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Der gestohlene Mond
Eines Abends sitzen die Tiere des Waldes beisammen. Auf einmal sagt der Hirsch: „Seht doch einmal den Himmel an, wie dunkel er ist. Mir scheint, es hat jemand den Mond gestohlen.“
Und da fällt allen Tieren auf, wie finster es in dieser Nacht ist.
„Aber was können wir da tun?“, fragt da das Eichhörnchen ratlos.
„Erst einmal bleiben wir alle ganz ruhig“, spricht nun der Dachs, „und dann machen wir uns auf die Suche nach dem Mond. Irgendwo wird er schon abgeblieben sein.“
Die Tiere beschließen, dass sie sich aufteilen wollen, um an den verschiedensten Stellen nach dem Mond zu suchen. Sobald einer ihn findet, soll er den anderen durch ein Pfeifen, Brummen, Röhren oder Zwitschern Bescheid geben, damit alle nachkommen können.
Nun ziehen die Tiere los und fangen an zu suchen. Manch eines ruft sogar nach dem Mond, in der Hoffnung, eine Antwort zu bekommen. Auf einmal beginnt es auf dem Feld hinter dem Wald zu röhren und zu grunzen. Natürlich eilen alle sofort dort hin. Hier sind nun Hirsche und Rehe sowie einige Wildschweine ganz aufgeregt.
„Oh, seht nur, wir haben den Mond gefunden. Aber er steht so furchtbar tief. Auch scheint er nicht ganz so hell wie sonst. Vielleicht ist er krank?“
„Aber, aber“, tönt da die dunkle Stimme des Dachses, „das ist doch niemals der Mond. Seht doch genau hin. Das ist der Scheinwerfer eines Autos. Der Sohn des Bauern wird es hier vergessen haben, weil er heute mit dem Traktor nach Hause fuhr. Er hat versehentlich das Licht angelassen. Nein, nein, das ist nicht der Mond. Kommt, suchen wir weiter!“
Wieder teilen sich alle auf, um die Suche fortzusetzen. Da beginnt am Ortsrand ein erneutes Lärmen. Diesmal stammt es von Vögeln und Hasen. Als sich die Tiere vor dem ersten Haus des Ortes versammeln, berichtet eines der Rotkehlchen: „Dort drinnen, dort drinnen da ist der Mond. Tschiep, Tschiep. Die Menschen haben ihn auf den Tisch gestellt und dort leuchtet er nun für sie. Das Rätsel ist gelöst; die Leute in diesem Haus haben den Mond gestohlen, damit er für sie strahlt.“ Seine Stimme überschlägt sich fast, so aufgeregt ist es.
Da wird das Rotkehlchen von einem leisen Lachen unterbrochen. „Das kann doch nicht der Mond sein. Dieses Leuchten im Zimmer steht dort immer, auch wenn der Mond über dem Haus scheint. Ich bin schon oft im Zimmer herum gehoppelt und kann es bezeugen.“ Hoch aufgerichtet steht Polly das Zwergkaninchen, das zum Haus gehört, auf dem Balkon und lacht die Tiere aus.
Die Hasen vor dem Hause sind verwundert, bestätigen aber: „Sie gehört zu unserer Familie, sie wird uns nicht belügen.“ Auch der Dachs spricht: „Ihr dummen Rotkehlchen, was ihr dort drinnen seht, ist eine runde Tischlampe und nicht der Mond. Kommt, suchen wir weiter!“
Beleidigt tschiepen die so Zurechtgewiesenen vor sich hin und machen sich dann zu einem weiteren Erkundungsflug auf.
Gemeinsam suchen die Tiere weiter. Da sie schon mal am Dorfrand angekommen sind, schleichen sich Fuchs und Dachs noch weiter in die Straßen.
Doch was ist das? Auf einmal öffnet sich die Kirchentür. Heraus kommt ein Kind. Es singt und an einem Stab trägt es den lang gesuchten Mond. Die beiden Tiere sehen sich erstaunt an: „Welches Fest dieses Kind wohl mit unserem Mond feiert und ob er danach wieder an den Himmel gehängt wird?“, fragt der Fuchs seinen Begleiter.
Ratlos stehen sie da. Was sollen sie nur tun?
Da strömen weitere Kinder aus der Kirche. Alle singen und jedes trägt an einer Stange seinen eigenen Mond. Dachs und Fuchs sind so entsetzt von diesem Anblick, dass sie die Flucht ergreifen. Was ist denn nur geschehen? Warum gibt es auf einmal so viele Monde bei den Menschen?
Schließlich gelangen sie wieder in den Wald. Als sie dort im Kreise der anderen Tiere anlangen, funkelt ihnen aus deren Mitte ein Paar großer unheimlicher Augen entgegen. Der Fuchs kann einen erschreckten Hopser nicht unterdrücken. Dann erkennt aber er, wer dort sitzt. Es ist die weise Eule. Sie sieht alle reihum kopfschüttelnd an und beginnt dann zu schmunzeln. „Ihr seid mir so ein Haufen von Dummköpfen. Wundert euch, dass der Mond heute Nacht nicht scheint. Also Dachs, von dir bin ich wirklich enttäuscht. Zumindest du hättest doch Verdacht schöpfen können, was es mit dem fehlenden Mond auf sich hat. Heute ist Neumond, da ist der Mond nicht zu sehen. Er versteckt sich vor allen. Sowohl Tiere als auch Menschen können ihn in dieser einen Nacht im Monat nicht erblicken. Morgen ist er erholt und wird wieder erscheinen. Nun geht nach Hause und tut es wie der Mond, ruht euch aus.“ Mit diesen Worten entlässt die kluge Eule die Tiere. Nun können sie endlich alle in ihre Höhlen und Nester zurück, um in Ruhe zu schlafen.