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Der große Coup

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20.03.2019
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Der große Coup

Morgen ist es endlich soweit. Es wird der Tag sein, an dem Lutz sein Opus magnum kreieren wird. Die große Rache des kleinen Mannes. Seit geraumer Zeit treibt er sich am Braunschweiger Hauptbahnhof herum. Er studiert den Verkehr. Zu welcher Zeit fahren die meisten Züge? Wann sind die meisten Menschen da? Und am allerwichtigsten: Wann sind die Toiletten frei?
Die Vorbereitung ist schließlich essenziell, es muss einfach perfekt werden. Lutz war immer penibel vorsichtig, wenn er jetzt schludert, ist alles aus. Sieben Monate und 19 Tage für die Katz. Die Durchführung des Plans an sich ist nicht das Problem, reinste Routine, nur der Rahmen, in dem sich alles abspielen soll, muss peinlichst genau festgelegt werden. Den Rest wird er schon so hinbekommen. Das Geld nicht zu schnell und nicht zu langsam in den Münzschlitz. Wenn man es Lutz anmerken würde, dass er gerade darüber nachdenkt, wie er möglichst unauffällig die Groschen in den Automaten steckt, fliegt er auf. Dann auf den Bon warten, diesen der Maschine abnehmen, durchs Drehkreuz und möglichst in die hinterste Kabine. Er reißt genau ein Blatt Papier ab und schließt damit die Tür. Wer weiß, welches Schwein da vorher schon seine Griffel hatte. Ungestört schiebt er nun seine Cargohose samt Schlüpfer bis in die Knie, um sich folgend mittig über dem Rand der Klobrille in zehn-vor-acht-Position in Stellung zu bringen. Lutz hat mittlerweile eine sehr starke Beinmuskulatur, er könnte bis zu fünf oder sogar sechs Minuten in dieser Haltung verbringen, nötig sind jedoch meist nur ein oder zwei, um das Werk zu vollenden. Und, Voila! Der Brillenbomber aus Niedersachsen platziert die Mine auf der Empore. Er wischt ab, zieht sich wieder an und dreht sich um. Da liegt er, der Gefallene. Lutz salutiert. In diesem Krieg wurden schon viele seiner Hervorkömmlinge für das höhere Ziel geopfert. Doch Lutz besitzt mittlerweile die Nerven und die Kälte eines Generals, der die Welt von einer Seite sah, die das Schimmern im Auge erlöschen lässt; die Tränen trocknet, bevor sie fließen können. Sein gehärteter Blick sieht gespannt zu. Der Super-GAU der Sanifair-Toilette ist Sekunden entfernt. Ein leichtes Rattern ertönt, er liebt dieses Geräusch. Der Klang der Revolution. Im gleichen Moment beginnt die Brille zu rotieren. Die Selbstreinigungsfunktion des Donnerbalkens, die eigentlich dessen Hygiene wahren sollte, wird zum Henker genau dieser. Wie die Nutella, die von einem dicken Kind langsam, nahezu ritualartig auf einem Bagel verschmiert wird, verteilt sich der gut verdaute Horror einer jeden Klofrau über dem gesamten Porzellan. Das Werk ist vollbracht, die Flucht folgt sogleich. Lutz schaut kurz unter der Kabinentür hindurch, ob sich mutmaßliche Zeugen im Raum befinden. Sobald die Luft rein ist, macht er sich aus dem Staub. Das Phantom der stillen Örtchen. Doch wie kam es zu dieser Radikalisierung? Was treibt einen Menschen dazu, alles Menschliche abzulegen?

Alles begann in der Serways-Raststätte Lappwald Nord auf der A2 bei Helmstedt. Niemand hätte je gedacht, dass an so einem Ort Monster geboren werden können. Während der Hinfahrt in den Vogelpark Walsrode musste er recht zeitig nach Fahrtbeginn feststellen, dass da unten etwas drückt, was raus wollte. „Das kommt davon, wenn man mehr als eine Tasse Kaffee am Morgen trinkt. Nie wieder“, dachte er sich. Er steckte also das Geld rein, nahm den Bon, erledigte ganz normal sein Geschäft in die Schüssel und verließ den weiß gefliesten Thronsaal. Auf dem Weg nach draußen hielt er kurz inne. „Ich habe doch noch den 50 Cent Gutschein, das ist eine ganze Mark, wenn ich den nicht einlöse, dann kann ich mein Geld auch gleich ausm Fenster werfen, verbrennen oder einem Penner zum Versaufen schenken. Am besten hol ich mir was zu essen, jetzt wo sowieso wieder Platz ist.“ Mit einem Snickers in der Kralle und einem Ausdruck im Gesicht, der „von euch lass ich mich aber nicht verarschen“ sagte, begab er sich zur Kasse.
„Das macht dann 1,20€ bitte.“
„Oh nein! Ich habe hier noch einen Gutschein.“
„Entschuldigung, aber der Strichcode ist so blass gedruckt, dass der Scanner ihn nicht erfassen kann.“
„Wie bitte? Das kann nicht sein, ich habe den doch vor ein paar Minuten erst gezogen.“
„Naja, ich sehe nur, dass das scheinbar nicht funktioniert.“
„Dann geben sie mir doch einfach einen neuen. Sie sahen doch, dass ich eben auf dem Klo war.“
„Entschuldigung, aber das darf ich nicht.“
„Dann würde ich gerne Ihren Vorgesetzten sprechen.“
„Der hat noch bis nächsten Mittwoch Urlaub, Sie können ja dann wiederkommen.“
Lutz war fassungslos. Sowas hatte er noch nie erlebt. Er griff erzürnt das Snickers, packt es wieder dorthin, wo er es gefunden hat und stürmte zur Tür. „Sie werden noch von mir hören!“ Lutz machte sich sofort wieder auf den Heimweg. So geladen wie er war, hätte er den Vogelpark einfach nicht genießen können. Zuhause angekommen schmiss er direkt den Computer an und begann zu tippen. Beschwerdemails begaben sich im Minutentakt ins World Wide Web. Alle Beteiligten wurden informiert und gleichermaßen angeprangert, irgendjemand musste die Suppe wieder auslöffeln, ob Sanifair, Tank & Rast, Serways oder der Bundesverkehrsminister persönlich.

Ganze fünf Tage aktualisierte Lutz fast stündlich erfolglos sein E-Mail-Postfach. „Das kann und darf nicht sein“, denkt er sich. „So wird der arme, kleine Mann mal wieder im Stich gelassen. Vom Monopolkapitalisten ausgebeutet. Vom Staat missachtet. Die stecken doch alle unter einer Decke. Tank & Rast besticht doch die Politiker, damit die ihren Blick von den wahren Problemen dieses Landes wenden. So kann das nicht weitergehen. Aber was tun? Die Polizei wird involviert sein. Die Verschwörung aus Staat und Konzern ist wahrscheinlich größer als McDonalds. Wenn die Macht so konzentriert ist, hilft nur noch ein Guerillakrieg, die Revolution aus dem Untergrund. Doch ich kann niemandem vertrauen, jeder Verbündete nur ein potenzieller Wolf im Schafspelz. Nein, diesen Krieg werde nur ich führen. Ich allein.“ Und so begann der Untergang.

Der große Tag ist gekommen. Lutz geht es miserabel. Er hat die ganze letzte Woche nur Toastbrot, Reis und Bananen gegessen. Dazu noch zwei Dosen Mais für die Ästhetik. Alles ist verstopft. Er rafft sich trotzdem auf: „Ich kann jetzt nicht versagen, das hier wird der letzte große Coup. Kunst von Welt kann eben nur durch unsägliches Leid entstehen. Das war schon immer so.“ Er braucht eine halbe Stunde bis zum Bahnhof, genau so lange, wie die vier Darmböller brauchen, um ihre Wirkung zu entfalten. Das stärkste Abführmittel, das es rezeptfrei zu kaufen gab. Damit wird er den braunen Riesenziegel schon rausbomben können. Zack, alle auf ex! Man darf eigentlich nur eine nehmen. Drauf geschissen. Jetzt ist das Schicksal besiegelt. Die Lunte brennt und kann nicht mehr gelöscht werden. Bald wird hier alles hochgehen.

Am Bahnhof angelangt, krümmt er den Rücken wieder gerade. Alles schmerzt. Jetzt muss es schnell gehen. Das Geld geht in den Automaten und der Bon wird entnommen. Einen Euro kostet der ganze Spaß. „Jeder Hund darf hinkacken, wo er will, aber wir Menschen scheinen weniger Rechte in diesem Land zu haben, als alle anderen Tiere. Wir müssen einen ganzen Euro dafür blechen, das sind zwei Mark, um am Bahnhof unsere Notdurft zu verrichten. Und dann kriegt man auch nur die Hälfte davon erstattet, wenn überhaupt“, denkt er sich. Der Zorn steigt und der Wille, das System zu vernichten, bestärkt sich zunehmend. „Perfekt.“ Wie geplant befand sich keine Menschenseele auf seiner Zielgeraden. Wie immer begibt er sich in die hinterste Kabine, dort, wo er am ungestörtesten ist, reißt ein Blatt Papier ab und schließt die Tür. Er verspürt noch keinen Druck, die Verstopfung scheint tief zu sitzen, aber laut Packungsbeilage der Sprengsätze dürfte es nur noch maximal drei Minuten dauern. Der Sekt ist bereits geschüttelt und der Korken löst sich langsam aber stetig. Er lässt die Hose in die Kniekehlen fallen und winkelt die Beine an. Der Countdown zum Raketenstart hat begonnen. Lutz is ready for take-off.
KLIRR! Lutz schießt ein Blitz durch alle Gliedmaßen. Ein lähmender Schock durchzieht seinen Körper. „Hose hoch, Drecksschwein, du bist verhaftet“ erklingt es hinter ihm. Lutz bewegt langsam seinen Kopf zur Seite und sieht eine zerbrochene Fliesenkachel am Boden. „End of the line. Seit Monaten sind wir dir schon auf den Fersen, aber du warst uns immer einen Schritt voraus. Jetzt hat sich das Blatt wohl gewendet“ sagte die Stimme hinter ihm. „Du brauchst übrigens gar nicht versuchen zu fliehen. Wir haben alles umstellt.“ Lutz Blick schweift weiter gen Boden. Unter der Kabinentür konnte er vier schwarze Schuhe erkennen. „Aber wie?“, fragt Lutz. „Wie habt ihr herausfinden können, dass ich hier zuschlagen werde?“ „Ganz einfach“, antwortet die Stimme. „Du hast fast täglich an einer anderen Raststätte einen Anschlag verübt, an manchen sogar mehrmals. Wir wussten auch durch Kameraaufnahmen, dass du an jedem der Tatorte warst. Dadurch, dass es aber auf den Toiletten keine Kameras gibt, konnten wir dich nicht überführen. Ein weiteres Indiz war, dass du bis jetzt der einzige Mensch warst, der je einen Sanifair-Bon einlösen wollte. Wenn man dazu noch die Hasstiraden in den E-Mails nimmt, hat man das perfekte Motiv für diesen Schiethad. Wir mussten dich jedoch auf frischer Tat ertappen. Und als es in letzter Zeit ruhig um dich wurde, wussten mein Einsatzteam und ich, dass du dein kleines Hobby nicht einfach so an den Nagel gehängt hast. Nein, der Robespierre des Auf-die-Brille-Ballerns hat etwas Großes geplant. Wenn man dann noch eins und eins zusammenzählt, wird klar, dass du hauptsächlich im Einzugsbereich Braunschweig zugeschlagen hast. Da am Hauptbahnhof der meiste Verkehr auf öffentlichen Toiletten herrscht, war sicher, dass du hier zuschlagen wirst, wo du am meisten Schaden anrichten kannst. Alles eine Frage der Zeit. Also haben wir über Nacht Tunnel hinter den Klokabinen ausgegraben und patrouilliert. Mit Erfolg wie mir scheint.“ Lutz schluckt. War er so unachtsam? Konnte er nicht besser aufpassen? Es blieb nur ein Ausweg. In den Knast geht er nicht und eine Geldstrafe steht völlig außer Frage. Zumal diese in Mark nochmal doppelt so hoch wäre. Nein, Lutz geht mit einem Knall. „Schön, Sie haben mich, bravo. Ich kann Ihnen jedoch versichern, dass Sie mich trotzdem nicht von dem abhalten werden, weswegen ich hier bin“, sagt Lutz fest entschlossen. „Make my day“, ertönt es hinter seinem Rücken. Lutz fängt schlagartig an zu pressen mit dem Wissen, dass es für ihn sowieso keinen Morgen geben würde. In dem Moment durchbohrt eine Kugel von hinten seine Brust. Lutz spürt keinen Schmerz. Er ist gewillt als Märtyrer zu sterben. Weitere Kugeln durchdringen ihn, er sackt immer weiter zusammen. Plötzlich schießt die Boa Kotstriktor aus ihm heraus und verteilt sich über der gesamten Keramik. Endlich, der lang ersehnte Befreiungsschlag. Die Pillen haben gewirkt. Lutz geht zu Boden, doch die Fliesen fühlen sich für Lutz nicht kalt an. Ein Gefühl der Wärme gleitet durch seinen Körper, wie wenn man an Weihnachten mit einem Glühwein vor dem Kamin sitzt, während draußen der Schneesturm heult. „Unter dieser Hose ist nicht nur Fleisch, unter dieser Hose steckt eine Idee! Und Ideen, Kommissar Clean, sind kugelsicher“, haucht Lutz mit letzter Kraft in den Raum. Ein leichtes Rattern ertönt, er liebt dieses Geräusch. Der Klang der Revolution.

 

Hola @Mietzenparty (obwohl ich Miezenparty geschrieben hätte),


warum lese ich Deinen Text so spät am Abend? Ich werde vor Lachen nicht in den Schlaf kommen können. Ich lass es mir noch mal auf der Zunge zergehen:

Schiethad.

Köstlich! Humor ist nämlich schwieriger, als sich das mancher so vorstellt. Und:

Boa Kotstriktor

Boah! Ich fall’ vom Stuhl. Nee, so was aber auch. Selten so gelacht.

Mega Sache jedenfalls. Auch der tag ‚Spannung’ ist voll ausgereizt.

Also ehrlich – mir fehlen die Worte.
José

 

@Mietzenparty
Hallo und Willkommen im Forum!

Das ist mit Abstand das Lustigste, das ich seit langer Zeit zu mir genommen habe. Da stimmt einfach alles; das Timing, der Spannungsaufbau, die Metaphern ... Ich habe mich sehr amüsiert.

Gruß
Kellerkind

 

Hey @Mietzenparty,

nach den beiden positiven Kommentaren war ich neugierig auf deinen Einstand. Hm, Fäkalhumor ist jetzt nicht so meins. Aber du erzeugst schöne anschauliche Bilder, formulierst abwechslungsreich, mit Wortwitz und verstehst es, eine Geschichte zu strukturieren. Bei deiner nächsten (vllt. etwas weniger kotigen) Geschichte bin ich sicher wieder unter deinen Lesern.


Ungestört schiebt er nun seine Cargohose samt Schlüpfer bis in die Knie, um sich folgend mittig über dem Rand der Klobrille in zehn-vor-acht-Position in Stellung zu bringen.

An sich gut, mit der zehn-vor-acht-Position. Bei genauerer Überlegung frage ich mich, wo die Hose dann hängt/liegt.

Lutz schluckt. War er so unnachsichtig? Konnte er nicht besser aufpassen? Es blieb nur ein Ausweg.
unnachsichtig bedeutet streng, erbarmungslos, bestimmt. Vllt. besser „unachtsam“.

Viele Grüße
wegen

 

Hahaha, oh man! :lol:

Liebe @Mietzenparty

willkommen im Forum. Ähm ... also Fäkalhumor ist leider auch garnicht meins. Das ist für mich persönlich so der allerletzte Weg im Spaß-Sektor, den man aber eigentlich nie gehen sollte. Ich glaube, ich habe noch nie von einem A-A-Witz gehört, den auch nur ansatzweise irgendjemanden begeistert hat. Meist müht man sich ein Lächeln ab, wenn einem jemand so etwas erzählt, aber eigentlich nur, um den Witzeerzähler nicht zu beleidigen.

Es ist eben sehr "Torte-ins-Gesicht". Damit meine ich, dass das alles schon tausendmal wiederholt wurde und einfach niemanden mehr wirklich hinterm Ofen vorholt. Zudem basiert deine ganze Story im Prinzip nur allein auf dem Kacka-Witz, im Sinne von: "Könnt ihr euch vorstellen, das jemand jemals eine so große Wurst setzt?"

Die Hinleitung war ganz nett eigentlich, die hat mir gefallen. Und auch die Art und Weise wie du schreibst ist solide, da hab ich nicht wirklich etwas auszusetzen (außer vielleicht bei der wörtlichen Rede, die könnte etwas weniger gestelzt wirken).

Ja, das Problem ist schlicht das Thema. :) Humor ist eben sehr sehr schwer, gerade weil die Leute eben nur dann lachen, wenn sie auch etwas überrascht. Humor spielt mit Erwartung und Überraschung. In deiner Geschichte läuft aber alles genauso ab, wie man es erwartet. Sprachspiele mit Fäkalien, Umschreibungen für Fäkalien, echte Fäkalien ... da muss einfach mehr passieren.

@wegen Ich glaube die ersten beiden Kommentare waren höchst ironisch. :D So hab ich sie zumindest aufgefasst, falls es nicht so sein sollte, würde es mich schon wundern.

Naja, wurscht (no pun intended). Nicht aufgeben! Vielleicht findet sich ja noch jemand, der genau auf diese Geschichte gewartet hat. :) Und wenn nicht, dann freue ich mich eben auf eine neue Humor-Story von dir. Oder etwas ganz anderes. :)

Viele liebe Grüße, PP

 

@PlaceboParadise (und wer es noch wissen möchte)

Ironie im Netz – entweder man erkennt sie nicht, oder man entdeckt sie, wo sie nicht ist. Man sollte irgendwelche Symbole einführen, um Ironie zu verdeutlichen. :)
Nee, also ich habe wirklich abgefeiert über den Fäkaltext. Und zwar, weil ich gerade nicht den Eidruck habe, dass der Stuhlgang selbst als Dauerwitz zelebriert wird. Eigentlich wird ja der hilflose Wutbürger und sein absurder Kampf gegen die Institutionen veräppelt. Trotz des Spottes, erwächst beim Lesen auch Sympathie für seine Sache. So wie auch Don Quixote als traurig-komischer Held versucht, sein moralisches Weltbild gegen unbezwingbare Widerstände zu verteidigen. Ich gehe sogar so weit, in die Figur des Kot-Rebellen, Züge der Helden aus der griechischen Tragödie hinein zu interpretieren. Einerseits kann man die Motivation sehr gut nachvollziehen, andererseits erkennt man die Gründe des Scheiterns in der absurden Radikalisierung des Fäkal-Terroristen.
In parabelhafter Weise werden hier verschiedene, ideologisierte Bewegungen aufs Korn genommen, ohne Partei zu ergreifen: sowohl der Spießer, der seine geordnete Lebensweise durch Kulturfremdlinge in der Nachbarschaft bedroht sieht und seinen verbalen Kot durchs Internet schleudert, als auch Feminist(Genderstern)innen, die mittlerweile Abtreibung bis zum letztenTag der Schwangerschaft legalisieren wollen und damit beweisen, dass Scheiße nicht nur hinten raus kommen muss.
Ich finde das sehr gelungen.

Das Werfen von Kot ist bei Primaten hinter Gittern © eine bekannte Übersprunghandlung. Die einzig mögliche Manifestation von Widerstand in einer Situation der absoluten Machtlosigkeit. Da stecken finstere psychische Abgründe drin, wenn ein Mensch auf diese primitive Form von Agressivität zurückgreift.

Des weiteren ist die Geschichte hervoragend getaktet. Wenn man sich beim Lesen nicht nur auf das geschmacklose Instrument der Rache fixiert, wird deutlich, dass hier eine sehr gute Textkomposition vorliegt. An keiner Stelle bleibe ich stecken, die Steigerung wird nach dem Einstieg mustergültig bis zum Höhepunkt durchgezogen. Die, kritisch angemerkte, gestelzte Sprache ist absolut stimmig im Kontext einer absurden Komödie, um die es sich hier handelt. Im Gegensatz zu vielen Texten, die sich furchtbar ernst nehmen, werden hier alle Kriterien einer Short Story perfekt umgesetzt.

Und, so primitiv Pipi-Kaka-Humor im Ansatz auch sein mag: ich habe selten einen so humorvollen, kreativen Umgang mit Sprache erlebt.
(Die Boa Kotstriktor war mir dann doch zu doof)

Schönen Gruß
Kellerkind

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Mietzenparty,

angelockt von @Kellerkind Kommentar habe ich Deine Geschichte gelesen und muss sagen, dass ich mich zwar nicht schüttle vor Lachen, aber immerhin positiv überrascht bin, einen auf den ersten Blick fehlerfreien, sprachlich abwechslungsreichen und wohlkomponierten Text zu lesen.

Der Inhalt ist natürlich Geschmackssache. Als Vater bin ich aber gestählt durch die Kindergarten-Pisi-Kaka-Phase, die scheinbar nie enden möchte und in Deinem Text einen gewissen Höhepunkt erfährt, der einen an endlose, durch Fäkalsprache ausgelöste, kindliche Kicherparaden erinnert.

Ich hatte auf jeden Fall meinen Spaß und freue mich auf weitere Texte von Dir, denn dieser war ein Text, der nicht etwas vorgeben wollte, was er gar nicht ist und auch nicht sein wird, sondern ein Text, der sein Ziel einfach wohlgekonnt erreicht hat.

Gruß
Geschichtenwerker

 

Hola,

wir hatten schon Dutzende Texte im Forum, die so oder so interpretiert wurden. Das soll jeder Kommentator halten, wie er will. Und jeder Autor hat die Freiheit, sein Anliegen an die Leserschaft zu tragen, wie es ihm beliebt. Hier trifft die Art und Weise nicht meinen Geschmack.

Um Sinn, Inhalt, Botschaft usw. zu erfahren, wäre ich in diesem Fall gezwungen, einen Text zu lesen, der mir kein Lesevergnügen bereitet.

José

 

@Kellerkind

Ironie im Netz – entweder man erkennt sie nicht, oder man entdeckt sie, wo sie nicht ist. Man sollte irgendwelche Symbole einführen, um Ironie zu verdeutlichen. :)
Nee, also ich habe wirklich abgefeiert über den Fäkaltext.

oha, und ich war mir da eigentlich sehr sicher. :D

Eigentlich wird ja der hilflose Wutbürger und sein absurder Kampf gegen die Institutionen veräppelt.

Hmmh, vielleicht hab ich ihn dann einfach nicht besonders aufmerksam gelesen. Ich muss zugeben, nachdem ich gemerkt habe, das es um Kacke geht, ging meine Leselust gen Null. :sick:
Vielleicht war das ja ein Fehler.

Des weiteren ist die Geschichte hervoragend getaktet.

Stimmt. Sprache hab ich auch als gut angemerkt. Nur das Thema liegt mir eben nicht, aber das ist echt Geschmackssache. :D

Grüße! PP

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey@Mietzenparty,

erst mal ein "Herzlich Willkommen" hier im Forum. Zum Inhalt später, erst mal was Textliches:

Und am aller wichtigsten
am allerwichtigsten.

Und am aller wichtigsten: Wann sind die Toiletten frei?
Die Vorbereitung ist schließlich das wichtigste
das Wichtigste, außerdem unschöne Doppelung.

Ungestört schiebt er nun seine Cargohose samt Schlüpfer bis in die Knie, um sich folgend mittig über dem Rand der Klobrille in zehn-vor-acht-Position in Stellung zu bringen.
ohne das Durchgestrichene funktioniert es für mich besser.

Wie ein dickes Kind, welches sich ritualartig, langsam und mit immenser Vorfreude Nutella auf einen Bagel schmiert, verteilt sich der gut verdaute Horror einer jeden Klofrau über dem gesamten Porzellan.
Hä? Da stimmt was an der Satzlogik nicht, aber sowas von gar nicht! Du vergleichst das dicke Kind direkt mit dem gut verdauten Horror. Was du sagen wolltest, ist vermutlich so was: Wie ein dickes Kind, das sich mit immenser Vorfreude Nutella auf einen Bagel schmiert, genießt er, wie sich der gut verdaute Horror einer jeden Klofrau auf dem gesamten Porzellan verteilt.

Was treibt einen Menschen dazu, alles Menschliche abzulegen?
Hm, das ist mir zu dick. Ist er wirklich kein Mensch mehr, nur weil er auf die Brille scheißt? Ne du.

dann kann ich mein Geld auch gleich ausm Fenster werfen, verbrennen oder einem Penner zum versaufen schenken
Versaufen groß?

„Das macht dann 1,20€ bitte.“
Fände ich so schöner, weil literarischer: "Das macht dann ein Euro zwanzig bitte."

Beschwerdemails begaben sich im Minutentakt ins World Wide Web.
Unsauber, da die Mails nichts selbst aktiv werden.
Im Minutentakt bombardierte er das World Wide Web mit seinen Beschwerde-Mails?

Die Verschwörung aus Staat und Konzern ist wahrscheinlich größer als McDonalds.
Hä? Die Verschwörung ist größer als McDonalds? Das ist Nonsens wie nachts ist es kälter als draußen.

Doch ich kann niemandem vertrauen, jeder Verbündete (ist) nur ein potenzieller Wolf im Schafspelz.

Riesenzigel
Riesenziegel?

Am Bahnhof angelangt krümmt er den Rücken wieder gerade.
Komma hinter angelangt?

Lutz Blick schweift weiter gen Boden.
zu hochgestochen, warum schweift der Blick nicht zu Boden?

der Robespierre des auf-die-Brille-ballerns
wenn du sowas schreibst, wird das erste Wort immer groß geschrieben, also: des Auf-die-Brille-Ballerns

Mit Erfolg wie mir scheint
Komma vor wie, da kein Vergleich.

wie, wenn man an Weihnachten mit einem Glühwein vor dem Kamin sitzt
Hier kein Komma hinter dem wie, weil Vergleich.

Unter dieser Hose ist nicht nur Fleisch, unter dieser Hose steckt eine Idee! Und Ideen, Kommissar Clean, sind kugelsicher“, haucht Lutz mit letzter Kraft in den Raum. Ein leichtes Rattern ertönt, er liebt dieses Geräusch. Der Klang der Revolution.
Der Schluss ist noch mal herrlich abgedreht, treibt das Ganze auf die Spitze. generell fehlt mir etwas die Schärfe, die exakte Pointierung. Humor ist ein schwieriges Geschäft, das bei mir hier nur teilweise funktioniert, wobei mich weniger die Kacke an sich gestört hat als vielmehr die fehlenden richtig krassen Überraschungen, die es für mich zum Lachen braucht.
Lies mal die Story "Ganz oben" (oder andere) von Lotterlieschen, da wird das Sujet gekonnt auf die Spitze getrieben. Nur so als Tipp.

Peace, linktofink

 

Hallo, ihr Lieben!
Ich möchte euch gerne erstmal danken, dass ihr den Text überhaupt gelesen habt. Dass ihr euch dann noch die Zeit genommen habt, so ausführliche Kommentare zu schreiben macht mich wirklich glücklich. Ich habe dank eurer Kritik dem Ganzen noch einen kleinen Feinschliff verpassen können. Noch glücklicher macht mich aber, dass ihr die Geschichte trotz des sonderbaren und abschreckenden Themas für gut befunden habt, das ist nicht selbstverständlich. Ich habe noch ein paar Pfeile im Köcher, die ich bald nach und nach verschießen werde, welche keinen Fäkalbezug haben. Hoffentlich werden die Themen euch besser gefallen. :D
Küsschen aufs Nüsschen,
Mietzenparty

 

Hallo @Mietzenparty ,
Bin ein großer Fan von Kackhumor, was ich in "Anemoi" selber etwas verarbeitet hab. Musste bei deiner Geschichte stark grinsen und freue mich auf weitere Texte. Den Brillenbomber aus Braunschweig werde ich nicht so schnell vergessen.

LG Grayson

 

Dieser Faden ist ein perfektes Beispiel für die Gruppendynamik, die hier im Forum (und auch überall sonst auf der Welt) manchmal herrscht.

Findet irgendwer etwas vermeintlich geil und hält damit Haus, stellen gegenteilige Meinungen einen Störfaktor dar. Und niemand, zumindest ein Gros der Mehrheit nicht, möchte stören. Man klopft dann doch eher an und horcht, ob auch eine Antwort kommt.

Und zwischendrin ist das Geile dann doch eher nicht so geil und man denkt sich, joa, das stimmt schon irgendwie. Wie auch immer (was ich wirklich gerne sage), ich habe die ersten paar Kommentare gelesen, die im Konsens "Fäkalhumor" einig waren und stieg bei Lektüre des eigentlichen Textes bei "essenziell " aus.

Allen aber trotzdem ein schönes Osterfest!

 

Hallo @Analog
nach meinem Eindruck sind die Reaktionen auf den Text sehr unterschiedlich. Eigentlich bin ich der einzige, der ihn uneingeschränkt lustig fand. Die anderen Kommentare reichen von "Schwachsinn" bis "Geht so".
Worauf begründest Du Deine Ansicht, dass ablehnende Meinungen zu dem Machwerk zurück gehalten würden, oder dass sich jemand durch diese gestört fühlte?
Was willst Du mit Deinem leicht kryptischen Kommentar sagen?
Und – das interessiert mich wirklich – wieso steigst Du bereits an einer Stelle aus, an der noch gar nicht abzusehen ist, wohin der Text sich entwickelt?

Schönen Gruß
Kellerkind

 

Liebes Kellerkind.

nach meinem Eindruck sind die Reaktionen auf den Text sehr unterschiedlich. Eigentlich bin ich der einzige, der ihn uneingeschränkt lustig fand. Die anderen Kommentare reichen von "Schwachsinn" bis "Geht so".

Selbstverständlich. Gruppendynamik heißt ja nicht, dass alle ungehemmt schallend lachen. Das geht mehr in die Richtung, dass vereinzelt schallend Lachende es Umstehenden schwieriger machen, nicht wenigstens zu schmunzeln.

Und – das interessiert mich wirklich – wieso steigst Du bereits an einer Stelle aus, an der noch gar nicht abzusehen ist, wohin der Text sich entwickelt?

Weil mein Hirn langsamer ist als meine Augen und an der Stelle realisierte, dass der Text mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wirklich auf Fäkalhumor abzielt.

Schönen Gruß zurück
Analog

 

@Analog,

Findet irgendwer etwas vermeintlich geil und hält damit Haus, stellen gegenteilige Meinungen einen Störfaktor dar. Und niemand, zumindest ein Gros der Mehrheit nicht, möchte stören. Man klopft dann doch eher an und horcht, ob auch eine Antwort kommt.
Das würde voraussetzen, dass jede/-r Kommentator/-in alle Vorkommentare und Antworten darauf liest, bevor er seine Einschätzung entwickelt und abbildet. Da kann ich dich beruhigen, dafür fehlt mir (und vielen anderen) in der Regel die Zeit.
Peace, linktofink

 

Mahlzeit, linktofink.

Das würde voraussetzen, dass jede/-r Kommentator/-in alle Vorkommentare und Antworten darauf liest, bevor er seine Einschätzung entwickelt und abbildet.

Neeee, für eine erste Einschätzung reicht schon das Lesen von ein oder zwei Kommentarchen.

Da kann ich dich beruhigen, dafür fehlt mir (und vielen anderen) in der Regel die Zeit.
Peace, linktofink

Dann nimmt dich das natürlich aus. Mir (und vielen anderen) fehlt in der Regel nicht die Zeit andere Kommentare zu lesen, bevor man seinen eigenen verfasst. Ich persönlich finde es auch eher nicht so toll, wenn Sachen doppelt und dreifach besprochen werden. Klar, immer lässt sich das natürlich nicht vermeiden, aber einen Thread unnötig in die Länge ziehen, muss man ja auch nicht.

Übrigens lese ich (und damit bin ich nicht allein) vor der eigentlichen Geschichte fast immer ein, zwei oder drei Kommentare, so denn welche vorhanden sind. Erst dann wird in den Text reingeswitcht und manchmal – war es das dann auch schon nach den ersten paar Zeilen. Denn leider fehlt mir die Zeit, jeden Text hier im Forum zu lesen und auch angemessen zu kommentieren.

Alles Gute
Analog

 

Hallo @Analog
auf die Gefahr hin, dass es hier zu sehr off topic wird, halte ich mich kurz.
Ich lese so gut wie nie andere Kommentare vor meinen ersten Reaktionen, um nicht beeinflusst zu werden, sondern wirklich meine persönliche Meinung zu äußern. Deshalb hatte mich Deine Stichelei auch ein wenig geärgert.

Gruß
Kellerkind

 

auf die Gefahr hin, dass es hier zu sehr off topic wird

Stimmt. Sorry, Mietzenparty, dass ich das hier so zum Entgleisen bringe. Ich verspreche, dass ich nächstes Mal entweder etwas Konstruktives beitrage oder mich komplett enthalte.

Ich lese so gut wie nie andere Kommentare vor meinen ersten Reaktionen, um nicht beeinflusst zu werden, sondern wirklich meine persönliche Meinung zu äußern. Deshalb hatte mich Deine Stichelei auch ein wenig geärgert.

Den ersten Kommentar zum Text hielt ich für bitterbösen Sarkasmus. Als dann aber ein weiterer Kommentar (deiner) in dieselbe Kerbe schlug und nach kurzer Leseprobe nachfolgende Kommentare (bis auf #8) für meinen Geschmack durchweg zu positiv ausfielen, konnte ich es mir dann nicht verkneifen.

Alles Gute und so
Analog

 

Hey @Mietzenparty,
das ist so einer von diesen Texten, die so doof sind, dass sie schon wieder gut sind. Nein, ich bin auch kein Fan von Scheiß-Witzen, auch hat der Text viele Logikfehler, z.B. das Verhalten der Polizei undsoweiter undsofort.
Das stört mich aber alles nicht, denn ich finde diese ganze Sauerei wirklich originell verpackt. (Jetzt mal ganz ohne Ironie :) ).
Du bist auf alle Fälle jemand, der einen simplen Gedanken bis ins Absurdeste weiterspinnen kann, egal, wie blöd das Ausgangsthema eigentlich ist. Das hat für mich eine Qualität, die vielen humoristischen Texten, die hier so durchs Forum geistern, fehlt.
Und so völlig auf unterster Stufe ist es dann ja auch wieder nicht, schließlich ist es

Die große Rache des kleinen Mannes.
und die fand ich ziemlich geschickt beschrieben. Einerseits ist da diese Ironie, die den Kleinbürger - und den Fäkalhumor - auf die Schippe nimmt, vor allem, wenn er anfängt, alles in Mark umzurechnen und wegen einer scheinbaren Banalität so in Rage gerät, dass er seine ganze Energie nur noch darauf verwendet, einen Beschwerdebrief nach dem anderen zu verfassen. Andererseits muss ich zugeben, dass ich mich über die Wucherpreise auf den Bahnhofstoiletten auch schon aufgeregt habe und das hier:
„So wird der arme, kleine Mann mal wieder im Stich gelassen. Vom Monopolkapitalisten ausgebeutet. Vom Staat missachtet.
durchaus nachvollziehen kann. Natürlich ist das alles sehr karikaturistisch. Aber das auf gelungene Weise, wie ich finde.

Wenn die Macht so konzentriert ist, hilft nur noch ein Guerillakrieg, die Revolution aus dem Untergrund. Doch ich kann niemandem vertrauen, jeder Verbündete nur ein potenzieller Wolf im Schafspelz. Nein, diesen Krieg werde nur ich führen. Ich allein.“
Ja genau :lol:

„Jeder Hund darf hinkacken, wo er will, aber wir Menschen scheinen weniger Rechte in diesem Land zu haben, als alle anderen Tiere. Wir müssen einen ganzen Euro dafür blechen, das sind zwei Mark, um am Bahnhof unsere Notdurft zu verrichten.
Recht hat er!

Der Zorn steigt und der Wille, das System zu vernichten, bestärkt sich zunehmend.
Immer her mit der Revolution.

Zumal diese in Mark nochmal doppelt so hoch wäre.
Da möchte man oft wirklich nicht drüber nachdenken.

Also Mietzenparty, wie du wohl schon gemerkt hast, hat mir der Text gefallen, ich fand ihn echt amüsant. Bin gespannt, was noch von dir kommt.

Grüße von Chai

 

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