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Der Gast

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25.09.2002
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Der Gast

Sie ist noch etwas jung, ich weiß. Aber sie kommt jeden Tag an meinem Fenster vorbei. Dort ist ihr Schulweg. Ich habe ja so viel Zeit, bin arbeitslos, sie wissen ja wie das geht.
Jedenfalls trägt sie immer diese neumodischen, figurbetonten Klamotten. Meistens solche hautengen Jeans, die nur hinten mit einem Reißverschluß gesichert sind, sie wissen schon. Die haben hinten nicht mal Taschen. Da kommt man schon mal auf dumme Gedanken. Aber verstehen sie mich jetzt nicht falsch. Ich würde das natürlich niemals machen. Das woran sie denken, meine ich.
Obenrum trägt sie genauso enge Tops und Shirts, die ohne weiteres Aufschluß über ihre junge Oberweite geben. Sie hat nicht gerade viel, aber mir würde es schon reichen. Das wirkt schön natürlich und paßt zu ihren Proportionen.
Sie hat sich wohl letztens ein Bauchnabelpiercing stechen lassen. Ist mir erst gestern aufgefallen. Meinem geschulten Auge entgeht so was nicht lange. Das können sie mir ruhig glauben. Das Beobachten ist schließlich mein Beruf gewesen. Ich war Detektiv im hiesigen Dorfkaufhaus. Viel größer als ein Dorf ist dieses Nest ja wohl nicht. Aber ich muß sagen, ich fühle mich wohl. Die Leute hier pflegen die Anonymität. Sie wissen das zu schätzen. Das ist nicht gerade sozial, aber was soll das in der heutigen Zeit schon heißen. Ich bin vor sechs Jahren hierher gezogen, aus dem Osten, wissen sie? Da gab es ja keine Perspektive mehr. Also bin ich hieher in den wilden Westen gezogen. Ich war Koch in einem bekannten Freizeitpark. Inzwischen kann ich den Geruch von Schweinefleisch nicht mehr ertragen. Dann war ich Fahrkartenkontrolleur bei der Bahn und zuletzt bestand mein Job eben darin die Leute zu bespitzeln. Und da sagen die immer, im Osten wären wir unfrei gewesen. Die Politiker sollten lieber...
Da kommt sie. Pünktlich, wie immer. Fünf nach eins. Hinter dem Busch habe ich ihr rotes Leibchen aufblitzen sehen. Unverkennbar. Sie trägt es immer freitags. Das ist eine empirisch fundierte Tatsache, würde mein Bruder sagen. Er erforscht menschliches Verhalten. Der absolute Blödsinn. Sie sollten ihn mal hören. Was er immer über mich erzählt. Ich sollte mal rausgehen und mir eine Freundin klarmachen. Als ob mich eine haben wollte. Nein, das habe ich schon kurz nachdem ich hierher kam aufgegeben. Die Liebe macht einen ja doch nur ganz verrückt. Das hat sogar dieser Freud gesagt, oder nicht?
Alles was ich zum Leben brauche habe ich hier in dieser kleinen Wohnung, wissen sie? Und wenn ich etwas brauche, hole ich es mir rasch in den Abendstunden. Die Geschäfte haben ja jetzt lange genug offen. Nur dieses Dorfkaufhaus eben nicht mehr. Hat nur rote Zahlen geschrieben. Zu wenig Kunden. Die Leute haben ja einfach kein Geld mehr zum ausgeben. Aber wem erzähle ich das. Anstatt etwas zu verändern reden diese Politiker nur immer. Und streichen ihre fetten Diäten ein. Wenn sie mich fragen, ich glaube ja die ganzen Ausländer sind Schuld. Aber das kann man ja heutzutage nicht mehr sagen. Da wird man gleich schief angeguckt. Sie kennen das ja auch. Alle schauen sie einen so komisch an, als wüßten sie etwas von einem. Die stecken doch alle unter einer Decke. Komische Zeiten sind das. Da bleib ich doch lieber hier oben in meinem sauberen Zimmerchen.
Jetzt wechselt sie die Straßenseite, die Kleine. Wackelt auf ihren Ansätzen über den Asphalt. Ich mache das Fenster einen Spalt auf. Da, können sie es hören? Tock, Tock, Tock. Endzückend, nicht wahr? Einfach nur endzückend. Und sie erst vierzehn Jahre (ich habe sogar ausspioniert in welche Klasse sie geht.) Man kann schon sehen zu welchem Prachtexemplar sie reifen wird, finden sie nicht? Und wie schön sie die Haare pflegt. Ich würde gern einemal hineingreifen (und kräftig daran ziehen.) Ja, sie ist so ganz nach meinem Geschmack. Einen füchsischen Gesichtsausdruck hat sie, ich weiß nicht wie ich es anders ausdrücken soll. Geschminkt wie ein Püppchen stolziert diese kleine Lady durch mein Revier, und weiß es nicht einmal. Finden sie diese Vorstellung nicht auch wahnsinnig erregend?
Aber ich rühre sie nicht an. So ein Wesen sollte man bewundern wie ein zartes Gänseblümchen am Wegesrand. Und dann kann man sich immer noch seinen Teil denken. Tuen sie es doch genau wie ich. Stellen sie es sich vor, was sie mit ihr machen würden. Solche Gedanken darf man haben. Sie sind ihr Eigentum, geschützt und patentiert durch die Schädeldecke. Jeder gesunde Mensch phantasiert ab und zu. Das ist normal. Fragen sie doch meinen Bruder. Der hat es erforscht. "Jeder gesunde Mensch hat einen sogenannten Realitätssinn", hat er neulich gesagt. Er kommt mich ja so selten besuchen. Ich glaube, er mag die Einrichtung meiner Wohnung nicht. Deswegen guckt er mich mitlerweile schon fast so komisch an wie all die anderen. Forschend eben. Vielleicht sind sie alle Forscher und beobachten mich die ganze Zeit. Durch Kameras. So etwas soll es ja geben. Das wurde schließlich durch die Politiker veranlaßt.
Sie hat ja heute eine neue Hose an. Das fällt mir erst jetzt auf, wo sie am Fenster vorbeigeht. Die habe ich jedenfalls vorher noch nicht an ihr gesehen. Weiß, eng, figurbetont. Und den Reißverschluß hinten. Wunderbar, einfach wunderschön. Das müssen sie schon zugeben. Entschuldigen sie mich. Ich muß ganz dringend aufs Klo. Bleiben sie hier, aber fassen sie nichts an. Das muß alles seine Ordnung haben hier oben. Was muß, das muß. Und hüten sie sich vor den Funkwellen aus dem Telefon. Die zerstören unsere Gehirnwellen, sagt mein Bruder.

So, ich bin zurück. Hat etwas lange gedauert. Ich geb`s ja zu. Ich hoffe sie haben gut geschlafen. Angefasst haben sie ja nichts. Die Hand gebe ich ihnen jetzt nicht. Ist irgendwie noch etwas schmutzig. Es war ein schmutziges Geschäft, das kann man sagen. Sie wüßten jetzt wohl gerne wieso das so lange gedauert hat, oder? Ich hatte eine kleine Phantasterei. Ja, so könnte man das nennen.Ich habe mir vorgestellt, wie ihr Haar duftet und wie es sich wohl anfühlt. Also, es duftet nach Apfel. Läßt auf Apfelschampoo schließen. Nicht teuer, aber originell. Hatten wir auch im Kaufhaus. Hat aber nie einer geklaut. Wie es sich anfühlt? Ich bin kein Poet, aber ich möchte sagen: wie Seide in Haarform. Es ist dabei so glatt, dass man leicht abrutscht, wenn man nicht fest genug zupackt. Das füchsische Antlitz verzieht sich dabei zu einer Grimasse zorniger Todesangst. Das geschieht von einem Augenblick auf den anderen. Ein gewaltiger Energieschwall durchfährt sie und man muß schon alle Kraft aufbieten, um die kleine Füchsin im Zaum zu halten. Nur schreiern kann sie nicht. Dafür ist das Überraschungsmoment zu groß. Trotzdem müssen sie ihr ziemlich schnell das süße Maul stopfen bevor sie wieder zu Luft kommt. Ich sage ihnen das nur, wenn sie einmal selbst auf solch wüste Weise fantasieren wollen. Es ist ja völlig harmlos und gesund. Sie wissen ja, die Sache mit der Realitätsprüfung.
Da fällt mir ein, ich hab´ ja das Haar dabei. Ich habe ihr feinsäuberlich den Skalp abgeschnitten. Präzisionsarbeit, sage ich ihnen. Und hier haben sie die Hand. Schauen sie, wie von einer Puppe, oder? Und so weiche Haut wie sie sonst nur Babies haben. Das Fleisch ist die reine Delikatesse. Selbst für chinesische Verhältnisse eine exotische Köstlichkeit. Das werden sie schon merken. Keine Schadstoffe oder Konservierungsmittel. Alles schlachtfrisch. Ich heize den Backofen schon vor. Die Zubereitung ist sehr zeitaufwendig, habe ich gelesen. Das ganze Östrogen muß zuerst herausgekocht werden. Aber bis zum Abendessen werden sie ja wohl noch bleiben. Sie bekommen ein saftiges Stück Keule. Versprochen. Entschuldigen sie mich jetzt bitte. Ich habe in der Küche zu tun. Wenn sie sich nützlich machen wollen, rufen sie doch schnell meinen Bruder an. Ich habe ihn ja so lange nicht gesehen. Laden sie ihn doch auch zum Abendessen ein, ja?

 

Hi Positron,

deine Geschichte hat mir im Großen und Ganzen nicht sehr gut gefallen. Während ich deine Story gelesen habe, hat es mich eigentlich nicht unbedingt gegruselt, was man ja erwartet, wenn man in der Rubrik Horror/Grusel liest. Ehrlich gesagt habe ich mich mehr geekelt. Nicht wegen deiner Geschichte, sondern wegen der Person.
Außerdem packst du zu viele Klischees in die Hauptfigur. (Ossi, Arbeitsloser) Das macht die Geschichte zu unnatürlich, finde ich.
Das Ende war ok, aber nicht berauschend. Im Endeffekt einfach alles zu vorhersehbar.
Aber die Idee finde ich wiederum sehr gut. Die Gedanken eines kranken Sexualverbrechers, oder was auch immer. War aber auch schon mal da!

Don

 

Hallo Positron,
ich muss mich leider der Meinung von DonDaumen anschliessen. Ich fand deine Geschichte weder gruselig noch eklig. Auch die Situation wo der Prot. sich aufs Klo zurück zieht und anscheinend erst am nächsten Morgen wieder auftaucht fand ich irgendwie Merkwürdig. Einleuchtend fände ich es erst, wenn der Gast vielleicht eine Art Geisel des Prot. wäre und als Nachtisch auf der Speisekarte stehen würde.

bis dahin
Shadow

 

Hi positron!

Bin nicht ganz so enttäuscht von deiner Story. Zumindest die Perspektive, aus der du erzählt hast, hat mich eingenommen. Ich fand auch den Einfall, jetzt muss ich aber erst mal aufs Klo, bis gleich, mein Bester, nicht übel.

Natürlich reißt die Story nicht vom Hocker, aber, wenn man sich drauf einlässt, unterhält sie allemal.

Und Grusel oder Ekel habe ich höchst selten hier getroffen.

Viele Grüße!

 

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