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- 31.08.2008
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Der goldene Planet
Nach Golde drängt
Am Golde hängt
Doch alles. Ach wir Armen!
Margarethe in Faust I, Johann Wolfgang von Goethe
Verloren stand eine kleine Runde älterer Männer in dem gewaltigen getäfelten Sitzungssaal. Das Abendlicht fiel durch die hohen Fenster herein und beleuchtete einige der silbergrauen Köpfe. Da standen Merryl, Morgan und Goldman, im typischen Brokeroutfit, zusammen und schwenkten debattierend ihre Sherrygläser. Moody, ein älterer, gewitzter Fuchs mit graumeliertem Haar, besah sich die Runde aus sicherem Abstand. Dann noch Warburg, ein vitaler, gedrungen gebauter Bursche; er ging von einem zum anderen und begrüßte alle sehr freundlich. Seinem ratlos fragenden Gesicht nach zu urteilen, war er der einzige, dem der Sinn dieses Treffens nicht bekannt war. Rockefeller, der unbestrittene Senior dieser Runde, blätterte schon in seinen Unterlagen.
„Meine Herren!“, Rockefeller sah streng in die Runde, „ich danke Ihnen für Ihr Kommen.“
Rockefeller nahm am Kopfende des Tisches Platz; hinter ihm prangte überlebensgroß John D. Rockefeller, der Patriarch, der die Dynastie gegründet hatte, in Öl mit Goldrahmen. „Meine Herren“, Rockefeller rückte seine goldene Brille zurecht, „wir stehen an einem Wendepunkt. Ich habe Sie herbestellt, um die anstehenden Entscheidungen, die große Tragweite für die Zukunft haben werden, mit Ihnen gemeinsam zu treffen. So haben es auch mein Vater, mein Großvater und mein verehrter Urgroßvater gehalten: an besonderen Wendepunkten der Geschichte muss gemeinsam entschieden werden, damit wir auch in Zukunft an einem Strang ziehen.“
„Jawohl!“, pflichtete Goldman bei.
„Na, meine Unterstützung haben Sie, das wissen Sie doch“, warf Warburg ein.
„Einen Wendepunkt doch hoffentlich nicht“, meinte Moody, „wir sind doch gut vorangekommen, fast vor dem Ziel. Den Kurs sollten wir nicht ändern.“
„Ganz meine Meinung“, bestätigte Rockefeller, „doch zunächst möchte ich Sie, verehrte Gäste, zu einer Bestandsaufnahme einladen. Wo stehen wir heute? Was haben wir falsch gemacht? Haben wir auch etwas richtig gemacht? Wer möchte zuerst seine Sicht darstellen?“ Rockefellers Blick galt den Brokern.
„Ja bitte“, er wandte sich Goldman zu, „freut mich sehr, Sie haben das Wort.“
„Danke. Wenn wir heute unser Vermögen bilanzieren, so sieht es viel schlechter aus als vor zehn Jahren. Und diese Bilanz ist doch das entscheidende, oder? So habe ich das von meinem Vater, Gott sei ihm gnädig, gelernt. Es schmerzt, wenn das Vermögen schwindet. Sogar der Kern unseres Vermögens, unser Goldvorrat, ist geschrumpft. Dazu ist der Goldpreis gesunken. Ein Glück nur, dass uns niemand nach dem Gold fragt.“
„Niemand danach fragt? Wie darf ich das verstehen?“ Warburgs Schnauzbart sträubte sich nach vorn.
„Na ja …, es ist eigentlich nicht meine Angelegenheit, aber da Sie wohl als einziger nicht eingeweiht sind, darf ich es Ihnen vielleicht erklären.“ Er blickte fragend zu Rockefeller.
Rockefeller nickte.
„Wir, ich spreche mal für unsere Freunde von der Notenbank, die nicht am Tisch sitzen, mit, verwalten, wie Sie wissen, nicht nur unser eigenes Gold, sondern auch erhebliche Bestände der Goldreserven anderer Staaten. Diese Reserven haben wir nicht ruhen lassen, es wäre ja eine Schande, sie nicht zu nutzen.“
„So denken Sie als Banker, aber tatsächlich sind Sie ja Treuhänder … das sollte man nicht durcheinander bekommen“, warf Moody ein.
„Ja, aber als Banker legt man auch Geld der Kunden nicht einfach so in den Tresor, sondern arbeitet damit … wir haben Goldspekulationen mit diesen Reserven betrieben. Seit Nixon die Goldbindung des Dollars aufgehoben hat, waren wir ja frei; so konnten wir das Gold nutzen. Zunächst unser eigenes, dann auch das Gold der lateinamerikanischen Staaten. Wenn die ihr Gold sehen wollten, haben wir ihnen die Barren gezeigt, vor jedem Besuch wurden die Regale entsprechend neu beschriftet. So fiel es nicht auf, dass in Wahrheit dieses Gold gar nicht mehr vorhanden war.“
„Und wenn die mal alle gemeinsam die Goldbestände geprüft hätten?“ fragte Warburg.
„Aber, aber, wo denken Sie hin … wir sind doch Freunde … den EU-Staaten haben wir die Inaugenscheinnahme erst gar nicht zugebilligt; unter Freunden vertraut man sich schließlich. Wenn sie sich ergötzen wollten, bekamen sie einhundert Barren exemplarisch zu sehen. Wenn sie erst davor stehen, reicht der Glanz; die Menge ist dann nicht mehr so wichtig.“
„Und da hat nie jemand geprüft, ob die Menge stimmt? Das ist ja unglaublich!“
„Nun ja, Ärger hat es schon gegeben, mit den Deutschen. Als der Angriff auf den Euro Gestalt annahm, haben sich einige Schlauberger gefragt, wie es um die deutschen Goldreserven stehe. Sie wollten Sie persönlich sehen! Zum Glück konnten wir das abbiegen. Eine Inspektion war nicht nötig. Ein Drittel des deutschen Goldes ist und bleibt sicher in New York.“
„Auf dem Papier oder im Tresor?“ Warburg war jetzt munter geworden.
„Pssst“, sagte Goldman und legte zwei Finger vor den Mund.
Rockefeller wurde ungeduldig: „Nach diesen Abschweifungen über die unwichtigen Details der Lagerverwaltung kommen Sie bitte zur Sache.“
„Sicher. Sie alle wissen ja, wie es weiter gegangen ist. Den Euro haben wir von Süden her angegriffen, so hatten wir das ja besprochen, weil hier der Kuchen weich war. Griechenland, Italien, Spanien und Portugal, noch ein paar Neustarter wie Irland haben wir in diese Reihe aufgenommen, unser Freund Moody hat die Ratings runter gesetzt und wir, Merryl, Morgan und ich, die Zinsen rauf, dann hatten die natürlich Zahlungsschwierigkeiten, also setzte Moody die Ratings weiter runter, und so fort.“
„Aber unsere Ratings entsprachen immer den objektiven Verhältnissen, dem tatsächlich gegebenen Risiko eines Zahlungsausfalls…“, wandte Moody ein.
„Unsere Zinssätze ebenso“, fügte Morgan hinzu.
„Ich sehe, sie haben immer objektivierbare Entscheidungskriterien angewandt, niemand kann Ihnen etwas vorwerfen … tatsächlich hat Sie ja auch niemand kritisiert“, bemerkte Warburg spitz.
Goldman fuhr fort: „Wir haben unsere Erkenntnis, dass die Bewertung der Schlüssel zum Geld ist, konsequent umgesetzt. Die großen Volkswirtschaften waren so nicht zu besiegen, dafür haben wir zusammen mit unseren Freunden den Stabilitätsmechanismus eingeführt. Wie Ihnen bekannt ist, saßen an allen entscheidenden Positionen der EU-Staaten unsere Leute, einer unserer Banker hat sich in Italien sogar für den Job des Ministerpräsidenten hergegeben, weil es sich nicht vermeiden ließ.“
Morgan ging dazwischen: „Nun tun sie mal nicht so leidend, wir hätten das auch gemacht. Ein paar ältere unserer Mitarbeiter hätten zum Abschluss ihrer Karriere auch gern noch mal einen Staatschef gemimt. Sie sind ja nicht das einzige Unternehmen, das über abgehalfterte eitle Manager verfügt. Aber Sie - mussten ja alles im Alleingang machen.“
„Selbst ist der Mann, und wir verstehen unser Geschäft wie unsere Väter. Und unsere Eitelkeit pflegen wir ebenso. Aber weiter: die Politik hat ja wenige kompetente Leute; man muss wirklich all diese Positionen selbst besetzen, damit es richtig läuft, anderenfalls müssten wir die Volksvertreter jeden Tag stundenlang instruieren, damit die wissen, was sie tun sollen. Dafür ist unsere Zeit zu teuer."
„Ja es ist traurig, wie wenige gute Politiker wir zur Verfügung stellen“, meinte Rockefeller andächtig, „wir sollten uns mehr um den Nachwuchs kümmern. Aber die guten Abgänger der Eliteschulen, die wir in unsere Verbindung aufnehmen, streben alle ins Bankgeschäft. Vielleicht sollten wir dort mit mehr Nachdruck steuern.“
Goldman: „Ja, sicher, aber solche Entscheidungen trifft man mit zwanzig Jahren Vorlauf. Wo bleibt unsere Langfristplanung? Zurück zu unserem Eurokrieg: `Den Euro hochhalten´ war die Devise; der Euro war ihnen heilig, die Aufgabe des Euro würde jedes Land einzeln dem Angriff der Währungsspekulanten aussetzen; mit dieser Angst haben wir sie vor uns hergetrieben.
„Ja, gebibbert vor Angst haben sie“, meinte Rockefeller.
„Angst ist ein sehr schlechter Ratgeber“, ergänzte Warburg.
„Den Euro zu retten, dafür war alles recht und billig. So haben die Länder es hingenommen, dass eine kleine Gruppe von uns in der europäischen Zentralbank den vollständigen Zugriff auf die Haushalte von Frankreich und Deutschland erhielt – damit war die Pumpe installiert, wir mussten sie nur noch einschalten, und schon lag die gesamte EU am Boden wie ein schlapper Luftballon. Aber das ist Ihnen ja alles bekannt, nur ein Resümee, damit wir alle auf demselben Stand sind und Sie etwas einwerfen können, falls Sie es anders sehen.“ Goldman räusperte sich bedeutungsvoll und blickte in die Runde. Es gab keinen Widerspruch. „ Jetzt kommen wir zur Gegenwart und damit zum Anlass unseres Treffens, wie ich vermute. Möchten Sie fortfahren, mein Freund?“ Er sah zu Morgan. Morgan nickte. Merryl blickte betreten vor sich auf den Tisch.
„Ja gern, Sie könnten es sicherlich besser erzählen, aber die Verschnaufpause sei Ihnen gegönnt. Man muss manchmal ein kleines Verbrechen begehen, um ein großes vorfinanzieren zu können, sagte schon mein Großvater. Das war schon beim britischen Postraub so und ist hier nicht anders.“
Jetzt unterbrach Merryl: „Wo sie schon alle die Meriten ihrer Väter und Großväter aufzählen, waren Sie denn daran auch beteiligt?“
„Nein, das hatten wir nicht nötig. Damals waren wir schon lange aus dem Gröbsten heraus, wie man so sagt. Lassen Sie mich fortfahren: In diesem Sinne war der Angriff auf den Euro nicht das eigentliche Ziel, sondern nur ein Schritt auf dem Weg. Zwei Dinge haben wir uns davon erwartet: erstens, Geld, viel Geld. Zweitens, da die EU ein bedeutender Absatzmarkt ist, haben wir damit gerechnet, dass ihr Zusammenbruch eine Weltwirtschaftskrise auslöst und damit auch die chinesische Wirtschaft auf Talfahrt schickt. Die Exporte in die EU sind die Basis der chinesischen Wirtschaft, so dachten wir, China sollte ebenfalls, wenn auch nicht kollabieren, wir brauchen es ja noch, so doch so tief fallen, dass wir uns billig einkaufen können, ich meine, die Unternehmen kaufen, die wir noch nicht haben, den Rest sozusagen.“
„Ein recht erheblicher Rest, würde ich meinen“, warf Merryl ein.
„Ja, leider, die Mehrzahl der chinesischen Unternehmen. Die sollten eigentlich auch darum billig werden, weil sie finanziell in der EU und bei uns in den USA stark engagiert sind und diese Beteiligungen nun wertlos wurden. Das hat ja zum Teil auch geklappt. Warum ist trotzdem alles schiefgelaufen?“ Morgan sah in die Runde. Sein Blick blieb an Moody haften. „Ja, warum ist alles schiefgelaufen?“, wandte er sich nun direkt an Moody und sah diesen streng an.
„Ist denn etwas schiefgelaufen?“, fragte Moody zurück. „Für wen denn?“
„Wenn Sie es uns nicht sagen, will ich es tun. Weil wir den chinesischen Binnenmarkt unterschätzt haben. Alle Ratings sagten aus, dass der unerheblich sei, mit dem Kollaps der EU würde die chinesische Wirtschaft purzeln. Pustekuchen! Moodys Informationen waren nicht das Papier wert, auf dem sie gedruckt waren.“
„Deshalb lese ich sie immer nur am Bildschirm und drucke sie nicht aus“, warf Warburg grinsend ein.
„Diesen Umstand werden wir bei dem nächsten Rating der Warburg-Bank sicher nicht unberücksichtigt lassen“, erwiderte Moody.
Rockefeller erhob sich. „Meine Herren, bitte keinen Streit, der hilft uns nicht weiter. Ich habe sie eingeladen, damit wir gemeinsam den Weg bestimmen, auf dem wir fortschreiten. Die EU ist zerstört, für lange Zeit, wie mir scheint; nochmal können wir das Ding nicht drehen.“
„Das wäre ja auch phantasielos“, meinte Moody.
„Dieses Kriterium hat bei uns nicht die höchste Priorität“, erwiderte Goldman.
„Wir haben gut daran verdient, aber es reicht nicht. Die friedliche Übernahme Chinas ist gescheitert; es fehlt das Geld. Es ist nicht einfach, gesunde Firmen in einer gesunden Wirtschaft zu übernehmen. Deshalb haben wir ja den Euro angegriffen, deshalb haben unsere Väter damals den schwarzen Freitag inszeniert – eine bis heute unerreichte Glanzleistung.“ Er wandte sich um zum Bild seines Urgroßvaters und verneigte sich. Die anderen applaudierten. „Nun stehen wir vor der völlig neuen Aufgabe, von einem schwachen Standpunkt aus ein kerngesundes Land zu übernehmen. Wir starten mit einer maroden Wirtschaft in einem Land, das sich auf dem Weg in das Chaos befindet, haben keine EU mehr als Sprungbrett, und wollen keine Atomwaffen einsetzen – die würden ja unser Ziel, die Übernahme der einzigen leistungsstarken Wirtschaft der Welt, gefährden. Also? Ich bitte um Vorschläge, meine Herren.“ Rockefeller setzte sich wieder.
„Tja, nun haben Sie sich redlich abgemüht, der arabische Frühling hat Ihnen alle Ölreserven in die Hände gespielt, aber was nützt das Öl, wenn die Wirtschaft nicht brummt? Und dann diesen Präsidenten, wirklich eine Ironie: wenn es nur noch um Konkursverwaltung geht, einen Nigger an die Spitze zu stellen. Haben Sie sich wirklich verzettelt, meine Herren?“ fragte Warburg.
„Haben Sie auch einen konstruktiven Beitrag, Herr Warburg?“, bellte Rockefeller zurück.
„Wie wär´s mit Unterwanderung? Wir besetzen die Schlüsselpositionen mit Verbündeten. So haben wir es doch in Europa auch geschafft“, meinte Moody.
„Und in Japan“, ergänzte Warburg.
„Meine Herren“,setze Rockefeller an, „ich darf Sie daran erinnern, dass das Ziel, die Weltherrschaft zu erlangen, seit Jahrhunderten terminiert ist. Es muss im 21. Jahrhundert gelingen. Und ich möchte meine persönliche Einschätzung ergänzend hinzufügen: es kann nur in der ersten Hälfte des 21. Jahrhunderts gelingen. Wenn es bis dahin nicht gelingt, haben wir verloren. Für immer.“
Nun war Goldman an der Reihe. „Ob die Unterwanderung ein Weg ist, ist auch eine Frage des Ziels. Wollen wir China besitzen, oder wollen wir es kontrollieren? Ich würde sagen, Besitz ist die Garantie für Kontrolle, die sicherste, die ich kenne, und Besitz fühlt sich gut an. Ich weiß, unser Freund Rockefeller sieht das anders, wie aus seiner Familie verlautete, sei es ein Schlüssel zum Erfolg, nichts zu besitzen, aber alles zu kontrollieren.“
Rockefeller sah pikiert drein, kommentierte die Spitze jedoch nicht. „Wie Warburg ganz richtig eingeworfen hat, haben wir Japan auch zu einem Freund entwickeln können. Die Sprache und die Kultur hinderten uns nicht. Trotzdem – mit China ist es nicht gelungen. Es bleibt uns nur, es zu kaufen.“
„Und womit?“, fragte Warburg, „mit unseren Goldreserven etwa?“
„Die reichen dafür nicht“, meinte Goldman.
„Dann nehmen wir die der anderen Länder dazu, die in der Fed. gelagert werden“, setzte Warburg nach.
„Haben Sie vorhin nicht aufgepasst? Die existieren doch gar nicht!“, antwortete Goldman gereizt.
„Und wo sind die?“ Warburg schaute entsetzt in die Runde. Er fand nur leere Blicke und Schulterzucken. „Alles verditscht? Wirklich alles?“ Warburg konnte es nicht fassen. „Da haben wir doch schon mal gestanden, zu Ende des19. Jahrhunderts: die amerikanische Schatzbank war ohne Gold. Wie das wohl gekommen ist? Damals konnte Ihr verehrter Urgroßvater“, er sah Morgan an, „der alte J.P. Morgan, die Bank retten und Gold beschaffen; er hatte sich mit Rothschild zusammengetan.- Nun, das geht heute nicht noch einmal. Die Geschichte wiederholt sich nicht.“
„Es sei denn, als Farce“, kommentierte Moody.
„War das nun von Marx oder doch von Hegel?“, fragte Warburg.
„Von mir“, antwortete Moody.
Rockefeller sah nun den Zeitpunkt gekommen, seinen Plan offenzulegen. „Meine Freunde“, rief er feierlich in die Runde, „wir haben doch, bei aller Verschiedenheit, einen Konsens. Wir wollen uns die Macht über die Welt nicht so kurz vor dem Ziel aus der Hand schlagen lassen. Goldman, Morgan und Merryl setzen auf die Mehrung und Nutzung des Besitzes. Wohl getan, das hat uns schon sehr geholfen. Ein Rockefeller möchte nicht besitzen, wie Goldman schon zutreffend bemerkte, meine Familie setzt auf Kontrolle: alles Vermögen in Stiftungen einbringen, die sich selbst gehören und, nebenbei bemerkt, nirgendwo Steuern zahlen, dann diese streng kontrollieren - das hat sich bewährt und es hat sogar Schule gemacht; es wird heute überall nachgeahmt.“
„Aber das kennen wir doch. Wir alle nutzen Stiftungen, um Steuern zu sparen. Aber deshalb muss man doch nicht gleich so besitzlos sein wie ein Franziskaner-Mönch“, wandte Goldman ein.
„Jetzt lassen Sie doch diesen argentinischen Gaukler aus dem Spiel. Die Lage ist ernst“, entgegnete Rockefeller.
„Der ist aber Jesuit“, entgegnete Goldman, „können die uns nicht helfen? Hat keiner von uns da Verbindungen?“
„Fehlanzeige“, kommentierte Rockefeller, „die sind nicht asienkompatibel. Fahren wir fort: Moody steht für die weise Beratung, deren Kern die Bewertung ist. Sie war schon der Schlüssel, als wir die EU flachgelegt haben. Mit der vorgreifenden Bewertung, einer Bewertung, die nicht die Verhältnisse berücksichtigt, wie sie sind, sondern die, die wir anstreben, damit haben wir die größten Erfolge gefeiert. Das Dumme ist nur: die Chinesen halten nichts von Moody. Wie viel ein chinesisches Unternehmen wert ist, das stellen die lieber selber fest.“
„Was Wunder“, bemerkte Warburg.
„Und wofür steht das Haus Warburg?“ Rockefeller wandte sich zu dem kleinen Banker. „Sie vertreten in unserer Runde die älteste Familie, ihre Vorfahren haben schon Geschichte geschrieben, als man unser aller Namen noch nicht kannte. Worin sehen Sie ihren Beitrag heute?“
„Warburg steht dafür, dass das Geld fließt“, sagte Warburg, „wir streben weder nach Besitz noch nach Kontrolle. Auch die Beurteilung der Situation ist nicht unser Fach. Wir lassen das Geld dorthin fließen, wo es benötigt wird. Wir sind schlicht nur Dienstleister.“
„Zum Beispiel in den dreißiger Jahren in Deutschland, wenn ich mich richtig entsinne“, bemerkte Goldman spitz.
Rockefeller wies ihn ab: „Es stimmt, dass die Warburgs geholfen haben, das Geld an die entscheidenden Stellen fließen zu lassen, als es darum ging, die Entwicklung Deutschlands zu steuern, heraus aus dem Chaos der Weimarer Republik auf einen rechten Weg. Gut, wenn eine Familie auf zwei Kontinenten zuhause ist, und gut, wenn sie auf zwei Kontinenten Banken betreibt. Sehr hilfreich, das Konzept. Aber Geldflüsse waren ja nicht alles, wir brauchten ja auch damals, wie heute, ich sagte es schon, Kontrolle. Damals haben wir über die IG-Farben, wir hatten da ja einen nennenswerten Aktienanteil, alles im Griff behalten.“
„Nicht wirklich alles, jedenfalls nicht für uns. Meine Familie hat persönliche Opfer gebracht. Einige mussten sogar emigrieren“, klagte Warburg.
„Vorübergehend“, wiegelte Rockefeller ab, "das kann uns hier in den USA auch noch passieren. Es gibt keinen Ort mehr, der für immer komfortabel ist. Aber wir sind doch Weltbürger, oder?"
Die Runde nickte verständnisvoll. Rockefeller ergänzte: „Mein Gott, wenn ich daran denke. wie schwer es unsere Väter damals hatten, aus einer Konzernzentrale heraus ein Land zu steuern. Heute dagegen, mit Monsanto, ist es reine Routine, ein Kinderspiel.“
„Das nur in Kleinstaaten funktioniert und uns in China nicht hilft. Kommen wir zurück zum Thema“, warf Moody ein.
„Ja, es bleibt also nur eines: kaufen!“ schloss Rockefeller seinen ersten Aufschlag.
„Aber womit?“, fragte Goldman.
„Damit sind wir beim Anlass des heutigen Treffens. Wie einige von Ihnen sicher noch in Erinnerung haben, diejenigen, die auch der Wissenschaftsrubrik der New York Times Beachtung schenken, hat sich, kurz bevor die EU zusammenbrach, im Kosmos eine gigantische Kollision ereignet. Zwei Neutronensterne sind zusammengestoßen; durch die Energie wurde so viel Gold erzeugt, wie zehn Mal die Masse des Mondes ausmacht. Zehnmal der Mond! Das sind siebenmal zehn hoch zwanzig Tonnen! Wir haben natürlich die Entwicklung genau verfolgt, ein Team von Astrophysikern hat in unserem Auftrag die Kondensation und Konsolidierung der Goldpartikel beobachtet. Niemand hat davon erfahren. Sie sind die ersten, denen ich heute die Ergebnisse offenbare.“ Rockefeller blickte zufrieden strahlend auf Goldman, Merryl und Morgan.
„Wie haben Sie das denn geschafft? So ein großes Projekt, und die NSA weiß nichts davon?“, fragte Goldman skeptisch.
„Tja, wie in alten Zeiten. Besprechungen fanden nur auf Waldspaziergängen statt, immer in der Natur. Ich empfehle dafür die Nationalparke unserer Stiftung, sehr schön, gut für Körper und Seele. Aber zum Thema: diese Masse reinen Goldes ist inzwischen zu einem Planeten kondensiert, einem einzigen Planeten aus reinem Gold, der den neu gebildeten Neutronenstern umkreist.“
„Und was hilft uns das hier? Der Planet ist doch weit weg!“, meinte Merryl.
„Lieber den Spatz in der Hand …“,
„Warten Sie es ab! Der Planet ist nicht außerhalb unserer Reichweite!“, meinte Rockefeller, „wir können hinfliegen.“
„Phantastisch!“, riefen Goldman, Morgan und Merryl gleichzeitig aus, „berichten Sie mehr davon! Kann man das Gold wirklich holen?“, setzte Merryl nach.
„Wozu holen?“, fragte Morgan, „wenn wir dort sind, bleiben wir dort, wir setzen uns auf den goldenen Stern, hissen dort die Stars and Stripes, dann gehört er uns, dann sind wir am Ziel aller unserer Wünsche.“
Rockefeller fuhr fort: „Dieser Stern leuchtet zwar nicht wie unsere Sonne, aber wozu braucht man Sonnenlicht? Wenn man auf einem Planeten aus reinem Gold sitzt, kann man sich alles, aber wirklich alles kaufen.“
„Aber, wenn ich mich recht entsinne“, wand Warburg ein, „die Sternenkollision war doch ziemlich weit weg, drei Milliarden Lichtjahre, dorthin zu fliegen verstößt gegen die physikalischen Gesetze, schon Einstein hat doch gezeigt, dass …“
„Seit wann scheren wir uns um Gesetze!“, würgte Rockefeller ihn ab. „Sobald klar war, dass das Gold zu einem Planeten kondensieren würde, habe ich eine Rakete entwickeln lassen, mit der man dorthin fliegen und viel Gold holen kann. Ein kosmischer Lastenesel, sozusagen. Und raten Sie mal, wem ich dieses einmalige Angebot unterbreiten möchte: dorthin zu fliegen und so viel Gold zu holen, wie wir für die Übernahme Chinas benötigen, und den Rest für sich zu behalten. Sie wissen es: Ihnen dreien habe ich dies Angebot zu machen.“
Goldman, Merryl und Morgan waren sichtlich gerührt und freudig erregt zugleich.
„Wann können wir dorthin?“, fragte Merryl.
„ Ist es wirklich schon gleich umsetzbar?“, fragte Morgan.
„Wie lange werden wir fliegen?“, wollte Goldman wissen.
„Sie werden so schnell fliegen, dass die Sendung des Goldes zur Erde noch rechtzeitig kommt. Sie kann in zwei Monaten erfolgen. Und in ihrer eigenen Zeit spielt die Flugzeit keine Rolle. Sie fliegen mit Lichtgeschwindigkeit. Und wie manche unter Ihnen wissen“, er blickte zu Warburg, „steht dabei die Zeit still. Sie vergeht für Sie nicht. Sie sind praktisch sofort da.“
Die drei sahen sich an und berieten sich. Dann sahen sie auf und nickten. „Wir haben uns verständigt. In Anbetracht der Lage der Dinge, und als großes Opfer, das wir für die gute Sache, die Erlangung der Herrschaft über die Welt, zu erbringen bereit sind, werden wir uns dieser schweren Aufgabe stellen. Wir drängen uns nicht; aber wenn die Pflicht ruft…“, schloss Goldman ehrerbietig.
„Danke, ich habe nichts anderes erwartet. Die Rakete ist startbereit. Wenn ich bitten darf…“ Er stand auf und wies Ihnen den Weg zum Ausgang. Dort wurden sie von Technikern in metallisch glänzenden Anzügen in Empfang genommen. Zufrieden setzte sich Rockefeller wieder, während die schwere Eichentür hinter den Bankern ins Schloss fiel.
„Uff! Das hätten wir geschafft. Die sind wir los“, verkündete er.
„Und wie geht es weiter?“ fragte Warburg nach einer Pause.
„Jetzt holen wir uns China. Unsere Goldvorräte reichen dafür, wenn die Bewertungen, die Moody abgegeben hat, stimmen.“ Rockefeller blickte erwartungsvoll Moody an.
„Welche Goldvorräte? Die in der Fed.?“
„Ja, sicher, welche denn sonst?“
„Nun, diese Goldvorräte … die gibt es nicht mehr. Die lagern sämtlich in Peking, als Kaufpreis für unsere Einkaufstouren der letzten Jahre … erinnern Sie sich nicht? Ihr Urgroßvater konnte besser rechnen, und kontrollieren dazu. Was Sie all den Regierungen der Welt verwehrt haben, das Gold zu besichtigen, das hätten Sie wenigstens selbst mal tun sollen. Dann hätten Sie gesehen, dass die Tresore der Fed. leer sind, da hilft auch keine angepasste Etikettierung mehr, leer, sage ich Ihnen, die Tresore sind leer.“
„Was sagen Sie da? Das kann nicht sein! Was wird hier gespielt?“
„Nun, dasselbe Spiel, das Sie spielen. Wir kämpfen nicht mehr gemeinsam, sondern jeder für sich. Ich für meinen Teil habe mit der chinesischen Führung vereinbart, dass ich der Berater bin, der alles, aber auch alles in der Welt beurteilt und bewertet. Die kollabierten Unternehmen Europas, der USA, Indiens, auch Afrikas, aber die Inder und die Schwarzen kriegen wir schnell wieder hoch, mit chinesischer Hilfe, das verspreche ich Ihnen, und natürlich die nationalen chinesischen Konzerne. Ich muss sie nicht besitzen, ich darf sie bewerten, das reicht zur Kontrolle, das haben Sie doch begriffen, oder?“
Rockefeller sah starr auf Warburg und Moody. „Ich behalte die Kontrolle! Ich! Immer! Bis zuletzt!“ Er fingerte in seiner Tasche, holte einen kleinen, goldenen Revolver hervor, setzte an und schoss sich in den offenen Mund. Der Knall war nicht besonders laut, fast ein bisschen niedlich, wie das „Peng!“ einer billigen Spielzeugpistole verhallte er in dem edel getäfelten Saal, sein Kopf fiel auf den Tisch und gab den Blick auf den Großvater frei, ein voller Durchschuss, Blut und Hirn waren auf dem Bild an die Rockzipfel des Patriarchen gespritzt, das hinter dem Sprössling im goldenem Rahmen prangte, das blasse Gesicht in Öl blieb ob des Geschehens vor ihm so ungerührt, wie es zu seinen Lebzeiten nicht ungerührter hätte gewesen sein können.
„Tja. Zu schade. Besitzen bringt es schon lange nicht mehr. Kontrolle allein hat sich auch überlebt. Die Verhältnisse studieren, sie beurteilen können, das ist die Fähigkeit der Zukunft“, schloss Moody nüchtern das Fazit.
„Machen Sie nur, was Sie für richtig halten. Ich werde dafür sorgen, dass das Geld fließt, wo auch immer es benötigt wird, wie immer“, fügte Warburg hinzu. „Trinken Sie mit mir einen Kognak darauf?“