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Der große Tag
Der große Tag
Sanft streicht der Vater seinem Sohn über das volle Haar und kneift ihm leicht in die Wange.
„ Ich bin stolz auf dich, du bist mein Glück, meine Erfüllung.“, sagt er zu ihm, worauf sein Sohn ihm ein Lächeln schenkt, und seinen Vater noch stolzer macht. Sein Sohn liebt ihn, und er liebt seinen Sohn, und heute ist der große Tag gekommen, endlich ist es soweit.
Der Vater zieht seinem Sohn die frische Kleidung an, und betrachtet ihn für einen Augenblick lang.
Der Kleine ist hübsch, er hat das gleiche Gesicht wie sein Vater, dieses freche Lächeln, diese großen Augen, die so viele Geheimnisse zu verbergen scheinen. Er könnte ihn noch lange weiter betrachten, so stolz ist er auf ihn, auf das Kind was er geschaffen hat, doch die Zeit wird knapp, die beiden müssen sich beeilen.
Der Vater kämmt die Haare seines Sohnes gleichmäßig nach hinten und zieht ihm seine Schuhe an. Immer wieder treffen sich ihre Blicke, worauf sich beide anlachen und freuen, denn heute ist ihr großer Tag.
Der Vater macht sich jetzt selbst fertig, und sein Sohn beobachtet ihn, er schaut zu ihm herauf, als würde er einen Gott bestaunen. Jede Bewegung seines Vaters imitiert er, und die Vorstellung wie er zu sein gefällt ihm.
Es wird Zeit aufzubrechen, der Vater nimmt seinen Sohn noch mit zur Waschstelle, wo sich beide noch mal die Hände waschen, und dann machen sie sich auf den Weg.
Sie steigen in den Wagen ein, den sich der Vater extra für den Tag gemietet hat, und fahren los.
Es ist noch recht früher Mittag, und die Luft ist sehr angenehm. Durch die offenen Fenster strömt sie in das Wageninnere und beide genießen es sie einzuatmen.
Die Sonne hat sich schon ihren festen Platz am Himmel gesucht, und strahlt mit aller Kraft auf die Dörfer und Städte hinunter, es ist ein schöner, friedlicher Morgen.
Die Leute auf den Strassen sind schon unterwegs, und die Stadt füllt sich langsam mit Menschen, die zur Arbeit gehen oder ihre Besorgungen machen.
Draußen duftet es nach Leben, nach Frischgebackenem und nach Kaffee.
Der Vater legt seine Hand auf seines Jungen Schulter und drückt sie ganz zart.
„ Ich liebe dich mein Sohn, und es wird sich nichts daran ändern, im Gegenteil, wir werden uns näher sein als je zuvor, glaub mir.“ sagt er zu seinem Sohn, als sie das schon sehr belebte Stadtzentrum erreichen.
Der Sohn gibt seinem Vater einen Kuss auf die Wange und sieht durch das Fenster einem Vogelschwarm nach, der vorbeifliegt.
Stille herrscht für einen Moment, sie sind angekommen.
Es sind noch ein paar undeutlich gesprochene Worte von beiden zu hören, bevor der Vater und sein Sohn auf ein vereinbartes Zeichen hin, zeitgleich die Bomben an ihren Körpern zünden.
Menschen schreien, Rauchschwaden machen sich breit, heute ist der große Tag gekommen.
[ 18.06.2002, 22:57: Beitrag editiert von: Stillsearchin ]