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Der Fluch des goldenen Käfigs

Beitritt
26.11.2011
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Der Fluch des goldenen Käfigs

In einem womöglich gar nicht ganz so weit entfernten Land regiert ein unnahbarer Herrscher mit harter Hand. Seine einzige Freude ist es, sich an seinen Geburtstagen von seinen geknechteten Untertanen feiern und beschenken zu lassen. Denn wenigstens so kann er sich noch vormachen, ein beliebter Mann zu sein.

Als wieder einmal einer jener Geburtstage gekommen ist, tritt mit den Gratulanten auch eine Greisin vor, die das Leben in Unterdrückung und Armut alles gekostet hat: Mann, Kind, Hab und Gut. Alles, was ihr lieb und teuer war. Alles, wofür es sich zu leben lohnt.
Während sich die Frau gebeugt und gebrechlich dem Thron nähert, flüstert ein Berater dem Herrscher zu, er möge sich besser in Acht nehmen: Von der Alten hieß es nämlich, sie sei eine Hexe, könne ihn womöglich verfluchen.
Doch da sich der Machthaber längst unverwundbar wähnt und gelernt hat, nicht an Hocus Pocus zu glauben, lässt er das Mütterchen vortreten:
»Man sagt mir, Ihr wärt eine Hexe«, spricht er herablassend, »und könntet mich womöglich verfluchen. Aber ich sehe nur eine alte Frau mit krummem Rücken, die mir höchstens meine Zeit stehlen wird. Also sprecht: Was habt Ihr mir mitgebracht?«
Da hebt die klapprige Alte ihren Gehstock wie eine Lanze – und stürzt sich mit Todesmut in den grausamen Despoten. Doch alles, was dieser davonträgt, ist ein ordentlicher Kratzer und ein gehöriger Schrecken, während die Frau von der Wache niedergestreckt wird.
Als der Herrscher die Sterbende in ihrem Blut liegen sieht, gewinnt er seine Fassung zurück: »Ihr seid gescheitert, Mütterchen!« höhnt er – und fügt triumphierend hinzu: »Ich lebe!«
Doch die Alte blickt seltsam zufrieden empor, holt noch einmal tief Luft und spricht lächelnd ihre letzten Worte:
»Wer sagt denn, dass ich Euch töten wollte? Aber wenn schon ich altes Mütterchen es hätte schaffen können, wie mag es dann erst mit all den jungen Emporstrebenden sein, die Euch umgeben? Hört also meine Worte: Nicht mal mehr an Euren Geburtstagen werdet Ihr fortan noch Freude finden. Denn vor Angst werdet Ihr Euch Sicherheit mit Einsamkeit erkaufen. Dies ist mein Fluch – der Fluch des goldenen Käfigs!«

***

Wer nun glaubt, dass die Geschichte mit dem Fluch zu Ende ist, der irrt! Denn wie sich gleich zeigen wird, ist die Alte nicht annähernd so grausam gewesen, wie ihr Herrscher.
Als sich die Hand der Toten entspannt, fällt nämlich ein Zettelchen heraus – auf dem steht deutlich zu lesen:
»WIE DER FLUCH ZU BRECHEN IST!«
– kann das alles überhaupt wahr sein?! Ungläubig und wie gebannt starren der Despot, sein Berater und die Wache auf die Botschaft.
Als erstes löst sich der Wächter aus seiner Erstarrung. Vorsichtig nähert er sich der Leiche, hebt das Papierchen auf, entfaltet es, liest, stutzt – und erbleicht. Zitternd reicht er die Botschaft dem Berater. Doch auch dem verschlägt's beim Lesen glatt die Worte, auch er traut sich nicht, mit der Sprache heraus zu rücken. Da wird der Herrscher wütend:
»Nun sagt schon, was ist es? Eine Schatzkarte, die mich zu einem heiligen Artefakt führt? Was muss ich finden, um den Fluch zu brechen?«
»N-n-nichts!«, stammelt der Berater ängstlich, »G-gar nichts!«
Da entreißt der Despot seinem Höfling ungeduldig den Zettel – und liest selbst voller Erstaunen: »Nichts braucht ihr; geben müsst ihr etwas...«
Er stutzt – und fährt fort, stockend, denn hier wird die krakelige Schrift unleserlich; die Botschaft aber ist eindeutig:
»Wollt Ihr den Fluch des goldenen Käfigs brechen, so gebt... den Menschen Grund... Euch... ZU ACHTEN!«

 

Hej Geschichtensammler,

hab's gelesen und finde es gut erzählt.

Ich habe den Eindruck, dass Du die Wirkung der Geschichte verstärken könntest, wenn Du ein paar Dinge genauer darstellst.

In einem womöglich gar nicht ganz so weit entfernten Land regiert ein unnahbarer Herrscher mit harter Hand.
Hier fehlt mir eine klitzekleine Beschreibung inwiefern er seine Untertanen knechtet. Noch besser wäre, wenn dem Leser dabei klar wird, dass das keine Spaß machen kann, denn Du schreibst:

Und seine letzt-verbliebene Freude ist es, sich an jedem seiner Geburtstage von seinen geknechteten Untertanen feiern und beschenken zu lassen.
Ich würde das "Und" streichen. Und diese Bindestrichwörter lesen sich in einer märchenhaften Geschichte nicht schön.

Denn wenigstens so kann er sich noch vormachen, vielleicht doch ein beliebter Mann zu sein.
Ein Herrscher und Despot mag kein "vielleicht" und auch kein Vortäuschen irgendwelcher Sachverhalte. Er zwingt die Welt. Zumindest würde ich ihn so beschreiben.

spricht er mit belustigt-herablassendem Ton
wieder Bindestriche. Muss er wirklich belustig und herablassend sein? Ich finde, er käme sogar ohne beides aus. Im Zweifelsfall würde ich mich für "herablassend" entscheiden, denn er ist nicht nett und eben auch nicht leicht zu belustigen.

»Wer sagt denn, dass ich Euch töten wollte..., mein Herr?
Dieses "mein Herr" wirkt nicht stark genug, um ironisch gemeint zu sein. Und wenn es nicht so gemeint ist: Sie stirbt und hat nichts zu verlieren, außerdem hat sie nicht ihr ganzes Leben als seine Dienerin verbracht. Wozu also so hochtrabend?

Ansonsten hab ich nichts zu meckern.

Bin gespannt, was Du noch für Geschichten gesammelt hast.
Viel Spaß hier,

LG
Ane

 

Moin Ane,
danke für Deine Mühe und die Anregungen, die meisten habe ich direkt eingearbeitet – und schön, dass dieses Forum dank Dir gleich schon bei meiner ersten Geschichte hält, was ich mir von der Plattform versprochen habe: Meinen Zeilen bei der Reifung zu helfen. :)
Herzliche Grüße

 

Hallo Geschichtensammler,

am Ende war ich enttäuscht, und das hats recht verhagelt. Was mir fehlt, ist die Steigerung der Dramatik.

Du bereitest das Ende ja ausführlich vor, da kommt die Alte, dann verflucht sie den Herrscher, dann wird klar, dass sie doch nicht so grausam ist, dann werden alle bleich, die den Zettel vor dem Herrscher (und vor mir!) lesen - da warte ich gespannt drauf, was denn da so steht, auf dem Zettel, und dann steht da was ganz und gar furchtbar Langweiliges, geschrieben mit einem erhobenen Zeigefinger.

Nee, dass die Alte dafür stirbt, das nehm ich ihr nicht ab, dass die Berater bleich werden auch nicht, und dass es irgendwas ändert ebenfalls nicht.

Da muss am Ende ein Knall her. Ein Ende, die mich fürs Lesen der Geschichte belohnt.

Zum Text, joa. Ich finde deine Sprache zu ausladend. Knapper gefällt mir besser, das liest sich auch leichter - und Inhalt geht nicht verloren.

Hier z.B., zufällig der erste Satz gleich:

In einem womöglich gar nicht ganz so weit entfernten Land regiert ein unnahbarer Herrscher mit harter Hand.

Der Reim ist außerdem schrecklich, so fangen Dramen an aus längst vergangenen Zeiten. Nicht aber Märchen.

Als wieder einmal einer jener denkwürdigen Geburtstage gekommen ist, tritt mit den unfreiwilligen Gratulanten auch eine vom harten Leben gezeichnete Frau vor.

Auch hier wieder viel Füllmittel - dafür beschreibst du die Frau lediglich als "vom harten Leben gezeichnet". Beschreib sie doch ein wenig.

Das mal von mir. Bis bald,

yours

 

Hallo Geschichtensammler!

Erstmal: Willkommen im Forum!

Dann gleich weiter mit Glückwünschen für eine gelungene Geschichte! Ich persönlich stehe besonders auf wirklich kurze Kurzgeschichten, doch mindestens genauso groß wie meine Liebe für sie ist auch mein Respekt vor ihnen.

Kurgeschichten verlangen es dem Autor ab, in sehr kurzer Zeit einen ... hmm, wie soll man sagen ... "bombigen" Spannungsbogen zu erzeugen! Da hast du, wie yours schon gesagt hat, das Ende sehr vielversprechend aufgezogen, doch irgendwie war für mich als Leser nichts dahinter.

»Man sagt mir, Ihr wärt eine Hexe«, spricht er herablassend, »und ihr könntet mich womöglich verfluchen. Aber ich glaube nicht an Zauberei und sehe nur eine alte Frau mit krummem Rücken, die mir höchstens meine Zeit stehlen wird – was aber schon schlimm genug wäre. Also sprecht: Was habt Ihr mir mitgebracht?«

Dieser Dialog wirkt unrund. Vielleicht ist es so besser: "Man hat mich vor Euren Flüchen gewarnt, Hexe. Ich sehe nur eine alte Frau mit krummem Rücken, die versucht, meine Zeit zu stehlen. Macht es kurz: Was habt Ihr mir mitgebracht?" -- so kann ich es mir besser vorstellen.

Da hebt die klapprige Alte ihren stumpfen Gehstock wie ein Lanze – und stürzt sich mit Todesmut in den grausamen Despoten. Doch alles, was dieser davonträgt, ist ein ordentlicher Kratzer und ein gehöriger Schrecken, während die Frau von der Wache niedergestreckt wird.

Für mich der nächste Knackpunkt: hier stürzt sich die klapprige Alte "mit Todesmut in den grausamen Despoten". Im nächsten Satz schreibst du aber "Doch" und "ordentlicher Kratzer" und "gehöriger Schrecken".
Dieses "Doch" deutet darauf hin, dass der Mann wirklich nur einen klitzekleinen Kratzer abbekommen hat - dasselbe gilt für den Schrecken.

... und fügt triumphierend hinzu: »Tadaa: Ich lebe!«

Ein so tyrannischer Herrscher würde doch nie im Leben "Tadaa" im Beisein seiner Untertanen sagen! Irgendwie stört mich dieses Wort - es nimmt jegliche Ernsthaftigkeit aus der Situation und das, obwohl die arme, alte Frau soeben erschlagen worden ist.

... Zettelchen heraus – auf dem steht deutlich und wortwörtlich zu lesen: ...

Das "wortwörtlich" passt mir hier nicht. Es ergibt für mich persönlich keinen Sinn und ich bleibe beim Lesen daran hängen.

So, nun ist's Schluss mit der Schimpferei! Ich mag diese Art von Geschichte/Märchen gerne, aber auch ich finde, dass alles ein wenig langatmig wirkt. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass du Angst hattest, dein Text könnte zu kurz werden!

Ein Tipp von mir: zu kurz gibt es nicht! Die kürzeste Kurzgeschichte von Ernest Hemingway ging so: "For Sale: Baby shoes, Never used!" Ja, das war's!

Ich hoffe, ich konnte dir helfen!

Hans

 

Hallo Geschichtensammler

Der erste Satz liess eine in der gängigen Form von Märchen folgende Geschichte erwarten. Es war denn auch so, einfach in Kurzform abhandelnd.

Da hebt die klapprige Alte ihren stumpfen Gehstock wie ein Lanze – und stürzt sich mit Todesmut in den grausamen Despoten.

Das Bild, das mir diese Szene bietet, würde eher ein auf als in bedingen. Und bei Gehstock wie eine Lanze.

Auch wenn sie von ihrem Gehalt her nicht unbedingt Neues bringt, ein Standardtypus von Märchen, in dieser Kurzform, fand ich es unterhaltsam zu lesen.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Danke für Lob und Anregungen – wo Schnittmengen erkennbar waren, habe ich nachgearbeitet:

Ich habe die Frau jetzt wenigstens etwas genauer beschrieben, nämlich als einen Menschen, der nichts mehr zu verlieren hat – einerseits, aufgrund ihres hohen Alters, andererseits, weil sie das Leben unter der Herrschaft des Despoten längst alles gekostet hat, was ihr am Herzen lag. Das macht ihr Aufopfern vielleicht glaubwürdiger (wobei für mich eh grundsätzlich die Frage wäre, wie logisch eine annähernd 'märchenhaft' aufgezogene Geschichte sein muss).

Die Ansprache des Herrschers habe ich nun ein wenig verkürzt, genauso den Fluch der Alten und dazu noch ein paar kleinere Dinge korrigiert.

Am Anfang und Ende sowie der Dramaturgie der Geschichte habe ich allerdings nichts geändert, da sich für mich hier keine einheitliche Meinung erkennen ließ, es also vermutlich tatsächlich um Geschmacksfragen geht.

Noch ein paar Worte zur Dramaturgie und dem offenbar (teils im positiven, teils im negativen Sinne) unerwarteten Ende:

Enttäuschung ist m. E. das Risiko, das man eingehen muss, wenn man überraschen will.

Der Spannungsbogen ist tatsächlich ganz bewusst so aufgebaut, dass man vom Ende eigentlich nur enttäuscht oder überrascht sein kann. Eben weil man nach dem ganzen Aufbau mehr erwartet, als solch' eine simple Botschaft (andere würden vielleicht sogar von einer 'Binsenweisheit' sprechen). Im Grunde geht es da dem Leser des Zettelchens in der Geschichte ganz genauso, wie dem Leser der Geschichte: Auch der Herrscher kann ja eigentlich gar nicht glauben, was er da nach all dem Vorhergehenden auf dem Zettel liest: Eine simple Wahrheit, die sich aber weder der Wächter noch der Berater dem Herrscher ins Gesicht zu sagen trauen. Eine Binsenweisheit, die so simpel ist, dass sie ein selbstgerechter Herrscher aber höchstens dann wahrnehmen wird, wenn sie perfekt inszeniert wurde. Genau das hat die Alte getan. Ob's was ändern wird?

Zu diesem Märchen hat mich jedenfalls ein Indianer inspiriert, der mir mal erklärt hat, dass ein Fluch entgegen unserer westlichen Vorstellungen an sich nichts Schlimmes wäre, sondern etwas, was dem Verfluchten 'die Augen öffnen' soll.

Also wer weiß: Vielleicht hat hier ja auch schon jemand mitgelesen, der sich in einer der Figuren wiederentdeckt hat. ;)

 

Der Spannungsbogen ist tatsächlich ganz bewusst so aufgebaut, dass man vom Ende eigentlich nur enttäuscht oder überrascht sein kann. Eben weil man nach dem ganzen Aufbau mehr erwartet, als solch' eine simple Botschaft (...)

Ich gebe zu, ich kann deinen Standpunkt nicht ganz verstehen. Geschichten sind doch da, um Menschen zu unterhalten. Dass ein Schriftsteller ganz bewusst plant, den Leser zu enttäuschen bzw. zu langweilen, habe ich noch nie gehört.

Sehr mutig, Herr Geschichtensammler. Ich würde es anders machen, aber du hast dein Ziel definitiv erreicht. Ich bin überrascht.

MFG

 

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