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Der Gelbe Mann

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22.08.2012
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Der Gelbe Mann

Gerade, als ich ankomme, steigt ein Mann aus seinem Auto, stellt sich bei geöffneter Tür direkt auf die Straße und schaut mich an. Er bohrt seinen Blick durch meine getönte Windschutzscheibe, betrachtet mein linkes Ohr, das sofort anfängt zu jucken und ich frage mich unweigerlich, ob ich hier wirklich richtig bin. Mein Navigationssystem zeigt an, dass mein Ziel nur noch zehn Meter entfernt ist. In etwa da, wo der Mann steht. Ich verlangsame den Wagen auf Schrittgeschwindigkeit, mein Ohr juckt schlimmer, dazu kommt, dass der Mann eine neongelbe Jacke trägt, wie einer von der Autobahnbaustelle und mir die Augen tränen, denn diese Farbe sticht.
Geh weg, geh von der Straße runter, ich muss dahin, wo du stehst. Warum starrt der Typ in mein Auto rein? Hab ich eine Fledermaus am Ohr? Was hat der für ein Problem? Hau ab!
Noch drei Meter und meine Motorhaube in staubigen brillantsilbermetallic würde dem Mann einen zärtlichen Knuff geben. Noch einen Meter bis zum Kontakt und ich bleibe stehen. Kein erlösendes „Sie haben Ihr Ziel erreicht“, mein Navigationssystem schweigt. Ich schweige. Der Mann steht da und schaut in mein Wageninneres.
Dieser Flegel soll aufhören mein Interieur zu begaffen, würde mein Navigationssystem jetzt sagen, wenn es dafür nicht zu höflich wäre. Ich spüre, wie sehr ich diese Stimme jetzt brauche. Die Stimme einer Dame, die Stimme meiner Limousine, die eigentlich ein Kombi ist, von der ich aber zu wissen glaube, dass sie das nicht gerne hört. Ihr riesiges Heck ist ihr unangenehm, sie wäre lieber sportlich als praktisch. Nun, ich kann es ihr nicht verdenken, umso mehr stört mich der Mann. Das ist doch nicht normal. Wir stehen vor ihm und er gafft einfach nur weiter. Ich beuge mich also weit nach vorne, so, dass der Typ meine Lippen auch erkennen kann, und artikuliere lautlose Anweisungen. „Mach nen Schritt!“ Theatralisches Augenrollen meinerseits. Nullreaktion seinerseits.
„Weg da!“ Nichts.
„Zur Seite!“ Ich unterstreiche diese Aufforderung mit einer Geste. Die Handbewegung ist zwar mehr als Empfehlung gedacht, falls der Typ sich einfach nur nicht für eine Seite entscheiden kann, aber sie weist auf sein orangefarbenes Fahrzeug, das immer noch mit offener Tür da steht.
Es passiert etwas. Der Mann steckt seine Hände in die Jackentaschen. Ich meine ein leichtes Kopfschütteln zu erkennen und sehe, wie er seine Unterlippe vorschiebt. Sein Blick flackert kurz. Mein Ohr juckt trotzdem. Wenn ich die Augen schließe, sehe ich einen glühenden Fleck, dort wo sich seine neongelbe Jacke in meine Netzhaut gebrannt hat.
Schielt der? Will der mir nicht in die Augen gucken? Das ist kein Indianerblick. Will der sich mit mir anlegen oder was?
„Der hat sich schon mit dir angelegt.“
Endlich wieder die Stimmer meines Navis, nun aber mit ungewohnter Schärfe. So habe ich sie noch nie erlebt, so sauer.
Unmöglich. Das ist der Stress, ich bilde mir was ein. Ich muss tief durchatmen, bis zehn zählen, noch tiefer atmen und mir klar werden, wo ich eigentlich bin, und wo ich hin will. Ich schaue mich um. Eigentlich könnte ich zurücksetzen und dann in einem Zug an dem Typen vorbeifahren. Circa zwanzig Meter weiter ist eine freie Stelle hinter einem Bagger. Was hindert mich? Es ist dieser Mann, der in seiner diabolischen Bewegungslosigkeit Macht über mich ausübt und mich daran hindert voran zu kommen. Er ist wie der Wächter, den der Held besiegen muss, ein Dämon, der überwunden werden muss, um die Schwelle ins Neuland zu übertreten. Meine Konfrontation mit dem Schicksal. Er fordert mich heraus und jetzt ist mir alles klar. Ich war hier hergekommen, um da drüben in dem Gebäude, vor dem sich jetzt riesige Erdhaufen auftürmen und Baumaschinen parken, ein Softwareupdate für mein Navi zu kaufen. Doch ich würde mehr als nur dieses Update mitnehmen. Ich würde meine Männlichkeit mitnehmen. Ich würde als neuer Mensch gehen, als einer der alle Widerstände überwinden kann. Ich würde diesen Ort als Sieger verlassen. Die Zeit war gekommen andere Saiten aufzuziehen. Voller Überzeugungskraft drücke ich meinen Fuß aufs Gaspedal und warte darauf, dass der Dieselmotor ein annehmbar bedrohliches Geräusch von sich geben wird, als mir in den verstreichenden Sekunden mehrere Dinge auffallen. Eine große Anzahl Männer in neongelben Jacken, die aus einem Bauwagen steigt, die blinkende Baustellenabsperrung in meinem Rückspiegel und die wunderbare Stimme aus meinem Navi, die sagt: „Jetzt haben sie dich.“

 

Hallo Maria Meerhaba,

Danke für deine Kritik und entschuldige bitte meinen Faux Pas, ich hätte dich nicht ignorieren dürfen. Ich weiß nicht mehr wie es dazu kam, kann sein das ich dir antworten wollte und in meinem Leben vor dem Bildschirm einfach plötzlich zu viel los war. Das soll keine Rechtfertigung sein, verzeih mir bitte.
Was die durch dich angesprochenen Punkte, in meiner Geschichte, angeht. Jetzt sehe ich es auch. Ursprünglich sollte das Hineinwerfen des Lesers, in die Handlung, dazu beitragen, die Gereiztheit des Protagonisten einfach hinnehmen zu können, aber du hast Recht, das funktioniert nicht.
Die Entwicklung ist wichtig und tatsächlich kann ich mit deiner Idee, dass, sich das Navi schon viel früher zu Wort meldet einiges in Schwung bringen. Das werde ich auf jeden Fall versuchen.
Die Kommafehler sind mir peinlich, da war ich wirklich voreilig mit dem hochladen, die beseitige ich als erstes.

Vielen Dank für deinen Beitrag und sei mir bitte nicht mehr sauer. Ich bessere mich ;)
Lem Pala

 

Hallo Lem Pala,

wahrscheinlich fehlt mir der nötige Ernst und die rechtschaffene Leidenschaft für die Literatur, aber ich fand deine Geschichte recht lustig. Gerade die überzogene Gereiztheit des Protagonisten in Kontrast zur doch sehr alltäglichen Situation halte ich für gelungen. Er ist ja eben gerade kein normaler Mensch und sein Navi braucht doch diesen Software-Update. Und dass du uns diese Tatsache nicht sofort um die Ohren haust, sondern langsam vorbereitest (das juckende Ohr, das Stechen der Farbe Gelb), fand ich eher gut als schlecht. Und die Pointe mochte ich auch. Dass das Navi fast schon genüsslich die Seiten wechselt.

Gut, die Kommafehler sind wirklich nervig, wäre schon gut, wenn du das noch berichtigst. Ich spar uns beiden jetzt mal die lange Liste und guck lieber noch mal drüber, wenn überarbeitet ist.

Wovon ich abraten würde: das Navi zu viel quatschen oder gar in Gewaltausdrücke ausbrechen zu lassen. Mir hat diese Stelle eigentlich ausgereicht, um zu verstehen, dass es sich hier um ein Navi mit Eigensinn handelt:

Dieser Flegel soll aufhören[,] mein Interieur zu begaffen, würde mein Navigationssystem jetzt sagen, wenn es dafür nicht zu höflich wäre.

Noch Stellen, die mir aufgefallen sind:
Das war mein Navi. Sie klingt sauer. So habe ich sie noch nie erlebt.
Das Navi ist sächlich. Da kann sich das "sie" nicht wirklich drauf beziehen. Wenn es dir (oder deinem Erzähler) widerstrebt, von "es" zu sprechen, müsstest du sie auch hier wie weiter unten "die Stimme aus meinem Navi" nennen. Außerdem zucke ich immer etwas, wenn als Vorvergangenheit zum Präsens das Präteritum verwendet wird. Vielleicht lässt du das Hilfsverb besser ganz weg. "Die Stimme aus meinem Navi klingt sauer. ..." oder so ähnlich.

Cirka 20 Meter weiter ist eine freie Stelle hinter einem Bagger.
Entweder circa oder zirka, du musst dich entscheiden. Und solltest Zahlen ausschreiben.

Eine große Anzahl Männer in neongelben Jacken, die aus einem Bauwagen steigt,
Mal abgesehen davon, dass für mich "eine große Anzahl" mehr Leute sind als in einen Bauwagen passen, irgendwie finde ich, dass das Verb des Relativsatzes im Plural stehen sollte. Auch wenn dann die Gefahr besteht, dass man glauben könnte, die gelben Jacken stiegen aus dem Bauwagen.

Soweit mein insgesamt recht positiver Eindruck.
Viele Grüße
Ella Fitz

 

Hallo Ella Fitz,
diese Funktion mit dem @ vor dem Namen, die ist neu oder? Egal, ich freue mich jedenfalls über deine Kritik. Die ersten Fehler sind bereits korrigiert, ich hoffe, dass mir nichts eklatantes entgangen ist.

Die ursprüngliche Intention für die Geschichte war, einen Protagonisten zur zeigen, der aus dem nichts in Rasche gerät und dem dabei die Wirklichkeit soweit entgleitet, dass, er sich in einer neuen wiederfindet. Ich weiß nicht ob er sich etwas einbildet, ob ihm jemand etwas übles will oder wie er die Situation am Ende auflöst, aber das ist ja auch nicht wichtig.
Eine inhaltliche Überarbeitung wird dennoch folgen, ich glaube mir ist da eine gute Idee gekommen. Mal sehen ob ich es schaffe die entsprechend auch umzusetzen.

Zum Bauwagen, ich kenne noch Modelle in denen sich zehn Mann, zwar etwas kuschelig, aber noch nicht unbequem, aufhalten können. Meistens sogar mit Holzofen ausgestattet. Ich behaupte jetzt einfach mal, dass es sich um so einen handelt, wobei ich natürlich nicht weiß, ob dir zehn Personen schon als „große Anzahl“ genügen.

Schöne Grüße, mein Dank und bis bald

Lem Pala

 

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