Der Gang des Lebens
Es war nicht von einen Tag auf den anderen, aber ich hatte es schon lange davor gespürt. Es stürzte so gewaltig und tosend über mir zusamen, ich hatte keine Zeit mich zu schützen. Und als alles vorbei war, hatte ich nur noch meinen Körper, mein Gehirn, aber meine Seele, mein Herz war tot. Ich war doch gerade mal fünfzehn, weshalb tat man mir soetwas an? Ich schrie zum Himmel, wollte mein Herz, meine Seele zurück, aber ich konnte sie nicht erreichen, sie hingen zu hoch, zu weit, für meine kurzen Arme. Ich wollte mich an jemanden lehnen, doch da war niemand, ich wollte mich an einer Schulter ausweinen, doch es gab keine Tränen mehr, ich wollte weg, aber da war kein Weg, ich wollte mich an einer Mauer ausruhen, doch da war nur ein Nichts, etwas undefinierbares, dunkles. Ich war alleine, so furchtbar alleine...
Wieso war niemand da, der mir helfen konnte? Warum gerade ich, diese Frage rotierte wie ein niemals ermüdender Kreisel durch meinen leeren Kopf, durch mein Gehirn, das einzige, was mir nicht genommen worden war. Ich versuchte alles, aber es war vorbei. Wieso schützte mich niemand? Ich hatte die Realität nicht gewollt, ich wollte weiterträumen, nie die Wahrheit kennenlernen, aber dafür geschützt sein, wie ein kleines Kind, das die Welt, ihr Geschehen, ihre Zeit, ihren Willen nicht verstehen kann. Mir wurde klar, dass ich erwachsen wurde, viel zu erwachsen. Ich wollte wieder klein werden, ich will es immernoch. Doch was half mir mein Jammern, mein Klagen, ich weiß es nicht. Was halfen die unruhigen Nächte, die Tränen, die viel zu viele wurden, was nützte es? Wie kaltherzig und taktlos doch die Antwort wirkte: Nichts! Das war es! Nichts.
Ich verkroch mich, immer enger wuchs mein Körper zusammen, bis da plötzlich etwas Neues war, etwas, dass ganz anders war als zuvor. Da war etwas, was sich wie ein Inneres anfühlte. Es war anders geformt, es war kleiner, aber da war etwas. Ich hatte so lange dagelegen, nichts getan, nichts gefühlt, nur mein leeres Gehirn war da gewesen, aber jetzt? Es war schön, etwas neues zu fühlen, ein Inneres, nein, mein Inneres. Danke, danke für diese neue Sache, für diese Ding, was immer es war, ich konnte endlich wieder atmen, ich konnte mich ausstrecken, ich konnte aufstehen, ich fand den Weg, ich konnte weinen, ich fand eine Schulter...
...ich konnte wieder LEBEN.