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Der freie Flug

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19.06.2015
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Der freie Flug

Die Nächte wurden wieder kürzer und auch empfindlich kühl.
Es ging noch nicht wieder gegen Null, aber ihm war es teilweise schon wieder recht frostig. Möglicherweise lag dieses aber auch an seinem, mittlerweile recht fortgeschrittenem Alter.
Ob er diesen Winter überleben würde wusste er nicht, aber im letzten hatte er schon viel Glück gehabt, es ging nur selten unter die Frostgrenze. Fast jede Jagd war ein Erfolg gewesen.
Wenn er sein Leben, in solchen oder ähnlichen Momenten an sich vorbei ziehen ließ war das in der Vergangenheit keinesfalls die Regel.
Gerade in seinen ersten Lebensjahren, in denen sowieso schon viel geschehen war, blieb er oft erfolglos, in späteren Jahren kamen mit der Erfahrung dann auch die Erfolge.

An all das zurückdenkend schüttelte er sich, freudig erregt und fröstelnd. Seine Federkiele sträubten sich, hoben die Federn an und sogen somit Luft zwischen das Gefieder. Nach einer ersten Kältewelle, die er auf seiner Haut spürte, isolierte die Luft dann sehr gut.

Er erinnerte sich zurück an die Zeit vor vielen Jahren, in der er einige Zeit bei den großen, flügellosen Zweibeinern verbringen musste. Hier hörte er sie über Gänsehaut sprechen, dass war wohl etwas ähnliches wie sein aufplustern.
Wie diese Wesen so etwas überhaupt nachvollziehen konnten entzog sich aber seiner Kenntnis. Sie sahen schließlich aus wie gerupfte Hühner, so ganz ohne Federn oder Fell. Und als Gans wollte er sich schon gar nicht titulieren lassen. Er war schließlich ein Meister der Lüfte, na ja fast schon gewesen. Von seiner alten Meisterschaft war er schon einige Zeit entfernt, aber immer noch gut genug um Beute zu machen, auch wenn es mittlerweile nur noch die Technik war, die ihn am Leben hielt.
Was sollte es! Nur ein junger Habicht musste sich auf seine Kraft und Schnelligkeit verlassen.

Wieder glitt sein Geist in die Vergangenheit, in der er sich mit anderen Junggesellen prügelte um sich mit einem Weibchen paaren zu können.
Ein Schmunzeln durchzog seine Gedanken.
Jetzt saß er hier, am Boden, mit aufgeplusterten Federn und versuchte die aufsteigende Restwärme des fast vergangenen Tages, über seine Füße in sich aufzusaugen.
Endlich wurde ihm wärmer. Immer mit einem offenen Auge, träumte er von den frühen Tagen seiner Existenz.

Das Erste, an dass er sich erinnerte war die Stimme seiner Mutter, als er noch zusammengerollt in seinem Ei lag.
Immer wieder rief sie ihn und forderte ihn auf aus seinem Gefängnis auszubrechen.
Irgendwann war dann der erste Riss in der harten Kalkschale. Nach und nach platzten einzelne Stückchen ab. Dann endlich konnte er zum ersten Mal seine Beine ausstrecken. Nur konnte er dieses geniale Gefühl nicht lange auskosten. Er war vor lauter Anstrengung so müde, dass er auf der Stelle wieder eingeschlafen war.

In den ersten Tagen und Wochen versuchte er dann so viel, von seiner Umgebung in sich aufzunehmen wie es ihm möglich war. Dieses bezog sich natürlich auch auf Nahrung, die ihm gereicht wurde. Wie oft am Tag er seinen Schnabel aufriss um immer mehr zu bekommen wusste er nicht, aber es musste oft gewesen sein.
Die Portionen wurden immer größer. Am Ende seiner Nestlingszeit zerriss er die mitgebrachte Beute fast allein.
Manchmal schaffte er es sogar die eine oder andere Fliege zu fangen, die sein Nest belagerte. Einmal war es sogar ein wohlschmeckender Schmetterling.

Irgendwann kam dann aber der Tag, an dem er kein Nestling mehr sein sollte. Er war flügge geworden.
Schon Tage vorher reckte und streckte er seinen gesamten Körper und schlug immer wieder mit seinen Flügeln. Zwischendurch hob er sogar einige Male vom Boden ab, landete aber sofort wieder.
An seinem ersten richtigen Tag war dann alles perfekt. Ein guter Wind wehte, die Sonne schien und er hatte verdammten Hunger. Dieses sollte sein erster Tag im Wind sein. Er hatte immer weniger zu essen bekommen.
Erst stand er nur am Rand seines Horstes, mit Angst im Herzen, dann ließ er sich, aber doch einfach fallen.
Eine thermische Böe erfasste ihn und trug ihn, in kürzester Zeit in schwindelnde Höhen.
Die gesamte Gestalt eines Habichts war für den Flug zwischen den Bäumen ausgelegt, aber dennoch konnte er sich auch vom Wind tragen lassen.
Er fühlte sich frei und ungebunden. Der Hunger war wie fort geblasen. All seine Gedanken kreisten jetzt um seine neue Fertigkeit. Er wollte seine Künste austesten.
Mit einem Mal zog er seine Flügel ein und ließ sich fallen. In einer atemberaubenden Geschwindigkeit raste er wieder auf das Waldstück zu, von dem er gestartet war.
Er konnte im Flug ein Eichhörnchen in einer Tannenspitze erkennen. Zielstrebig hielt er darauf zu.
Es waren immer nur Millimeterbewegungen, die ihn seine Flugbahn korrigieren ließen, mal mehr, mal weniger elegant.
Dann streckte er zum ersten Mal in seinem Leben seine Füße vor und zog die Krallen auseinander, um im richtigen Moment, die Dolchartigen Spitzen in das warme lebendige Fleisch zu rammen.
Allerdings war er, wie schon erwähnt, jung und unerfahren. Das Hörnchen entdeckte ihn rechtzeitig und verschwand Sekunden bevor er die Möglichkeit hatte es zu ergreifen. So schrappten seine Greifer nur an der Rinde eines Astes vorbei, ohne ihm die Möglichkeit zu geben sein Jagdglück genießen zu können.
Im Gegenteil! Er hatte durch seinen Sturzflug noch eine so hohe Geschwindigkeit, dass er abstürzte und nur durch einige vorstehende Fichtenzweige abgebremst wurde bevor er, für seinen Geschmack etwas zu hart, in dem Nest landete von dem aus er, am Morgen gestartet war.

Am liebsten hätte er sich wieder auf die faule Haut gelegt, aber sein Magen rebellierte wieder, oder bessergesagt immer noch. Er brauchte etwas zwischen den Schnabel.
Wieder stellte er sich auf den Rand seines Nestes und breitete die Flügel aus.

An diesem Tag, seinem ersten mit Flügeln, schaffte er es dann später, mit Hilfe seiner Mutter ein junges Kaninchen zu erlegen.
Der Hunger war besiegt und das Leben ging weiter.

In den nächsten Wochen, nach seinem Jungfernflug lernte er sehr schnell. Schon bald war die Hilfe seiner Eltern nicht mehr notwendig.
Dann war die Zeit gekommen sich ein eigenes kleines Revier zu suchen, um eigenständig sein Leben zu leben.
Diese Suche gestaltete sich allerdings nicht ganz so einfach wie es auf den ersten Anschein wirkte.
Er war schließlich noch zu jung und unerfahren um einen alten "Hasen" aus seiner angestammten Heimat zu vertreiben.
Falken und Bussarde waren nicht das große Problem, genauso wenig die verschiedenen Weihen, die an manchen Stellen noch anzutreffen waren. All diese Greifvögel jagten, entweder andere Beute oder in anderen Bereichen.
Er als Habicht benötigte ein Waldstück, das nicht allzu dicht mit Bäumen besiedelt war. Zuviel freie Fläche war aber auch nicht sein Ding, denn dann konnte er seine vorzüglichen Flugeigenschaften nicht ausspielen. Er brauchte also ein habichtfreies Habichtrevier.
Er wanderte von einem Bereich zum anderen, ohne Erfolg. Bis in die Dunkelheit hinein flog er auf der Suche nach einer neuen Heimat.
An so manchen späten Abenden war er froh einen Ast zu finden auf dem er wenigstens eine ruhige Nacht verbringen konnte.

Der Tag, als es geschah war noch nicht weit fortgeschritten. Die Sonne stand noch hoch am Himmel. Unser Held hatte mehrere Tage mit viel Pech hinter sich gebracht. Mehr als ein paar Eichhörnchen und Eidechsen, die gerade so zum Überleben reichten konnte er nicht vorweisen. Zu allem Übel kam er auch noch an einem sehr schönen Revier vorbei, dass allerdings von einem sehr bösartigen Artgenossen besetzt gewesen war.
Auf der Flucht vor diesem musste er eine von diesen Dingern überqueren, auf denen kein Baum, kein Strauch, ja nicht einmal Gras wuchs. Sie begannen irgendwo, weit fort und führten irgendwo hin. Andauernd rollten irgendwelche komischen Tiere auf ihnen entlang, ohne irgendeinen Sinn.
Sonst hatte er mit diesen grauen Wüstenstreifen kein Problem, er flog einfach darüber hinweg, aber auf der Flucht unterschritt er die Gefahrengrenze und wurde von einem dieser, sonst so schnell aber doch harmlos wirkenden Tiere angefallen.
Ein Schlag und der Schmerz raubte ihm sämtliche Sinne.
In einer Art von geistiger Umnachtung nahm er zu ersten Mal einen dieser merkwürdigen Zweibeiner, ohne federn und Flügel wahr. Allerdings nur kurz. Etwas warmes, weiches wurde über ihn geworfen und es wurde dunkel.
Als er die Augen wieder öffnete, wollte er am liebsten wieder in Ohnmacht fallen oder sterben, aber beides gelang ihm nicht.
Eine grelle Sonne leuchtete ihn an. Mehrere von diesen merkwürdigen Wesen standen um ihn herum und betatschten ihn mit ihren ekelig, nackten Krallen. Er versuchte mit den Flügeln zu schlagen, seine Krallen einzusetzen und zu schreien, aber nichts half. Nur der Schmerz wurde unerträglich.
"Haltet ihn! Der rechte Flügel ist gebrochen. Wir müssen ihn narkotisieren dann können wir ihn richten."
Immer wieder wurde er von den verschiedenen Krallen betatscht. Dann wollte man ihm auch noch etwas über den Kopf stülpen. Zuerst konnte er sich noch wehren. Doch dann wurde er immer müder und schwächer und bald wurde es wieder schwarz um ihn.
Das nächste was er bemerkte waren andere Vogelstimmen. Er konnte sie nicht verstehen, aber er fühlte sich wieder wie im Wald. Schon wurde es wieder schwarz.
Beim nächsten Mal machte er die Augen auf. Die Vogelstimmen waren immer noch da, aber kein Wald. Einige Zeit brauchte er um seine Umgebung wieder richtig wahr nehmen zu können.
Der erste Versuch sich aufzurichten scheiterte, erst recht ohne Flügel.
"Warum ohne Flügel?" fragte er sich und versuchte sie zu bewegen. Es gelang ihm nicht, es tat nur weh. Ein stechender Schmerz durchfuhr seine Glieder auf der rechten Seite.
Ohne sich aufrichten zu können beschaute er sich die Sache.
Etwas weißes, wie die Rinde einer Birke, nur noch gleichmäßiger lag stramm um seinen Körper.
Es war alles da. Nur konnte er es nicht bewegen. Diese komischen Viecher hatten ihn verstümmelt. Wenn er nicht solche Schmerzen gehabt hätte, hätte er versucht dieses komische weiße Zeug abzubeißen. Er versuchte es dennoch.
Frustriert, ohne Schaden anrichten zu können, gab er dann wieder auf. Vorerst!
Langsam versuchte er sich, ohne Hilfe seiner Flügel aufzurichten. Etwas unbeholfen, aber es gelang. Zaghaft nahm er seine neue Umgebung in Augenschein. Überall um ihn herum waren vollkommen gerade Äste. Er biss in einige hinein, ohne sie auch nur ankratzen zu können.
Solche Äste waren ihm noch nie untergekommen. Nicht nur gerade und vollkommen hart sondern auch so komisch glänzend und kalt. Sie rochen auch ganz anders, eigentlich nach nichts, jedenfalls nicht nach etwas, dass ihm bekannt vorgekommen wäre.
Als er dann seine Konzentration von den komischen Ästen anwenden konnte achtete er darauf wo er eigentlich stand. Seine Krallen gruben sich in etwas weiches, fast wie damals in seinem Nest. Aber direkt unter dem Weichen war etwas hartes, dass er mit seinen Krallen nicht einmal anritzen konnte.
Zuerst erfüllte ihn Angst, Angst vor dem Ungewissen. Diese Angst verging, dann kam die Resignation, dann die Dunkelheit. Nicht eine geistige Umnachtung, wie er sie heute schon mehrfach erlebt hatte, sondern die natürliche Dunkelheit.
Von irgendwoher kam noch etwas Licht, aber es wurde immer spärlicher. Irgendwann war es dann gar nicht mehr zu sehen. Anfangs waren noch die anderen Stimmen da, wie im Wald, dann erstarben aber auch die. Es war wirklich Nacht geworden, eine verängstigende Nacht.
So allein hatte er sich noch nie gefühlt. Allein und einsam.

Irgendwann musste er eingeschlafen sein. Laute, beängstigende und vor allem unbekannte Geräusche weckten ihn. Sofort knallte es wieder. Senkrecht stand er und spürte sofort wieder den Schmerz auf seiner rechten Seite. Wieder war die Angst da, obwohl es jetzt nicht mehr so laut und erschreckend war. Nur dunkel war es immer noch.
Ein klackendes Geräusch links von ihm und sofort ein gleißendes Licht. Er brauchte etwas, um sich an die plötzliche Helligkeit zu gewöhnen.
Sich bewegende Geräusche, die näher kamen ließen ihn eine Richtung fixieren.
Wieder diese Zweibeiner, ohne Flügel. Immer näher kamen sie auf ihn zu. Er machte einen um den anderen Schritt rückwärts, bis ihn die kalten Äste nicht mehr weiter ließen.
Zum ersten Mal sah er eines von diesen Wesen so nahe. Es sah schrecklich aus, so ganz ohne Federn. Auch Fell hatte es keines. Nur etwas das einer Baumrinde ähnelte, aber nicht so hart zu sein schien. Vor allem war die Rinde vollkommen Bunt. Zum Teil so bunt das es in den Augen stach. Das einzige Fellähnliche, an diesen merkwürdigen Lebewesen war am Kopf. Nicht um die Nase oder den Mund, nein nur oben auf dem Kopf.
Diese Beobachtungen konnte er so genau machen weil eines der Wesen ganz dicht, mit diesem Kopf, von außen an den kalten Ästen stand und ihn beäugte.
"Er sieht ganz munter aus. Sollen wir ihm eine Schale mit einer Maus hinein stellen?"
Panik ergriff ihn als komische, nackte Krallen durch die geraden Äste griffen und etwas Glänzendes in sein Gefängnis geschoben wurde. Die Kralle zog sich wieder zurück. Dann verschwanden die flügellosen Zweibeiner wieder.
Es war wieder still, das Licht blieb aber an. Von seiner Position aus glaubte er, in dem Maul des glänzenden Etwas einen Mauseschwanz erkennen zu können.
Langsam schob er sich, Schritt für Schritt näher. Vorsichtig legte er eine Kralle an das glänzende Ding, das scheinbar diese Maus fressen wollte. Es rührte sich nicht. Noch einmal berührte er das Ding, dieses Mal fester. Als es sich immer noch nicht wehrte schlug er so fest zu wie er konnte. Ein lauter Knall ließ ihn hysterisch zurück schrecken. Das Ding hatte entschieden sich auf seine Weise zu wehren. Es hatte sich gedreht und die Maus unter sich verschlungen. Er sah keinen Sinn mehr darin weiter anzugreifen. Es hätte möglicherweise nur noch weitere Verletzungen zur Folge gehabt. Das konnte er sich, in seinem Zustand nicht leisten. Langsam und fast unmerklich dämmerte er dann vor sich hin.

Von einem Grummeln in der Magengegend schreckte er hoch. Es war immer noch hell. Das glänzende Tier hatte sich wieder gedreht, wieder schaute ein Mauseschwanz aus seinem Maul. Dieses Mal viel er aber nicht mehr auf diesen Trick herein und so ertrug er seinen Hunger, der einen riesigen Krater in seiner Magengrube ähnelte. Dennoch, oder auch aus genau diesem Grund, dämmerte er wieder ein.

Er fühlte sich schwach, als er erneut erwachte. Wieder Geräusche die näher kamen.
Eines von diesen nackten Gesichtern starrte wieder in sein Gefängnis. Die locker sitzende Rinde dieses flügellosen Zweibeiners war etwas anders, nicht so bunt wie bei dem letzten. Es wirkte eher wie blasses Gras.
"Du musst aber so langsam etwas fressen mein Freund."
Die Stimme dieses Wesens klang etwas angenehmer, in seinen Ohren. Nicht so schrill und hoch wie die letzte.
"Später bleibt mir sonst nichts anderes übrig als dich zu füttern. Aber vielleicht sollten wir es erst einmal ohne Futternapf probieren."
Wieder griffen die nackten Krallen durch die Äste. Dieses Mal, aber holte diese Kralle nur das glänzende Tier heraus und ließ die Maus zurück.
Er wartete wieder, nur um sicher zu gehen, dass das glänzende Vieh oder die nackte Kralle nicht wieder zurück kehrten. Aber nichts dergleichen geschah.
Mit zittrigen Füßen, ohne sich durch seinen Flügel in Balance halten zu können, schwankte er auf die Maus zu. Ein gezielter Schlag, mit einer seiner Krallen und er hatte sie zwischen seinen Fängen. Schnell hatte er die ersten Bissen herunter geschlungen. Er spürte sofort wie seine Kraft langsam wieder zurück kehrte. Auch wenn diese Beute nicht so schmeckte wie er es gewohnt war, genoss er sie doch ganz und gar.

Tage und Nächte vergingen. Mal waren es Mäusetage, mal Ratten oder auch Kaninchen. Ganz selten einmal ein paar junge, zarte Vögel. Aber eines hatten alle gemeinsam sie schmeckten alle anders, anders als er es gewohnt war.
Irgendwann kam wieder ein Tag. Eigentlich war es an der Zeit ein neues Tier zu bekommen. Dieses Mal aber griff keine nackte Hand hinter die Äste sondern ein grausiger Klumpen, der nur entfernt einer Kralle ähnelte. Diese packte ihn plötzlich und riss ihn brutal aus seinem Gefängnis heraus.
Er schrie, trat und versuchte zu beißen, ohne Erfolg. Sein Herz raste. Er bekam vor lauter Panik fast keine Luft mehr, von der Pranke, die ihm die Luft abdrückte ganz zu schweigen.
Ohne mit den Flügeln zu schlagen bewegte er sich von einem Ort zum anderen. Ihm wurde schlecht.
Von überall her glänzten ihn Dinge an. Eine komische Sonne, die ihm viel zu nah vorkam blendete ihn.
"Ganz ruhig mein Kleiner. Wir wollen dir doch nur Helfen."
"Wenn er uns verstehen könnte, würde er nicht so zappeln." Lächelte eine andere Stimme der Flügellosen.
Ein glänzendes Tier, in der nackten Kralle eines Zweibeiners versuchte seine Flügelklammer zu zerbeißen, die ihn schon seit Tagen am fliegen hinderte und ihm mittlerweile doch so natürlich vorgekommen war. Er war verwirrt und hielt daher still. Die Klammer war fort, seine Flügel konnte er aber immer noch nicht bewegen, er wurde weiter festgehalten. Dafür wurde sein rechter Flügel für ihn bewegt. Die flügellosen Zweibeiner zogen sie hin und drehten sie her. Hier und da ziepte es etwas, aber es schmerzte nicht mehr.
"Ich glaube wir können ihn in eine Voliere bringen."
Wieder bewegte er sich, ohne sich selbst zu bewegen. Wieder wurde ihm schlecht. Aber zum ersten Mal seit einer gefühlten Ewigkeit konnte er wieder Tageslicht erkennen.
Es gab keine geraden, matt glänzenden, nicht zu zerbeißenden Äste mehr. Es gab jetzt andere Äste, eckig und ohne Rinde, die mit dicken Spinnweben verbunden waren. Die Spinnweben konnte er aber auch nicht zerbeißen oder zerreißen. Dazu waren die Weben noch so eng gewoben, dass er nicht hindurch passte.
Genau hier steckten sie ihn hinein.
Nur weil sein Gefängnis jetzt größer geworden war, hieß es noch lange nicht, dass er jetzt nicht mehr gefangen war.
Der einzige Vorteil, er konnte seine Flügel wieder bewegen. Es viel ihm noch schwer, aber es ging.
Hier in diesem Gefängnis gab es dann sogar noch richtige Äste, auf die er sich schwingen konnte, von denen er die Umgebung im Blick hatte.

Wie schon in dem kleinen, so erhielt er auch in diesem Gefängnis einmal am Tag einen Tierkadaver, welches aber auch nicht besser schmeckte.
Mit seinen Schwingen klappte es immer besser.

Einmal verirrte sich ein Kaninchen, unter den dicken Spinnweben hindurch, in sein Reich. Flucht war zwecklos. Noch bevor sich der Nager umdrehen konnte war er Tot und er schmeckte besser.

Erst als die flügellosen Zweibeiner, wie jeden Tag sein Gehege betraten um die Reste seiner Mahlzeit zu entsorgen, bemerkten sie die verschmähte Ratte und die kläglichen Überreste des Kaninchenfells.
"Ich glaube du bist soweit." Sprach die raue Stimme dieses Flügellosen und verließ sein derzeitiges Zuhause mit dem Fell und der toten Ratte.

Noch am selben Tag kamen drei der Wesen zurück und fingen ihn ein. Alles Zeter, alles Mordio half nichts, er wurde wieder in ein kleines Gefängnis mit geraden, harten Ästen gesperrt.
Dann kam es ganz dicke. Er wurde in so ein Tier gesperrt, das ihn vor Wochen angegriffen hatte. Jetzt kauerte er sich zusammen, in Erwartung schrecklicher Schmerzen, die kommen würden, aber entgegen seiner Erwartung geschah nichts.

Irgendwann bewegte er sich nicht mehr. Als er aus dem bösen Tier wieder heraus geholt wurde sah und roch er bekanntes. Wald, Bäume, Gras. Er wurde ganz aufgeregt.
Dann gab es kein halten mehr. Dann gab es nur noch die Freiheit.

Den Rest seines Lebens achtete er darauf den flügellosen Zweibernern nicht mehr zu nahe zu kommen.
Harte Äste sah er nie wieder. Ab und an mal einer dieser Flügellosen, die waren aber schnell wieder verschwunden. Wenn ihm dann doch mal einer zu nahe kam verschwand er schnell.

Zurückdenkend hatte er ein gutes und erfülltes Leben gehabt.

Seine Glieder schmerzten wieder und er wusste, er war wieder wach als die abendliche Sonne ganz unter gegangen war. Er schwang sich auf einen Baum in der Nähe.
Eine ruhige, lange Nacht würde es werden.

Sehr ruhig und sehr lang.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo JohannJopsef,

die Idee, sich in die Gedankenwelt von Tieren versuchsweise hinein zu begeben finde ich schön, an der ein oder anderen Stelle ist dir das auch gelungen. Die Reviersuche, den Stromschlag, den geschienten Flügel, das kann man sich gut vorstellen.

Allerdings fehlt mir noch Einiges in deiner Geschichte. Stilistisch ließe sich das Ganze noch verbessern, zum Beispiel hier:

Die Nächte wurden wieder kürzer und auch empfindlich kühl.
Es ging noch nicht wieder gegen Null, aber ihm war es teilweise schon wieder recht frostig. Möglicherweise lag dieses aber auch an seinem, mittlerweile recht fortgeschrittenem Alter.
Drei Sätze, dreimal wieder und zweimal recht. Sicher könntest du das eleganter lösen. Dann gibt es sehr viele Rechtschreibfehler, z.B.:
die Dolchartigen Spitzen
... die dolchartigen Spitzen
Hier hörte er sie über Gänsehaut sprechen, dass war wohl etwas ähnliches wie sein aufplustern.
..., das war wohl etwas Ähnliches wie sein Aufplustern.

Hier kann ich außerdem schlecht nachvollziehen, wieso er das Wort 'Gänsehaut' in seiner Bildlichkeit wahrnehmen sollte, da er ja auch ansonsten die Wörter nicht versteht.

Einmal verirrte sich ein Kaninchen, unter den dicken Spinnweben hindurch, in sein Reich. Flucht war zwecklos. Noch bevor sich der Nager umdrehen konnte war er Tot und er schmeckte besser.
Die Kommas sind meiner Meinung nach überflüssig, '... war er tot' wäre richtig und 'er schmeckte besser' ist inhaltlich ein neuer Punkt, den ich auch in einen neuen Satz packen würde. (Übrigens sind Kaninchen keine Nager, sondern sie gehören zu den Hasenartigen.)
Es viel ihm noch schwer, aber es ging.
Es fiel ihm noch ...
Junggesellen prügelte
Prügeln, das passt nicht zu Vögeln, denn darunter stellt man sich fliegende Fäuste, eine Keilerei vor. Ich würde 'kämpfte' nehmen.
Dann gab es kein halten mehr.
... kein Halten ...
Die Verletzung, die Pflege, das würde ich zum Kernpunkt der Erzählung machen und mit einem noch dramatischeren Spannungsbogen versehen. Ein wenig plätschert dein Text vor sich hin, ohne wirklich zu berühren. Und ich würde es nicht als Erinnerung verpacken, Tiere leben ja viel mehr im Hier und Jetzt. Daher, erzähle es doch einfach direkt ...

Noch weiter viel Freude am Schreiben,
viele Grüße,

Eva

 

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