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Der göttliche Herr Zbginiew&die Verknüpfung teuflisch unglücklicher Umstände
Aufforderung einen Vorrat anzulegen?
Lenkvorrichtung für ein Haustier?
Jemand, der Südfrüchte zusammenlegt?
Kuczinski hatte die Schnauze voll. Woche für Woche versuchte er sich am „Lustigen Silberrätsel“ und noch nie war es ihm gelungen, mehr als drei oder vier Begriffe zu erraten. Manche Silber waren derart auffällig, daß er die Lösungen buchstäblich vor sich sah, aber dann war die Schwierigkeit, sie mit einer der verklausulierten Fragen in Verbindung zu bringen. Wie dem auch sei, die 20 auszufüllenden Zeilen lachten ihm auch heute voller Häme ins Gesicht. Trotzdem saß er immer wieder davor, versuchte in den verborgenen Lagern seiner Phantasie die richtigen Regale anzusteuern und endlich einmal eine vollständige Lieferung zusammen zu stellen.
In der vierten Generation waren die Kuczinskis nun hier. Dies war seine Heimat, seine Sprache, seine Welt. Von daher brachte er alle Voraussetzungen mit, den immer wiederkehrenden Kampf mit diesem verfluchten Rätsel zu gewinnen. An den notwendigen Fähigkeiten um Ecken zu denken fehlte es ihm auch nicht, davon war er überzeugt. Er liebte das Theater, die Musik. Er liebte die Show und die Literatur. Es zog ihn hin zu den schönen Künsten, der Malerei und zum Film. Nicht dieser billige Action- und Schmalzkram. Ein gerüttelt Maß Anspruch mußte es schon haben. Fellini, Bergmann, Jim Jarmusch. De Palma, Kubrick und Konsorten, deren Klientel war Kuczinski.
„Eigentlich ungewöhnlich für den Hausmeister der Sport- und Mehrzweckhalle im sauerländischen Attendorn“, meinte er zumindest, aber er hatte ja keine Vergleichsmöglichkeiten. Überregionale Hausmeistertreffen gab es nicht und eigentlich war er auch nicht scharf darauf. Er wußte, daß er etwas Besonderes war und selbst wenn ihm das nicht wirklich reichte, die Überzeugung es bei einer solchen Gelegenheit plastisch vor Augen geführt zu bekommen würde ihm rein gar nichts helfen.
Ein schönes Frühjahr und ein vielleicht noch schönerer Sommer kündigten ihre Ankunft bereits seit Tagen an. Ein stabiles Hochdruckgebiet mit, für die Jahreszeit angemessenen Temperaturen, es war Anfang April, tauchten den kleinen Ort seit Tagen in eine Flut von Licht und lockte die Menschen in die Wälder und an die Seen der Umgebung.
Bis auf ein paar ganz harte, wagte es aber noch niemand, sich in Badekleidung in den Grünflächen und am Biggeufer zu sonnen. Lediglich zur Mittagszeit wärmten die Strahlen der Sonne Körper und Herzen der Menschen ein wenig.
Motorrad- und Cabriofahrer nutzten diese Tage um voller Stolz ihre technischen Errungenschaften zu präsentieren und selbst wenn noch die Schals im Fahrtwind flatterten so war es doch bereits ein freudiges Aufflackern einer herrlichen kommenden Zeit, die ein jeder so sehnlichst herbei sehnte.
Überall wurde bereits Holzkohle angeboten, die Bau- und Gartenmärkte stellten die Schneeschieber aus den Auslagen und Liegen und Polster, sowie Teichfolien, Vertikutierer und Sonnenschirme ganz nach vorne. Angebote, Schnäppchen und Neuigkeiten überschwemmten die kauflustigen Kunden, denn die längeren hellen Tage waren gut fürs Geschäft.
Kinder strahlten. Vogelarten, die monatelang verschollen zu sein schienen tauchten wie aus dem Nichts auf den Terrassen und Balkonen auf. Blumen brachten wieder Farbe insLeben, das sich eine fast unerträgliche Weile lang trist und grau präsentiert hatte. Die ersten Schmetterlinge flatterten nervös über die Wiesen, die ein saftiges grün anzunehmen begannen und wäre Kuczinski draußen gewesen und hätte einen der Zitronenfalter gesehen, vielleicht hätte er zufrieden eine weitere Lücke seines Rätsels füllen können.
Aber Kuczinski saß in seinem Büro im vorderen Teil seiner Halle, das zugleich auch als eine Art Empfang und Eintrittskartenkontrollstelle fungieren konnte und beendete seine Frühstückspause. Er packte die Thermoskanne und die Zeitung zurück in seine braune Aktentasche, nahm den Kittel vom Haken und machte sich wieder an die Arbeit. Die Vorbereitung zum „Abend der Sensationen“ liefen auf vollen Touren. Eine illustre Mischung aus Artisten und Künstlern war unterwegs durch das Land und machte heute bei ihm Station.
Magier, Tänzer und Sänger, Clowns, Tiere und Akrobaten wollten heute dem staunenden Publikum hier in seiner Sport- und Mehrzweckhalle einen unvergeßlichen Abend bereiten. Durch das Programm würde Harry Wyjnford führen, den er bereits am Morgen bei der ersten Besichtigung kennengelernt hatte. Ein ganz sympathischer und offener Typ, wie Kuczinski fand, völlig ohne Allüren. Schließlich hatte er ein paar Sätze mit ihm reden dürfen und außerdem sah er genau so aus wie im Fernsehen. Da konnte man gespannt sein.
Zwei Sattelschlepper hatten bereits am Vortag die Bühnenaufbauten sowie Instrumente und die Tiere gebracht, darunter ein sibirischer Tanzbär, der nun auf einer kleinen Wiese außerhalb der Halle zusammen mit ein paar Äffchen, einem sprechenden Pferd, vier weißen Pudeln und einer Boa Constrictor, die den Namen „Alice Cooper“ trug, in 3 Zirkuswagen untergebracht waren. Obwohl die Nacht sehr kalt war, hatten offenbar alle von ihnen sie gut in ihren Unterkünften überstanden und lockten jetzt, bei Tage einige Besucher an, die kostenlos das Gelände und seine Bewohner besichtigen durften. Vielleicht schliefen auch noch ein paar weiße Kaninchen in den Zylindern ihrer Meister.
Drinnen wurde ein großes, gläsernes Bassin, das auf einem auf Rollen gelagerten Unterbau stand, mit warmem Wasser befüllt. Dort hinein sollte später der „Göttliche Zbginiew“ versenkt werden, der in der Lage war, sich unter Wasser aus einer Reihe von Ketten zu befreien, die fest um seinen Körper geschlungen waren, während links und rechts im Becken eine Meute hungriger Piranhas hinter Glasscheiben lauerten. Diese Abtrennungen waren durch eine recht kompliziert anmutende Konstruktion unter dem Becken mit benzingetränkten Seilen befestigt, die für das Publikum dennoch gut sichtbar waren. Stahlsehnen hielten die gläsernen Barrieren nach oben. Diese wurden über Umlenkrollen am Deckendach geführt und an deren anderem Ende durch schwere Sandsäcke gekontert. Die Seile hielten also die gesamte Konstruktion im Gleichgewicht. Im Moment in dem der fest verschnürte „Göttliche“ in das Becken gelassen würde, setzte seine junge hübsche Assistentin Kora die Seile in Brand und nach exakt zwei Minuten würden diese so weit durchgeschmort sein, daß die Sandsäcke physikalisch die Oberhand gewännen und die Piranhas freien Zugang zu dem bemitleidenswerten Entfesselungskünstler. Da dieser sich aber noch bester Gesundheit erfreute, war die Sache offenbar recht sicher. Trotzdem nahm sich Kuczinski vor, während Zbginiews Nummer das Seil des Bühnenvorhangs sicherheitshalber fest zu halten, denn den Anblick eines blutgetränkten Riesenaquariums, in dem ein Mensch bei lebendigem Leib filettiert wurde, wollte er den Leuten lieber ersparen.
Unterdessen gingen die Vorbereitungen ihrem Ende entgegen. Bis zum frühen Nachmittag mußte man fertig sein, denn die Gesangskünstler bestanden auf einen Soundcheck und „Mr Ed und das sprechende Pferd“ wollten zumindest noch die Belastbarkeit der Konstruktion testen auf der das Tier sich zur Ruhe legen und selbstständig mit einem großen Tuch zudecken sollte.
Links und rechts der Bühne, die aus mobilen Tischelementen bestand, wurden die letzten Lautsprecher verkabelt. Kleine Lichtmasten mit je drei Scheinwerfern, die über die gesamte Fläche verteilt waren, wurden zurechtgerückt und die Lampen eingerichtet, so daß sie die Künstler auch tatsächlich erfaßten. Kabel wurden mit dickem Textilklebeband am Boden befestigt, zum Teil unter schweren Gummimatten versteckt und mit Sprühdosen Markierungen angebracht, auf daß sich ein jeder während der Show am richtigen Platz positionieren könne. Die Instrumente der Showband wurde am hinteren linken Ende aufgebaut. Jede einzelne Trommel, jedes Becken jeder Verstärker mit einem eigenen Mikrofon abgenommen, so daß in diesem Bereich hinter der Bühne ein schier undurchschaubares Gewirr elektrischer Leitungen entstand.
Der Choreograph der Tänzer beschwerte sich unentwegt obwohl er es doch besser wissen mußte, denn pünktlich abends um 20.00 Uhr würde das Chaos einer Traumwelt weichen, einem Paradies aus Professionalismus und Perfektion erschaffen.
Kuczinski war in seinem Element. Was war eine Katzenausstellung, ein Handballspiel oder der vorweihnachtliche Trödelmarkt gegen eine solche Veranstaltung? Ein paar Handgriffe noch, dann konnte er sich zurücklehnen, zufrieden in dem Wissen, daß auch er einen Beitrag dazu geleistet hatte, daß die Menschen an diesem Abend für ein paar Stunden ihren Alltag und die Sorgen vergessen könnten. Nun konnte er die Vorbereitungen getrost den Hauptakteuren überlassen. Ihre Teil käme jetzt. Entspannt ließ er sich auf einem Stuhl im noch leeren Saal nieder und beobachtete die Proben für das Spektakel. Gegen halb sieben zog er sich noch einmal in seinen Raum zurück, es fiel ihm sogar der Begriff „Hundesteuer“ ein und zauberte ein zufriedenes Lächeln auf sein Gesicht. In einer halben Stunde kämen die Besucher. Bis dahin hatte er Ruhe. Die Künstler hatten sich mit ihrem Lampenfieber zurückgezogen, die Tiere wurden gefüttert, wie er hoffte auch die Piranhas, und eine Spannung machte sich allerorten breit, die sich später furios entladen würde. So schlecht war das Leben nicht. Er hätte in keinem Bürojob von 9 bis 5 versauern wollen.
Der Saal war ausverkauft. Leichte Musik drang aus den Lautsprechern, während die Leute murmelnd versuchten ihre Plätze zu finden. Kuczinski beobachtete die Szene von der Galerie aus. Viele der Menschen, die unten durcheinander liefen waren ihm persönlich bekannt. Schließlich war es ein besseres Dorf hier. Manche machten auf ihn den Eindruck, daß sie lieber im Garten säßen, mit einem Bier und einem herzhaften Steak vom Grill, aber wer konnte, als er die Karte kaufte, ahnen, daß das Wetter sich um diese Zeit so freundlich zeigt.
Und schließlich gab es wenige Ereignisse dieser Art im Ort und wer auf sich hielt, mußte sich bei solchen Anlässen auch zeigen. Es würde noch lange davon erzählt werden und wer mitreden wollte, mußte auch vor Ort gewesen sein.
Punkt Acht betrat Harry Wyjnford die Bühne. Menschen, Tiere Sensationen für das Sauerland. Man habe schon viele Auftritte gehabt, aber auf keinen habe man sich so gefreut, wie auf diesen und gerade an einem solch herrlichen Tage freue er sich ganz besonders vor so einem phantastischen Publikum die Topkünstler ihres Fachs präsentieren zu dürfen. Und er nannte ein paar Namen und deren herausragende Fähigkeiten auf die man sich freuen dürfe. Harry sah sich einem enthusiastischem und dankbaren Publikum gegenüber.
Mittlerweile hatte Kuczinski seine Position hinter der Bühne bezogen. Er war der Mann für alle Fälle, wenn es Probleme mit der Hausanlage und –Technik geben sollte. Aber bis jetzt lief alles glatt und es gab keine Anzeichen, daß sich dies ändern sollte.
Begonnen hatte eine leicht füllige Dame namens Karlotta mit ihren vier Pudeln, die zur Musik von Simply Red melodisch und in verschiedenen Tonhöhen jaulten und durch rosafarbene Reifen sprangen. Der Moderator versicherte, daß, obwohl Pudel die intelligentesten Hunde sind, es unglaublich schwierig sei und es eine Unmenge an Arbeit erfordere, sie in dieser Form zu dressieren. Höflicher Applaus begleiteten Karlotta mit ihrer Bande von der Bühne. Was folgte war eine Tanznummer, ein Stimmenimitator, der sehr gut ankam, eine sehr hübsche Sängerin, die einige von Whitney Houstons Erfolgstiteln zum besten gab, der Bär, der sich offensichtlich am Nachmittag überfressen hatte und behäbiger wirkte als es sein Dompteur sich gewünscht hätte. Außerdem kotzte er beim Abgang auf die Bühne und Kuczinski hatte seinen ersten Einsatz, wobei ihn der Choreograph erneut nervte, nur ja alles ordentlich zu entfernen, schließlich waren seine Hupfdohlen als nächste dran.
Der Zauberer, das sprechende Pferd, was lediglich mit den Hufen zählen und wahrhaftig nicht sprechen konnte, ein weiterer Sänger der Adamo sehr ähnlich sah, ein Clown und eine weitere Tanzeinlage beschlossen das Programm bis zur Pause.
Im Foyer wurden Sekt und Warsteiner verkauft und der ein oder andere entschädigte sich selbst für seinen entgangenen Grillabend mit einer Thüringer Bratwurst, nicht ohne sich über die viel zu hohen Preise auszulassen. Die Stimmung war gut aber nicht ausgelassen, aber die Höhepunkte sollten ja eigentlich im zweiten Teil noch folgen.
Kuczinski saß in seinem Zimmer und war mittlerweile auch auf den „Zitronenfalter“ gekommen. Vier Begriffe hatte er jetzt schon und damit seinen Rekord eingestellt. Noch einen, dann hatte er sich selbst übertroffen. Ein gelungener Abend. Er betätigte zum dritten Male den Gong, der die Besucher zurück in den Saal mahnte.
Harry war weiterhin bester Laune. Der Mann war ein Profi und die Affen mit ihren lustigen Aktionen ließen den Saal zum ersten Mal richtig auftauen. Jürgen Marcus brachte seinen größten Hits, Kuczinski kannte davon nur einen und das Ballet war etwas leichter bekleidet als vor der Pause. Beim diesem Anblick vergaßen einige Herren dann auch ihre verpaßten Steaks und die Atmosphäre im Saal wurde zunehmend stimmungsgeladener. Der Applaus wurde länger und der Moderator hatte spätestens nach „Alice Coopers“ Auftritt alle Hände voll zu tun die Menschen zu beruhigen. Schließlich hatte Penelope, die mit der Schlange auftrat, Bürgermeister und Kämmerer auf die Bühne geholt und zum flotten Tanz der Honoratioren mit dem Reptil gebeten. Die korrekten Herren hatten dabei eine höchst lächerliche Figur abgegeben und die Schadenfreude im Publikum kannte keine Grenzen. Es wurden vehement Zugaben gefordert, denn schließlich weilte noch die ein oder andere Person unter ihnen, der man allzu gerne eine solche Abreibung gegönnt hätte.
Ein trauriger Clown sollte die Überleitung zum Höhepunkt des Abends sein. „Der göttliche Zbginiew“. Unter den erwartungsvollen Augen des Publikums wurde das Becken auf die Bühne gerollt, der Scheinwerferkegel erfaßte Harry Wyjnford, der mit geübten Worten die Apparatur erklärte und dann den Mann ankündigte.
„The one and only, oft kopiert nie erreicht, der legitime Nachfolger des unvergessenen Houdini, er hat die größten Bühnen der Welt gesehen. Meine Damen und Herren, direkt, von Las Vegas nach Attendorn, begrüßen Sie mit mir: DEN GÖTTLICHEN ZBGINIEW!“
Kuczinski bezog seine Position an der Vorhangseilen. Schlagartig nahmen alle Scheinwerfer ihren Dienst auf. Zwei gleißende Lichtkegel, wurden auf das Zentrum der Bühne gerichtet, wo eine eindrucksvolle Person Gestalt annahm.
Der „Göttliche“ war fast zwei Meter groß, ein Hüne. Er besaß kräftige Oberarme und die Figur eines Body Builders, die durch sein enganliegendes Rot-Schwarz gemustertes Kostüm noch hervorgehoben wurde. Er war unglaublich und, was er in englischer Sprache, der wirklichen Sprache des Showgeschäftes, ankündigte war noch unglaublicher. In massive Ketten gewunden und mit besonders verstärkten Vorhängeschlössern gesichert werde er in das Bassin versenkt werden. Zwei Minuten habe er Zeit sich zu befreien. Zwei Minuten, die über Leben und Tod entscheiden. Zwei Minuten die ihn von Ihrem Applaus oder den gefräßigen Mäulern seiner Henker trennten, die, entgegen Kuczinskis Erwartungen seit Tagen nicht gefressen hätten. Um der ganzen Sache noch eine besondere Würze zu geben, schnitt sich der „Göttliche“ mit einem Messer in den Unterarm. Es sei ja bekannt, wie die Todesbestien des Amazonas auf frisches Blut reagierten. Ein Schauer zog sich durch die Reihen, in denen nicht wenige mit offenen Mündern der Dinge harrten, die da kommen würden.
Zum Zwecke der Überprüfung der Ketten und Schlösser wurde der Inhaber eines örtlichen Eisenwarengeschäftes auf die Bühne gebeten. Ein integrer Mann, der bestätigte, daß das von ihm zu überprüfende Material höchsten Ansprüchen genügte. Dann verließ er kopfschüttelnd und blaß die Bühne. Zbginiew wurde verschnürt und mit einem Haken, der später entfernt werden sollte, sanft ins Wasser gelassen. Als sein Kopf verschwand entzündete Kora die Seile. Die Wasseroberfläche, die kurz zuvor noch so friedlich da lag, verwandelte sich unter den Zuckungen des „Göttlichen“ in ein wildes Meer. Es schien, als seien die Piranhas bereits befreit. Lediglich die Farbe im Becken belehrte die Betrachter eines Besseren.
Kuczinski bebte vor Erregung. Klar hatte der Mann das schon ein paarmal gemacht. Sicher wußte er was er tat, aber trotz alledem, die Gefahr war existent und für alle spürbar. Eine Minute tobte es bereits unter der Wasseroberfläche, die große Uhr auf der Leinwand war deutlich sichtbar und zählte gnadenlos die Sekunden herunter. Bei 1,5 Minuten betrachtete er die Bühnenseile. Immer noch wirbelte es wie wild in dem Becken. Das konnte nicht gutgehen. Der Mann hatte keine Chance. Es gab nicht das geringste Anzeichen, daß er sich noch befreien konnte.
Die Uhr tickte weiter.
1:45. Die Seile zuckten bereits verdächtig. Er hatte es in der Hand. Täuschte er sich, oder wurde die Assistentin auch bereits unruhig. Er glaubte nicht, daß er sich täuschte. Er mußte handeln.
„Hortensie“ schoß es Kuczinski durch den Kopf.
Aufforderung einen Vorrat anzulegen. Horten Sie.
Wegen einer dämlichen Blume und einem noch dämlicheren Rätsel erwischte Kuczinski das falsche Seil. Anders konnte er es sich später nicht erklären. Das letzte was er sah war, wie der „Göttliche Zbginiew“ wie eine Fontäne aus dem Wasser nach oben, und gleichzeitig der mittlere Bühnenvorhang mit unglaublicher Geschwindigkeit nach unten schoß und mit großer Wucht einen der Lichtmasten traf, der prompt nach vorne und in das Becken kippte, dem der Künstler unglücklicherweise noch nicht komplett entstiegen war.
Der Kurzschluß löschte alle Lichter im Saal. Binnen Sekunden schaltete das ordentlich gewartete System auf „Notbeleuchtung“ und enthüllte den Blick auf einen Haufen toter Piranhas und einen größeren Körper der bäuchlings im Wasser trieb.
„Die Notbeleuchtung funktioniert“, war der letzte Gedanke, den Kuczinski vor seiner Ohnmacht hatte.
„Hortensie, sie funktioniert“.