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Der Jahrmarkt
Seit einigen Jahren schon gibt es da diesen Trubel, achtzehn mal jährlich, mindestens! Ein junger Erwachsener, Henry, stand erneut vor einer schwierigen Entscheidung. Er befand sich inmitten wilder, sich drehender Fahrgeschäfte und einem Geisterhaus, welches ihn schon nur beim Vorbeigehen in eine Art Schreckstarre fallen ließ. Außerdem schmerzte sein Magen, da er sehr viele Süßigkeiten verschlungen hatte.
Das Problem bei seiner Entscheidungsfindung? Henry ist nicht einfach gestrickt, nicht rational veranlagt. Schon immer gab es da diese Flut an Gedanken, eine Macht an sowohl positiven als auch negativen Gefühlen. Wenn diese mächtige Flut unter Henrys Schädeldecke wütete, war es wieder höchste Zeit für den Jahrmarkt.
Eigentlich liebt er Jahrmärkte, Freizeitparks sind ebenfalls eine große Leidenschaft. Wenn sich allerdings alles in einem einzigen Individuum abspielt, es kein riesiges Universum gibt, in welchem sich sämtliche Aktivitäten entfalten können, löst dies einen enormen Druck gegen die Wände innerhalb einer mit Haut überzogenen menschlichen Kreatur aus. Auch die Haut, als größtes menschliches und atmendes Organ, kann diesen Ballast nicht einfach ausstoßen. Henrys Körper war Stellplatz für einen mächtigen Jahrmarkt geworden!
Seine Gedanken nahmen die Form wilder Fahrgeschäfte an, das Geisterhaus verlieh ihm diese unglaubliche Angst, welche ihn auf der Stelle treten ließ und die vielen Süßigkeiten blockierten seinen Bauchinstinkt.
Henry beschloss, diesem Treiben ein Ende zu setzen und plante den schrittweisen Abbau des Jahrmarktes. Fest entschlossen nahm er sich das Geisterhaus, welches ihm die größten Sorgen bereitete, als erstes vor. Er wollte seine Angst loswerden, die ihm den Atem entzog und feststecken ließ wie ein Modellschiff in einer Flasche. Die Sehnsucht nach dem Voranschreiten seines Weges war mit seinem Entschluss so mächtig geworden, dass er einen unbändigen Willen entwickelte und sich dieser Herausforderung mit Bravour stellte. Mutig beseitige er diese erste Wegblockade.
Als nächstes ging es den Fahrgeschäften an den Kragen. Er erteilte ihnen klare Fahrzeiten und schloss Sonderfahrten jeglicher Art aus. Das ermöglichte ihm einen klaren und übersichtlichen Blick auf das Geschehen. Nach seiner Begutachtung wurden alle Fahrgeschäfte, mit Ausnahme von einem, mit sofortiger Wirkung vom Stellplatz entfernt. Er hatte seine Gedanken sortiert und war in der Lage, sich jeder Angelegenheit einzeln zu widmen.
Ermöglicht wurde ihm das durch das Riesenrad. Henry hatte all seine Gedanken freundlich als Gäste begrüßt und jeden einzeln in eine Gondel gesetzt. Sobald ein Gedanke im Ein- und Ausstiegsbereich ankam, bewerte Henry ihn und entschied, ob sein Fahrticket noch von längerer Dauer oder abgelaufen ist. Einigen gab er sogar ein Dauerticket, was nach einigen Tagen dazu führte, dass das Riesenrad in einem hellen glänzenden Licht erstrahlte, voller fröhlicher Fahrgäste. Henry war mit seinem Jahrmarkt nun vollkommen zufrieden und das mulmige Gefühl in seinem Magen wich einer wohligen Wärme.