Der Graue Berg
Einer unbekannten Schönheit vom feindlichen Stamm
Das alte Haus schien einsam, in dieser schicksalsträchtigen Nacht, das Licht verließ es auch schneller als notwendig, sodass im Haus ein elendes, gelbes Halbdunkel auf die gepeinigten Seelen der drei Gestalten drückte.
Rusbeh al Mukaffa unterdrückte den Brechreiz den der unausweichliche Anblick der klumpigen Knie seiner Frau in ihm hervorrief. Sie lag auf den bunten Pölstern aus ihrer alten Heimat. Rusbeh fühlte den warmen Schmerz des Mitleids, der ihn immer besuchte wenn die Behinderung seiner Frau so deutlich, so gnadenlos deutlich zum Vorschein kam.
Bukurije, das schöne Dienstmädchen, bedeckte die alte Frau sorgfältig mit Schafspelzen.
Die halbe Nacht hatten sie nun schon so verbracht, zur Untätigkeit verdammt, wartend. Unausgesprochen hing ihr Kummer in der stickigen Luft. Nur ihre Blicke verrieten, immer wieder für ewige Momente ineinander verloren, dass sie das Gleiche fühlten.
Wann würde Lejnar endlich da sein? Al Mukaffa sehnte ein Ende der Warterei herbei. Er war es nicht gewohnt, zu warten, von jemandem abhängig zu sein.
Die Zeiten hatten sich verändert, Hunger hatte die Körper, Hass die Gesichter und die Seelen verformt. Rusbeh al Mukaffa und die Seinen hatten hier kein Leben mehr. Der Graue Berg war zu klein geworden, geschrumpft angesichts eines Gottes, der in diesen hungrigen, primitiven Zeiten so blutrünstig war wie noch nie.
Hufen schlugen die schwarze Erde vor ihrem Haus. Lejnar, der mutige junge Mann war endlich gekommen. Wenig Zeit hatten sie zu vergeuden.
Bukurije, das treue Dienstmädchen, führte die gesattelten Pferde vor das Haus.
Rusbeh al Mukaffa half seiner Frau auf das Pferd, schwang sich dann selbst auf sein wertvolles Tier. Lejnar nahm Bukurije auf sein Pferd, und ritt eilig voraus.
Die Dämmerung hatte den Tag schon in sein graues Gewand gekleidet, als sie das Ufer erreichten. Die halbe Nacht waren sie geritten, stumm und fürchtend, zwischen Messern und Kreuzen hatte Lejnar einen Weg gefunden.
Rusbeh al Mukaffa und seine Frau blickten über den Fluss, die unendliche Wüste wartete auf ihre verlorenen Kinder. Rusbeh al Mukaffa wusste, in der Wüste wird er wieder frei und mächtig atmen können.
„Lejnar, in meinem Garten hast du gespielt, als Junge. Jetzt, als Mann sollst du drinnen wohnen. Du bist ein wertvoller Mensch geworden. Ich liebe Dich und bin stolz auf dich.“
Ein trauriger Blick Bukurijes lehnte die einladende Handbewegung Al Mukaffas in Richtung der Fähre ab. „Ich kann euch nicht begleiten, Herr und Vater. Der Graue Berg ist meine Heimat. Tragt mich in Eurem Herzen.“ Rusbeh al Mukaffa verstand. Die Bergblume Bukurije würde in der Wüste verwelken.
Während die wackelige Fähre Rusbeh al Mukaffa und seine Frau für immer über den Fluss brachte, kauerten Bukurije und Lejnar hilflos auf dem Ufer