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Der Greis

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02.09.2001
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Der Greis

Unterhalb: Dichte Wolken
Eine mittelgroße Stadt erscheint wenn der Betrachter sich durch die Wolken stürzt.

Die Straßen sind erkennbar, werden größer... Fahrzeuge und Passanten erscheinen...

Etwa 20 Meter über dem Boden, ein alter Mann erscheint im Blickwinkel und zieht die Aufmerksamkeit des stillen Beobachters auf sich. Nicht weil er irgendetwas Besonderes tut, sondern wegen etwas was sonderbar erscheint: Er sieht den unsichtbaren Beobachter mit starrem Blick an.

Der Alte wird der Bezeichnung Greis gerecht, er hat einige graue, spinnwebenartige Haare die sich mit dem kaum vorhandenen Wind der mit dem Sonnenuntergang aufkommt, bewegen. Die dünnen Fäden vollführen einen stillen Tanz auf dem Kopf des Greises, der aus irgendeinem Grund fast schon bizarr wirkt. Sein Gesicht ist von Falten und tiefen Kerben gezeichnet, die Haut, bleichem Leder gleich, bedeckt ihn wie eine kleine dreidimensionale Landkarte mit Bergen und Tälern, die Handrücken sind voll mit Malen des Alters, die Finger von der immer stärker werdenden Gicht schwach geworden. Die linke Hand zittert merklich, die Kraft ist schon lange Zeit aus den Gliedern des Alten gewichen und hat sich einer anderen Art von Kraft schon fast ergeben.

In seiner gebückten Haltung geht der Greis erst einen, dann zwei Schritte, um dann wieder himmelwärts zu starren. Die Augen sind vom Starr befallen und nur trüb blicken sie durch seine Welt. Eine Träne bahnt sich wie ein kleiner Bach den Weg durch die Kerben seines Gesichts. Sein Blick zeigt wie müde er ist. Doch ein gewisser Stolz in seinen Augen ist noch erkennbar. Und dann dieser kleine aber durchdringende Glanz. Vielleicht hervorgerufen durch diese Erinnerungen in seinem Kopf, diese wärmenden Erinnerungen, vielleicht der einzige Grund dass der Greis die Prüfungen erträgt, die er ein Leben lang hätte bestehen musste, aber nicht immer bestand. Natürlich, auch die Prüfungen sind Teil seiner Erinnerungen, auch die fehlgeschlagenen und die, an denen er gescheitert war bevor er zu ihnen angetreten war. Unauslöschbar wie es scheint, wie Folter hatten sie sich in seinen tiefsten Kern eingebrannt, aber wie gesagt, auch diese wurden erträglich, durch die anderen Erinnerungen.

Seine Mitmenschen halten ihn für verblödet, sie sagen es nicht, aber es ist so, ja, er lebt wirklich nicht mehr in dieser Zeit. Irgendwann hatte er das mühsame Mitkommen aufgegeben, blieb stehen, und drehte sich dann sogar um, mit dem Ziel sich seinen eigenen kleinen Platz zu finden. Die Menschen verstanden das nicht. Dabei war es eine logische Konsequenz für den Alten gewesen. Er hatte das Vorhaben auch nicht plötzlich gefasst, er war nicht eines Morgens aufgewacht mit einer fixen Idee. Die ganze Sache hatte ihn eher langsam aber sicher übernommen, und er war glücklich damit. Nur wenn er wieder ins Jetzt, und ins Hier zurück kam, wie in diesem Augenblick, wurde er traurig , zitterte am ganzen Leib und weinte. Erst dann, wenn ihn diese Wärme zurückeroberte, langsam einlullte, zurückholte, in seine eigene Zeit, an seinen eigenen Ort, erfing er sich langsam aber mit vorbestimmter Sicherheit.

Nun hatte er nicht mehr viele Prüfungen vor sich, ein kalter Schauer scheint ihm über den gesamten Körper zu jagen, als ob er sich etwas bewusst werden würde, was er bis jetzt verdrängt hatte. Sein Blick gleitet vom Himmel weg, er schließt die Augen. Wischt sich die Tränen mit dem Ärmel von den Wangen, wie ein kleines Kind. Niemand hatte ihn weinen gesehen seit dem er ein Kleinkind war. Nie war jemand dabei wenn er sein Innerstes nicht mehr verbergen konnte. Er öffnet die Augen. Er sieht von hier aus nicht bis zum Horizont, die Häuser verhindern es. Die Straße auf der er steht bietet auch nichts, was nur annähernd von Interesse sein könnte.

So fixiert er wieder den unsichtbaren Beobachter über sich, nicht verwundert, auch wenn niemand sonst ihn sehen kann. Dann, als er so hinaufsieht, kommt langsam wieder diese Wärme in seinen Körper zurück, gleitet, strömt, ohne Geschwindigkeit, aber eben irgendwie doch, vielleicht langsam und schnell zugleich, in seine Seele.
Ein Hauch von Leben.

 

Hallöchen Niko!

Stilistisch habe ich an der Geschichte absolut nichts zu bemängeln. Aber irgendwie spricht mich die Geschichte nicht an. Ich weiß nicht, woran das liegt... Ich lese sie, ich lese sie bis zum Ende - und weiß gar nicht, was jetzt der Kasius Knackpunkt war... :( Du beschreibst hier einen alten Mann, der seit Kindheit nicht mehr geweint hat und der nun wieder einen "Hauch Leben" in sich bekommt - aber niemand weiß, warum eigentlich... Das ist noch okay, will ich nicht dran herumnörgeln...
Eigentlich weiß ich nicht, warum mich die Geschichte überhaupt nicht anspricht. Ich kann nur sagen, daß es so ist - und die Gründe, die weiß ich selber nicht... Was echt schade ist... *seufzt* :rolleyes: :(

Der Anfang erinnert an eine Art "Drehbuch" - dann schwenkst Du in die Erzählperspektive... Und irgendwie ist das auch eine gute Idee, aber die Umsetzung hat mich einfach nicht... nicht beeindruckt... Schade, schade, schade... :(

Gruß
stephy

 

Ich bin viel zu nervös, um hier eine anständige Bewertung abgeben zu können. So viel aber schon (nach ein Mal durchlesen; endlich eine Geschichte, die es verdient mehr als einmal durchgelesen zu werden!!!):
Eine stille, wahr wirkende Geschichte. Die Sprache und den Aufbau finde ich gelungen. Etwas rätselhaft (daher wird Stephy die Sache mit dem Weinen missverstanden haben), aber ich mag solch einen Stil.
Mein erster Eindruck ist also durchaus positiv!

 

Oh Gott, so nervös, dass schon meine Grammatik zu wünschen übrig lässt! Korrigiert es selbst in Gedanken!

 

Wunderschön geschrieben! Ich kann zwar auch den "Knackpunkt" nicht finden, den Grund für den Lebenshauch, den unsichtbaren Beobachter, warum der Greis für verrückt erklärt wird, aber mich spricht die Geschichte an, absolut! Sie macht traurig, nachdenklich und hat eine Art von Eigenleben, die für mich den ganz besonderen Reiz einer Geschichte ausmacht. Vielleicht verstehe ich sie nicht, aber ich mag sie, und das reicht mir (vorerst).
Gruß,

chaosqueen

 

Danke für die Kritiken. ;)

An der Geschichte liegt mir recht viel, sie ist meine Erste und trotz der Kürze auch meine liebste Geschichte.

Aber jetzt zu den Kritiken:

Ich glaub Chaos Queen hat das meiste "Ausschlaggebene" zusammengefasst weshalb ich jetzt ein Zitat von ihr nehm:

Ich kann zwar auch den "Knackpunkt" nicht finden, den Grund für den Lebenshauch, den unsichtbaren Beobachter, warum der Greis für verrückt erklärt wird

Das man den "Knackpunkt" nicht so leicht findet war nicht von Vornherein vorgesehen. Der Grund für den Lebenshauch, das können viele viele verschiedene Dinge sein, ich habe meine eigene Ansicht, die sich auch erst nach und nach gebildet hat. Ich glaube aber daß ich sie lieber nicht verraten sollte weil sich jeder seine Meinung darüber bilden kann. ( Ich finde das bei Geschichten immer viel schöner als etwas 100 % vorgegeben zu haben )

Mit dem unsichtbaren Beobachter ist es dasselbe. Er könnte vieles sein. Er ist sicher nicht etwas "Reales" aber der Unsichtbare könnte so ziemlich alles sein, auch hier hab ich meine eigene "Theorie".

Für Verblödet und Senil wird er gehalten weil er wie in der Geschichte geschrieben eben nicht mehr im "Hier und Jetzt" sondern in seiner eigenen Zeit lebt. Er sucht sich einen mentalen "Unterschlupf" um nicht mehr im "Jetzt" leben zu müssen in das er einfach nicht mehr hineinpasst.

 

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