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Der goldene Schuss
Der goldene Schuss
Nun saß sie hier, in dieser schäbigen Toilettenkabine, wo es nach Erbrochenem und Alkohol stank. Von draußen hörte sie Rufe und Grölen von irgendwelchen besoffenen Männern und Jugendlichen. Sie warf noch einmal einen Blick auf das Toilettenschloss, stellte sicher, dass es wirklich auf rot gestellt war, und hoffte inständig, das Schloss möge nicht wieder kaputt sein, so das nachher irgendein Depp einfach hereinschneien konnte.
Sie hatte alles da, ihr Besteck, ihre Kerze... Ein Übelkeitsgefühl machte sich in ihr breit, da sie den Gestank nun deutlicher wahrnahm. Das erste Mal seit vier Wochen wurde ihr klar, was sie hier eigentlich tat, wo sie hier eigentlich war.
Die mieseste Spelunke der ganzen Stadt, nur Kriminelle und Fixer um sie herum, wie war sie hier bloß hingekommen? Mela begann fast zu schluchzen. Wie hatte sie sich bloß in all diese Dinge verstricken können? Sie griff nach der Spritze. Aber jetzt... Es war alles so einfach! Zu einfach vielleicht?
'Ich habe eh keinen Mut dazu' dachte sie, und lies sie sinken.
In diesem Moment blitze eine Erinnerung in ihrem Kopf auf, von vor über fünf Jahren. Damals war sie mir ihrer Freundin über den Stadtplatz gelaufen und hatte Eis gegessen. Und dann, an der Bushaltestelle, hatte sie eine Gruppe von heruntergekommenen Typen gesehen, die alle aussahen wie Verbrecher. Die meisten von ihnen waren Penner gewesen, ja. Oder Männer die ihre Frauen schlugen und vergewaltigten. Drogenabhängige vielleicht, oder Dealer, das wusste sie nicht.
Nun sah sie an sich hinunter und bemerkte, das sie genauso war wie diese Typen. Wie ein Häufchen Elend musste sie auf andere wirken! Klar, und wie die Leute auf der Straße sie immer anstarrten...
'Mach dir doch nichts vor... Du bist jetzt ganz unten angekommen, Mädchen...' Dachte sie verzweifelt. 'Es gibt hier keinen Weg mehr heraus, und wenn, dann ist er zu schwierig, als dass eine Versagerin wie du ihn gehen könnte.' Ihr Entschluss stand fest, als sie sich alles noch einmal kurz vor Augen führte. Was hatte sie zu verlieren? Was hielt sie denn hier?
Sie packte mit der rechten Hand die Spritze und führte sie zur Pulsschlagader ihres linken Arms. Jetzt. Sie musste es jetzt tun, sonst würde sie nie wieder den Mut zusammenbringen.
Sie stach die spitze Nadel in ihre Vene ein und drückte alles.
Wie erwartet wurde ihr plötzlich schwindelig. Ihr Kopf wurde leer, alles drehte sich. 'Ja' dachte sie. 'Ich hab's geschafft. Endlich!' Dann fiel sie vorn über, mit dem Kopf gegen die Toilettenwand und rührte sich nicht mehr.