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Der junge Dirigent

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29.01.2010
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Der junge Dirigent

Vor einer Flasche Cognac brütend, dachte Christian aufgewühlt darüber nach, was seine Frau ihm beichtete, ein ungewollter Seitensprung. Es sei einfach passiert, ihre Gefühle hätten sie überwältigt, wie durch höhere Gewalt gesteuert. Dabei hat sie es nach ihren eigenen Worten genossen. Romantik, Zärtlichkeit und Begierde zugleich, wie sie es nicht mehr erlebt habe, seit dem ersten halben Jahr, in dem sie mit Christian zusammen war. Inzwischen waren sie zwölf Jahre verheiratet. Die Augen von Irene glitzerten, als sie es ihm gestand, nicht nur von Tränen, welche ihr über die Wangen liefen, nein, er spürte es, es war ihre Erinnerung an Freude und Lust.

Er war nie dagegen, dass Irene im gemischten Chor auftrat und ihre gesangliche Virtuosität mit Gleichgesinnten praktizierte. Bevor sie zusammen waren, nahm sie regelmässigen Gesangsunterricht, was ihre Stimme stärkte und ihr eine gute Modulationsfähigkeit verlieh.

Jedes Jahr fanden drei, vier öffentliche Auftritte des Chors statt, stets auch ein Gastspiel an einer Bühne im Ausland einschliessend. Dieses Jahr war es Strasbourg, wo sie im Rahmen der »Cité de la Musique et de la Danse« auftreten konnten. Drei Tage, mit der Hin- und Rückfahrt, war sie weg.

Irene erinnerte sich, der Auftritt war ein voller Erfolg gewesen, sie fanden sehr gute Aufnahme beim Publikum und auch der Veranstalter dankte ihnen herzlichst. Anschliessend feierten sie das gelungene Gastspiel in einem Restaurant. Bereits nach einer Stunde kehrten die Ersten ins Hotel zurück, die übrigen mehr und mehr sich in Gruppen zusammenschliessend. Joshua, der junge Dirigent, welcher für sechs Monate beim Chor ein Praktikum absolvierte, schloss sich ihr an. Sie sprachen über verschiedenste Dinge, doch einmal erwähnte er, dass es eigentlich schade sei, dass sie nicht auch Soloauftritte gebe. Sie erzählte ihm, dass sie zu Hause manchmal verschiedene Gesangsstücke für eine Solostimme übe. Ihm hier im Lokal etwas vorzusingen, genierte sie jedoch zu sehr, es waren auch fremde Gäste anwesend. Da sie viele gemeinsame Interessen fanden, die sie austauschten, verging die Zeit schnell. Es war bereits Mitternacht, als sie aufbrachen, sie waren die Letzten aus dem Chor.

Das Hotel lag in der Nähe, sodass sie den Weg zu Fuss gingen. Die Nacht zeigte bereits eine leichte Frische, doch Joshua legte einen Arm um die Taille von ihr, sodass sie es nicht so kühl empfand.

Joshua erzählte ihr von einer Partitur für eine Solostimme, die er ihr gerne schenken würde. Sie lag bei seinen Unterlagen im Hotelzimmer. Im Flur war die gedämpfte Nachtbeleuchtung eingeschaltet, als sie in die Etage kamen, in der ihre Zimmer lagen, vor seiner Tür stehen bleibend. Er anerbot ihr, die Partitur ihr jetzt gleich zu geben. Es war das Werk eines ihr unbekannten Komponisten, was sie animierte, die Tonfolge mit den Augen zu überfliegen. Mit dem Liedtext, der angeführt war, löste es ihre Neugierde aus. Wäre es nicht Nacht, hätte sie es laut vorgetragen, so summte sie nur leise die Melodie. Joshua hatte zwei Gläser Wein aus einer kleinen Flasche eingeschenkt.

Wie es dazu gekommen war, dass sie sich küssten, war ihr später nicht einfach nachvollziehbar. Sie führten ihre Gespräche auf dem Zweiersofa sitzend fort, dicht beieinander. Seine dunklen, lebhaften Augen und seine wohlgeformten Lippen gaben seinem schmalen Gesicht ein sinnliches Aussehen. Sie fühlte sich verstanden, in all den Dingen, die ihr etwas bedeuteten, und die sie im Gespräch mit ihm erörterte. Vielleicht war es die Schwingung, die durch die Übereinstimmung zwischen ihnen aufkam. Es war der Moment, als beide still einander nur in die Augen sahen. Wie magisch angezogen, näherten sich ihre Gesichter einander, ihre Lippen sich suchend, erst zaghaft, tastend, dann einander fordernd. Seine feingliedrigen Hände, die an ihrem Hals sanft strichen, liessen in ihr Wärme aufsteigen, beinah ein leichtes Glühen, als sie diese an weiteren Körperstellen wahrnahm.

Die Gedanken, welche sich zu Beginn noch mahnend einschalteten, waren verflogen, sie fühlte nur noch ein heftiges Verlangen. Ihre rechte Hand schob sich langsam zu seiner Hemdleiste und begann sie zu öffnen, Knopf um Knopf, ohne sich von seinen Lippen zu trennen. Sie spürte seine Finger über ihre Brüste streichen, nachdem er ihren Oberkörper entblösste, die Spitzen zart und spielerisch drückend. Die Empfindungen, die in ihr keimten, zielten wie Signale ihrem Schoss zu.

Die restlichen Kleider zogen sie sich hastig vom Leib, als ob die Zeit drängen würde, nur noch dem Verlangen gehorchend. Er nahm sie auf seine Arme und legte sie ins Bett, sich daneben, ihre Körper einander anschmiegend. Der Austausch der Zärtlichkeiten nahm einen längeren Verlauf, die Körper einander in Aufruhr versetzend. Als er in sie eindrang und sie seine ungestüme Kraft und sein durchbrennendes Verlangen spürte, war es für sie ein intensives Erleben.

Als sie am Morgen erwachten, hielten sie sich noch immer in den Armen. Ein enormes Glücksgefühl breitete sich in ihr aus, obwohl die Realität sie daran erinnerte, dass sie einen Fehltritt beging.

Beim Frühstück waren sie sich einig, es war ein einmaliges Erlebnis, aber sie würden immer Freunde bleiben. Sie bereute es nicht, es war für sie eine Begegnung gewesen, die das Schicksal so aufbereitete, ohne ihrer beiden zutun.

Christians Gedanken kreisten um ihn selbst. Ausgerechnet jetzt musste sie ihm dies antun, dazu noch mit einem zehn Jahre jüngeren Mann. Was konnte dieser ihr geben, was er nicht vermochte. Die Vorstellung, dass dieser in Irene eingedrungen war, erfüllte ihn wieder mit unbändigem Zorn. Er hatte sie mit der Hand geschlagen, als sie es ihm gestand, einfach die Beherrschung verlierend. Dabei hatte er immer viel Verständnis für Irene, ihr alle Freiheiten gelassen und ihren künstlerischen Bedürfnissen Raum gegeben.

Warum ausgerechnet jetzt, entfuhr es ihm. Gestern hatte ihn Yasmin verlassen, sie erklärte ihm, dass sie einen andern Mann kennenlernte. Dieser war in ihrem Alter, also um die Fünfundzwanzig. Irene wusste nichts von Yasmin, auch würde sie nie auf den Gedanken kommen, er könnte ihr untreu sein. Er hatte Yasmin vor einem Jahr im Fitnessclub kennengelernt. Sie sprach ihn an, nachdem sie einander ein paar Mal begegneten, offenkundig zeigte sie ihr Interesse an ihm. Damals waren sie schnell zur Sache gekommen, er hatte nie gedacht, dass eine achtzehn Jahre jüngere Frau und dazu noch sehr gut aussehend sich für ihn interessiere. Natürlich hatte er hin und wieder intime Beziehungen mit andern Frauen, er war schliesslich ein Mann, aber es waren solche in seinem Alter. Für ihn war es ein Jahr der Erfüllung gewesen, es kam ihm entgegen, dass Yasmin keine feste Bindung wollte. Bis gestern, als sie ihm erklärte, sie verlasse ihn für einen Mann, der ihren Idealen voll entspreche. Zum Abschied gab sie ihm nicht Mal einen Kuss, sondern drückte ihm nur nüchtern die Hand.

Ob er Irene ihren Fehltritt je verzeihen könnte? Es verletzte ihn, dass sie ihm dies antun konnte.

 

Hallo Anakreon,

ich habe deine Geschichte gelesen, dann geschaut, was du noch geschrieben hast und bei dem Überfliegen dieser anderen Geschichten bzw. den Kommentaren mitbekommen, dass du mit detaillierter Kritik nichts anzufangen weißt bzw. nicht darauf eingehst. Daher werde ich mir die Mühe an dieser Stelle sparen.

Kommen wir also gleich zu meiner allgemeinen Empfindung. Stil und Sprache ist sicherlich zum Teil Geschmackssache. Mir liegt in diesem Fall deine Sprache nicht. Ich finde sie - gerade für solch ein emotionales Thema wie einen Seitensprung - zu umständlich, zu distanziert. Ich nehme deinem Protagonisten seine Aufgewühltheit nicht ab. Vermutlich auch deshalb nicht, weil er den Leser mit Dingen betraut, die für die Geschichte nicht wichtig sind, wie der Gesangsunterricht und die Modulationsfähigkeit der Stimme.

Dass dein Protagonist letztendlich selber ständig fremdgeht wirkt dann zum guten Schluss auch noch recht konstruiert.

Kurz und gut: Hat mir nicht wirklich gefallen.

Gruß
Blue

 

Hallo BlueSoul

Es ist korrekt, dass ich Kritiken eher kritisch-differenziert begegne. Nicht ablehnend, aber sehr wohl der Subjektivität des Kritikers bewusst. Bei der Literaturkritik denke ich, dass es eine der anspruchsvollsten Aufgaben und zugleich anmassend ist. Wer ist dem gewachsen? Es entzieht sich meinem Urteil.

Ich bedaure, wenn meine Erzählung Deine Empfindung verletzte. Als ich Deine Artikulationen las, fragte ich mich, wieso Du Dir die Mühe machtest dies mitzuteilen. So isoliert wirkte es wie eine persönliche Verletzung, an der meine Erzählung indirekt kratzte. Ich habe Deine Zeilen heute nochmals aus zeitlicher Distanz gelesen und dann die Geschichte von Dir gesehen, die Du neu einbrachtest. Wenn mein analytisches Verständnis mich hierbei nicht im Stich lässt, denke ich nun Deine Motive annähernd verstehen zu können.

Deine Meinung akzeptiere ich, als Deine Sicht. Ich selbst sehe zwischen den Zeilen so manches, das unausgesprochen die Tiefe gibt.

Gruss
Anakreon

 

Hallo Anakreon,

selbstredend ist eine Kritik immer subjektiv, eine objektive kann es letztlich nur hinsichtlich Ortographie, Interpunktion und Grammatik geben.

Meine Empfindung verletzte deine Geschichte nicht und kratzte auch nicht an eigenen Erfahrungen. Sowie auch die von mir selber eingestellte Geschichte nichts autobiographisches hat bis auf die Tatsache, dass ich tanzen kann. ;-)

Ich selber freue mich über jede Kritik an einer meiner Geschichten und bin interessiert daran, wie sie beim Lesenden angekommen ist. Daher teilte ich dir mit, wie deine Geschichte in dieser Sprache bei mir angekommen bzw. eben leider nicht angekommen ist.

Aber würden alle Menschen auf die gleiche Art und Weise Dinge ausdrücken wärs auch langweilig, nicht wahr?

Viele Grüße
Blue

 

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