Der Gastgeber
Ich blickte in einen Raum, er besaß keine Fenster, nur eine Tür, sie war aus massiven Holz, Eichenholz, wie ich annahm. Der Raum war erfüllt von einem diffusen grünlichen Licht dessen Quelle ich trotz intensiven Suchens nicht finden konnte. Die Ausmaße des Raumes betrugen 5x5 Schritt, begrenzt von grob verputzten und ganz in weiß gehaltenen, vermutlich gekalkten, Wänden. In diesem Raum war ein Bett, frisch gemacht und nach dem Waschpulver duftend, daß meine Mutter früher immer benutzt hatte, bevor sie verschwunden war. Außerdem sah ich einen Tisch, auf dem ein Glas mit klarer Flüssigkeit stand, ich vermutete Wasser, und ein Brot, das mit Käse und Schinken garniert war. Hunger stieg in mir auf und ich setzte mich an den Tisch und aß das Brot, welches hervorragend schmeckte und trank dazu die Flüssigkeit, ein gar köstliches Wasser, von einer Frische und Klarheit, wie ich es noch nie erlebt hatte.
Als mein Mahl beendet und mein Hunger gestillt war, schaute ich mich weiter um. Neben meinem Bette stand ein kleiner Nachttisch, er war aus hellen Holz gefertigt, schien nicht benutzt zu sein und hatte eine Schublade, die ich sogleich öffnete um den Inhalt zu erspähen. Dort lag ein kleinen Notizheft, zwei Bleistifte und ein silber-grauer Anspitzer. Neugierig nahm ich das Heft und blätterte darin herum, aber es war leer und der Duft der von ihm ausging sagte mir, daß es noch niemals auch nur aufgeschlagen worden war. Vorsichtig legte ich es zurück und schloß die Schublade wieder, um mich einem Schrank zuzuwenden, der an einer der Wände stand. Gespannt darauf, was sich im Inneren befand öffnete ich die beiden Türen, als ich daß tat fiel mir auf, daß dieses seltsame grüne Licht immer dort heller zu scheinen schien, wo ich gerade stand. Ich dachte kurz drüber nach, kam aber zu keinem befriedigenden Schluß und wandte mich dann dem Inhalt des Schrankes zu. Dort standen fünf Bücher und als ich auf den Rücken las, welche Lektüre dort auf mich wartete, wurde ich angenehm überrascht. Es waren allesamt Werke meiner Lieblingsautoren und ich freute mich auf das Vergnügen, daß ich beim Lesen dieser Bücher verspüren würde. Alle fünf waren Werke von erlesener Seltenheit, Werke, die ich immer schon einmal lesen wollte, doch sie niemals in meinen Besitz bringen konnte.
Warum auch immer ich in diesem Raum sein mochte, denn ich erinnerte mich nicht daran, was geschehen war bevor ich in diesem Raum zu mir kam, so gefiel es mir jedoch hier zu sein. Im gleichen Augenblick beschlich mich aber ein seltsames Gefühl des Unwohlseins, ein Drängen des Unterbewußten, das uns an etwas Vergessenes erinnert. Schnell fiel mir ein, welche Sorge es war die mich plagte. Es war die Sorge, daß ich ja nun kein Essen mehr hatte und was wohl am morgigen Tag sein würde, ob ich nun wohl hungern müßte. So beschloß ich die Tür zu öffnen, ich hatte es bisher unterlassen dies zu tun, weil ich instinktiv angenommen hatte, daß sie verschlossen sein würde. Ich sollte recht behalten. Als ich die Klinke, die sich unangenehm warm anfühlte, und sich unter meinem Händedruck leicht zu verformen schien, herunterdrückte vernahm ich das Geräusch des Sperrmechanismus eines Schlosses in der Tür. Einerseits enttäuscht darüber, daß die Tür nicht zu öffnen war, andererseits aber dennoch zufrieden, daß ich mit meiner Ahnung recht behalten hatte, ging ich zurück zum Bett und nahm mir eines dieser wunderschönen gebundenen Bücher. Nachdem ich den Buchdeckel aufschlug sprang mir in krakeliger, kaum leserlicher Schrift eine Widmung ins Auge, die ich sogleich als eine Widmung des Autoren an mich erkannte. Äußerst erfreut darüber ein solch einmaliges Stück in meinen Händen halten zu dürfen, fiel mir erst gar nicht ein, daß, wer auch immer mich in diesem Raum gebracht hatte, ein großartiger Gastgeber, vermutlich aber, ob der geschmackvollen Herrichtung des Bettes und meines Mahles, eher eine reizende Gastgeberin war. Mit stiller Zufriedenheit vertiefte ich mich in die Lektüre und ehe ich mich versah wurde ich müde und legte das Buch auf den Nachttisch, nicht ohne jedoch ein Lesezeichen, welches ich hinten im Buch fand, an die Stelle zu legen, welche ich zuletzt gelesen hatte. Ich sandte noch ein Dankgebet an den lieben Herrgott, daß er mich mit solch wundervoller Lektüre gesegnet hatte und schickte noch die Bitte hinterher, daß er doch dafür sorgen sollte, daß ich, wenn ich erwachte, von meinem Gastgeber etwas zu Essen erhielt. Meine Augen fielen schnell zu und ich glitt in einen traumlosen Schlaf.
Frisch gestärkt und fröhlich erwachte ich, obwohl in meinem Hinterkopf doch die Sorge nagte, daß mein Gastgeber mir kein Essen mehr bringen würde. Aber meine kleine Sorge erwies sich als unbegründet, denn dort wo gestern mein leerer Teller und mein Glas gestanden hatten, stand nun ein voller Teller mit frischen Toast, duftenden Kaffee und meiner Lieblingsmarmelade, Kirsche. Je länger ich mich nun diesem Raum befand, desto mehr gefiel mir mein neues Leben, das zwar ohne Sonnenschein auskommen mußte, dafür jedoch mit gutem Essen und interessanter Lektüre gesegnet war.
Ich gab mich völlig dem Genuß des Toastes und des Kaffees hin und eigentlich fehlte mir nur noch eine Morgenzeitung, die ich beim essen lesen konnte und ich beschloß auf meinen Gastgeber zu warten, um ihn meine Bitte vorzutragen.
So vergingen die Stunden, ich laß meine Bücher, machte ein paar Notizen in das Heft und irgendwann hörte ich Musik. Sie schien von oben zu kommen, aus den Sphären woher das grüne Licht kam, welches all meine Taten in diesem Raum begleitete, denn eine Decke schien es nicht zu geben, nur wabernde Nebelschwaden über mir. Das beunruhigte mich nicht weiter, denn von dort oben kam diese wunderschöne Musik, die ich sogleich als Ausschnitte des Rings von Wagner identifizierte.
Ich mußte im Paradies sein, als etwas anderes kam es mir nicht vor, gute Lektüre, gutes Essen und wundervolle Musik. Ich mußte auf meinen Gastgeber warten und ihm für diese göttliche Geschenke danken, die er mir beschert hatte. Doch mein Gastgeber kam nicht und mein Magen begann sich schon zu regen, erneut flammte diese leichte Sorge in mir auf, daß er mich vergessen haben könnte. Und obwohl ich gar nicht müde war, schloß ich meine Augen und fiel schnell in einen merkwürdigen Halbschlaf, in dem ich noch alles was in meiner Umwelt geschah, wahrnahm, aber nicht mehr reagieren konnte, da meine Glieder von bleierner Mattigkeit erfüllt waren. In diesem Halbschlaf hörte ich, oder glaubte zu hören, wie sich meine Türe öffnete und jemand in den Raum trat. Seltsame Geräusche drangen an mein Ohr, vor der Tür herrschte ein tiefes, unruhiges Rauschen, daß ich nicht einzuordnen wußte und das meine Nerven strapazierte. Aber auch derjenige, der in mein Zimmer gekommen war, lies mich rätseln. Er mußte einen hinkenden Gang haben, denn ich hörte ein schleifendes Geräusch, von einem Gegenstand, der über den Boden nachgezogen wurde. Da ich aber schon immer zu sehr lebhafte Träumen geneigt hatte, schenkte ich dem nicht mehr Aufmerksamkeit, sondern ließ mich tiefer in die Arme des Schlafes sinken.
Doch die Süße des Schlafes währte nicht lange und kurz nachdem mein Gastgeber, oder einer seiner Diener, mein Zimmer wieder verlassen hatte, öffnete ich meine Augen wieder und sah zu meiner Freude, daß es nun wieder eine Mahlzeit geben würde, ob es Mittagessen oder aber bereits das Abendbrot war, vermochte ich nicht zu sagen, mein Zeitgefühl hatte mich völlig verlassen. Auch das war mir nicht weiter wichtig, denn der köstliche Geruch von frisch gebratenen Fisch stieg mir in die Nase und mein Magen verlangte ein weiteres Mal sein Recht. So setzte ich mich an Tisch begann zu essen. Der Fisch schmeckte hervorragend und auch die Beilage, die ich nicht einzuordnen vermochte, schmeckte trotz kurzzeitiger Fremdheit ganz wundervoll, ebenso wie der vollmundige rote Wein, der mit dem Essen gebracht worden war. Als ich das Mahl vollendet hatte und mein Magen gesättigt war, legte ich mich zufrieden auf mein Bett und las weiter. Einige Zeit später jedoch machte sich zum ersten Male meine Verdauungsorgane bemerkbar und ich ging zur Tür, klopfte und fragte, ob man mich kurz herauslassen könne, um mich mein Geschäft erledigen zu lassen und es mir vielleicht ermöglichen könnte mich zu waschen, da ich mich recht unrein fühlte und etwas Wasser und Seife meinem Körper ganz gut tun würde. Aber niemand öffnete oder antwortete auch nur. Sorge kroch in mir hoch, daß ich mit irgendwas, das ich getan hatte, meinen Gastgeber verärgert haben könnte, oder ihm einen Grund geliefert hätte, mich zu bestrafen. Als ich noch darüber nachdachte, was ich getan haben könnte, fielen mir die Spuren auf, die von der Tür zum Tisch gingen. Ich kniete mich hin, um diese Spur näher zu untersuchen und als meine Fingerkuppen den Boden berührte, der ebenso wie die Türklinke, die ich gestern angefaßt hatte, seltsam warm war, fühlten sie ein schleimiges Naß, welches ich in keine mir bekannte Kategorie von Wasser einordnen konnte.
Mein Hirn arbeitete schneller als in den letzten Stunden und kam zu dem Ergebnis, daß ich mich ganz unbedingt mit meinem Gastgeber unterhalten mußte, um ihn nach einigen Dingen zu fragen, die mich in dieser Kammer zunehmend verwirrten. Erst einmal jedoch mußte ich mein immer dringender werdendes Geschäft verrichten und ich wählte die am weitesten von meinem Bett entfernte Ecke. Vorher jedoch untersuchte ich sowohl den Schrank, als auch meinen kleinen Nachtisch nach etwas Toilettenpapier, oder etwas Stoff um bestimmte Regionen meines Körper zu säubern. Ich fand nichts, was dazu geeignet gewesen wäre. Und so riß ich mit schlechten Gewissen zwar, aber mit einiger Dringlichkeit, mein Bettlaken in kleiner Stücke.
Ich verrichte also mein Geschäft und hoffte, daß mein Gastgeber mir dieses, doch allzu menschliche Malheur verzeihen und es wegräumen würde. Nach der Verrichtung setzte ich mich auf das Bett und beschloß zu warten, bis mein Gastgeber oder sein Diener erneut kommen würde.
Die Zeit schien zu verstreichen, ohne Uhr fiel es mir schwer zu bestimmen, wie lange ich schon auf dem Bett saß und auf die Tür starrte. Aber nichts geschah und ich schätzte, daß wohl zwei oder drei Stunden vergangen seien, als ich zu meinem Buch griff und wieder zu lesen begann. Jedoch nicht mehr mit der gleichen Versunkenheit, wie zuvor, meine Augen wanderten immer wieder aufs neue zur Tür. Je länger ich auf die Seiten des Buches und gleichzeitig auf die Tür blickte, desto seltsamer kam mir die Tür vor, die ich noch gestern als eine massive Eichentür eingestuft hatte, die sich aber bei diesem Doppelsehen im Augenwinkel immer ein kleines bißchen zu bewegen schien. Als ich dies zum erstenmal bemerkte, legte ich sogleich mein Buch zur Seite, auf dessen Inhalt ich mich ohnehin nicht konzentrieren konnte und versuchte die Bewegung ein erneutes Mal wahrzunehmen, diesmal jedoch mit beiden Augen. Doch als ich mich auf die Tür konzentrierte waren keine Bewegungen mehr zu sehen, die Tür bestand wieder aus massiven Eichenholz. Die Merkwürdigkeiten dieses Raumes erregten nun mehr und mehr meine Aufmerksamkeit und ich wunderte mich sehr über mein Verhalten seit ich in diesem Raum erwacht war. Skepsis, ob dies wirklich ein solch wundervoller Raum sei regte sich in mir.
Ich stand von meinem Bett auf und ging zur Tür, um sie von nahen eingehender zu betrachten, da ich hoffte aus der Nähe mehr erkennen zu können. Als ich nun vor der Tür stand, glaubte ich ein Pulsieren durch die Maserung des Holzes gehen zu sehen und als ich meine Handflächen behutsam auf das Holz legte, fühlte ich es. Auch die Tür war warm, wie die Türklinke, wie der Boden und durch das vermeintlich massive Holz hindurch fühlte ich ein langsamen pulsieren. Ein Verdacht keimte in mir auf, aber mein Verstand weigerte sich diese Unglaublichkeit zu begreifen. Wo war ich hingelangt, wie war ich hierher gelangt? Und wer oder was war mein Gastgeber? Angst und Panik hatten sich in mein Hinterkopf geschlichen und drohte mein ganzes Wesen, der ruhigen Analyse, zu zerstören. Ich wagte nicht mehr mich zu bewegen, weder körperlich, noch geistig. Ich wollte nichts mehr wahrnehmen. Nicht mehr darüber nachdenken, wo ich war und was mit mir passierte. Ich stand starr, Schweiß drang aus den Poren meiner Haut und benetzte sie mit einer unangenehmen Feuchte. Meine Augen bewegten sich im Gegensatz zu Kopf und Körper hektisch, versuchten krampfhaft einen Punkt zu finden, an dem sie sich ausruhen konnten, an dem ich meinen Herzschlag beruhigen konnte. Zufällig blickte ich auch nach oben, in das grünliche Licht, daß ich mittlerweile zutiefst bedrohlich empfand und erstarrte auch mit meinen Augen. Ich konnte sie nicht mehr fort nehmen, was ich sah erschreckt mich zutiefst. Grüner, warbender Nebel erfüllte die Decke, obwohl ich mir nicht einmal sicher war, ob es überhaupt eine Decke gab. Der Nebel war von einer solchen Dichte, daß ein Blick auf das, was vielleicht die Decke sein konnte, einfach nicht möglich war. Doch nicht das war es, was mich erstarren ließ, sondern der Nebel selbst. Er schien Formen zu bilden und wieder auseinander zufließen, die Formen wirkten bizarr und in einem Maße lebendig, daß ich glaubte sie würden mich unverzüglich anspringen und zerreißen, denn es waren Bilder des Terrors, die der Nebel formte. Manchen Menschen, die geistig ein gewisse Indifferenz aufweisen, hätten diese Bilder den Verstand kosten können. Ich blieb standhaft, zwar verspürte ich den nagenden Wahnsinn, doch schien sich um meinen Geist eine schützende Hülle gelegt haben. Vielleicht war ich auch nur jenseits der Angst, die ich verspüren würden, wenn die Situation eine normalere gewesen wäre. Dennoch spürte ich, wie die Panik, die sich langsam in mir aufbaute, immer stärker an den Mauern rüttelte und ich rannte zur Tür und drückte die Klinke wie ein Wilder, schrie und hämmerte mit meinen Fäusten gegen die Tür. Immer panischer wurden meine Handlungen, hinter mir glaubte ich zu spüren, wie sich der Nebel von der Decke am Boden sammelt und bereit war mich zu verschlingen. Mühsam zwang ich mich zur Ruhe, mit festen Willen unterdrückte ich das unkontrollierte Klopfen und wandte meinen Kopf, in Erwartung eines meinen Geist brechenden Schauspiels.
Dort war kein Nebel, der mich zu verschlingen drohte, der Raum war genauso wie in den Stunden zuvor. Meine Gedanken an Flucht wurden dadurch nicht besänftigt, immer stärker sehnte ich meinen Wächter herbei, um mich aus dieser Zelle befreien zu können.
Es mochten Stunden oder Tage gedauert haben bis meine Augen vor Müdigkeit drohten zuzufallen, doch immer wieder riß mein Wille sie auf. Ich durfte nicht schlafen, durfte nicht einmal die Augen schließen, ein Moment der Schwäche und mein Plan konnte gescheitert sein. Ich mußte fliehen, mußte der Folter entkommen, die wohl dazu diente meinen Geist zu brechen. Mit allen Mitteln wollte ich dies verhindern. Wie von Schnüren gezogen griffen sich meine Hände den Stuhl und zerschmetterten ihn an der Wand, immer wieder drosch ich auf die kalkweißen Wände ein, bis nur noch Kleinholz übrig war. Mein Magen knurrte seit Ewigkeiten und ich spürte wie meine Kräfte rapide sanken, aber mein einziger Gedanke war, alle diesen Widrigkeiten zu trotzen und den Foltern dieses Raumes zu widerstehen.
Ich nahm mir einige Splitter, die geeignet aussahen, von dem widerlich warmen, ja irgendwie, sogar lebendigen Boden, der unter der Oberfläche einer beständigen Bewegung unterworfen zu sein schien. Was ich damit zu tun gedachte war mir eigentlich zuwider und mein Inneres sträubte sich gegen die Entscheidung, die ich in meinem Kopf gefällt hatte. Ich betrachtete die Splitter und mein rasender Herzschlag beruhigte sich etwas, es war normales Holz, profanes, in jedem Wald zu findendes Holz. Ein hartes Lachen drang aus meiner trockenen Kehle und hinterließ das Gefühl, wie nach einer Halsentzündung. Das Lachen aber steigerte sich und während ich diesen kleinen Holzsplitter in meiner Hand hielt, saß ich unkontrolliert lachend auf dem Bett. Hätte ich mich in diesem Moment betrachtet, hätte ich auf einen Irrsinnigen geschlossen und trotz dieses Bewußtseins, daß ich mich völlig wie ein Wahnsinniger gebärdete, ergab ich mich diesem Wahnsinn, der mich warm und wohlig, wie eine Decke, einhüllte.
Irgendwann jedoch erstarb dieses Lachen und keine Laute drangen mehr aus meinem Mund, die Zeit war gekommen, um meinen eigentlich Plan zu beginnen. Ich nahm mir einen handlichen, kleinen Splitter und rammt ihn mir mit der größtmöglichen, mir noch verbliebenen Kraft in den Arm. Schmerz explodierte in meinem Hirn, ich wollte schreien, unsagbare Schmerzen plagten mich, aber kein Laut drang über meine Stimmbänder ins Freie. Tränen flossen mir über das Gesicht, aber ich erreichte auch das, was ich beabsichtigt hatte, die Müdigkeit war verflogen, der Schmerz hatte sein Regiment aufgenommen.
Immer wenn ich nun Müdigkeit verspürte, nahm ich einen weiteren Splitter und trieb ihn mir tief ins Fleisch. Dies mag nun wieder Tage so gegangen sein, ich wußte es nicht mehr. Ich verlor meine Erinnerung an alles, an meinen Namen, mein Geschlecht, an einfach alles. Der Schmerz und die immer wieder zurückgedrängte Müdigkeit nahmen meine ganzen Gedanken ein. Alles was ich war, war Schmerz, alles was ich wollte, war Erlösung von der Müdigkeit.
Schatten tanzten vor meinen Augen, die Wände pulsierten jetzt, wie Adern durch die Blut rauschte. Der grüne Nebel hatte sich von der Decke gesenkt und umspielte sanft meinen Körper, quälte ihn mit Vorstellungen von denen ich in meinen Gefängnis schon geglaubt hatte, daß es sie nicht mehr gibt. Fratzen tauchten vor meinem Gesicht auf und verschwanden wieder, wenn ich mich versuchte auf sie zu konzentrieren. Geräusche erfüllten den Raum, Schreie von gemarterten Seelen, von Menschen, die vor mir in dieser Zelle gefoltert worden waren. Vielleicht war ich auch schon vollkommen dem Wahnsinn anheim gefallen, vielleicht schlief ich auch schon lange und träumte all diese wilden und beängstigenden Dinge.
Dann öffnete sich die Tür. Der Wahnsinn erreichte seine Höhepunkt, in einem Crescendo von Irrsinn, vereinigten sich die Fratzen und die Schreie des Grauens in dem Wesen, das den Raum betrat. Mein Gastgeber war nun endlich gekommen und mit ihm kam das Wasser, welches schnell stieg und meine Lungen füllte. Als meine Augen vor Grauen und Todesangst aus den Höhlen traten, hörte ich einen schrecklichen Laut, es war das befriedigte Lachen meines unmenschlichen Gastgebers, der statt eines Halses Kiemen hatte und sich an meinem Schmerz und meiner Todesqual ergötzte.
Fast freudig ließ ich mich in die Arme des Todes sinken.
-dpa- Heute morgen, gegen fünf Uhr wurde am Strand eine schrecklich entstellte und aufgedunsene Leiche gefunden. Der Mann wies über den ganzen Körper verteilte Verletzungen auf, ob er sich diese selbst zufügte, oder ihm zugefügt wurden, ist zur Stunde noch unklar. Sachdienlich Hinweise bitte an.....