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Der Gast und der Adept

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12.06.2017
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Der Gast und der Adept

Bereits seit vier Generationen führte meine Familie ein Gasthaus des Namens ,,Zum weißen Raben“. Auch wenn es ein gutes Stück abseits der Stadt lag war es ein oft und gerne besuchtes Lokal, in dem man bereits vielerlei Gäste gewohnt war. Oft hatten wir gewöhnliche Reisende zu Besuch, die auf der Suche nach einer einfachen Unterkunft waren, in der sie für keinen zu großen Preis Rast machen konnten, ohne dass viele Fragen gestellt wurden.
Wie zu erwarten ist, sorgt solcherlei Angebot auch für ein hohes Interesse zwielichtiger Gestalte. Zwar stellten sie oftmals Rätsel dar, zugegeben, allerdings waren die Meisten nicht von jener Sorte Mensch, die sich nicht entschlüsseln ließ.
Einen Gast jedoch werde ich wohl nie vergessen, den Einen, den ich nun heute erst verstehe, dessen Worte Sinn sich mir jetzt erst erschließt.

Es mag wohl ein Sonntag im späten November gewesen sein, schon lange herrschte der Regen mit stechender Kälte über die Straßen fern der Stadt, und kaum noch jemand war auf Reisen oder ließ sich in meinem Gasthaus nieder.
Die Sonne hatte uns schon seit Stunden verlassen und ich war gerade dabei, die letzten Gläser zu reinigen, bevor ich mich zu Ruhe betten konnte, als sich die Vordertür öffnete.
Ein Mann, groß gewachsen, von aufrechtem Gang und durch den Sturm gezeichnet wie ein Gemälde, trat durch das Portal und schloss die Tür hinter sich mit einer Gleichgültigkeit, als sei er soeben von einer sommerlichen Kutschfahrt gekommen.
Ohne sich auch nur seines triefenden, dunklen Mantels zu entledigen kam er mit strammem Schritt auf den Tresen zu und nahm Platz auf einem der Stühle. Seine Art bereitete mir ein eigenartiges Unwohlsein, merkwürdig in Anbetracht der Tatsache, dass solche Gestalten oft bei mir ein und ausgingen, doch es war etwas an ihm, was mir nicht geheuer war.
Für gewöhnlich betrachtete ich neue Gäste nur aus dem Augenwinkel, schenkte ihnen keine zu große Aufmerksamkeit und wartete, bis sie etwas wollten. Ihn allerdings konnte ich nicht minder als direkt ansehen, ganz so, als ob etwas unvorstellbares passieren könnte, sobald ich ihn aus den Augen verlieren würde.
Seine völlig ausdruckslose, ruhige Art verhieß für mich nichts Gutes.
Nachdem er seinen Blick großzügig durch die bereits leeren Räumlichkeiten streifen ließ, strich er sich die nasse Kapuze vom Kopf. Seine Augen waren so grau wie sein Haar, doch konnte ich mir mit mir selbst nicht einig werden, ob ich ihn anhand seines Gesichts nun für einen Mann in seinem dreißigsten oder sechzigsten Lebensjahr halten sollte.
Trotz meines wachsenden Unbehagens stieg auch meine Neugier auf die Geschichte des Fremden, und so fragte ich ihn, während er mich ebenfalls noch zu mustern schien, was sein Begehr sei.
,,Ein Zimmer“, mehr als dies sprach er nicht. Noch bevor ich ihn sah ließ mich das Klimpern eines Geldbeutels auf meinem Tresen von seiner Existenz wissen, und so schlug ich dem kuriosen Mann seine Bitte nicht ab. Das Gold, dass er zahlte reichte für genau drei Tage, eine ungewöhnlich lange Zeit für einen Reisenden.
Den ersten Abend verbrachte er damit, im Schankraum zu sitzen und mir bei meiner gering ausfallenden Arbeit zuzusehen, so wie er es dann auch den zweiten Tag über tat. Ich hatte vermutet, dass es etwas in der Nähe des Wirtshauses gab, dass ihn dazu bewegte, so lange hier zu bleiben. Dass er jedoch nur dort saß, unberührt von jeglichem Drang nach Aktivität, ließ mich misstrauisch werden. Wartete er vielleicht auf jemanden?
Am Abend des zweiten Tages bat er mich nun, dass ich mich zu ihm setzen sollte.
In der Hoffnung, mehr über den Mann zu erfahren und in der Ermangelung anderer Aufgaben folgte ich seiner Bitte. Nach kurzem Schweigen sah er mich schließlich an und fragte:
,,Kennen sie die Grundlagen der Alchemie?“ Verwirrt von der Art seiner Frage dauerte es eine Weile, mein Wissen aus den Tiefen meines Gedächtnisses zu zerren.
,,Alles, was ich weiß ist, dass es dabei um die Umwandlung von Dingen geht, und dass sie hier nicht gern gesehen ist.“ Als hätte er mich nicht gehört sprach er weiter:
,,Diese Kunst basiert auf dem Glauben, dass alle Dinge aus gewissen Grundmaterialien geschaffen sind, und dass das meiste dessen, was wir sehen, essen, tragen, aber auch wir selbst durch eine Vielzahl anderer Dinge verunreinigt sind. Selbst das Beten eines Rosenkranzes fußt darauf, es soll die Seele reinigen um uns unserem Grundmaterial näher zu bringen. Doch hat jede sogenannte Transmutation, also die Umwandlung von Stoffen, ihren Preis. Um etwas zu erhalten, muss man etwas Gleichwertiges geben. Was denken Sie?“
Weder wusste ich, was er mir damit sagen wollte, noch was ich damit anfangen oder was ich antworten sollte.
Nach einer Weile sagte ich ihm, dass es durchaus Sinn mache. So wie er eher am Vorabend sein Gold in ein Zimmer verwandelte, konnte man vielleicht auch manch Anderes ändern, doch wisse ich nicht, was ich von dieser Reinigung halten solle.
Statt einer Reaktion auf meine Antwort sah er mich erst bloß an. Die Sekunden verstrichen, und sein Blick wurde zu einem Starren; bewegungslos bohrten sich seine Pupillen in die meinen, er schien mich mit seinen Augen bis auf die Seele abtasten zu wollen. Die Stille wurde zu einer Tortur, sein Blick schien mir wie ein Feuer, dass sich bis auf die Knochen des Verstandes brannte, mich prüfte und verschlang.
Mit aller Kraft versuchte ich ein Wort hervorzubringen, aufzustehen und den Augen des Fremden zu entfliehen, doch ich schien die Kontrolle über Körper wie auch Geist verloren zu haben, in meinen Gedanken herrschte nun Leere.
,,Ich danke ihnen für ihre Zeit." Mit diesen schlichten, fasst schon lächerlich kurzen Worten brach der Fremde den Bann, als wäre es ein vollkommen gewöhnliches Gespräch gewesen stand er auf und ging die alte Treppe hinauf in sein Zimmer.
Während die Gedanken schleichend zurück in meinen Kopf flossen versuchte ich, das so eben Geschehene zu verarbeiten.
Im Nachhinein fiel es mir schwer zu sagen, ob ich nun für einige Minuten oder für gar eine Stunde mit dem Mann zusammen saß, und ob all jenes tatsächlich von ihm ausging, und nicht nur Teil meines Verstandes war, schließlich hatte ich schon einige zuerst unerklärliche Dinge erlebt, die sich mir nüchtern dann doch offenbarten.
Die Antworten, die ich erhoffte über den Fremden zu erhalten, blieben mir also verwehrt, oder ich verstand sie nur noch nicht. Furcht keimte in meinem Inneren, doch meine Neugier wurde nur noch hungriger.
Am dritten Tag begab sich der Fremde recht früh für einige Stunden nach draußen, kam am Mittag wieder zurück, nahm eine seiner Taschen mit sich, und ging wieder.
Weder sagte er mir, was er dort draußen tat, noch erhoffte ich mir eine verwertbare Antwort, wenn ich ihn gefragt hätte. Deshalb entschied ich, ihm ein Stück zu folgen, als er wieder loszog. Zwar konnte ich ihm nicht weit folgen, da er bald auf einem recht offenen Stück der Straße ankam, auf dem ich riskiert hätte, gesehen zu werden, doch kannte ich die Wege gut, und wusste, an welche Orte er gegangen sein konnte.
Entweder war er tiefer in den Wald gegangen, oder er war dem Weg bis in die Stadt gefolgt, vielleicht um Besorgungen zu machen. Einen wirklichen Sinn ergab keine von beiden Möglichkeiten für mich, doch da ich ein metallisches Klimpern aus seiner Tasche vernommen hatte, ging ich davon aus, dass er etwas in der Stadt verkaufen wollte, um seinen Aufenthalt zu verlängern.
Es dauerte lange, bis der Fremde zurückkehrte, und seine Tasche trug er tatsächlich nicht mehr bei sich. Mit den letzten Sonnenstrahlen des Abends im Rücken schritt er durch die Eingangstür hinein, setzte sich auf seinen üblichen Platz und wartete.
Was letztendlich dann doch meine Aufmerksamkeit erregte waren seine Schuhe. Obwohl sämtliche Straßen zu und in der Stadt gut gepflastert waren trug er Erde in mein frisch geputztes Haus, also ging ich davon aus, dass er wenigstens kurz im Wald gewesen sein musste. Dies allein machte mich noch nicht all zu stutzig, jedoch entdeckte ich noch eine andere Art Flecken auf seinen Schuhen;
Blut. Man könnte vielleicht meinen, dass er im Wald gewesen sei, doch gab es bereits seit Jahren kein Wild mehr in unseren Wäldern.
Nein, wahrscheinlich war es bloß ein Besuch beim städtischen Schlachter, weiter nichts, versuchte ich meine steigende Sorge zu ersticken, die sich nun wie ein Phoenix aus meiner neu gewonnen Ruhe erhob.
Bestimmt eine Stunde verging, in der wir uns nur gegenseitig ansahen, musterten, doch bereitete es ihm sichtlich weniger Unbehagen als mir, da es mich an den Vorabend erinnerte. Doch wollte ich mich nicht unterkriegen lassen; es gab noch einiges, dass ich nicht verstand, und ich spürte, dass die Erklärung kommen würde, wenn ich nur geduldig wäre.
Als ihm dann die Zeit gekommen schien, bat er mich wieder zu sich.
Zwar war ich nicht gerade zuversichtlich, mehr sinnige Informationen als am Tag davor zu erhalten, doch hoffte ich nunmehr, meine Gier danach zu stillen.
Es erwartete mich keine so lange Stille wie zuvor, gleich schon stellte er mir seine Frage.
,,Was, denken sie, macht den Menschen aus? Was ist es, dass uns vom Tier unterscheidet, dass wir besitzen, und sonst keine andere Art hat?“ Noch länger brauchte ich nun, um meine Antwort zu finden, denn es war eine Frage, auf die kaum ein Mensch eine wahre weiß, und welche, wie ich glaubte, ihm so wenig Genugtuung geben würde, wie mir die seine am Vortag.
,,Ich weiß es nicht“, lautete sie schließlich. Doch entgegen meinen Erwartungen schien sie ihn zufrieden zustellen, ein erstes Mal sah ich ein Lächeln über sein Gesicht huschen.
,,Ein unbeschriebenes Blatt, wie es die wenigsten sind. So mancher glaubt schließlich, es wäre Verstand oder gar Emotion die uns vom Tiere unterscheide.
Doch glauben sie mir, es gibt ihn, den Unterschied. Die eine Eigenschaft, die nur wir besitzen, und die doch die wenigsten nutzen, und die andere verhöhnen oder fürchten.
Und ich glaube, auch sie werden verstehen.“
Mit dem verabschiedete er sich eines weiteren plötzlich und verschwand in sein Zimmer. Ich war erleichtert, dass meine Erinnerungen an unser letztes Gespräch nicht aufgefrischt wurden, und doch enttäuscht über die wage Aussage des Gastes, meine Neugierde überwog meine Furcht bei weitem.
Was konnte es sein, von dem er sprach? Was bezweckten seine Fragen, weshalb redete er überhaupt erst mit mir und weshalb war er gar ausgerechnet hier?
Schlaf schien mir nicht vergönnt, und so entschied ich, eine Runde durch das Haus zu streifen, wie ich es immer tat, wenn ich den Sand der Nacht zu mir rufen wollte.
Ich war schon fast alles abgegangen, und die Müdigkeit schien mich bereits zu überfallen, als ich am Zimmer des Fremden vorbeikam. Zwar war es nie meine Art, einen meiner Gäste in nächtlichen Zeiten zu beobachten, doch sah ich unter seiner Tür den Schein einer Kerze flackern, und ich konnte nicht widerstehen, einen Blick durch Schlüsselloch zu wagen.
Die Flamme tanzte in der Mitte des Raumes auf den Resten des Wachs, klammerte sich mit letzter Kraft an den kurzen Docht, sie schien schon die ganze Nacht zu brennen. Ihr Licht tanzte auf dem Rücken des Mannes, welcher am Fenster stand, bewegungslos und ruhig, mit seinem Blick scheinbar in die Ferne gerichtet.
Lange brauchte ich, bis ich sah, dass seine Augen in der Spiegelung der Scheiben exakt in die Richtung des Schlüsselochs sahen, aus dem ich in das Zimmer blickte. Doch, genauso gut hätte er etwas auf dem Hofe unter dem Fenster betrachten können, dachte ich, bis sich in seinem Gesicht wieder jenes schmale Lächeln zeigte, dass ich am Abend sah. Ich schreckte vom Loch zurück und presste meinen Körper gegen die Wand neben der Tür.
Unmöglich, dachte ich, unmöglich hätte er mein Auge im Schlüsselloch nur aus der Entfernung in der Reflektion der Fensterscheibe sehen können. Zweifel überkamen mich, war meine Sehkraft bereits in einem solch schlechten Zustand, war es gar mein Verstand, der zu bröckeln begann?
Ich riskierte einen weiteren Blick, hoffend, mich von dem Gedanken befreien zu können, doch sah ich ihn diesmal bloß in seinem Bett liegend, wie in tiefstem Schlafe. Kein Geräusch hatte ich vernommen, niemals hätte er sich so schnell in das Bett legen können, ohne das die alten Dielen des Hauses ein Stöhnen hätten vernehmen lasse.
Wie eine Armee von Insekten jagte eine Welle puren Grauens ein Zittern an meinem Rücken hinab. Was, wenn der Fremde nicht einmal existierte, mein Geist schon so tief in die Abgründe des Irrealen gestürzt war, dass er bereits Menschen erdachte, die unmöglich sind? Die Gedanken rasten hinter meiner Stirn, immer schneller, ohne dass ich einen einzigen von ihnen hätte greifen können, bis sie alle plötzlich stillstanden, und sich pure Finsternis vor meinen Augen bildete.
Ich erwachte am nächsten Morgen in meinem Bett von einem höchst unruhigen Schlaf. Die Übermüdung musste Überhand gewonnen haben, so versuchte ich mich zu beruhigen, unmöglich konnte ich dies gesehen haben, unmöglich konnte ich dort zusammengebrochen und hier aufgewacht sein. Es war ein Traum. Ja, nicht als ein Albtraum, wie vermutlich bereits am Abend zuvor.
Am nächsten Tag achtete ich trotzdem mit höchster Genauigkeit auf den Gast. Ich war begierig darauf zu sehen, ob er sich etwas aufgrund der letzten Nacht, sollten die Dinge so verlaufen sein, wie ich sie in Erinnerung behielt, anmerken ließ, doch verhielt er sich völlig normal.
Doch war es eben dies, was mir an diesem Tag an ihm anormal vorkam.
Die ganze Zeit über hatte er sich auf jene solch merkwürdige Art verhalten, die mir hier zu beschreiben so unzureichend vorkamt, doch nun war er wie jeder andere Gast. Zum Morgen grüßte er mich freundlichst, bestellte sich etwas zu trinken, doch schien er dann den Rest des Tages auf etwas zu warten.
Den ganzen Tag über beobachtete ich ihn mit meinen von purpurnen Ringen gezeichneten Augen, ging seinem Blick jedoch aus dem Weg, sobald er sich meiner Richtung näherte, jedes mal zitterten meine Hände ein wenig. Ich kann wohl von Glück sprechen, dass ich an diesem Tag nicht die hälfte meiner Gläser fallen ließ.
Nun wurde es bereits wieder Abend, und da der Mann nur für drei Nächte gezahlt hatte, wurde es Zeit ihn zu fragen, was er als nächstes zu tun gedachte.
Auch wenn es mir in keinster Weise mehr behagte, ihn in meinem Haus zu haben, so behagte es mir genau so wenig, ihn ohne Antworten ziehen zu lassen, doch hatte ich hier kaum eine Wahl. Somit schritt ich an seinen üblichen Tisch nahe des Fensters und sagte ihm, dass er für das Gold, dass er mir gezahlt hatte keine weitere Nacht bleiben könne.
In seinem gewöhnlich farblosen Ton sagte er mir:
,,Ich versichere ihnen, dass ich sie noch diesen Abend verlassen werde, nur warte ich noch auf jemanden, der mein Geleit für den Ort sein wird, an den ich zu gehen gedenke. Doch möchte ich ihnen vorher noch eine letzte Frage stellen;
Was ist Wahnsinn?“
Kein Sandkorn hätte durch eine Uhr rieseln können in der Zeit, in der sich in meinem Kopf der Nebel lichtete.
,,Das ist die Antwort auf ihre Fragen, ist es nicht so? Der Wahnsinn ist jenes, was uns vom Tier unterscheidet, die eine Eigenschaft, die jeder besitzt, doch nur wenige nutzen und viele fürchten. Also soll das Grundlegende Material, aus dem der Mensch geschaffen ist, der Wahnsinn sein. Aber weshalb erzählen sie mir das?“ Wortlos erhob er sich, schritt bis zur Tür, blieb vor ihr stehen und sprach;
,,Einzig der Mensch ist in der Lage, einen Teil seines Verstandes für die Genialität zu opfern, die wir Wahnsinn nennen.“
Und mit dem öffnete sich die Tür, zwei Wächter aus der nächstgelegenen Stadt traten ein, packten ihn und nahmen ihn wortlos mit sich. Noch eine gute Stunde blieb ich regungslos an dem Tisch sitzen und ließ Stille herrschen, nur die Fronttür klapperte im Wind.
Nun hatte ich meine Antworten, doch wusste ich nun mehr? War das Geschehene wirklich so geschehen? Weder Furcht noch Reue spürte ich, den, ob freiwillig oder nicht, so hatte ich nun doch einen Tausch mit dem Fremden abgeschlossen, der meine Augen öffnete.
Es machte keinen Unterschied ob es Realität war oder nicht, den für mich war es das. In der verdrehten Logik jener, die "vollkommen bei Verstand" sind, ist der einzige Beweis für die Echtheit der eigenen Realität die Realität eines anderen.
Welchen Messwert hat somit all dies schon?
Aus den Augen einer Maus mag das Verhalten einer Katze vielleicht purer Wahnsinn sein, für die Katze ist es jedoch nur natürlich, nichts weiter.
Der Mensch allerdings ist in der Lage seinen Wahnsinn über die natürlichen Grenzen hinaus zu entwickeln, wir allein können seine reine, von anderen Perspektiven unabhängige Form erlangen, uns von den Strängen der angeblichen Logik und der Bequemlichkeit von Normen loslösen, die Kreativität nutzen, die er bietet.

Weshalb jedoch schreibe ich dies überhaupt nieder? Vor drei Tagen wurde mein ehemaliger Gast gehängt. Sein Verbrechen? Leidende zu erlösen, die laut den Normen der "gesunden" Menschen noch viele Wochen, gar Monate, vielleicht Jahre hätten leiden müssen.
Den Tausch, den ich abschloss, solltest auch du, werter Leser, in Erwägung ziehen. Die Welt benötigt mehr Menschen, die sich nicht vom Denken anderer binden lassen, mehr Adepten des Wahnsinns.

 

Hallo Vorcelin

Vor einigen Jahren wurde ich Zeuge eines Geschehnisses, das ich selbst jenen Lesern, die auch nur einen Bruchteil der in der menschlichen Natur verborgenen Neugier als Ihr Gut betrachten, als durchaus faszinierend darbieten möchte, sollten diese bereit sein, sich auch mit den Tiefen ihres Verstandes zu beschäftigen.

"ihr" würde ich hier kleinschreiben. Also, der erste Satz sagt ja schon einiges aus über den Stil, der mich in dieser Geschichte erwartet - klassischer Grusel, blumige, ausufernde Sprache, so im Stil von Poe / Lovecraft. Ich hab das Gefühl, das ist eine Nummer zu groß für dich - maria schreibt ja, in deiner anderen Geschichte hat das offenbar besser funktioniert, vielleicht werf ich da auch mal einen Blick rein, jetzt aber zu dieser hier.

,,Zum weißen Raben“.

Komische Satzzeichen, sind die öffnenden Anführungszeichen zwei Kommas?

Auch stellten sie oftmals Rätsel dar, zugegeben, allerdings waren viele nicht besonders jene Sorte, die sich nicht entschlüsseln lies.

ließ

"waren viele nicht besonders jene Sorte" - das ist grammatikalisch nicht richtig und stilistisch auch nicht schön, das "besonders" stört. Besser wäre: "waren viele nicht von jener Sorte".

Wenn man sich schon entscheidet, in einem solchen Stil zu schreiben, dann müssen die Sätze einfach sitzen. Oft klingt es seltsam bei dir, nicht zwingend falsch, aber ich hab immer das Gefühl, das ist nur die zweit- oder drittbeste Variante. Das Problem, das du dann bekommst - der Stil wirkt nicht mehr authentisch, sondern bemüht, aufgesetzt.

Einen Gast jedoch werde ich wohl nie vergessen, den Einen, den ich nun heute erst verstehe, dessen Worte Sinn sich mir jetzt erst erschließt.

Achte auf Wortwiederholungen: Hier 2x "erst".

Den ersten Abend verbrachte er damit, im Schankraum zu sitzen und mir bei meiner gering ausgefallenen Arbeit zuzusehen,

Hier müsstest du meiner Meinung nach Partizip I statt II verwenden: "ausfallenden Arbeit". Aber ich bin da auch nicht ganz sicher, das sind halt auch komisch (im Sinne von ungewöhnlich) konstruierte Sätze. Und dann kommt es zu Zweifelsfällen, und die hemmen den Lesefluss. Das zeigt mir, dass der Stil bei dir nicht so richtig sitzt, sonst müsste das flüssiger zu lesen sein.

In der Hoffnung, mehr den Mann zu erfahren

Hier fehlt ein Wort.

und in der Abwesenheit anderer Aufgaben

Besser: "in Ermangelung"

Nach kurzem Schweigen sah er mich schließlich an und Fragte:

fragte

Als hätte er mich nicht gehört sprach er weiter, ganz so, als hätte er nur eine lange Pause in seinem Satz gemacht.

Klingt mit dem 2x "als" auch nicht gut. Nach dem "weiter" kannst du den Satz enden lassen.

Selbst das beten eines Rosenkranzes fußt darauf,

das Beten

Was denken sie?“

Sie

(das sind jetzt ärgerliche Fehler, weil vermeidbar)

Also du merkst, mit der Sprache und dem Stil bin ich nicht so recht warm geworden.

Inhaltlich finde ich die Geschichte auch sehr dünn.

Die Antworten, die ich hoffte über den Fremden zu erhalten, blieben mir verwehrt, oder ich verstand sie nur noch nicht.

Der Funke ist nicht auf mich übergesprungen, was der Erzähler an dem Fremden jetzt so spannend / interessant findet. Der haut halt so ein paar pseudo-philosophische, wichtig klingende Sätze (oder Fragen) raus, aber irgendeine besondere Erkenntnis ergibt sich daraus ja nicht. Warum er ein "Adept" sein muss (ich kannte das gar nicht, aber laut Wikipedia wohl ein Alchemist, welcher den Stein der Weisen herstellen konnte), erschließt sich mir auch nicht.

Erst nach seiner nicht öffentlichen Hinrichtung hörte ich wieder von ihm, und ich spürte Angst.

Das wäre eigentlich der interessantere Teil der Geschichte gewesen. maria hat das ja auch angesprochen - der Einstieg ist einfach viel zu lang, zu ausufernd erzählt, und wenn endlich mal halbwegs was passiert, ist die Geschichte auch schon wieder vorbei - ohne dass es einen richtigen Kontext gegeben hätte. Wer ist der Fremde, was hat er verbrochen, warum kehrt er zurück, was hat das alles mit Alchemie zu tun - da wird vieles zusammengerührt und angedeutet in dem Text, ohne dass sich inhaltlich ein sinnvolles Ganzes ergibt. Schade.

Also Vorcelin - vielleicht geb ich deinem anderen Text auch mal eine Chance, dieser hier hat mich leider nicht überzeugen können.

Viele Grüße.

 
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Hallo maria,

Ein ziemliches Stück, das du hier kommentiert hast, nicht böse gemeint, micht freut die Kritik. Zu erst habe ich einige deiner Punkte nicht recht nachvollziehen können, siehe Verhalten, Figurentiefe und Aufbau, aber nach dem ich deinen Kommentar, und danach auch nochmal meine Geschichte gelesen habe, verstehe ich was du meinst. Zwar gehen wir an einigen Stil-technischen Punkten schlicht weg nicht konform, allerdings fällt mir die mangelte Tiefe nun definitiv auf. Ich denke, ich werde versuchen später die genrellen Geschehnisse und die Reaktionen des Wirts nochmal zu überarbeiten; hoffentlich wird dann der von mir geplante Hintergrund deutlicher, vielleicht hilft das dann auch dem Spannungsgrad.

PS.: Fullmetal Alchemist und Death Note, guter Geschmack!

Mit freundlichsten Grüßen,
Vorcelin

Hallo Schwups,

Ich werde mich in demnächst an die Überarbeitung meiner Kurzgeschichten machten, an dieser Stelle also schon mal ein Danke für die Verbesserungsvorschläge und aufgezeigten Fehler, ich bin schließlich hier um zu lernen und mich zu verbessern.
Vielleicht kann ja meine letzte Geschichte überzeugen, sonst gefällt hoffentlich der nächste, eher philosophische Text.

Mit freundlichsten Grüßen,
Vorcelin

 

Nach einigen Wochen habe ich "Der Gast und der Adept" nun endlich überarbeitet. Ich hoffe, dass der Text nun besser verständlich und leichter zu lesen ist, und ich auch ein bisschen mehr Spannung aufbauen konnte!
Ich würde wieder über den ein oder anderen Kommentar freuen, um zu sehen, ob ich das Ganze nun auch wirklich verbessert habe ^^

Mit freundlichsten Grüßen,
Vorcelin

 

Hallo Vorcelin,

ich habe die Ursprungsfassung nicht gelesen und kommentiere somit nur die jetzige. Zuvorderst sind mir etliche Fehler aufgefallen: Es fehlen eine Menge Kommas, Groß-/Kleinschreibung stimmt öfter nicht und das/dass verwechselst du des öfteren. Da das nicht durchgängig falsch ist, sieht es für mich eher nach Nachlässigkeit aus als nach Unwissen, deshalb werde ich das im Folgenden nur gelegentlich markieren. Ich schlage vor, dass du selbst noch einmal sehr kritisch nach diesen Dingen suchst. Dass die öffnenden Anführungsstriche bei dir als zwei Kommas ausgeführt sind, hatte Schwups schon angemerkt, aber du hast es bisher nicht korrigiert.

Der Stil deiner Geschichte ist natürlich Geschmackssache. Für mich funktioniert er ganz gut, außer an einigen Stellen, an denen eine zu moderne Formulierung hineinrutscht oder ein Bild irgendwie schief ist. Dieser Duktus erinnert mich angenehm an die frühe Horrorliteratur wie Poe oder Shelley, und deshalb stellt sich bei mir auch eine Stimmung ein, die mich für ein leichtes Schaudern empfänglich macht und gleichzeitig eine zu "hohe" Erwartung im Sinne krasserer Geschehnisse (wie bei zeitgenössischem Splatter o.ä.) verhindert. Insofern ist das für mich stimmig.

Mehr Probleme habe ich wie Schwups und Maria mit der relativ schwachen Pointe. Dass der Wahnsinn den Menschen vom Tier unterscheiden soll, ist zunächst mal schlicht unwahr - auch Tiere können z.B. aufgrund von Krankheit oder Trauma zu einer entsprechenden Verhaltensänderung kommen. Dass sie nicht in der gleichen Weise wie wir den Verstand verlieren, dürfte im wesentlichen daran liegen, dass sie halt keinen Verstand wie den unseren haben. Darüber hinaus erleben wir nicht wirklich, dass der geheimnisvolle Gast wahnsinnig ist - nur am Schluss wird trocken berichtet, das er Kranke "erlöst" habe -, und erfahren auch nicht, wie denn nun sein "Handel" ausgesehen hat: Was hat er denn im Gegenzug für das aufgegebene Stück Verstand erhalten? Alchemistische Kenntnisse? Falls ja: Was haben ihm die genützt? Und mit wem hat er diesen Handel abgeschlossen? Du musst das ja nicht komplett auflösen, aber ein paar mehr Andeutungen könnten zugleich die Spannung erhöhen und die Geschichte runder machen. Denn bislang hängt ja u.a. das Thema Alchemie so ein bisschen in der Luft.

Dann gehe ich mal durch den Text:

Wie zu erwarten ist, sorgt[e] solcherlei Angebot auch für ein hohes Interesse zwielichtiger Gestalte[n]. Zwar stellten sie oftmals Rätsel dar, zugegeben, allerdings waren die Meisten [meisten] nicht von jener Sorte Mensch, die sich nicht entschlüsseln ließ.
Der erste Satz kann zwar im Präsens stehen, wenn du ausdrücken willst, dass diese Tatsache immer gilt und nicht nur damals. Allerdings fällt er damit aus dem sprachlichen Fluss heraus.
Der letzte Satz ist wegen der doppelten Verneinung etwas holprig.

Ein Mann, groß gewachsen, von aufrechtem Gang und durch den Sturm gezeichnet wie ein Gemälde
Was bitte soll ich mir darunter vorstellen?! Wenn jemand von etwas "gezeichnet" ist (vom Sturm, vom Leben, von Strapazen, ...), dann heißt das ja nicht, dass er wie gemalt aussieht, sondern dass etwas an ihm "Zeichen", d.h. Spuren hinterlassen hat. Deshalb lässt sich diese Bedeutung von "gezeichnet" nicht durch "wie ein Gemälde" steigern.

Ihn allerdings konnte ich nicht minder als direkt ansehen, ganz so, als ob etwas unvorstellbares [Unvorstellbares] passieren könnte, sobald ich ihn aus den Augen verlieren würde.
"Nicht minder als direkt" ist schräg. "Direkt" ist nicht wirklich steigerbar, deshalb lässt es sich auch nicht umgekehrt abschwächen. Entweder man sieht jemanden direkt an oder eben nicht.

Nachdem er seinen Blick großzügig durch die bereits leeren Räumlichkeiten streifen ließ, strich er sich die nasse Kapuze vom Kopf.
Der Nebensatz "Nachdem ..." müsste eigentlich im PQP stehen, weil es ja vor dem Abstreifen der Kapuze passiert. Das klingt dann zwar etwas verkrampft, aber dein gewählter Stil verlangt m.E. genau das an dieser Stelle.
Und wie lässt man seinen Blick '"großzügig" schweifen? Hat der Mann dabei einen großzügigen Gesichtsausdruck, so als wollte er gleich eine Lokalrunde schmeißen? Oder lässt er sich bloß großzügig Zeit dabei? Dann würde ich "ausgiebig" o.ä. schreiben. Oder meinst du so etwas wie "großräumig"?

Noch bevor ich ihn sah[Komma] ließ mich das Klimpern eines Geldbeutels auf meinem Tresen von seiner Existenz wissen, und so schlug ich dem kuriosen Mann seine Bitte nicht ab.
Hier hast du für eine schöne Formulierung die sprachliche Klarheit aufgegeben: Vom Bezug her scheint es das Klimpern zu sein, das von seiner eigenen Existenz wissen lässt - und nicht von der des Geldbeutels. Das wäre Poe (oder seinen Übersetzern) nie passiert. Korrekterweise müsstest du schreiben: von dessen Existenz. Auch wenn es schräg klingt. Oder halt ganz anders formulieren.
Im übrigen hat Maria schon völlig zu Recht angemerkt, dass es keinen Sinn ergibt, dem Mann die Bitte nach dem Zimmer abzuschlagen. Allein der Gedanke ist hier schon unpassend.

Das Gold, dass [das] er zahlte[Komma] reichte für genau drei Tage, eine ungewöhnlich lange Zeit für einen Reisenden.
Hier mal ein Beispiel für zwei deiner "Standardfehler": Den Relativsatz mit "das" schreibst du öfters mit "dass", und ein eingeschobener Nebensatz muss immer auf beiden Seiten mit Kommas abgetrennt werden.

,,Kennen sie [Sie] die Grundlagen der Alchemie?“
Und noch ein "Standard": Die Anrede "Sie" (und die entsprechenden Pronomen wie "Ihre" usw.) schreibst du oft klein.

Nach einer Weile sagte ich ihm, dass es durchaus Sinn mache.
"Sinn machen" ist eine moderne Formulierung, die erst in jüngerer Zeit aus dem englischen "make sense" entlehnt wurde. Für deinen Text also ein Anachronismus. Davon abgesehen ist diese Wendung auch in modernen Texten ziemlich furchtbar und für etliche Leser ein rotes Tuch, eben weil sie "nicht richtig deutsch" ist.

Mit diesen schlichten, fasst [fast] schon lächerlich kurzen Worten brach der Fremde den Bann,[Punkt statt Komma] als [Als] wäre es ein vollkommen gewöhnliches Gespräch gewesen[Komma] stand er auf und ging die alte Treppe hinauf in sein Zimmer.
Während die Gedanken schleichend zurück in meinen Kopf flossen[Komma] versuchte ich, das so eben [soeben] Geschehene zu verarbeiten.

Manchmal hast du übrigens auch ein Komma zu viel:
Im Nachhinein fiel es mir schwer zu sagen, ob ich nun für einige Minuten oder für gar eine Stunde mit dem Mann zusammen saß,[Komma weg] und ob all jenes tatsächlich von ihm ausging,[Komma weg] und nicht nur Teil meines Verstandes war, schließlich hatte ich schon einige zuerst unerklärliche Dinge erlebt, die sich mir nüchtern dann doch offenbarten.
(...)
Am dritten Tag begab sich der Fremde recht früh für einige Stunden nach draußen, kam am Mittag wieder zurück, nahm eine seiner Taschen mit sich,[Komma weg] und ging wieder.

Entweder war er tiefer in den Wald gegangen, oder er war dem Weg bis in die Stadt gefolgt, vielleicht um Besorgungen zu machen. Einen wirklichen Sinn ergab keine von beiden Möglichkeiten für mich
Wieso nicht?! Was ist abwegig an ein paar Besorgungen in der Stadt?

Dies allein machte mich noch nicht all zu [allzu] stutzig, jedoch entdeckte ich noch eine andere Art Flecken auf seinen Schuhen;
Blut.
Warum Semikolon und Zeilenwechsel? Besser wäre ein Doppelpunkt, und auf jeden Fall solltest du in derselben Zeile bleiben. So etwas kommt weiter unten noch einmal.

(...) versuchte ich meine steigende Sorge zu ersticken, die sich nun wie ein Phoenix aus meiner neu gewonnen Ruhe erhob.
Das Phoenix-Bild ist schief, weil der Phoenix für etwas Erhabenes, Ruhmreiches oder Strahlendes steht. Davon abgesehen gab es vor diesem Satz keinerlei Hinweis, dass der Erzähler wieder zur Ruhe gekommen war. Die letzte erwähnte Gefühlsregung stammt vom Vortag und lautet: Furcht keimte in meinem Inneren, doch meine Neugier wurde nur noch hungriger. Nichts mit neu gewonnener Ruhe.

,,Ein unbeschriebenes Blatt, wie es die wenigsten sind. So mancher glaubt schließlich, es wäre Verstand oder gar Emotion[Komma] die uns vom Tiere unterscheide.
Doch glauben sie [Sie] mir, es gibt ihn, den Unterschied. Die eine Eigenschaft, die nur wir besitzen, und die doch die wenigsten nutzen, und die andere verhöhnen oder fürchten.
Und ich glaube, auch sie [Sie] werden verstehen.“
Die Zeilenwechsel innerhalb dieser wörtlichen Rede sind unnötig und irritierend.

enttäuscht über die wage [vage] Aussage des Gastes

wenn ich den Sand der Nacht zu mir rufen wollte
Ich denke nicht, dass der Sand ohne den Sandmann eine gebräuchliche Metapher ist.

Die Flamme tanzte in der Mitte des Raumes auf den Resten des Wachs, klammerte sich mit letzter Kraft an den kurzen Docht, sie schien schon die ganze Nacht zu brennen. Ihr Licht tanzte auf dem Rücken des Mannes, welcher am Fenster stand, bewegungslos und ruhig, mit seinem Blick scheinbar in die Ferne gerichtet.
vermeidbare Wortwiederholung

dass seine Augen in der Spiegelung der Scheiben exakt in die Richtung des Schlüsselochs [Schlüssellochs] sahen

Die ganze Zeit über hatte er sich auf jene solch merkwürdige Art verhalten, die mir hier zu beschreiben so unzureichend vorkamt [vorkam]

jedes mal [Mal] zitterten meine Hände ein wenig. Ich kann wohl von Glück sprechen, dass ich an diesem Tag nicht die hälfte [Hälfte] meiner Gläser fallen ließ.

Somit schritt ich an seinen üblichen Tisch nahe des Fensters [nahe dem Fenster] und sagte ihm, dass er für das Gold, dass er mir gezahlt hatte[Komma] keine weitere Nacht bleiben könne.
"Nahe" verlangt den Dativ.

(...) noch eine letzte Frage stellen;
Was ist Wahnsinn?“
Doppelpunkt und selbe Zeile; siehe oben.

Es machte keinen Unterschied[Komma] ob es Realität war oder nicht, den [denn] für mich war es das.
"Einen Unterschied machen" ist m.E. eine weitere anachronistische und überhaupt ärgerliche Lehnübersetzung ("make a difference"). Es gilt das Gleiche wie oben bei "Sinn machen".

Vor drei Tagen wurde mein ehemaliger Gast gehängt.
Die gesamte Geschichte macht den Eindruck, als läge das Geschehen sehr lange zurück. Und erst kürzlich, vor drei Tagen, wurde der Mann gehängt? Sollte das nicht eher drei Tage nach seiner Verhaftung oder seinem Prozess sein?

So, puh, das war langwierig. Die Mühe hätte ich mir nicht gemacht, wenn mir deine Geschichte nicht eigentlich gut gefallen hätte. Ich denke, sie könnte wirklich gut sein, wenn du den genannten Punkten noch ein bisschen Aufmerksamkeit widmetest.

Grüße vom Holg ...

 

Hallo Vorcelin!

An und für sich mag ich den Stil, bin mit Poe aufgewachsen, und der hatte immer etwas zu sagen.
Allerdings muss man höllisch aufpassen, dass er in unserer Zeit nicht lächerlich klingt. Hohl und nur des Stils willen.
Leider habe ich oft bei dir den Eindruck, du säßest mit abgespreiztem kleinen finger am Schreibtisch, vergisst über die Worte die Geschichte und überlegst, welche Wendung, welcher Schnörkel noch in den Satz hineinpasst.
Das ist störend, der Lesefluss ist perdü und das, was du erzählen willst, geht in einer Flut von wildgewordenen Wortgirlanden unter.

Der erste Absatz strotz vor Nebensätzen, dass man den Überblick verliert und schon nach kurzer Zeit nicht mehr weiß, was wichtig ist und was nicht. Wichtige Sachen immer in den Hauptsatz packen!
Und vereinfachen. Auch wenn es schön klingt, es nützt nichts, wenn ich nich weiß, was du mir sagen willst.:D

Du hast auch n bisschen die Tendenz, die Sätze sehr lang zu gestalten.

Es mag wohl ein Sonntag im späten November gewesen sein, schon lange herrschte der Regen mit stechender Kälte über die Straßen fern der Stadt, und kaum noch jemand war auf Reisen oder ließ sich in meinem Gasthaus nieder.

Da zwei verschiedene Sachverhalte angesprochen werden, würde ich die beiden wenigstens durch ein Semikolon trennen. Besser zwei Sätze.
Die Sonne hatte uns schon seit Stunden verlassen und ich war gerade dabei, die letzten Gläser zu reinigen, bevor ich mich zu Ruhe betten konnte, als sich die Vordertür öffnete.

Es war schon dunkel. Ich reinigte die letzten Gläser, damit auch ich mich zu Bett begeben konnte.

Die Sonne hatte uns schon seit Stunden verlassen ...

Abgesehen davon, dass es richtiger "vor Stunden verlassen" heißen müsste, ist das doch ein ziemlich putziges Bild, wie die Sonne sich aufmacht, davon zugehen, mit ihrem Säckchen über der Schulter, stapft sie in den Sonnen... Nein, das ist nicht schön.

Da sind noch jede Menge solcher Schnitzer drinnen, ich denke, die meisten sind zu finden, indem man intensiv drübergeht.
Außerdem haben meine Vorredner jede Menge tolle Arbeit abgeliefert.

Ich kann nicht sagen, dass die Geschichte - runtergebrochen auf ihr Gerüst - mir nicht gefallen hätte. Das Thema an sich, so schwammig und nebulös es hier abgehandelt wird, ist schon recht interessant. Das Setting okay, wobei ich mich die ganze Zeit gefragt hatte, ob denn überhaupt keine anderen Gäste vorhanden wären.

Der Schluss, na ja. Da hättest du dich nicht so flink vom Acker machen dürfen, denke ich. Du baust so viel auf, um dann innerhalb von drei Sekunden den Vorhang zu schließen.
Kein Wunder, dass wir betroffen davor sitzen und kaum Beifall zu hören ist:D

Geh nochmal drüber, zweimal, dreimal. Immer mit gewissem zeitlichem Abstand. Dann wird dir einiges auffallen.

Schöne Grüße von meiner Seite!

 

Hallo Holg!

Wenn auch etwas spät, vielen Dank für deine Mühe! Solche Fehler übersehe ich leider oft, weshalb ich mich sehr freue, wenn ich auf jene, die ich nicht finde, hingewiesen werde. Die thematischen Punkte werde ich mir nochmal durch den Kopf gehen lassen, allerdings gefällt mir das recht ungewisse in der Geschichte eigentlich recht gut, mal schauen ob ich da ein paar nebulöse Teilantworten einstreuen kann.

Gruß,
Vorcelin

 

Hallo Hanniball!

Ja, ich habe einen Hang zu langen Sätzen, ich fürchte, das ist nun mal ein Teil meiner Geschichten den ich so schnell nicht los werde. Aber dass es etwas schwer zu lesen sei höre ich ja nicht zum ersten mal, vielleicht kann ich es noch etwas umstrukturieren.
Dass mit der Sonne hatte ich eigentlich eher so in Gedanken, dass die schützende Sonne die Menschen in der Finsternis der Nacht zurücklässt, interessant, wie unterschiedlich so etwas auf Menschen wirken kann :D
Und ja, wegen des Endes bin ich mir auch noch unschlüssig... Wie bereits erwähnt, ich muss mich da wohl insgesamt nochmal ransetzen.

Mit freundlichsten Grüßen,
Vorcelin

 

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