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Der Geheimweg
Der Geheimweg (Korrektur!)
Lucia wippte von einem Bein auf das andere und drehte dabei ungeduldig ihren Kopf in alle Himmelsrichtungen. Das sechs jährige Mädchen, dass ursprünglich aus Italien stammte, hielt Ausschau nach ihren Freundinnen. Nach einer Weile hörte sie ihren Namen rufen. Lucia stöhnte kurz auf, ging dann über die Straße, weg von der Haustüre vor der sie gewartet hatte. Sie lief drei Mädchen entgegen, die kurz zuvor um eine Hausecke gebogen waren.
„Endlich, da seid ihr ja!“, rief Lucia ihnen zu. „Ihr wolltet mich doch abholen!“
„Tun wir doch gerade; dich abholen.“, entgegnete ein blondes Mädchen, dass um drei Jahre älter war als Lucia.
„Aber ihr wolltet früher kommen, Nicole!“, antwortete Lucia.
„Entschuldige,“ warf ein etwa zehn jähriges Mädchen ein, „aber wegen der hier gingì s nicht früher!“ Sie deutete auf ein gleichaltriges Mädchen.
Diese stieß der anderen ihren Ellenbogen in die Rippen. „Oh, Christiane! Jetzt bin ich es schon wieder Schuld! Meine Oma hat mich nicht weg gelassen.“, erklärte sie und ignorierte Christianeìs Klagen über die schmerzende Rippen.
„Was wollte denn deine Oma, Sandra?“, fragte Lucia weiter.
Sie wollte, dass sie aufisst.“, antwortete Nicole für sie und grinste dabei breit.
„Was kann ich denn dafür?“, stieß Sandra aus. „Erwachsene sind eben so!“
„Schon gut, regì dich nicht auf!“, beruhigte Christiane sie. „Ich will jetzt spielen, kommt!“
„Ja, aber was machen wir?“, fragte Lucia.
„Gute Frage.“ Nicole sah in die Runde.
Sie schwiegen kurz. Jeder überlegte was sie machen konnten.
„Mhh, ich weiß was!“, meldete Lucia sich zu Wort. „Wir machen Klingel-Männchen!“
„Nein, nicht schon wieder,“ Nicole schüttelte ihren Kopf. „Ich möchte nicht wieder angeschrieen werden, so wie letztes Mal.“
„Lasst uns doch einfach um den Block gehen, dann fällt uns bestimmt was ein.“, schlug Sandra vor.
Christiane zog eine Schnute und meinte: „Jo, warum nicht.“
„Um unseren Block?“, fragte Lucia.
Nicole nickte.
Plötzlich zog Christiane ihre Augenbrauen hoch, ihr war eine Idee gekommen. „Da ist doch, gar nicht weit weg ...!“
„... der Geheimweg!“ Nicole war ihr ins Wort gefallen.
„Genau!“, erwiderte Christiane.
„Ja!“, riefen Lucia und Sandra wie aus einem Mund.
„Den könnten wir doch gehen!“, rief Nicole begeistert.
„Au ja!“, riefen die anderen.
„Der endet doch im Hinterhof von Nicoles Wohnhaus.“, meinte Sandra.
„Na und?“, fragte Lucia.
„Wir können ja dann da weiter spielen.“, schlug Christiane vor.
„Na gut.“, lenkte Sandra ein und schließlich gingen sie los.
Die vier Mädchen, die alle die selbe Grundschule besuchten, waren gute Freundinnen. Besonders Nicole, Christiane und Sandra kannten sich schon seit einigen Jahren. Lucia, die Jüngste, hatten sie erst später kennen gelernt. Der Geheimweg war für die Kinder eine Art Abkürzung, die durch fremde Gärten anderer Häuser führte. Es war für sie aufregend und abenteuerlich, alles in ihrer Umgebung zu erforschen. So war auch ihr Geheimweg entstanden. Für sie war es immer wieder spannend ihn entlangzugehen, ohne dabei erwischt zu werden.
Die Mädchen umwanderten einen Häuserblock und blieben schließlich vor einem aus roten Ziegelsteinen gemauerten Wohnhaus stehen.
„Los, wir müssen erst mal in den Garten.“, meinte Christiane.
„Hoffendlich erwischt uns die Sylvia nicht.“, flüsterte Lucia während sie vorsichtig um das Haus zu dessen Rückseite schlichen.
„Bloß nicht!“, erwiderte Sandra. „Die rennt gleich zu ihrer Mutter und verpetzt uns, und in der Schule labert sie dann auch rum.“
„Seid doch mal ruhig!“, wies Christiane die beiden an.
Sie verstummten.
Nicole sah vorsichtig um die Ecke des Gebäudes.
„Siehst du was?“, flüsterte Lucia.
Da zog Nicole auch schon schnell ihren Kopf zurück. „Da steht noch jemand vor der Eingangstür.“, antwortete sie leise.
„Dämlich, dass der Eingang hinterm Haus ist.“, meinte Christiane.
Nicole zeigte mit einem Wink, dass sie ruhig sein sollten. Wieder lugte sie vorsichtig um die Ecke. Alle sahen gebannt zu ihr. Deshalb bemerkten sie auch nicht, wie sich langsam jemand von hinten näherte. Während sie darauf warteten, von Nicole das Zeichen zum Laufen zu erhalten, kam dieser Jemand immer näher. Plötzlich packte er Sandra mit einer Hand auf die Schulter. Sie schrie auf und alle drehten sich erschrocken um. Vor ihnen stand ein älterer Herr mit grauem Haar. Er sah sie stirnrunzelnd an. Keiner der Kinder wagte ein Wort zu sprechen.
„Na, was habt ihr denn hier zu suchen?“, fragte der Mann misstrauisch.
Sandra schluckte, ihr sass der Schreck noch zu tief in den Knochen, als das sie hätte antworten können.
„Wir... wir spielen verstecken!“, beinahe hatte Nicole gestottert.
„So, so, verstecken.“, erwiderte der Herr skeptisch. "Und wer sucht euch denn?“
„Ähm, die Sylvia!“, antwortete Christiane schnell. „Die kennen Sie bestimmt, die wohnt hier im Haus.“
Da hellte sich sein Gesicht auf. „Ach ja, die Sylvia. Na, dann wünsche ich euch noch viel Spaß.“ Er ging an ihnen vorbei und lächelte. Die Mädchen lächelten etwas steif zurück.
„Und sagen Sie bitte der Sylvia nichts!“, rief Nicole hinter dem Mann her.
Der Mann drehte sich um und winkte lächelnd.
„Puh.“ Alle atmeten auf.
„Machen wir bloß, dass wir weg kommen.“, meinte Christiane.
„Ja, sonst trifft der die Sylvia wirklich noch.“, erwiderte Nicole.
„Ja, los!“ Sandra wollte sich umdrehen und wieder gehen, als Christiane sie am Ärmel zog und sagte: „Falsche Richtung!“
„Ja, wir wollten doch den Geheimweg gehen.“, meinte Lucia.
„Lucia ist mutiger als du, Sandra.“, stichelte Nicole.
Sandra zog als Antwort nur eine Grimasse.
„Hey, los! Wir können gehen!“ , rief da Nicole, denn es waren keine Leute mehr zu sehen.
Alle rannten los. Quer über eine Wiese, an einem Sandkasten in dem eine Schaukel stand vorbei, zu einer Reihe von niedrigen Hagebuttensträuchern.
„Hier.“ Nicole zeigte mit ihrem Finger auf eine Lücke in den Sträuchern.
Eine nach der anderen huschte hindurch. Dies taten sie vorsichtig, denn sie wollten sich nicht an den stacheligen Sträuchern pieken.
Nun waren sie an der gefährlichsten Stelle: sie mussten über eine große, offene Wiese eines Nachbarhauses laufen. Sollte auf einmal gerade in dem Moment jemand aus dem Fenster dieses Hauses schauen, wären sie entdeckt worden.
„Vorsichtig, duckt euch und macht schnell.“, flüsterte Christiane, als sie über die Wiese liefen. Doch es ging alles gut. Niemand schien sie gesehen zu haben. Bei einer kleinen Mauer, auf der anderen Seite des Gartens, blieben sie etwas außer Atem stehen. Hinter dieser Mauer befand sich in einigem Abstand eine zweite gleichhohe Mauer und zwischen ihnen lag eine Treppe, die nach unten zu einer Tür führte. Auf dieser Tür war ein Schild angebracht auf dem stand: "Achtung, Hochspannung! Lebensgefahr!"
Doch diese Treppe interessierte die Vier wenig. Sie brauchten die Mauer nur, um mit ihrer Hilfe auf ein Gartenhaus mit flachem Teerdach klettern zu können. Von dort aus wollten sie in einen weiteren Garten springen. Danach folgte ein weiterer Garten, von wo sie schließlich über eine hohe Mauer in den Hinterhof von Nicoles Haus gelangen würden.
Doch nun mussten sie erstmal auf dieses Gartenhäuschendach schaffen. Und das war leichter gesagt als getan. Es würde ein Weilchen dauern bis sie alle oben waren. Sie sahen sich um, ob sie nicht von irgendwelchen Leuten beobachtet wurden. Sandra schaute besorgt zu dem grünen Haus, dass direkt an diesem Gartenhäuschen lag. Durch ein kleines Fenster, dass sich oberhalb des Häuschen befand, konnten die Bewohner des Hauses direkt auf das kleine Dach schauen. „Hoffendlich sind die nicht da.“
„Na, und wenn schon.“, entgegnete Nicole. „Wenn wir leise sind erwischt uns schon keiner.“
„Helft mir hoch.“, forderte Lucia, die schon angestrengt dabei war die kleine Mauer hinauf zu klettern.
„Ja.“, antworteten Nicole und Christiane.
„Ich mache dir Räuberleiter.“, sagte Nicole.
„Beeilt euch.“, flüsterte Sandra aufgeregt.
„Ja doch.“, erwiderte Christiane, als sie Lucia endgültig auf das Gartenhäuschendach half.
„Los Christiane, jetzt du.“, flüsterte Nicole.
„Gut.“, antwortete sie. Schnell blickte sie sich um, dann kletterte sie auf die Mauer. „Nicole hilf mir mal auf das Häuschen.“
Nicole half ihr, indem sie Christianes Fuß mit den Händen hoch schob. Dann kletterte sie selbst hinauf.
„Nun macht doch.“ Wieder tänzelte Lucia hin und her. „Sandra, jetzt du!“
Mit Hilfe der anderen kletterte Sandra die Mauer hoch.
„Oh Mist! Ich glaube da kommt jemand!“, stieß Lucia auf einmal ängstlich aus.
„Ruhig, leise.“, flüsterten die anderen, während sie Sandra halfen.
Diese wackelte hin und her. „Helft mir! Gleich falle ich!“
„Ach was, stell dich nicht so an. Du fällst nicht.“, erwiderte Nicole.
Mit einem Ruck zogen Nicole und Christiane, Sandra zu ihnen hoch.
„Na endlich, jetzt schnell!“, drängelte Lucia.
Gerade wollten sie auf die andere Seite des kleines Daches gehen, um dort in den Garten des grünes Hauses zu springen, als plötzlich das kleine Fenster über dem Dach des Gartenhäuschen aufgerissen wurde. Ein Mann und eine Frau waren zusehen. Die Kinder erschraken.
Wutentbrannt schüttelte der Mann ihnen die Fäuste entgegen. “Was macht ihr schon wieder hier?”
Dann begann der Mann sich plötzlich durch das kleine Fenster zu zwängen und versuchte nach den Füßen der Kinder zu greifen. Da gerieten die Mädchen in Panik. Sie fingen an zu schreien.
„Gleich habì ich euch!“, rief der Mann bösartig, dessen graue Haare wild zerzaust von seinem Kopf abstanden. Wild fuchtelte er mit seinen Armen herum. Er kam nicht ganz durch das Fenster. Nur sein Oberkörper war zu sehen. Doch er erwischte Sandra an ihrem Hosenbein und zerrte an ihr. Sandra schrie auf: „Hilfe, helft mir!“
Sofort griffen ihre Freundinnen nach ihr, so dass Sandra sich los reißen konnte. Christiane und Nicole sprangen vom Dach. Dorthin zurück, woher sie gekommen waren.
„Los, kommt!“, riefen sie zu Lucia und Sandra hoch, die immer noch auf dem Dach standen und den größtmöglichen Abstand zu dem Mann hielten, der immer noch versuchte nach ihnen zu greifen.
Sandra sprang zu den anderen hinunter, obwohl sie sonst eher zimperlich in so etwas war.
Lucia zögerte. „Lucia, komm! Nun mach doch!“, riefen die Drei durcheinander.
Christiane breitete ihre Arme aus und rief :“Los, ich fangì dich auf!“
„Ja, los!“, riefen sie erneut.
Da sprang sie endlich. Der Mann rief laut und wüst Beschimpfungen hinter ihnen her. Doch die Mädchen hörten nicht darauf, sie rannten so schnell sie konnten zurück. Ohne darauf zu achten, ob sie jemand entdecken konnte. Über die große Wiese, ohne Vorsicht durch die Hagebuttensträucher, an der Schaukel und an dem roten Ziegelsteinhaus vorbei. Erst auf der Straße blieben sie völlig außer Atem stehen.
„Oh je, das ging gerade nochmal gut!“, sagte Christiane und schnappte nach Luft.
„Da geh ich nie wieder lang. nie wieder!“, rief Lucia verängstigt.
„Ich auch nicht!“ Sandra schüttelte den Kopf.
Christiane und Nicole schüttelten ebenfalls ihre Köpfe.
„Wer weiß, was der mit uns gemacht hätte.“, befürchtete Christiane.
„Genau.“, erwiderte Nicole. „Kommt, wir gehen in meinen Hinterhof."
Alle nickten und folgten ihr.
So wurde ihr Abenteuer „Geheimweg“ abrupt beendet.
Ende