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Der Fremde

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06.06.2002
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Der Fremde

Ich hätte die Welt in Fetzen zerreisen können!! Ich wäre am liebsten auf und davon gelaufen! Aber leider war ich ja zu intelligent , um nicht zu wissen, dass meine Probleme damit nicht gelöst wären.
So hockte ich also im Regen auf diesem verdammten Bordstein, nass bis auf die Haut, das Gesicht in den Armen vergraben und heule wie ein Mensch nur heulen kann.
Plötzlich Schritte. „Are you okay?“ fragte eine männliche Stimme über mir. Neiiin natüüüürlich war ich okay, ich saß ja jeden Tag hier und weinte mir fast die Augen aus dem Kopf!! Ich erwiderte unwirsch so etwas wie: „I’m okay, let me alone...“
Von wegen. Stattdessen stand er immer noch da. Ich sah hoch, gegen das Laternenlicht konnte ich sein Gesicht nicht sehen, aber er schien mich halb interessiert, halb besorgt anzuschauen. Nahm ich zumindest an. „Was willst du denn noch??“ fauchte ich auf Deutsch. Er lachte leise und setzte sich ganz selbstverständlich neben mich. „What?? Can you translate your words?”
Ich fragte mich allmählich, was der sich dabei dachte, mir dermaßen auf den Wecker zu gehen. Ich rückte ein Stück ab und versuchte, mein Englisch zu sortieren. So eisig wie ich nur konnte wiederholte ich meine Worte auf Englisch. Keine Reaktion.
Der Fremde holte tief Luft und schien ernsthaft über meine Frage nachzudenken. Ich wollte mein Gesicht gerade wieder auf meine Arme legen, da sagte er plötzlich: „What I want here? I was wondering what are you doing here.”
“Nothing!” zischte ich. Das sei aber falsch, meinte er munter. Man könnte ja nicht auf der Straße sitzen und NICHTS tun. Ich könne das schon, erwiderte ich, immer noch hoffend, dass er endlich verschwinden würde. Nein, ich würde hier sitzen und weinen, wurde ich belehrt.
Na so was, was für ein schlauer Mensch, dachte ich genervt. Wenn er das so genau sehen würde, warum müsse er denn dann nachfragen? Ich stand entschlossen auf und lief davon.
Nach zwei Schritten war er neben mir. „Where are you going?” fragte er mich neugierig. Ich suchte nach einer schlagfertigen Antwort, aber mir fiel plötzlich keine ein. Ich blieb stehen. „I don’ t know...“ sagte ich leise. Meine frostige Fassade war wie weggeblasen.
Der Fremde setzte sich auf wieder auf den Bordstein und nach einer Weile setzte ich mich einfach dazu. Und dann erzählte ich ihm einfach alle meine Probleme. Ich redete und redete alles von der Seele. Es musste eine halbe Ewigkeit sein.
Er hörte einfach stillschweigend zu. Als ich geendet hatte, schwiegen wir beide. Nach einer Weile fiel ich plötzlich auf, dass ich ja auf Deutsch geredet hatte und er musste ja gar nichts verstanden haben. „Äh...I’ m sorry,“ stotterte ich, „but did you understand anything?“
“No.” meine er ruhig. „But thats okay. It helped YOU. More than any medicine.” Und damit stand er auf und ging davon. Ich folgte ihm nicht. Ich sah ihm nur nachdenklich nach und konnte es nicht fassen, dass ich diesem Fremden einfach meine ganzen Probleme erzählt hatte.
Nach eine Weile stand ich ebenfalls auf. Es hatte mittlerweile aufgehört zu regnen und so lief ich zurück nach Hause. Meine Probleme waren nicht weniger geworden, aber sie erschienen mir auf einmal nicht mehr so ausweglos.
Den Fremden sah ich nie wieder.

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Hi, ich mache sowas zum ersten mal und war einfach mal neugierig, was die Leute so zu der Story zu sagen haben!! Also, ich erwatre eure Meinungen!
Krissie
:) :)

 

Ich habe deine Geschichte "in einem Rutsch" gelesen, sie ist sehr flüssig geschrieben. Beim Lesen wuchs meine Neugier zu erfahren, wer der Fremde eigentlich war. Dass du eine Auflösung nicht gegeben hast, sondern deiner Geschichte eine überrachende Wendung zum Schluss gegeben hast, hat mir sehr gut gefallen. Eine Art "aha-Erlebnis", das die Frage nach der Identität des Fremden vergessen läßt. Schöne Geschichte!

 

Hi,
ich finde die Idee der Geschichte ziemlich gut.
Ein völlig fremder Mensch, der sich kurz in einen hinein versetzt, den Schmerz erkennt und einfach nur hilft. Sich einfach alles von der Seele zu reden tut gut. Das beweist Du auch mit dieser Geschichte. Natürlich fragt man sich, was denn nun das Problem war - ist aber hier nicht wichtig.
Auch die Szenerie ist mit einfachen Worten gut beschrieben, so, dass man sie vor sich hat.

Stilistisch würde ich noch sagen, dass das:

Neiiin natüüüürlich
nicht nötig ist, das wirkt eher so, als wüsstest Du nicht, wie Du's sonst rüberbringen willst. Einfache Buchstaben genügen.
Ganz fit bin ich im Englischen auch nicht, aber an ein, zwei Stellen stimmt es. glaub ich, nicht:
I’m okay, let me alone...“
Heißt, glaube ich, "leave me alone"
Und hier:
What I want here? I was wondering what are you doing here
"What I wanted? I was wondering what you are doing here?"

Vielleicht mal von jemanden checken lassen, der sich des Englischen sicher ist...sieht besser aus, wenn das stimmt.

Gruß, baddax

[ 18.07.2002, 01:48: Beitrag editiert von: baddax ]

 

Hi Krissie!

Willkommen auf kg.de!
Mir gefällt die Idee, daß da einer ist der einfachn ur hilft, auch sehr gut. Auch schreibst Du in einer schönen, flüssigen Sprache, so daß das Lesen nicht nur leicht fällt, sondern auch Spaß macht.

Das Englische braucht tatsächlich ein, zwei Korrekturen:

"Leave me alone" wie baddax sagte,

"Could you translate your words, please?" ist die höflichere Variante,

"I was wondering what you were doing here",

"But that's okay."

Ich glaube, das wars.
Lieben Gruß,

chaosqueen :queen:

 

Hi.

Auch ich finde die Geschichte ganz gut. Mal was anderes!
Während ich weg war, wurden hier ja mächtig viele Stories gepostet. Komm' mit dem Lesen kaum noch nach... Manche sind nicht so dolle, manche dafür umso besser. Deine Geschichte gehört zu den Besten, die ich heute gelesen habe, wenn sie auch sehr, sehr, sehr kurz ist und ich sie mir etwas länger gewünscht hätte... ;)

Gruß,
stephy

 

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