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Der Gummibaum

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10.09.2016
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Der Gummibaum

Die Küche war ein Durchgangszimmer für mich. Meine Mutter saß dort und beobachtete alles. Wenn ich zur Tür hereinkam, schaute sie von den Buchstaben auf ihren Blättern auf, wie zufällig, und lächelte, aber eigentlich wusste sie schon, dass ich kam. Sie hatte spitze Ohren, meinte mein Vater. Natürlich liebte er sie dafür, wie für alles andere auch.

In meinem Zimmer stand ein Gummibaum. Der sah aus, als wäre er aus Wachs. Wenn ich lange genug zwischen den Blättern hindurchsah, konnte ich mir vorstellen, die ganze Welt wäre so: Von einer feinen Schicht Wachs überzogen. Da wäre ich gerne herumlaufen; alles hätte geschlafen, außer mir.

Meinem Vater ging es ähnlich. Er erzählte mir, wie sehr er es liebte zwischen den Stunden im Lehrerzimmer Kaffee zu trinken. Wenn der Kaffee seinen Kopf erreiche, dann werde ihm so manches ganz plötzlich klar. Für einen Augenblick bloß. Die Schüler mochten ihn, aber ein bisschen komisch fanden sie ihn auch.

Arno war fünfzehn, als mein Vater beschloss, dass es gut wäre, wenn sie mehr miteinander unternähmen. Wie Vater und Sohn eben. Sie gingen ins dunkle Zimmer meines Bruders und mein Vater ließ sich erklären, wie man ein Radio reparierte oder eine Trillerpfeife. Wenn es dann nichts weiter zu sagen gab, saßen sie einfach miteinander herum und schauten die Decke an, oder mein Vater trank ein Bier, und irgendwann sagte er: „Ich finde gut, was du machst.“

Mich ließen meine Eltern in Ruhe. Sie sagten, dass es keinen Sinn mache, mich zu überfordern. Dass ich nun einmal aus einem anderen Holz wäre. In meiner frühesten Kindheit hatte ich einen Alptraum gehabt und der verfolgte mich wie eine böse Krankheit. Ich konnte nicht unter Leute gehen. Ich bekam Angst und schrie, bis meine Eltern mich in mein Zimmer zurückbrachten. Morgens nahm mein Vater mich zur Schule mit. Ich hielt es aus. Aber meine Mutter musste mich pünktlich abholen, wenn die letzte Stunde vorüber war. Sie schenkte mir den Gummibaum. Der beruhigte mich. Ich dachte mir die Welt weich wie seine wächsernen Blätter.

An Sonntagen machte ich Ausflüge in die Speisekammer. Dort roch es nach Früchten. Meine Mutter hatte Zeit, alles zu konservieren, was ihr unter die Finger kam. Diese Ausflüge bedeuteten vor allem, dass ich an ihr vorbei musste. Leise schlich ich durch den Flur, versuchte das Knarzen der Dielen zu vermeiden. Ich wusste, auf welche ich nicht treten durfte. Einmal gelang es mir, unbemerkt am Küchentisch vorbeizukommen. Doch all die anderen Male erwischte meine Mutter mich und lächelte nur freundlich.

Meistens brachte ich eine Flasche Apfelsaft von meinen Ausflügen zurück. Ich schüttelte sie und sah zu, wie die Saftflocken langsam aufstiegen und wieder zu Boden sanken. Das war wie der Gummibaum in klein. Wenn man länger hinsah, sah man viel mehr, als da war. Dann sah man das brennende Haus meines Opas, von dem mein Bruder und ich von Tante Katha erfahren hatten. Manchmal sah ich auch meine Mutter, aber dann sah ich sie nur am Tisch sitzen und lächeln. Die Saftflocken kannten viele Geheimnisse, aber manche kannten sie eben nicht.

Als er noch klein war, schenkte meine Mutter Arno eine Schnecke. Sie hielt sie in der hohlen Hand. Als sie die Finger langsam auffaltete, begann Arno zu schreien, dann wurde er ohnmächtig. Zwar verstand ich nie, warum er solche Angst vor Schnecken hatte, aber ich begriff, dass meine Mutter das grausame Talent besaß, die tiefsten Ängste eines Menschen zu erkennen, und vielleicht sogar mehr als das.

Wenn mein Vater nach Hause kam, in die Küche, dann wartete sie schon auf ihn. Sie nahm ihn in den Arm, wie ein Kind, streichelte ihn und sagte, dass er ihr starker Mann sei.

Arno aber ließ sich nicht trösten. Er hatte sie durchschaut. Eine Zeit lang konnte mein Vater ihn noch bei uns halten. Selbst als er die Schule abbrach, um Gärtner zu werden. Von da an verbrachte er viel Zeit in dem kleinen Schuppen, den ihm die Stadtverwaltung zugestanden hatte. Einmal besuchte ich ihn dort und als ich ihn fragte, warum die Fenster so sehr beschlagen seien, antwortete er, dass das immer so wäre, und er das auch zu schätzen wüsste.

Irgendwann verschwand er dann. Mein Vater ließ nach ihm suchen, aber er war aus allen Registern gestrichen. Manchmal glaube ich ihn zu sehen, dann trägt er einen dunklen Bart und einen breiten Hut, aber wahrscheinlich ist er es gar nicht. Kurz nachdem er das Haus verlassen hatte, begann die Schwermut meines Vaters. Meine Mutter hielt ihn nun sehr oft im Arm, aber es war, als würde er ihr zwischen den Fingern zerrinnen, und da verstand ich, dass es mir genauso ergehen würde, wenn ich weiter nur den Gummibaum anstarrte. Ich begriff das der Gummibaum mein Gefängnis war und er war so riesig geworden in all den Jahren. Es dauerte Stunden, bis ich seine vielen wächsernen Blätter zerschnitten hatte.

Als ich damit fertig war, ging ich in die Küche. Meine Mutter lächelte, aber sie wusste, dass auch ich sie durchschaut hatte. Es genügte, dass ich sie darauf ansprach. Zuerst versuchte sie sich herauszureden, aber je mehr ich sie auf sie selbst aufmerksam machte, desto mehr konnte ich spüren, wie ihre Macht schwand. Am Ende flehte sie mich an, ich solle aufhören, und als ich das nicht tat, stieß sie mich einfach zur Seite und rannte davon.

 

Hallo Carlo

Ich habe mich sehr gefreut, wieder mal was von dir zu lesen.
Dieser fragile Text erträgt rein gar nichts, keine Unsauberkeit, keinen Holperer. Da schaue ich genauer hin, als ich das normalerweise tun würde. Nimm, was dir einleuchtet, womöglich schieße ich da und dort übers Ziel hinaus.

Wenn man zur Tür hereinkam, schaute sie von den Buchstaben auf ihren Blättern auf, wie zufällig, und lächelte, aber eigentlich wusste sie schon, dass man kam.

Das „auf“ – „auf“ liest sich unschön. „Man“ würde ich durch „Ich“ ersetzen. Nahe beim Erzähler bleiben!

Sie hatte spitze Ohren, meinte mein Vater mal.

Kann weg. Solche Wörter wie dieses „mal“ zerstören sehr schnell den Zauber.

Natürlich liebte er sie dafür, wie für alles andere auch.

Ja! Hier haben wir ein sehr schönes Beispiel für ein vermeintliches Füllwort („natürlich“), das in meinen Augen aber einiges leistet. Sehr schöner Satz!

In meinem Zimmer, da stand ein Gummibaum. Der sah aus, als wäre er aus Wachs.

Beim „da“ bin ich mir nicht sicher. Hat schon was, dieser rhythmische Zwischenhüpfer, lässt den Satz allerdings auch wie den Titel eines Schlagersongs klingen. Beim „Der“ bin ich mir deutlich sicherer in meiner Meinung, dass ein „er“ schlichter und besser wäre.

Meinem Vater ging es ähnlich. Er erzählte mir, wie sehr er es liebte im Lehrerzimmer zu sitzen zwischen den Stunden und Kaffee zu trinken.

Da ist die Syntax überstrapaziert. Kommas (oder Bindestriche) vor zwischen und nach Stunden. Oder einfach: „…wie sehr er es liebte, zwischen den Stunden im Lehrerzimmer zu sitzen und Kaffee trinken.“ Oder wenn du was Spezielles willst: „Wie sehr er es liebte, Kaffee zu trinken; im Lehrerzimmer, zwischen den Stunden.“

Wenn das Koffein seinen Kopf erreiche, dann würde ihm so manches ganz plötzlich klar werden.

Einfach: „…dann werde ihm so manches ganz plötzlich klar.“

Arno war ungefähr fünfzehn, als mein Vater beschloss, dass es gut sei, wenn sie mehr miteinander unternähmen.

Die Relativierung bringt hier m.E. nichts. Willst du die Erinnerung des Erzählers zum Thema machen? Dann würden sich andere Stellen besser eignen. Und besser: „… dass es gut wäre, wenn …“

Dann saßen sie im dunklen Zimmer meines Bruders und mein Vater ließ sich erklären, wie man ein kleines Radio reparierte oder eine Trillerpfeife.

Dieses „Dann“ gefällt mir nicht. Zunächst beschloss der Vater, es wäre besser … und dann saßen sie im Zimmer. Das passt nicht gut, finde ich.

Dann saßen sie im dunklen Zimmer meines Bruders und mein Vater ließ sich erklären, wie man ein kleines Radio reparierte oder eine Trillerpfeife.

Ist nichtssagend, kann weg.

Wenn es dann nichts weiter zu sagen gab, saßen sie einfach miteinander herum und schauten die Decke an, oder mein Vater trank ein Bier, und irgendwann sagte er dann:

Schon wieder „dann“ und „saßen“ und dann noch ein „dann“.

Das ich nun einmal aus einem anderen Holz wäre.

Dass

Der beruhigte mich dann.

Du weißt schon.

. Diese Ausflüge bedeuteten aber vor allem, dass ich an

Kann m.E. weg.

Doch all die anderen Male erwischte Sibylle mich und lächelte nur freundlich

Ich würde hier konsequent bei „meine Mutter“ bleiben, auch später im Text.

Die Saftflocken kannten viele Geheimnisse, aber manche kannten sie eben nicht.

Sehr schön!

Zwar verstand ich nie, warum er solche Angst hatte vor Schnecken

Das wirkt auf mich etwas geradebrecht.

Zwar verstand ich nie, warum er solche Angst hatte vor Schnecken, aber ich begriff, dass meine Mutter das sonderbare Talent besaß, die tiefsten Ängste eines Menschen zu erkennen, vielleicht sogar mehr als das.

Du bist hier am tiefsten und dunkelsten Punkt deines Textes angelangt. Da will mir die etwas gestelzte Formulierung nicht so recht gefallen. Mach das direkter, wäre mein Rat.

Er zeigte auf einen kleinen Tropfen Kondenswasser, der mit einem Mal über das gesamte Glas hinunter rann. „Wenn du lange hinschaust, dann verstehst du, was ich meine“, sagte er, aber ich verstand ihn augenblicklich.

Das ist so eine Stelle, wo ich mich gefragt habe, ob das jetzt nicht over the top ist. Gummibaum, Flocken im Saft, Schnecken, all diese symbolhaft aufgeladenen, kleinen Dinge – und jetzt noch die Regentropfen, um die ganz bewusst und explizit ein Geheimnis gemacht wird. Ich kann mir vorstellen, dass du damit für einige Leser hart an der Grenze oder drüber bist.

Meine Mutter hielt ihn nun sehr oft im Arm, aber es war, als würde er ihr zwischen den Fingern zerrinnen, und da verstand ich, dass es mir genau so ergehen würde, wenn ich weiter nur den Gummibaum anstarrte. Ich begriff das der Gummibaum mein Gefängnis war und er war so riesig geworden in all den Jahren. Es dauerte Stunden, bis ich seine vielen wächsernen Blätter zerschnitten hatte.

Jetzt beginnst du doch noch zu erklären. Ich würde zumindest den fettmarkierten Satz weglassen. Den aber unbedingt.

Meine Mutter lächelte nur

Hier passt das „nur“ für meine Begriffe nicht so gut.

. Meine Mutter lächelte nur, aber sie wusste, das auch ich sie durchschaut hatte.

dass

Am Ende betete sie, ich solle aufhören, und als ich das nicht tat, stieß sie mich einfach zur Seite und rannte davon.

Würde ich streichen.

Ich bin mir noch nicht ganz sicher, was ich vom Text halten soll. Etwas in mir gibt mir zu verstehen, dass es sich um einen großartigen Text handelt. Ich habe ihn gleich zweimal gelesen, ohne Pause, habe den Raum ertastet, den er mir eröffnet. Die Mutter, die lächelt, die tiefsten Ängste der Menschen kennt, und ihren Sohn zu Tode erschreckt, eine unnahbare Übermutter, die zu allem fähig ist, im Guten wie im Schlechten. Überhaupt diese seltsam unheimliche Familie, die wirken alle, als hätte man sie mit Watte umwickelt, die alles dämpft, auch den – mindestens - introvertierten Erzähler, der nur sehr fragmentiert erzählen kann, von kleinen Dingen spricht, die Geheimnisse bergen. Ja, das hat mich schon fasziniert. Vor allem das fragmentierte Erzählen. Du schaffst es, einen speziellen Klang zu erzeugen, eine eigenartige Stimmung, und das ist wirklich toll.

Wenn ich dann aber das Kritikerhirn einschalte, dann überlege ich mir, ob man da nicht etwas zurückfahren müsste mit Zauber und erzählerischem Puderzucker, hier ein Regentropfen, da das Zerschnipseln des Gummibaums, dort die Flocken im Apfelsaft. Die wunderbare Welt des Carlo Zwei halt.

Und als zweites überlege ich mir, was der Text auf der Plotebene zu bieten hat. Was wird mir erzählt? Die Geschichte einer Befreiung, aber auch die Geschichte eines Opfers. Fast will es mir scheinen, dass der "Untergang" des Bruders notwendig war, damit der Erzähler zu seiner Erkenntnis / seiner Befreiiung gelangen konnte. Das wird m.E. wenig ausgearbeitet, auch das Verhältnis zum Vater. Nicht, dass du da noch Erklärungen liefern solltest, aber vielleicht noch etwas mehr Material, das Konflikte andeutet, diese Befreiung am Ende, die läuft so glatt, so einfach ab. Da fehlen mir die Widerhaken im Text. Gibt es Reue? Gibt es Schuld? Da würde ich gerne tiefer tauchen.

Aber weißt du was, lieber Carlo? Scheiß auf das Kritikerhirn. Der Text hat mich angesprochen. Ich find ihn gut. Wirklich gut.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 
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Hej Carlo Zwei,

mir hat der Text gefallen, aber richtig satt geworden bin ich nicht. Mir fehlen Dialoge und ich kann mir nicht vorstellen, dass Du da nicht welche hättest einbauen können, ansatzweise gibt es die ja. Warum könnte nicht der Vater ein Gespräch anzufangen versuchen, wenn er dem Sohn beim Trillerpfeife reparieren zuschaut, warum kann die Mutter nicht freundlich fragen, was der andere Sohn aus der Speisekammer geholt hat und ihm dann im Nachhinein erlauben, es sich zu nehmen? Du könntest viel genauer zeigen, wie die einzelnen Figuren ticken.

Die Küche war ein Durchgangszimmer für mich
Verstehe ich nicht richtig, ist es nur für ihn ein Durchgangszimmer?

Sie hatte spitze Ohren, meinte mein Vater mal. Natürlich liebte er sie dafür, wie für alles andere auch.
Würd ich rausschmeißen, offensichtlich gilt das dauerhaft.

In meinem Zimmer, da stand ein Gummibaum. Der sah aus, als wäre er aus Wachs.
Klingt in einen Ohren zurechtgehauen, ich würd das flüssiger formulieren.

alles hätte geschlafen, außer mir.
Den Sprung von Wachsüberzug auf Blättern zu Schlaf finde ich zu groß. Eine wächserne Welt ohne Erklärung hätte ich Dir abgenommen, das hätte einen milchigen Glanz über alles gelegt, weichgezeichnet und hätte für eine Taubheit, eine Milderung jeglicher Schärfe o.ä. stehen können.

aber ein bisschen komisch fanden sie ihn auch.
ob es diese Erklärung braucht?

Mich behandelten unsere Eltern vorsichtiger.
Ich kann in dem Verhalten des Vaters nichts unvorsichtiges finden. Ich finde ihn schon behutsam.

wenn die letzte Stunde vorüber ging
vorüber war.
Es geht um den Zeitpunkt, zu dem er abgeholt wird. Sonst betonst du, dass die letzte Stunde vorüber ging, dass schlicht und einfach Zeit vergangen ist und das hat weder eine Dringlichkeit noch ist es besonders erwähnenswert, weil es ja ständig passiert.

Sie schenkte mir den Gummibaum.
Würde gut weiter vorn im Text passen. Er bekam ihn nicht jedes Mal nach der letzten Stunde geschenkt. Schön finde ich aber den Gedanken, dass der Gummibaum sich als Geschenk täglich erneuert, dazu müsstest Du dann aber noch mehr über dieses Versinken in der Welt zwischen den Blättern erzählen.

An Sonntagen
Also den ganzen Sonntag über?

Doch all die anderen Male erwischte Sibylle mich
Warum wird sie hier aus ihrer Mutter-Rolle geschubst? Für den Erzähler war sie vorher nicht Sybille, wozu jetzt? Es ist ohnehin deutlich, dass da etwas anderes mitschwingt als nur harmonisches Mutter-Kind-Verhältnis.

Dann sah man das brennende Haus meines Opas, von dem mein Bruder und ich von Tante Katha erfahren hatten.
Und der Vater und die Mutter hatten es von niemandem und bis heute nicht erfahren? Und ist Tante Katha die Schwester von dem Vater oder der Mutter?
Was ich sagen will: Wozu die Information, wenn so unvollständig. Es ist toll, wenn Fragen und Stimmungen auftauchen, ohne dass alle ausdrücklich erklärt werden, aber wenn es zu kryptisch bleibt, wirkt das wie eine bloße Notiz, die versehentlich im Text gelandet ist.

vielleicht sogar mehr als das
"mehr als das" kann alles mögliche bedeuten. Es kann bedeuten, dass sie sie auch hervorrufen kann, es kann bedeuten, dass sie sie wie Jonglierbälle in der Luft herumwerfen und dann einem anderen unterjubeln kann. Weil diese Annahme so vage bleibt, hat sie keine Bedeutung und wird dadurch als Info sinnlos.

Mein Vater ließ nach ihm suchen, aber er war aus allen Registern gestrichen.
Diesen Satz mag ich, weil er übertrieben, und nach Tinte und Lineal und damit komplett unwahrscheinlich klingt, und ich ihn trotzdem für wahr halte, innerhalb der Geschichte.

Ich begriff das der Gummibaum mein Gefängnis war, und er

Es genügte, dass ich sie darauf ansprach.
Die letzte Gelegenheit für einen Dialog!

auf sie selbst aufmerksam machte
auf sich selbst?

Am Ende betete sie
Du meinst "bat sie"?
Man bittet um etwas, man betet für etwas oder zu etwas.
Man kann etwas anbeten, aber wie betet die Mutter ihren Sohn, etwas zu lassen?

Gern gelesen.

Gruß
Ane

 

Hi Carlo Zwei,

es gibt hier so ein paar (gar nicht so wenige) Leute, bei denen ich gleich aufhorche, wenn sie einen neuen Text einstellen, und da gehörst du dazu. Ob ich allerdings eine von deinen Geschichten schon physisch und nicht nur in Gedanken kommentiert habe, weiß ich gerade gar nicht.

Ich fasse mich kurz (hoffe ich): Das ist, wie erwartet, eine Geschichte, die für mich heraussticht, und das ohne Abstriche im guten Sinn. Als einer, der auch gerne in die Symbol- und Rätselkiste greift, war mir das nicht zu dick aufgetragen.

Ein paar klitzekleine Einzelbeoachtungen sollst du auch bekommen:

Die Küche war ein Durchgangszimmer für mich.
Ich bin kein Erster-Satz-Fetischist, aber dieser hier gefällt mir jetzt beim zweiten Lesen doch nicht so. So oder so wird der Junge hin und wieder mal in die Küche kommen, auch wenn sie kein Durchgangszimmer wäre. Die Info erscheint mir also überflüssig. Und mit einem überflüssigen Schnörkel zu beginnen - das muss ja nicht unbedingt sein.

Der sah aus, als wäre er aus Wachs.
Ich hätte gedacht: Wie aus Gummi ... Ich verstehe schon, der sieht ja wirklich so aus. Aber Gummi und Wachs so dicht aufeinander - wär doch schön, du kämest darum herum.

An Sonntagen machte ich Ausflüge in die Speisekammer.
"Ausflüge" gefällt mir nicht so. Den ironischen Anklang an Sonntagsausflüge, die demnach nicht stattfinden, kann ich zwar im Grunde goutieren, aber für diese Geschichte ist mir das letztlich zu sehr mit dem Auge gezwinkert.

Die Saftflocken kannten viele Geheimnisse, aber manche kannten sie eben nicht.
Find ich auch sehr hübsch.

Als er noch klein war, schenkte Sibylle Arno eine Schnecke.
Merkwürdig, aber ich find's gut.
Das dagegen
dann wurde er ohnmächtig.
ist sogar mir zu stark.

Zwar verstand ich nie, warum er solche Angst hatte vor Schnecken, aber
Könnte evtl. weg?
vielleicht sogar mehr als das
Auch weg?

Eine Zeit lang konnte mein Vater ihn noch bei uns halten.
Auch streichen, würd ich sagen, dies mal aus meiner Sicht ohne Fragezeichen. Den Anschluss müsstest du etwas umbauen, ist aber kein Aufwand.

Manchmal glaube ich ihn zu sehen, dann trägt er einen dunklen Bart und einen breiten Hut, aber wahrscheinlich ist er es gar nicht.
Hier könnte ich Spaß daran haben, wenn das sogar noch dicker aufgetragen wäre: "Manchmal sehe ich ihn, dann trägt er usw., aber wahrscheinlich ist er es gar nicht."

Als ich damit fertig war
Solche Sätze, die den Ablauf benennen, lassen sich nicht immer vermeiden, bringen aber, finde ich, häufig die Gefahr, den Tagebuchaufsatz anklingen zu lassen. Hier finde ich das nicht so überdeutlich, aber es wäre doch vielleicht besser anders. Fehlen würde der Als-Nebensatz sicher nicht, wenn du einfach schriebest: "Ich ging in die Küche."

Naja, mittelkurz.
Bis zum nächsten Mal!

Besten Gruß
erdbeerschorsch

 

Lieber Carlo Zwei,

das ist eine Geschichte von Macht und Befreiung. Ich habe sie nun dreimal gelesen und allmählich beginnt sie, mir zu gefallen. Beim ersten Lesen hatte ich das Gefühl, dass da eine Idee ein wenig zu schnell umgesetzt worden ist. Das lag wohl nicht nur an einigen das-dass- Fehlern, die du freundlicherweise berichtigen könntest, sondern auch an der Reduziertheit der Aussagen. Ein bisschen ging es mir wie Ane: Mir fehlte an einigen Stellen etwas. Keine Dialoge zwar, aber hin und wieder ein wenig mehr Aussage, die das Angedeutete klarer, greifbarer machen würde. Ein wenig mehr von der Mutter, die alle in ihrem Bann zieht, alle wie eine Spinne in ihrem Netz gefangen hält und beobachtet, ein wenig mehr vom Vater, vom Bruder und auch vom Ich-Erzähler selbst. Alle drei suchen sich ihre Freiräume, stehlen sich weg von dieser alles sehenden, alles kontrollierenden, alles 'konservierenden' Mutter. Ihre Freundlichkeit (ihr Lächeln, das Geschenk des Gummibaums) ist ebenso verstörend wie ihre Grausamkeit (die Schnecke). Und auch ihre Liebe zerquetscht den Vater und gibt ihm keinen Ersatz für den Sohn, mit dem er sich für kurze Zeit aus ihrem Bann befreien konnte.

Du bleibst konsequent auf der Ebene der bruchstückhaften und deutenden Wahrnehmungen deines Protagonisten und lässt durch das Nur-Angedeutete viel Spielraum für das Ausfüllen dieser Leerstellen. Erst zum Schluss wirst du konkret, lässt deinen Protagonisten handeln. Er zerstört das Sinnbild der Macht, den Gummibaum.

Als ich damit fertig war, ging ich in die Küche. Meine Mutter lächelte nur, aber sie wusste, das auch ich sie durchschaut hatte. Es genügte, dass ich sie darauf ansprach. Zuerst versuchte sie sich herauszureden, aber je mehr ich sie auf sie selbst aufmerksam machte, desto mehr konnte ich spüren, wie ihre Macht schwand. Am Ende betete sie, ich solle aufhören, und als ich das nicht tat, stieß sie mich einfach zur Seite und rannte davon.
Und da zeigt die Mutter ihr wahres Gesicht: Zwar lächelt sie immer noch, aber sie zieht alle Register (redet sich raus, ruft Gott an), und entzieht sich feige der Konfrontation, als sie ihre Macht schwinden sieht.

So zumindest interpretiere ich deinen Text. Es wäre interessant zu erfahren, ob mein Verständnis deiner Intention nahe kommt oder ob ich völlig falsch liege. Denn das ist für mich am Ende die Frage, die bleibt: Gelingt es deiner äußerst reduzierten Darstellung, dem Leser deine Intention zu vermitteln, gelingt es ihr, ihm ein nachvollziehbares Bild dieser Familie und ihrer Problematik zu zeichnen? Nach dem dritten Lesen (und erst dann) glaube ich für mich diese Frage bejahen zu können. Aber leider erst dann und ohne sicher zu sein, dass ich deinen Text wirklich verstanden habe.

Liebe Grüße
barnhelm

 
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Lieber Peeperkorn,

ich weiß nicht recht, womit ich dein so treue Leserschaft verdient habe (soll heißen, dass ich mich sehr darüber freue!) :) ich werde mir nach den ausstehenden Antworten natürlich einen neuen Text von dir zu Gemüte führen. Der Kommentar hat diese ganz bestimmte Handschrift: verhaltene Begeisterung oder zumindest gesteigertes Interesse/Neugier und eine ernstzunehmende Kritik. Ich glaube, den würde ich auch ohne Namen zuordnen können ... genug der Bauchpinselei. Vorneweg: Ich habe die meisten deiner Hinweise im aktuellen Text berücksichtigt. Bei so einem "fragilen Text", wie du ihn genannt hast, bin ich froh, dass Meinungsbild so vieler, fähiger Leute dargestellt zu bekommen. Ich habe einmal einen ähnlichen Text geschrieben und nach ein paar (zu vielen) selbst vorgenommenen Korrekturen war der Text hin. So hat er zumindest eine Chance.

Das „auf“ – „auf“ liest sich unschön. „Man“ würde ich durch „Ich“ ersetzen. Nahe beim Erzähler bleiben!

Das musste ich erst einmal so lassen. Es ist mir einfach nichts eingefallen auf die Schnelle. Manchmal habe ich auch so einen Satz im Kopf, dass so etwas im Notfall legitim ist (schöne Ausrede).

Kann weg. Solche Wörter wie dieses „mal“ zerstören sehr schnell den Zauber.

findest du? Aber gerade das "mal" hat doch auch einen Anklang von Erinnerung(-slücken). Habe es jetzt aber trotzdem auf deinen und Anes Rat hin entfernt. Eher aber weil es einfach entbehrbar war.

Ja! Hier haben wir ein sehr schönes Beispiel für ein vermeintliches Füllwort („natürlich“), das in meinen Augen aber einiges leistet. Sehr schöner Satz!

würde es doch immer so aus dem Ärmel geschüttelt werden ... :((

Beim „da“ bin ich mir nicht sicher. Hat schon was, dieser rhythmische Zwischenhüpfer, lässt den Satz allerdings auch wie den Titel eines Schlagersongs klingen. Beim „Der“ bin ich mir deutlich sicherer in meiner Meinung, dass ein „er“ schlichter und besser wäre.

haha, musste lachen. Habe es etwas angepasst, aber versucht den Anklang von Kinderreim beizubehalten.

Da ist die Syntax überstrapaziert. Kommas (oder Bindestriche) vor zwischen und nach Stunden. Oder einfach: „…wie sehr er es liebte, zwischen den Stunden im Lehrerzimmer zu sitzen und Kaffee trinken.“ Oder wenn du was Spezielles willst: „Wie sehr er es liebte, Kaffee zu trinken; im Lehrerzimmer, zwischen den Stunden.“

war gar nicht so einfach ... habe es jetzt so gelöst: "Er erzählte mir, wie sehr er es liebte zwischen den Stunden im Lehrerzimmer Kaffee zu trinken." --> also auf das 'sitzen' verzichtet.


Einfach: „…dann werde ihm so manches ganz plötzlich klar.“

super! An dieser Stelle eine kleine Entschuldigung meinerseits. Ich bin ein bisschen aus der Routine gekommen, was man, denke ich, auch an der Masse an Füllwörtern und eben solchen Redundanzen merkt. Hoffe, dass ich es jetzt wieder öfters schaffe mit dem Schreiben.

Dieses „Dann“ gefällt mir nicht. Zunächst beschloss der Vater, es wäre besser … und dann saßen sie im Zimmer. Das passt nicht gut, finde ich.

so perfekt, wie fein deine Antennen sind :)

Ich würde hier konsequent bei „meine Mutter“ bleiben, auch später im Text.

war/bin mir noch nicht zu 100% sicher, auch wenn das Ane und andere Leser auch schon meinten. Die Nennung des Namens gibt ja auch irgendwie Authentizität.

Sehr schön!

scheint der "schönste" Satz der Story zu sein (wenn man deinem und dem Urteil anderer folgt). Auch hier: Wenn diese Sätze doch nur im Fließband produzierbar wären ... :( - vielleicht kann es ja auch nur ein paar solcher Sätze pro Story geben, hmmmmmm

Das wirkt auf mich etwas geradebrecht.

ein schönes, neues Wort :>

Du bist hier am tiefsten und dunkelsten Punkt deines Textes angelangt. Da will mir die etwas gestelzte Formulierung nicht so recht gefallen. Mach das direkter, wäre mein Rat.

danke

Das ist so eine Stelle, wo ich mich gefragt habe, ob das jetzt nicht over the top ist. Gummibaum, Flocken im Saft, Schnecken, all diese symbolhaft aufgeladenen, kleinen Dinge – und jetzt noch die Regentropfen, um die ganz bewusst und explizit ein Geheimnis gemacht wird. Ich kann mir vorstellen, dass du damit für einige Leser hart an der Grenze oder drüber bist.

ist mir derzeit noch zu groß, um da mit Korrektur anzusetzen.

Jetzt beginnst du doch noch zu erklären. Ich würde zumindest den fettmarkierten Satz weglassen. Den aber unbedingt.

ich denke darüber nach. Ich hatte den Eindruck, für manche Leser wäre er wichtig.

Ich bin mir noch nicht ganz sicher, was ich vom Text halten soll. Etwas in mir gibt mir zu verstehen, dass es sich um einen großartigen Text handelt.

bei so netten zwischensätzen tut die härteste kritik nicht weh (;

Ich habe ihn gleich zweimal gelesen, ohne Pause, habe den Raum ertastet, den er mir eröffnet.

danke, dass du dich mit ihm auseinandergesetzt hast!

Vor allem das fragmentierte Erzählen

hast du mir damit nochmal bewusst gemacht. Danke!

Du schaffst es, einen speziellen Klang zu erzeugen, eine eigenartige Stimmung, und das ist wirklich toll.

danke, das freut mich! Ich glaube, daran muss ich festhalten.

Wenn ich dann aber das Kritikerhirn einschalte, dann überlege ich mir, ob man da nicht etwas zurückfahren müsste mit Zauber und erzählerischem Puderzucker, hier ein Regentropfen, da das Zerschnipseln des Gummibaums, dort die Flocken im Apfelsaft. Die wunderbare Welt des Carlo Zwei halt.

haha ^^ das denke ich mir auch manchmal. Ich glaube in gewisser Weise ist das ne Haltungs-Frage und auch ein bisschen abhängig davon, für wen dich jemand hält, was die Leute von dir erwarten und so weiter.
Aber reichlich zucker-bestäubt ist der Text wahrscheinlich schon ...

Fast will es mir scheinen, dass der "Untergang" des Bruders notwendig war, damit der Erzähler zu seiner Erkenntnis / seiner Befreiiung gelangen konnte. Das wird m.E. wenig ausgearbeitet, auch das Verhältnis zum Vater. Nicht, dass du da noch Erklärungen liefern solltest, aber vielleicht noch etwas mehr Material, das Konflikte andeutet, diese Befreiung am Ende, die läuft so glatt, so einfach ab.

Ist er sozusagen auch. Aber es ist, wie du sagst, wenig ausgearbeitet. Ich glaube, um in diesem "fragmentarischen" Stil zu bleiben, wäre meine einzige Möglichkeit, mehr Material reinzugeben und zu hoffen, dass der Konflikt sich ausdehnt, dass Dialoge entstehen etc. Ich glaube ein bewusstes Hinzufügen bestimmter Elemente würde zu einem Bruch mit dem übrigen Erzählton führen.

Da fehlen mir die Widerhaken im Text. Gibt es Reue? Gibt es Schuld? Da würde ich gerne tiefer tauchen.

das muss ich erst mal gründlich verdauen. Das braucht noch etwas :)

Aber weißt du was, lieber Carlo? Scheiß auf das Kritikerhirn. Der Text hat mich angesprochen. Ich find ihn gut. Wirklich gut.

vielen Dank lieber Peeperkorn. Ich weiß deine Kommentare immer wieder sehr zu schätzen und hoffe, dich bald wieder zu lesen!

Liebe Grüße
Carlo Zwei

 

Hallo Carlo Zwei,

das ist ein intensiver Text. Für mich spielt er so mit diesen elementaren Urängsten alles Negativen, was von einer Mutter ausgeht. Zunächst ist die Mutter ja etwas Positives: Wir wachsen in ihrem Leib heran, sind mit ihr verbunden, sie beschützt uns, bla bla, kennen wir alles. Aber da ist eben unterschwellig auch dieses Bedrohliche: Manipuliert sie uns nicht auch wie die Spinne im Netz, hält sie uns länger fest, als nötig?

Natürlich liebte er sie dafür, wie für alles andere auch.

Du machst das geschickt, am Anfang wirkt es so idyllisch.

Meine Mutter hatte Zeit, alles zu konservieren, was ihr unter die Finger kam.

Das ist ein gutes Bild. Wobei ich mich auch frage, inwieweit die aufs Hausfrauendasein reduzierte Mutter halt klammert, weil ihr etwas fehlt ... Sie manövriert ihre Leute in die 'erlernte Hilflosigkeit' hinein. Äh, na ja, das ist natürlich keine Entschuldigung ...

Als er noch klein war, schenkte unsere Mutter Arno eine Schnecke.

Jetzt wollte ich schreiben, dass ich es interessant fand, dass da Sibylle steht, nun steht da Mutter. Okaayyy ... Ich dachte, es sei Absicht, dass er sie nun beim Vornamen nennt.

aber ich begriff, dass meine Mutter das grausame Talent besaß, die tiefsten Ängste eines Menschen zu erkennen, und vielleicht sogar mehr als das.

Da kippt es dann. Ich fühle fast so etwas wie Horror aufsteigen.

Meine Mutter lächelte, aber sie wusste, dass auch ich sie durchschaut hatte. Es genügte, dass ich sie darauf ansprach. Zuerst versuchte sie sich herauszureden, aber je mehr ich sie auf sie selbst aufmerksam machte, desto mehr konnte ich spüren, wie ihre Macht schwand. Am Ende betete sie, ich solle aufhören, und als ich das nicht tat, stieß sie mich zur Seite und rannte davon.

Und weißt du, was das Großartige an deinem Text ist? Diese Ambivalenz. Auf einmal bin ich mir nämlich nicht mehr sicher, ob ich dem Erzähler das alles abkaufe, was er mir da auftischt, oder ob das nicht alles nur seine sehr eigene Perspektive ist: Da zelebriert sich einer als das Opfer.

Also, danke. Hat mir gut gefallen dein Text.

LG, Anne

 

Hi Ane :)

vielen Dank, dass du meinen Text so ausführlich kommentiert hast. Konnte mit deinen Bermerkungen auf jeden Fall eine ganze Menge anfangen! Habe viele Hinweise auch schon im aktuellen Text berücksichtigt. Freue mich sehr, wen meine Texte so anziehen. Ich meine auch, dass ich dich schon mal unter einem gelesen habe. Ich werde mir im Anschluss natürlich, wie bei Peeperkorn auch, schauen, ob ich nicht eine von deinen (aktuellen) Geschichten kommentieren kann. Danke insofern für die Vorleistung :)

mir hat der Text gefallen, aber richtig satt geworden bin ich nicht. Mir fehlen Dialoge und ich kann mir nicht vorstellen, dass Du da nicht welche hättest einbauen können, ansatzweise gibt es die ja. Warum könnte nicht der Vater ein Gespräch anzufangen versuchen, wenn er dem Sohn beim Trillerpfeife reparieren zuschaut, warum kann die Mutter nicht freundlich fragen, was der andere Sohn aus der Speisekammer geholt hat und ihm dann im Nachhinein erlauben, es sich zu nehmen? Du könntest viel genauer zeigen, wie die einzelnen Figuren ticken.

Ich denke das hätte ich wohl schon bei dem Entwurf der Figuren berücksichtigen können. So hatte ich das Gefühl, nur ein paar ausgewählte Facetten der Figuren zeigen zu wollen. Aber es ist ein guter Hinweis, weil er für mich den Wert von Dialog noch mal hervorhebt.

Verstehe ich nicht richtig, ist es nur für ihn ein Durchgangszimmer?

insofern schon, dass er es als solches wahrnimmt. er ist nicht gerne in der Küche wegen der Mutter, aber zu seinen Ausflügen muss er nun einmal hindurch.

Würd ich rausschmeißen, offensichtlich gilt das dauerhaft.

habe ich. danke!

Klingt in einen Ohren zurechtgehauen, ich würd das flüssiger formulieren.

habe ich jetzt etwas abgeändert

Den Sprung von Wachsüberzug auf Blättern zu Schlaf finde ich zu groß. Eine wächserne Welt ohne Erklärung hätte ich Dir abgenommen, das hätte einen milchigen Glanz über alles gelegt, weichgezeichnet und hätte für eine Taubheit, eine Milderung jeglicher Schärfe o.ä. stehen können.

kann ich verstehen. Habe die Befürchtung, dass dadurch eine zu große Lücke im Text entsteht, die ich derzeit nicht zu stopfen wüsste.

Ich kann in dem Verhalten des Vaters nichts unvorsichtiges finden. Ich finde ihn schon behutsam.

guter Hinweis.
Es geht um den Zeitpunkt, zu dem er abgeholt wird. Sonst betonst du, dass die letzte Stunde vorüber ging, dass schlicht und einfach Zeit vergangen ist und das hat weder eine Dringlichkeit noch ist es besonders erwähnenswert, weil es ja ständig passiert.

auch gut!

Würde gut weiter vorn im Text passen. Er bekam ihn nicht jedes Mal nach der letzten Stunde geschenkt. Schön finde ich aber den Gedanken, dass der Gummibaum sich als Geschenk täglich erneuert, dazu müsstest Du dann aber noch mehr über dieses Versinken in der Welt zwischen den Blättern erzählen.

da hast du schon recht irgendwie. Werde ich nochmal rangehen müssen.

Warum wird sie hier aus ihrer Mutter-Rolle geschubst? Für den Erzähler war sie vorher nicht Sybille, wozu jetzt? Es ist ohnehin deutlich, dass da etwas anderes mitschwingt als nur harmonisches Mutter-Kind-Verhältnis.

gutes Argument. Hab es geändert, obwohl ich - dass habe ich auch Peeperkorn geschrieben - fand, dass das Authentizität bringt, die dem fast märchenhaften Anklang der Geschichte auch gut tut. Trotzdem habt ihr mich überzeugt.

Und der Vater und die Mutter hatten es von niemandem und bis heute nicht erfahren? Und ist Tante Katha die Schwester von dem Vater oder der Mutter?
Was ich sagen will: Wozu die Information, wenn so unvollständig. Es ist toll, wenn Fragen und Stimmungen auftauchen, ohne dass alle ausdrücklich erklärt werden, aber wenn es zu kryptisch bleibt, wirkt das wie eine bloße Notiz, die versehentlich im Text gelandet ist.

die Eltern reden nicht darüber. Ich muss natürlich zugeben, der Text ist wirklich ziemlich kryptisch geraten. Auch dem kann - und das werde ich auf jedenfall noch versuchen - m. E. nur eine Erweiterung um ein paar mehr solcher Textfragmente Abhilfe schaffen (also kein künstliches Erläutern oder Ausdembodenstampfen von Dialog).

Diesen Satz mag ich, weil er übertrieben, und nach Tinte und Lineal und damit komplett unwahrscheinlich klingt, und ich ihn trotzdem für wahr halte, innerhalb der Geschichte.

coole Anmerkung :) dass man etwas Unwahrscheinliches/Unlogisches innerhalb einer Geschichte trotzdem für wahr halten kann

auf sich selbst?

ich glaube, du hast recht, werde ich wohl gleich nochmal nachschrauben ...

Du meinst "bat sie"?
Man bittet um etwas, man betet für etwas oder zu etwas.
Man kann etwas anbeten, aber wie betet die Mutter ihren Sohn, etwas zu lassen?

sollte das Flehentliche dramatisch zuspitzen.

Gern gelesen.

danke liebe Ane und hoffentlich bis bald!!

Liebe Grüße
Carlo Zwei

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Lieber erdbeerschorsch,

es gibt hier so ein paar (gar nicht so wenige) Leute, bei denen ich gleich aufhorche, wenn sie einen neuen Text einstellen, und da gehörst du dazu.

da habe ich mich wirklich sehr geschmeichelt gefühlt, als ich das gestern gelesen habe. :))

Ob ich allerdings eine von deinen Geschichten schon physisch und nicht nur in Gedanken kommentiert habe, weiß ich gerade gar nicht.

doch, das ist schon vorgekommen. Ich meine auch, mindestens schon mal etwas von dir zurück kommentiert zu haben, wenn es Texte von dir gibt, und das tut es ja, glaube ich :) Vielen Dank jedenfalls für deinen ausführlichen Kommentar, den ich sehr gerne gelesen habe. Die Anmerkungen waren hilfreich.

Ich fasse mich kurz (hoffe ich): Das ist, wie erwartet, eine Geschichte, die für mich heraussticht, und das ohne Abstriche im guten Sinn. Als einer, der auch gerne in die Symbol- und Rätselkiste greift, war mir das nicht zu dick aufgetragen.

nochmal danke!

Ich bin kein Erster-Satz-Fetischist, aber dieser hier gefällt mir jetzt beim zweiten Lesen doch nicht so. So oder so wird der Junge hin und wieder mal in die Küche kommen, auch wenn sie kein Durchgangszimmer wäre. Die Info erscheint mir also überflüssig. Und mit einem überflüssigen Schnörkel zu beginnen - das muss ja nicht unbedingt sein.

hier habe ich schon mit Ane etwas diskutiert. Finde die Bemerkung schon nicht so ohne, schließlich beschreibt das auch das Verhältnis zu Mutter, deren Zimmer die Küche nun einmal ist.

Ich hätte gedacht: Wie aus Gummi ... Ich verstehe schon, der sieht ja wirklich so aus. Aber Gummi und Wachs so dicht aufeinander - wär doch schön, du kämest darum herum.

das geht in eine ähnliche Richtung wie eine Bemerkung von Ane, die meinte, dass das mit der wächsernen Welt von der schlafenden Welt etwas entfernt sei. Vielleicht war das dann doch etwas viel Bild-Akrobatik in zu kurzer Zeit :s

"Ausflüge" gefällt mir nicht so. Den ironischen Anklang an Sonntagsausflüge, die demnach nicht stattfinden, kann ich zwar im Grunde goutieren, aber für diese Geschichte ist mir das letztlich zu sehr mit dem Auge gezwinkert.

weiß zur Zeit noch nicht, wie ich das anders schreiben könnte.

Merkwürdig, aber ich find's gut.
Das dagegen
ist sogar mir zu stark.

ich fand, dass das wenigstens so schön bildhaft ist, dass der von dem bloßen Anblick umkippt. Muss ich nochmal drüber sinnieren ...

Auch weg?

habe alles mittlerweile etwas umgestellt. Ich versuche mich mit den Streichungen vorerst noch etwas zurückzuhalten, um bei so einem schmalen Text nicht gleich so viel auszudünnen. Aber es bleibt als Anregung erst einmal stehen

Solche Sätze, die den Ablauf benennen, lassen sich nicht immer vermeiden, bringen aber, finde ich, häufig die Gefahr, den Tagebuchaufsatz anklingen zu lassen. Hier finde ich das nicht so überdeutlich, aber es wäre doch vielleicht besser anders. Fehlen würde der Als-Nebensatz sicher nicht, wenn du einfach schriebest: "Ich ging in die Küche."

hast auf jeden Fall recht. Habe noch etwas Angst, dass es abgehackt wirken könnte, wenn ich nicht erzähle, wie der eine Prozess zuende geht bevor der andere anfängt. Das werde ich erst mal noch stehen lassen und schauen, wie es sich in ein paar Tagen mit deinen Worten im Ohr liest.

lieber erdbeerschorsch, da hast du mir ja ordentlich was zu denken aufgegeben. Vielen Dank dafür :> und für einen so ausführlichen und detailgerechten Kommentar :)

Liebe Grüße
Carlo Zwei

 

Hallo Carlo Zwei,
das Textbild zeigt viele Absätze. Ich dachte, dass mich das beim Lesen stören würde. Aber du schaffst dank dieser Unterbrechungen für mich eine ganz besondere Stimmung.
Ich habe deine Geschichte gern gelesen, auch wenn ich gern mehr über den Albtraum erfahren hätte, den ihm seine Mutter eingepflanzt hat, um ihn an sich zu binden. :shy:

Viele Grüße
wegen

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe/r barnhelm,

vielen Dank, dass du dir so viel Zeit für meinen Text genommen hast. Deine Analyse und Einschätzung haben mir sehr weitergeholfen. Ich hoffe, bald einen Text von dir unter die Finger zu bekommen :)

Ich habe sie nun dreimal gelesen und allmählich beginnt sie, mir zu gefallen.

dafür will ich mich gleich nochmal bei dir bedanken! Es ist toll, dass du die Story so genau durchdrungen hast.

das-dass- Fehlern, die du freundlicherweise berichtigen könntest

habe ich in der Zwischenzeit getan :>

hin und wieder ein wenig mehr Aussage, die das Angedeutete klarer, greifbarer machen würde

ja, da habe ich jetzt auch schon reichtlich drüber nachgedacht. Ich sehe da die größte Chance im weiteren Anfügen solcher "Bruchstücke". Es bleibt dann natürlich zu hoffen, dass sie sich 'fügen' und indirekt die Charaktere auch mehr beleuchten.

ein wenig mehr vom Vater, vom Bruder und auch vom Ich-Erzähler selbst

da wäre zum Beispiel anzusetzen

Und auch ihre Liebe zerquetscht den Vater und gibt ihm keinen Ersatz für den Sohn

Das fand ich eine coole Perspektive auf das Verhältnis von der Mutter zum Vater

Du bleibst konsequent auf der Ebene der bruchstückhaften und deutenden Wahrnehmungen deines Protagonisten

Ja, ich glaube, darin liegt die Stärke des Textes. Ich denke, dass es schwierig ist, außerhalb dieser Fragmentstruktur Informationen, Dialog oder ähnliches einfließen zu lassen.

ob mein Verständnis deiner Intention nahe kommt

auf jeden Fall! Die mehr oder weniger verwaschenen Leerstellen eingedenk kommen wahrscheinlich schon viele Leser auf ein ähnliches Ergebnis. Zumindest zeigt sich das in den Antworten.

Gelingt es deiner äußerst reduzierten Darstellung, dem Leser deine Intention zu vermitteln

Das ist zu hoffen. Für mich ist fast interessanter, ob das dem Leser reicht, den Text für gut zu halten, oder ob er die Leerstellen als Mangel auffasst.

Vielen Dank nochmal für deinen tollen Kommentar und bis bald!

Carlo Zwei

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Liebe Anne49,

danke für das Kommentar! Hoffe dich bald mal bei der Feuerwehr zu sehen (obwohl ich da mittlerweile echt nur noch Aushilfe bin) ;) Es freut mich sehr, dass dir der Text so gefallen hat!

elementaren Urängsten alles Negativen, was von einer Mutter ausgeht.

das finde ich einen sehr spannenden Aspekt. Theoretisch schwing dieses Negative ja immer mit, bloß dass die positiven Gefühle und auch der tatsächliche Sinn der Beziehung zwischen Mutter und Kind - der ja immer auch mit Abhängigkeiten notwendiger Weise zu tun hat - dieses Negative normalerweise unsichtbar macht. Danke für die Beobachtung!

Spinne im Netz, hält sie uns länger fest, als nötig

Auch wieder eine sehr interessante Frage, die wahrscheinlich auch damit zusammenhängt. Diese Phase der Abnabelung ist wahrscheinlich dieser Brückenschlag, den zu machen fähige Kommunikationspartner voraussetzt. Einfach ist es allemal nicht, zu sagen, wann jemand jetzt reif ist, das Nest zu verlassen und wann nicht. Spannend an der Stelle auch (fällt mir ein, wo du das mit der Spinne gesagt hast) die unterschiedlichen Tier-Metaphern: Spinne und Vogel bzw. Netz und Nest.

am Anfang wirkt es so idyllisch.

ich bin froh, dass sich der Wandel Idylle/Horror scheinbar vollzogen hat. Danke für den Hinweis.

'erlernte Hilflosigkeit'

wieder so eine tolle Bemerkung! Das finde ich grundsätzlich auch ein total spannendes Konzept. Ein Klassiker der Täter/Opfer-Beziehungen würde ich sagen.

dass ich es interessant fand, dass da Sibylle steht,

habe ich erst mal wieder hingeschrieben ;)

Ich fühle fast so etwas wie Horror aufsteigen.

super! :)

Diese Ambivalenz

schön, dass da so etwas mitschwingt!

Da zelebriert sich einer als das Opfer.

hehe, schön ausgedrückt!

Vielen Dank nochmal und liebe Grüße!
Carlo

————


Hi wegen :)

danke, dass du meinen Text kommentiert hast. Habe mich sehr über deinen Kommentar gefreut!

Ich dachte, dass mich das beim Lesen stören würde

interessant. Ich selbst finde das immer relativ angenehm einen Text in solchen mundgerechten Happen serviert zu bekommen. Aber ich freue mich über deine persönliche Einschätzung.

besondere Stimmung

ja, das freut mich sehr zu hören. Das macht den Text wahrscheinlich auch ein Stückweit aus.

mehr über den Albtraum

Nehm ich erstmal auf, danke. Hatte überlegt, den Text noch um ein paar weitere Mosaikstücke anzureichern.

Danke und liebe Grüße
Carlo Zwei

 

Lieber Carlo,

schreibst du Kurzgeschichten aus Faulheit oder weil du glaubst, dass diese Form für dein Thema die angemessene ist? Ich stelle diese etwas provokante Frage, weil ich mir gut vorstellen kann, dass man die Figuren auch über einen längeren Handlungsbogen führen könnte, vor allem, wenn der Protagonist dann am Ende zu Erkenntnissen vorstoßen soll wie: „Ich begriff, dass der Gummibaum mein Gefängnis war und er war so riesig geworden in all den Jahren.“
So bleibt vieles in einer Art Rätselmodus, der schnell ins Unredliche kippen kann, sprich ins Effekthafte. Das haben Kurzgeschichten nun mal so an sich. Ein größerer Erzählraum würde den Figuren vielleicht mehr Gerechtigkeit widerfahren lassen, vielleicht würde sich aber auch herausstellen, dass du geblufft hast, dass die Figuren gar nicht genug Saft haben, um die Last einer richtigen Geschichte zu tragen. Immerhin kann man dich nicht überführen, dafür verstehst du dein Handwerk zu gut. Aber mir scheint eben, als wären sie gefangen in einem zu kleinen Raum, als könnten sie sich nicht recht entfalten.
Sieh das aber in erster Linie als Kompliment, denn daraus folgt ja immerhin, dass ich gerne noch länger an dem Text gelesen hätte, und das ist zweifellos ein Qualitätsmerkmal.

 

Lieber baronsamedi,

vielen Dank, dass du meine Story kommentiert hast. Habe dich schon ein paar Mal in den Kommentaren hier gelesen, aber freue mich, dich zu einem von meinen Texten schreiben zu sehen. Danke für den Aufwand und deine angenehm Fragen aufwerfende (was ist den heute morgen mit meinem Formulierungs-Apparat los?) Art zu kommentieren.

über einen längeren Handlungsbogen

Ja, da ließe sich bestimmt was machen. Für die Story war der Handlungsbogen zwar so semi wichtig, aber es hätte sich ganz bestimmt in einer Anhäufung weiterer Fragmente auch mehr Handlung ergeben. Es wäre ein anderes Format geworden, wie du schon angedeutet hast, aber sicher wäre das auch spannend. Der Einwand wurde schon bei ein paar Stories von mir (die sind bei Weitem nicht alle so ‘rätselhaft‘ wie das hier) gemacht.

So bleibt vieles in einer Art Rätselmodus, der schnell ins Unredliche kippen kann, sprich ins Effekthafte.

Ich stehe dem Effekthaften, glaube ich, relativ positiv gegenüber. Nicht immer, nicht bei jeder Story, aber es ist nichts, was sich für mich jetzt so per se verbietet. Interessant ist dann auf jeden Fall, ob der andere sich verzaubern lässt oder nicht.

dass du geblufft hast

das weiß ich selbst nicht und würde es wahrscheinlich erst wissen, wenn ich alles wirklich größer machen würde. Etwas größer hätte es wahrscheinlich wirklich sein sollen :0

nicht überführen

Fand das cool, wie du das argumentiert hast. Es ist ja oft so ein Spiel mit Illusionen (es sind ja schließlich ‘nur‘ Worte).

Qualitätsmerkmal

Das fand ich nett und hätte dir gern noch eine Erweiterung aus dem Hemdsärmel gezaubert ^^ Naja, mal sehen, was noch wird.

Danke erst einmal Baron Samedi und bis bald!

LG
Carlo

 

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