Der Junge
Ein Junge
Langsam wache ich in meinem Himmelbett auf, wollig dehne ich mich, ziehe noch einmal die Decke über meinen Kopf bevor ich blinzelnd den Tag empfange.
Die kleinen gefiederten Vögel vor meinem Fenster sind zu meinem Wecker geworden, ihr liebliches Zwitschern holt mich aus meinen Träumen. Streckend und mit einem zufriedenen Lächeln wälze ich mich aus dem Bett, gehe zu dem Fenster, und wie jeden Morgen der letzten acht Tage, bewundere ich den Stolz den ich in den Köpfen der Sonnenblumen sehe. Wie graziös und starken Willens sie ihre Köpfe der Sonne entgegen strecken. Nach ein paar kurzen Minuten der Idylle schnappe ich mir meine Joggingschuhe und laufe noch vor dem Frühstück meine Strecke an dem Strand entlang, vorbei an üppigen Palmen, als ich an meinem Ziel der großen Hölle die genau in der Mitte von einer Felsgruppe liegt ankomme, bemerke ich ein Boot das wohl gestrandet ist. Vorsichtig nähere ich mich um einen Blick hinein zu werfen. Die Wellen schlagen gegen das Boot, mich beschleicht die Befürchtung das die Wellen es wieder auf das Meer hinaus tragen könnten. Schnell gebe ich mir einen Ruck und sprinte zu dem Boot. Mit den Händen halte ich es fest. Meine Augen starren voller Erwartung in das Innere, doch es ist leer. Erleichtert lasse ich von dem Boot, wobei ich spüre wie krampfartig ich das Boot festhielt. Verwundert über meine starke Reaktion trete ich rasch ein paar Schritte zurück, mein Unterbewußtsein erkannte wohl mehr als meine rationalen Sinne. Ein Geruch steigt mir in die Nase, ein Geruch der nicht an einen toten Fisch erinnert, oder doch? Was soll ich hier, was mache ich eigentlich, frage ich mich leise und hilflos. Es erschien mir als ob die letzten drei Minuten mein ganzes Leben in Schwanken gebracht hätten. Ich folgte dem Geruch, er kam aus der Hölle, Zentimeter für Zentimeter schob ich meine Füße mit Gewalt dem Hölleneingang entgegen. Meine Nackenhaare sträubten sich bereits, jedes Glied meines Körpers war auf Angriff gestellt. Noch nie war ich solch einer Situation gestellt, bis jetzt hatte ich mein Leben sehr gut in Griff, dies war mit einem einzigen Herzschlag des Schicksals vorbei.
Immer lauter und schneller wurden die Gedanken, Gedankenfetzen wurden kompromißlos und ohne sortieren hin und her geworfen, wie bei einem Tennisspiel, nur ohne Punkte.
Ich schaffte es einen Gedanken fest zu halten, zurück in das Hotel und Hilfe holen, doch wegen was sollte ich Hilfe holen? Oder ich nehme meinen ganzen Mut zusammen um in die Hölle hinein zu sehen, nur zu sehen, nicht hineingehen, nein. Ich entschied mich für meinen Mut. Noch ein paar winzige Schritte, gleich, da der Geruch immer stärker zunimmt bleibe ich stehen, meine Augen
suchen links, rechts, hinter mir ob nicht doch noch eine Person kommt um mir die Entscheidung abzunehmen. Doch es kommt niemand. Das Schicksal hat nur mich an diesen Platz gerufen. Mit zusammen gekniffenen Lippen, pochenden Herzens und ziemlich lauten Atemgeräuschen arbeite ich mich Stück für Stück hinein. Als ob der Wind mich warnen wollte, trieb der Geruch, nein es war nun kein Geruch mehr, trieb der Gestank noch intensiver auf mich zu. Mein Blick versuchte irgendetwas zu erkennen, ich befahl meinen Augen genauer zu sehen, in diesem Moment wünschte ich mir Adleraugen, doch es war im inneren einfach zu dunkel. Meine Fingerspitzen berühren die Wände um den Eingang herum, kalt ist die Felswand, zu kalt auch wenn die Sonne bereits vor vier Stunden aufgegangen ist. Nun schrie meine innere Stimme laut auf. Stop! Geh nicht weiter, bitte, geh nicht! Da, ein Stöhnen, ein Schlurfen, ich bekam Angst, ich sah vor meinem geistigen Auge mein Herz gegen mein T-Shirt klopfen. Mit großen Schritten ging drei schnelle Schritte weiter in das Dunkel. Das Stöhnen wurde deutlicher, fast menschlich. Meine Augen gewöhnten sich die Dunkelheit. Was ich nun sah ließ mir die Tränen aufsteigen, ein kleiner Junge, vielleicht vier Jahre alt saß in der Ecke und schaute mich ängstlich aus seinen großen Augen an. Ich kniete mich nieder, legte meinen Kopf zur Seite, lächelte etwas und flüsterte dem Jungen zu „Hallo kleiner Mann, was machst Du hier?“ Doch er
drückte sich noch mehr gegen die Felswand. Plötzlich wurde mir schlecht, der Geruch wurde mir mit voller Gewalt in die Riechnerven gerammt, angeekelt wendete ich meinen Kopf, da lag sie, ein Geschöpf das wohl die Mutter des kleinen Jungen gewesen sein mußte. Das Schlurfen kam nicht von dem Jungen, es kam von einem Art Wildhund der seine Beute in mehrere Teile zerlegte und diese noch tiefer in die Hölle zerrte, so schnell ich konnte packte ich den Jungen, instinktiv legte er seine Arme um meinen Hals, seine schmalen Beine drückte er mir um meine Nieren. Ich rannte auf dem Weg woher ich gekommen war zurück zu meinen Hotel.
Warum ich diese schreckliche Geschichte erzähle?
Weil ich diesen Jungen damals vor dem Tod gerettet habe, der Wildhund wurde einen Tag später erschossen, es wurden noch zwei weitere Skelette gefunden, wie man später herausfand waren es die Überreste jener Menschen die bereits als vermißt gemeldet waren.
Der kleine Junge lebt seit daher bei mir, ich habe ihn adoptiert, es war für mich selbstverständlich ihn nicht dem Heim zu überlassen.
Nur eins habe ich seit dem nie wieder getan, egal wo ich Urlaub mache, ich Jogge nie wieder.