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Der Inhalt einer Box
Der Kasten besteht aus Metall und hat in etwa die Größe eines gewöhnlichen Schuhkartons. Der Deckel ist mit einer luftdicht abschließenden Silikondichtung versehen.
Es befinden sich folgende Dinge darin:
Ein Foto einer Familie, zu sehen ist ein junger Mann in der Uniform der Luftwaffe, eine Frau im selben Alter, sie trägt Jeans und ein rotes T-Shirt und hält einen Säugling auf dem Arm, und ein weißblonder Junge von etwa zwei Jahren.
Acht kleine Tonbandkassetten, wie sie in altertümlichen Diktiergeräten verwendet werden, liegen darunter. Jemand hat sie mit schwarzem Filzstift beschriftet. "Verhör Mj. A. T. #1" bis "Verhör Mj. A. T. #18" steht darauf.
In einem Nylonetui stecken fünf Speichermedien. Sie enthalten Filme.
Das Bild rauscht stark und wurde offenbar schon während der Aufzeichnung stark komprimiert: Immer wieder tauchen grellfarbige Klötze auf, so dass man sich kaum sicher sein kann, was Bestandteil der Szenerie und was nur ein Kompressionsartefakt ist. Zuweilen blitzt es blendend auf, wenn die Kamera einen neuen Weißabgleich versucht.
Schließlich stabilisiert sich die Aufnahme.
Ein Cockpit ist zu sehen, zwei große, quadratische Monitore, die Fluglage und Position symbolisch anzeigen, mehrere bunt beleuchtete kleinere Anzeigen, Knöpfe und Skalen. Dunkel im Vordergrund zwei bizarr aufgebläht wirkende Köpfe. Ah, Pilotenhelme.
Einer der anwesenden Schlipsträger im Vorführraum nickt. "Eurofighter", sagt er.
Der Film hat auch eine Tonspur, allerdings ist über dem statischen Rauschen kaum etwas von den Funksprüchen der Männer zu hören, nur ruhige Routine spricht aus ihrem Tonfall.
Durch die Fenster des Jägers sieht man nur Schwärze, so schwarz, dass die Kamera diese Leere mit Rauschen füllt, Quanteneffekte, in denen man Schemen, Schlieren, Gesichter zu sehen meint.
Eine grüne Einblendung zeigt die Zeit, zwei Uhr Morgens nach einer unbestimmten Ortszeit.
Dann wird die Nacht hell.
Erneut sieht man nichts mehr, bis die Kamera den Weißabgleich schafft. In dieser Sekunde überschlagen sich die Stimmen der Männer. Die verzerrte Aufnahme wandelt sie in ein Heulen, ein angsterfülltes, kratzendes, taumelndes Geräusch.
Das Bild kehrt zurück aus der ungeformten Helle, dann fällt die Kamera aus.
Im Dunkel des Vorführraums lacht jemand unsicher, ein anderer tastet nach der Fernbedienung, findet sie und spult den Film zurück zu jenem Sekundenbruchteil, bevor die Aufzeichnung endet.
Ein Standbild.
Das Cockpit gleißend erleuchtet, die Kanten der Instrumente und die Fensterstreben überstrahlt. Der Himmel noch immer schwarz. Inmitten der Schwärze ein unbegreifliches, zigarrenförmiges Licht, wie eine eiförmige, blaue Sonne.
Niemand im Raum spricht.
Die Qualität des zweiten Films ist besser.
Der junge Offizier - nun in zivil - sitzt in einem Garten, vor einem gedeckten Tisch. Die Kamera fährt auf ihn zu, offenbar trägt sie jemand. Der Filmende spricht den Offizier an, doch es gibt keinen Ton. Er hebt den Kopf, winkt und lächelt schwach, erschöpft, teilnamslos.
Der blonde Junge läuft ins Bild und winkt begeistert. Die Kamera wird auf dem Tisch abgelegt und man erkennt, wie die Mutter den Jungen in die Arme schließt.
Das Baby sitzt in einem Laufstall.
Der Mann lächelt. Er lächelt wie durch Glas, als wäre da eine dicke Panzerglasscheibe zwischen ihm und seiner Familie.
Der dritte Film wurde ebenfalls mit der Kamera der Familie aufgezeichnet. Doch diesmal rauscht das Bild wieder stark, denn es ist ebenso dunkel wie zuvor im Cockpit.
Die Kamera fährt durch einen Flur, erreicht ein Zimmer. Blasses Mondlicht erleuchtet es. In einer Ecke steht ein vergittertes Kinderbett.
Die Kamera zittert stark und schwenkt zur Raummitte.
Ein Lichtpunkt strahlt dort, hell und scharf wie eine Nadel aus Photonen. Der Lichtpunkt schwebt unbeweglich inmitten der Luft des Zimmers. Er tut nichts als absolute Helligkeit aus dem Raum zu schneiden.
Nach Minuten erlischt der Punkt abrupt, dann endet auch die Aufzeichnung.
Der vierte Film beginnt wie der dritte. Ein Gang über den Flur, doch diesmal in ein anderes Zimmer.
Es ist ebenfalls ein Kinderzimmer, Spielzeuge liegen auf dem Boden: Modellautos, vor allem Flugzeuge, Bausteine. Das Bett scheint leer.
Diese Nacht ist dunkler, kein Mond scheint diesmal.
Am Ende des Zimmers, unter dem dunklen Fenster, liegt etwas wie eine Decke auf dem Boden. Ein gestrecktes, dunkles, hügelartiges Ding von etwa einem Meter Länge. Es scheint amorph, und es ist schwer zu entscheiden, ob es sich leicht bewegt, oder dies nur so scheint, weil die Kamera nun immer stärker zittert.
Der Film läuft noch zwei Minuten weiter, in denen nichts weiter geschieht. Das Ding liegt nach wie vor auf dem Parkett.
Schließlich fährt es ein Pseudopodium aus. Daraufhin zittert die Kamera so stark, dass sie zu Boden fällt. Das Bild kippt zur Seite, doch nach wie vor ist das Objekt zur Hälfte zu erkennen. Das Pseudopodium hat am Ende die Form einer sehr kleinen, aber unverkennbar menschlichen Hand.
Der letzte Film zeigt Major T. in einem blassgrün gestrichenen Raum. Er ist leer, abgesehen von einem Tisch, darauf ein Mikrofon. T. sitzt auf einem Stuhl davor.
Ab und zu sind unten am Bildrand Hände zu sehen. Anscheinend sitzt auf der anderen Seite des Tischs noch jemand, über dessen Schulter die Kamera filmt.
T. sagt nichts, aber sein Atem ist unruhig und durch das Mikrofon deutlich zu hören.
Der unsichtbare Befrager bietet ihm Wasser in einer Plastikflasche an, aber T. ignoriert die Flasche, scheint nicht einmal sein Gegenüber wahrzunehmen. Er starrt unfokussiert ins Leere.
Mehrere Minuten - erkennbar an einer Zeiteinblendung in der Ecke des Bildes - verstreichen, während T. leicht mit dem Oberkörper vor und zurück wippt und unvermidert hyperventiliert.
Schließlich schiebt der Befrager ein Blatt Papier in T.s Sichtfeld auf den Tisch. Es dauert einen Moment, bis T. das Blatt fokussiert. Sofort beginnt er zu schreien, mit jenem tierhaft angstvollen Ton, der auch in der Cockpitaufnahme zu hören war. Er springt auf, stößt dabei Wasserflasche und Stuhl um, und presst sich gegen die hellgrüne Wand, wie ein Insekt, das einen Ausweg aus einem gläsernen Gefängnis sucht. Er krallt die Finger in den glatten Putz und schreit dabei weiter und weiter und weiter.
Der Befrager steht auf und tritt ins Sichtfeld der Kamera. Er ist ein Mann mittleren Alters mit schütterem Haar, in einem schmucklosen, weißen Kittel, augenscheinlich ein Arzt. Kommentarlos zeigt er das Blatt in die Kamera.
Eine Kinderzeichnung. Die mit rotem Wachsstift unbeholfen umrandete Kontur einer Kinderhand.
Im Keller, zwei Stockwerke unter dem Vorführraum, ein Stockwerk unter dem Befragungsraum gibt es eine Lagerhalle. Ihre Rückwand ist zehn Meter lang und wird komplett von einem Regal eingenommen. Das Regal ist mit Metallboxen gefüllt, jede etwa von der Größe eines Schuhkartons.