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Der Frosch

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09.03.2024
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Der Frosch

Ein kleiner Frosch saß auf einem Seerosenblatt. Es war gewärmt von der sengenden Sonne, die sich über ihn vollkommen strahlend zeigte. Sein Körper wurde langsam zu einer kleinen Wärmflasche, also streckte er seine Hinterbeine und sprang ins kühle Nass des Sees. Von jetzt auf gleich kühlte es ihm den Kopf, er war wach und konnte sich schon gar nicht mehr daran erinnern, wie verschwommen seine Sicht noch vor wenigen Sekunden gewesen war. Die Wassermengen zogen an seinem Gesicht, durch seine knubbeligen Finger und schmiegten sich um seinen ovalen Körper. Wenn er doch nur für immer in diesem See bleiben konnte. Alles, was er liebte, fand sich hier vereint, inmitten eines moosig grünen Waldes, der nur selten Menschenstimmen hallen ließ. Man war hier für sich, man kannte sich. Er fragte sich in diesem Moment nicht, ob er einsam war. Er war allein mit dem Wasser, wie es schimmernd blau mit ihm spielte und wie er es warten ließ, auf dem Seerosenblatt. Vielleicht wird er für immer verliebt sein in die Menge der Unendlichkeit, verliebt in alles, das ihn umgab. Manchmal fragte er sich, was sich hinter den Schilfrohren befindet, hinter den dichten Schwärmen an Mücken und Bienen und er konnte nicht recht begreifen, dass sich diese Unendlichkeit noch weiter erstrecken sollte, aber die vereinzelten Menschen, die sich von Zeit zu Zeit hier verirrten, mussten ja schließlich auch irgendwo zuhause sein, wo war ihre Unendlichkeit? Das Leben geht seinen gewohnten Gang. Sollte er verpassen? Ist das bewusste Verpassen all dessen, was man gerade nicht erlebt, der Schlüssel für Zufriedenheit? Oder schlicht die Voraussetzung dafür, überhaupt gänzlich am Leben zu sein? Hier unten hörte er nicht mal mehr die Enten, kein Summen, nichts brummte hier, nichts forderte Regulation, oder eine Reaktion, er konnte sich hier treiben lassen. Der See schimmerte schilfgrün, bis zu tiefem Heidelbeerblau, so saftig und süß war es hier unten. Oft verkroch er sich unter alten Ästen, die zu gigantischen Bergen gestapelt worden waren, sie rochen warm und rund und erdig und dieser Geruch durchströmte seinen gesamten Körper. Er suchte sich eine geeignete Höhle und schloss seine Augen. Wie würde es wohl sein, wenn noch ein anderer Frosch hier bei mir wäre, wenn man sich darüber austauschen könnte, darüber wie reich beschenkt man doch als Frosch war. Seine kleinen, kalten Füße rollten sich über feucht verfaulte Blätter und Rinde, tote Käfer und Gräßer. Immer wieder streckte er seine Beine und knickte sie wieder zusammen, sprang von einem Ort zum Nächsten und als er so in Gedanken versunken war, saß er plötzlich vor dem dichten Schilf. Er wusste, dass dahinter die andere Unendlichkeit wartete, wobei er sich noch nicht sicher war, ob es nicht doch ein und die gleiche Unendlichkeit war, sich gar nicht von seiner unterschied. Die einzelnen Halme kratzten und kitzelten seine großen, runden Augen und Wangen und nach einigen Sprüngen fühlte er auf einmal einen neuen Untergrund. Er war hart, viel kälter, teils spitzig, unterschied sich viel deutlicher Zentimeter für Zentimeter und war trotzdem ein und dieselbe Struktur. Jetzt war er so weit gekommen, jetzt musste er es auch weiter wagen, weiter den harten Untergrund folgen und sehen, wann er sich verändern würde. Er konnte schon bald so viele neue Geräusche vernehmen, sie waren überall, erreichten seine Ohrmuschel, durchdrangen sein Innerstes und auf einmal entwickelte sich ein neues Gefühl, ein Unwohlsein und er dachte zum ersten Mal in seinem Leben an die Vergangenheit. Er war doch gerade noch in seiner Holzhöhle gesessen und nahm alles wohlwollend auf. Jetzt ist er nur ein paar Meter weiter gesprungen und schon war alles so direkt durchdringend, viel zu schnell, als dass er es wahrnehmen hätte können. Wo war er noch gleich? Und vor allem, wie kam er wieder zurück, der See war doch sein Zuhause gewesen? Er hätte weiterlaufen können, immer weiter Neues erfahren, aber etwas in seinem Innersten sagte ihm, dass es niemals etwas Schöneres geben würde, als seinen See und er schämte sich nicht dafür, er war eben kein Weltenbummler. Noch ein letzter Blick in die ungekannte Welt und er machte eine Kehrtwendung und sprang ins hohe Schilf zurück. Er fühlte sich wie umarmt, gestreichelt von den Halmen, schillernd grüne Flügel brummten über seinem Kopf, weiche Hummelkörper, ein Rascheln, der See und seine Holzhöhle aus warmen Braun. Die Sonne spitzelte durch das Blätterdach und streifte behutsam seine Nase. Die Füße wieder auf kühlem, feuchten Weich, wie Federn, so mühelos drückte er sich von einem Stück Waldboden zum Nächsten. Er konnte das warme Holz schon riechen und als er die letzte Abbiegung nahm, war er endlich vor seiner Leinwand, ein Kunstwerk das in sich vollendet war. Hier musste nichts mehr hinzugefügt werden, es war vollkommen und er hatte die Ehre es sein Zuhause nennen zu können.

 

Liebe @Stephie,

Eine nette Geschichte! Die Gefühle des Frosches, seine Liebe zum See und die Unsicherheit gegenüber dem Unbekannten sind gut dargestellt und erzeugen Empathie. Ich finde es auch schön, wie die Einsamkeit des Frosches in dieser Idylle beschrieben wird: Diese Zufriedenheit, in der dennoch irgendetwas fehlt.
Einige Anmerkungen:

Ein kleiner Frosch saß auf einem Seerosenblatt. Es war gewärmt von der sengenden Sonne, die sich über ihn vollkommen strahlend zeigte.
Hier ist es überflüssig, die Sonne als „sengend“ und „stahlend“ zu bezeichnen. Ich würde das vereinfachen und einfach schreiben: Es war gewärmt von der sengenden/strahlenden Sonne.

Sein Körper wurde langsam zu einer kleinen Wärmflasche, also streckte er seine Hinterbeine und sprang ins kühle Nass des Sees.

Das mit der "kleinen Wärmeflasche" ist eine schöne Metapher. Dass der See nass ist, ist aber klar. Ich würde mich für eines entscheiden: „ins kühle Nass“ oder „in den See“.

Wenn er doch nur für immer in diesem See bleiben konnte.
Hier den Konjunktiv verwenden. Also „könnte“ anstelle von „konnte“.


Alles, was er liebte, fand sich hier vereint, inmitten eines moosig grünen Waldes, der nur selten Menschenstimmen hallen ließ.
Da die Menschenstimmen ja nicht vom Wald erzeugt werden, würde ich schreiben: „…in dem nur selten Menschenstimmen hallten.“

Man war hier für sich, man kannte sich.

Das klingt für mich, als hätte der Frosch hier Freunde bzw. als wäre er nicht allein. Aber das steht dann im Widerspruch zu dem darauffolgenden Satz. „Man kannte sich“ würde ich hier einfach streichen.

Er fragte sich in diesem Moment nicht, ob er einsam war. Er war allein mit dem Wasser, wie es schimmernd blau mit ihm spielte und wie er es warten ließ, auf dem Seerosenblatt.
Die Stelle gefällt mir!

Vielleicht wird er für immer verliebt sein in die Menge der Unendlichkeit, verliebt in alles, das ihn umgab.
„Unendlichkeit“ alleine reicht hier auf jeden Fall aus.

(…) er konnte nicht recht begreifen, dass sich diese Unendlichkeit noch weiter erstrecken sollte (…).
Der Gedanke gefällt mir: Dass für den Frosch der kleine Fleck Natur, auf dem er lebt, schon Unendlichkeit ist, er sich aber dessen bewusst ist, dass es noch nicht alles ist.

(…) aber die vereinzelten Menschen, die sich von Zeit zu Zeit hier verirrten, mussten ja schließlich auch irgendwo zuhause sein, wo war ihre Unendlichkeit?
Es ist sicher Geschmackssache, aber ich würde das Wort „Unendlichkeit“ eher sparsam verwenden, damit es seine Wirkung nicht verliert.

Sollte er verpassen?
Hier fehlt ein „es“, oder?

Ist das bewusste Verpassen all dessen, was man gerade nicht erlebt, der Schlüssel für Zufriedenheit? Oder schlicht die Voraussetzung dafür, überhaupt gänzlich am Leben zu sein?
Ein interessanter Gedanke!

Der See schimmerte schilfgrün, bis zu tiefem Heidelbeerblau, so saftig und süß war es hier unten.
Das ist ein schöner Satz.

Wie würde es wohl sein, wenn noch ein anderer Frosch hier bei mir wäre, wenn man sich darüber austauschen könnte, darüber wie reich beschenkt man doch als Frosch war.
Das zweite „darüber“ brauchst du hier nicht.


Seine kleinen, kalten Füße rollten sich über feucht verfaulte Blätter und Rinde, tote Käfer und Gräßer.
Ich bin mir nicht sicher, ob „rollten“ hier passt. Darunter kann ich mir nichts vorstellen. Ein Frosch bewegt sich doch nicht rollend fort, oder? Die Beschreibung des Bodens gefällt mir dafür sehr gut.


Er wusste, dass dahinter die andere Unendlichkeit wartete, wobei er sich noch nicht sicher war, ob es nicht doch ein und die gleiche Unendlichkeit war, sich gar nicht von seiner unterschied.
Wie bereits gesagt, würd ich das Wort „Unendlichkeit“ nicht allzu oft verwenden, da der Text dadurch schnell kitschig wirken kann. Es würde im Grunde auch reichen, zu schreiben: „Er wusste, dass dahinter etwas auf ihn wartete.“

(…) weiter den harten Untergrund folgen (…).
Hier hast du einen Kasusfehler. Es heißt: dem harten Untergrund folgen.

Er fühlte sich wie umarmt, gestreichelt von den Halmen, schillernd grüne Flügel brummten über seinem Kopf, weiche Hummelkörper, ein Rascheln, der See und seine Holzhöhle aus warmen Braun.
Die Beschreibungen sind gut gelungen! Am Ende ist allerdings wieder ein Kasusfehler: Aus warmem Braun.

Die Füße wieder auf kühlem, feuchten Weich (…).

Beim ersten Adjektiv hast du es richtig gemacht. Feucht muss ebenfalls im Dativ stehen, also: „kühlem, feuchtem Weich“. Allerdings würde ich anstelle des substantivierten Adjektivs "Weich" eher ein konkreteres Wort verwenden: Boden, Moos... etwas in die Richtung.

(…) ein Kunsterk, (Komma) das in sich vollendet war.
Hier fehlt ein Komma.

Wie gesagt, eine nette Geschichte mit einer schönen Atmosphäre! Ich hoffe, du kannst etwas mit meiner Rückmeldung anfangen!

Herzliche Grüße
Jorinde

 

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