Der Fischer
Der Fischer saß auf dem dünnen Holzsteg. Er hatte die Beine an den Körper gezogen und ließ seinen Blick unstet über die glatte Oberfläche des Sees schweifen. Sein Blick war durch die struppige Krempe eines Strohhutes vor den stechenden Strahlen der Sonne geschützt. Der See sah aus wie ein schmutziger Spiegel unter dessen Oberfläche hin und wieder etwas aufblitze, schwammige Konturen wogten hin und her und waren nur mit viel Fantasie als algige Pflanzen zu identifizieren. Wie ein Blick in eine andere Welt, dachte der Fischer. Surreale Wesen leben in dieser Welt, die durch die Schwärze und Schwammigkeit so anders wirkten, dass es fast schon wieder faszinierend war.
Der Fischer wurde durch das Zupfen der Angelschnur aus seinen düsteren Gedanken gerissen. Sein grober Umhang wallte, als er die einfache Angel einholte, mit leerem Blick kurz den kleinen zappelnden Fisch an dessen Ende betrachtete und ihn dann wieder freiließ. Er senkte den Kopf bis sein Kinn gegen das nackte Knie stieß und sein Blick verklärte sich, als seine Gedanken erneut in die Ferne schweiften.
Eine unheimliche Stille umgab den Teich. Kein Vogel zwitscherte, kein Frosch quakte und auch Wasserplätschern war nicht zu vernehmen, obwohl sich das uferbedeckende Schilf majestätisch hin und her wiegte.
Das Gehör des Fischers war scharf und so hörte er den herankommenden Mann schon lange bevor er aus dem Wald trat und seine Schritte zielstrebig in Richtung des schmalen Stegs lenkte. Der Fremde setzte sich mit dem Rücken zu dem Fischer nieder und ließ die nackten Füße in das kalte Wasser baumeln. Der Fischer kannte den Mann nicht. Eine ganze Weile blieben die beiden einander fremden Männer Rücken an Rücken so sitzen. Das einzige Geräusch, welches die fast schon geisterhafte Stille, welche sich wie eine riesige Glocke über den See gelegt hatte, störte, war das Plätschern der nackten Füße im Wasser. Kleine kreisförmige Wellen gingen von den Füßen aus, wurden immer schwächer und verloren sich schließlich in der Weite des glatt daliegenden Sees.
"Und, wie geht´s?", fragte der Eine.
"Hm", gab sein Gegenüber zurück. "Man lebt so vor sich hin."
Wieder Stille. Selbst das Plätschern der Füße hatte aufgehört. Der Schrei eines Vogels zeriss die Stille. Dann ein Platschen, als der Körper ins Wasser fiel. Der Fischer saß noch kurz ohne jegliche Reaktion am Ende des Stegs, dann holte er die Angel in aller Ruhe ein, erhob sich eben so ruhig und ging langsamen Schrittes den Steg entlang ohne den Körper des Fremden, der reglos im Wasser lag, auch nur zu beachten. Er hätte sowieso nichts gesehen.
Er war blind.