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- Anmerkungen zum Text
Dieser Text entstand im Rahmen eines literarischen Abends. Das Thema lautete „Schwarz und Weiß“. Weil ich mich in letzter Zeit eingehend mit dem Mittelalter und der Heldenepik beschäftigt hatte, fand ich schnell dieses Thema. Ich wollte einerseits einige klassische Elemente aufgreifen und gleichzeitig einen besonderen Twist inkludieren, was ich persönlich sehr mag. Für diese Version des Textes hatte ich überdies Lust bekommen, die Kampfszene etwas auszubauen. In der ursprünglichen Version war dieser Abschnitt nur etwa drei Sätze lang.
Der gute Siegmund und der Schatten
Einst lebte ein Ritter in strahlend weißer Rüstung. Schon zahlreiche Drachen waren durch seine Hand gefallen und auch an jenem Tag ritt er aus, um diese Liste zu verlängern. In der Morgensonne glänzte seine strahlend weiße Rüstung, und sein Schimmel galoppierte durch die karge Landschaft. Das Pferd wirbelte den feinen Staub der Steppe auf und in der Ferne erblickte der Ritter bereits den Turm der Prinzessin. Dort war das Untier zuletzt gesichtet geworden. Sein blondes, fast schneeweißes Haar, fiel auf die imposante Schulterpanzerung, als der Krieger vom Ross stieg. Von Mut und Tatendrang erfüllt, zog er sein Schwert und erhob es, allzeit zum Kampfe bereit. Die Klinge erstrahlte im gleißenden Schein der Sonne.
Da verfinsterte sich plötzlich der Himmel und ein gewaltiger Schatten flog über sein Haupt hinweg. Der mächtige Drache landete vor dem Turm und erfüllte die Luft mit seinem ohrenbetäubenden Gebrüll. Die pechschwarzen Schuppen funkelten bedrohlich und der weiße Ritter stürmte in den Kampf. Der erste Schlag ging ins Leere. Der Drache zog seine Krallen zurück, als der Ritter mit beiden Händen einen horizontalen Hieb ausführte. Mit einem Streich seiner Schwanzspitze wollte er den Recken zu Fall bringen, doch dieser parierte den Angriff mit seinem rechten Unterarm. Die glänzende Armschiene fing den Großteil des Schadens ab, doch der Ritter geriet ins Wanken. Gerade noch rechtzeitig konnte er sich unter der herannahenden Klaue hinwegrollen und mit einem geschickten Schlag traf er die Bestie an der Brust. Der Treffer hatte jedoch weniger Wirkung gezeigt, als er erwartet hatte. Die Schuppen des Drachen waren so hart, dass seine Klinge zitterte. Schnell wich der Ritter zurück und nahm erneut eine Kampfhaltung ein. Die glühend roten Augen des Monsters fixierten ihn und die Luft um sie herum brannte. Ein Vorzeichen dessen, was als Nächstes geschah. Dem Ritter schoss plötzlich ein Meer aus tanzenden Flammen entgegen. Blitzschnell bedeckte er sein Gesicht mit den Unterarmen. Seine Rüstung war feuerresistent, doch er fühlte sich, als würde er im Ofen eines Bäckermeisters liegen. Im letzten Moment duckte er sich zur Seite, denn der Drache wartete nicht mit seinem nächsten Angriff. Die gigantischen Krallen zermalmten den Felsen, auf dem er gerade noch gestanden hatte mit Leichtigkeit. Der Ritter nutzte die Staubwolke und schlich sich von der anderen Seite an das Monstrum heran. Er holte aus und erneut schlitzte seine Klinge über die Brust des Drachen. Wieder nur ein Kratzer. Es schien aussichtslos, doch beide Kontrahenten waren zu allem bereit und schenkten sich nichts.
Ihr Duell war lang. Einige Stunden lang hieben sie immer wieder aufeinander ein. Doch dann wurde der weiße Ritter im Gesicht getroffen. Die schwarze Klaue zerfetzte ihm das linke Auge. Angetrieben vom Schmerz, sprang der Ritter dem Drachen entgegen. Ein letztes Mal legte er all seine Kraft in einen präzisen Angriff. Seine Klinge rammte er in den Kreuzungspunkt der zwei oberflächlichen Schnitte auf der Brust des Drachen. Bis zur Parierstange versank das Schwert im Körper des Ungetüms. Ein gellender Schrei voller Schmerz zerriss die Luft und der Ritter zog die Klinge heraus. Ein heißer Strom färbte den weißen Ritter blutrot. Er hatte es vollbracht.
„Nein! Mein armer Siegmund!“, schallte die Stimme der Prinzessin vom Turm herab. Der weiße Ritter hatte ihr Haustier getötet. Siegmund, den letzten seiner Art. Das Herz schnitt der Ritter vorsichtig heraus und verstaute es in seiner Satteltasche. Zusammen mit den anderen Drachenherzen würde er nicht nur einen Trank brauen, welcher ihn unverwundbar machen würde, nein, mit dem gigantischen Körper vor ihm hatte er endlich genug Material zusammen, um auch die letzten Soldaten seiner Armee mit Drachenpanzern auszustatten. Einer Rüstung, die jeglichem Stahl überlegen war. Dies würde ihm die mächtigste Armee der Welt bescheren und schon bald würde er losziehen, um das gesamte Königreich zu unterwerfen. Der blutrote Ritter warf einen langen Schatten, als er der tiefstehenden Sonne entgegenritt.