Dies führte, vor allem morgens im Badezimmer nur in einer Boxershorts bekleidet, zu ziemlich schmerzhaften Erlebnissen.
Wenn er mit Ablehnung konfrontiert wird, und keiner Ihn auf den Schoß nehmen und streicheln möchte, kann er je nach Situation überaus penetrant oder außergewöhnlich gerissen werden. Wenn er merkt, daß alle seine Versuche, einen menschlichen Liegeplatz zu erreichen, vereitelt worden sind, setzt er sich hin und schaut gleichgültig in eine Richtung. Aber sobald man die Deckung nur eine Sekunden sinken läßt, reagiert er blitzschnell, springt auf ein Bein und fährt die Krallen aus, so daß jeder Versuch ihn zu bewegen, zur Selbstverstümmelung wird. Dort sitzt er dann nun, schnurrend und sich anschmiegend, aber immer bereit zu reagieren sobald er merkt, daß jemand ihn vertreiben möchte.
Er ist halt der König des Wohnzimmers.
[Beitrag editiert von: grasi am 01.02.2002 um 18:27]