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Der fatale Aufstieg des Kardamometers
Direktor Pecunius Scheffler ließ sich auf seiner ergonomisch geformten, selbstlenkenden, pneumatischen Nano- Luftmatratze von den violetten Wellen des Parfümsees sanft hin- und herwiegen, während sich seine Sekretärin lasziv in der Sonne räkelte, wann immer Scheffler zu ihr hinüberschaute. In ihrem Arbeitsvertrag stand, dass sie in jeder Lebenslage ein schöner Anblick und eine Steigerung der Laune des Direktor zu sein habe. Seinen Vorlieben zufolge trug sie daher einen Spinnenseide-Bikini, der je nach Lichteinfall alles oder gar nichts verhüllte. Der Fummel kostete ein Vermögen, doch Pecunius verschwendete an so einen Umstand keinen Gedanken. Die Buchhaltungsabteilung rechnete seinen Ausflug schließlich als Geschäftsreise ab und den Bikini als Berufsbekleidung.
Und da der Finanzminister, der ganz offiziell zu einem Geschäfts-Meeting eingeladen worden war, zwei Seen weiter ebenfalls auf einer ergonomisch geformten, selbstlenkenden, pneumatischen Nano-Luftmatratze vor sich hindümpelte, während sich sein Sekretär lasziv in der Sonne räkelte, würden die Finanzprüfer keine unangenehmen Fragen stellen. Der Sekretär trug allerdings nur einen Kunstleder-String mit Leopardenfell-Imitat. Regierungsbeamte hatten einfach keinen Stil!
Pecunius kratzte sich träge am Kinn. Der Diamantstaub-Überzug juckte noch ein wenig. Der neuste Schrei, wie ihm sein Modeberater enthusiastisch versichert hatte. Der Entwurf war per Eilkurier direkt zu ihm gebracht worden, noch bevor die Fashion-Magazine Wind davon bekommen hatten. Auf dem diesjährigen Kongress würden einige Direktoren ganz schön dumme Gesichter machen, wenn Pecunius vor allen anderen schon das Glanzstück der kommenden Herbstkollektion trug.
Das soll den Idioten eine Lehre sein, wer hier die Nase vorn hat!, dachte er zufrieden.
Das Lewinsky-Modul in seinem Ohr zirpte kurz und signalisierte ihm damit, dass ein dringender Anrufer durchgestellt werden wollte. Pecunius schnaubte verärgert. Er hatte Anweisung gegeben, ihn nur in absoluten Notfällen zu stören. Und wenn die Austern kamen. Da er die Austern jedoch schon vor einer halben Stunde genüsslich weggeschlürft hatte, war es für den Störenfried besser ein Notfall, denn sonst würden Köpfe rollen und Äste abgesägt!
„Was?!“, fragte er barsch.
Eine devote Stimme erklang.
„Herr Direktor, ich bitte vielmals um Verzeihung, dass ich es wage, Sie bei der Ausübung all jener wundervollen Dinge zu belästigen, welche Sie sich in diesem Augenblick vielleicht zu tun entschlossen haben und die meinen kleingeistigen Horizont übersteigen.“
„Es ist besser wichtig für Sie, Ofer, sonst sind Sie die längste Zeit mein vierter Untersekretär gewesen!“
„Verzeihen Sie, Herr Direktor, hier spricht Neumann. Wie Sie selbstverständlich wissen, haben Sie Herrn Ofer bereits letzte Woche völlig zu recht hinauswerfen lassen.“
„Natürlich weiß ich das, Ofer! Maßen Sie sich etwa an, mich zu belehren?“ Pecunius’ Stimme hatte einen drohenden Tonfall angenommen. Die Nano- Luftmatzratze spürte seine aufkommende Verärgerung anhand seiner galvanischen Hautreaktion und verfärbte sich in ein alarmierendes Grün. Die Sekretärin, die sich pausenlos in der Sonne räkelte, bemerkte sofort seine Verärgerung. Augenblicklich bestellte sie über ihr Lewinsky-Modul mehr Champagner, Austern, eisgekühlte Trüffel und ließ anschließend schleunigst ihr Bikinioberteil fallen, als der Direktor an ihr vorbeisegelte.
„Ich würde mir mit meiner beschränkten Intelligenz niemals herausnehmen, Ihre Weisheit zu verbessern, Herr Direktor!“, winselte Neumann bzw. Ofer.
„Also was ist denn?“ Scheffler war zwar immer noch verstimmt, allerdings wurde er etwas ruhiger, als er der Reihe nach den Champagnerkübel, die Austernschalen, den Trüffelberg und die Doppel-D-Brüste seiner Sekretärin sah. Die Matratze war sich noch nicht sicher, ob sie von Grün wieder in ein zufriedenes Babyblau wechseln sollte und entschied sich daher diplomatisch für eine Mischung aus beiden und wurde türkis.
„Wie es der Herr Direktor selbst angeordnet hat, sollten wir Herrn Direktor nur dann belästigen, wenn es sich um einen Notfall handeln würde. Nun....ähm.....also....es könnte da vielleicht einen winzig kleinen, äußerst unbedeutenden, nichtigen.....nein, eher eine Unregelmäßigkeit gegeben haben. Eventuell.“
Die Matratze wurde wieder grün.
„Spucken Sie es schon aus, Herrgott nochmal!“
Neumann räusperte sich verzweifelt. Selbst das Lewinsky-Modul in Schefflers Ohr wand sich wie ein Wurm am Haken.
„So wie es den Anschein haben könnte, könnten vielleicht, also unter Umständen....“
„Herr Ofer, reden Sie nicht!“, grollte Pecunius Scheffler.
„Es scheint, Herr Direktor, dass die Hellas- Industries ein neues Produkt auf den Markt gebracht haben, dass in der Verbraucherwertung die neue Nr.1 ist.“
Die Matratze wurde schwarz und Schefflers Gesicht rot. Zeitgleich rief die Sekretärin hektisch nach Verstärkung in Form von zwei Praktikantinnen, mit nichts weiter bekleidet als ihrem bezauberndsten Lächeln. Als nächstes flog das Bikini-Höschen in hohem Bogen davon.
„WAAAS??? Wie zum Teufel ist das möglich? Das kann nicht sein! Ich habe Platz 1, nur ich, ich, ICH!!!“ Der Direktor tobte und strampelte auf seiner Luftmatratze herum und entfachte damit einen beträchtlichen Tsunami im Parfümsee. Wohlriechende Wellen, die alle 6,3 Sekunden ihren Duft wechselten, schwappten in alle Richtungen.
„Ofer! Ich verlange eine Erklärung, und zwar augenblicklich! AU-GEN-BLICK-LICH! Und was ist das für ein neues Produkt?“ In Schefflers Stimme konnten sich Wut, Ungläubigkeit und Ekel nicht entscheiden, wer die Oberhand gewann.
Neumann alias Ofer murmelte tonlos ein Stoßgebet, bei dem er hoffte, dass wenigstens der liebe Gott es hören würde.
„Herr Direktor, es ist ein Kardamometer. Mit nicht nur zwei, sondern sogar drei Anschlüssen. Wahlweise in Rosa, Gelb oder Braun.“
„Und wieso haben diese Schweinehunde von Hellas- Industries ein Kardamometer und nicht wir? Wofür bezahle ich eigentlich unsere Spionage- und Sabotage-Abteilung? Diese Stümper lasse ich allesamt feuern!“
„Unsere erste Einschätzung besagt, dass H-I offenbar Subventionen von der Regierung erhalten hat. So wie es aussieht, hat das Finanzministerium einige großzügige Kredite mit langer Laufzeit, niedriger Tilgungsrate und geringen Zinsen gewährt. Außerdem wurde...“
Weiter kam Neumann/Ofer nicht, da er von Scheffler unterbrochen wurde, der kollernde Geräusche von sich gab wie ein brünstiges Nashorn. Mit einem weiteren Griff an ihr Lewinsky-Modul alarmierte die Sekretärin, die sich so verzweifelt in der Sonne räkelte, dass sie mittlerweile in beiden Waden Krämpfe hatte, das Reanimationsteam. Geräuschlos rollte ein koffergroßer Roboter heran, der statt Armen Defibrillatoren und Adrenalinspritzen besaß.
„Das Finanzministerium? Die wagen es.....wagen es....ohne meine Zustimmung Subventionen zu gewähren!? Und dann auch noch an jemand anderen als an mich? Und das, wo dieser verlogene Drecksack von Minister auf Kosten meiner Firma....meiner Firma...seinen Hintern in diesem Augenblick in einen Parfümseen tunkt? Weiß der eigentlich, wie hoch die Tagesmiete für die Dinger ist? Dieser.....dieser....“ Scheffler schlug auf die Luftmatratze ein, was jene mit einem entrüsteten Quieken beantwortete. Dann drohte er mit beiden Fäusten dem Finanzminister und fuchtelte wild mit den Armen in seine Richtung. Der Minister, der zu weit entfernt war, um etwas von dem zu verstehen, was der Direktor brüllte, sah kurz zu ihm herüber, lächelte und winkte freundlich zurück.
„Ofer, das wird Konsequenzen haben! Ich verlange sofort, dass Sie im Finanzministerium anrufen. Diese Trottel sollen schleunigst einen neuen Minister wählen! Der alte wird nämlich gleich einen bedauerlichen Unfall haben!“ Ein heimtückisches Grinsen überzog das Gesicht von Pecunius. „Und dieses Mal sollten sie um ihrer Rente willen besser einen wählen, der seine Gönner von seinen Feinden unterscheiden kann. Sobald das erledigt ist, Ofer, rufen Sie postwendend in der Transportabteilung an und lassen einen Hai über dem See des Ministers abwerfen, haben Sie mich verstanden? Und zwar den größten, blutrünstigsten und hungrigsten Hai, der sich auftreiben lässt! Na los, Ofer, machen Sie!!“
Bevor Neumann etwas erwidern konnte, trennte Scheffler die Verbindung und rief über sein Lewinsky-Modul die Forschungsabteilung. Die Stimme des Chef-Entwicklers sprang mit einem nasalen Unterton in sein Ohr.
„Forschungsabteilung, Professor Zweikiesel spricht.“ Der Professor klang gedankenverloren und zerstreut.
Na warte! Deine Aufmerksamkeit hab ich gleich!, dachte Scheffler böse.
„Zweikiesel, hier spricht der Mann, der Ihre Gehaltsschecks unterschreibt. Und wenn Sie wollen, dass das auch so bleibt, dann erklären Sie mir sofort, wie ich meinen rechtmäßigen Platz 1 auf der Konsumgüterliste zurückbekomme, wo in diesem Moment irgend so ein impertinentes Kardamometer seinen frechen Hintern plattsitzt, während wir hier nett plaudern und meine Zeit vergeuden!“
„Ah, Herr Direktor. Ich hatte schon mit Ihrem Anruf gerechnet. Tatsächlich ist dieses Kardamometer ein höchst beeindruckendes Konstrukt. Wussten Sie, dass es anstelle von zwei jetzt sogar...“
„Ja, Ja, Ja. Drei Anschlüsse und in Rosa, Gelb und Braun. Wieso ist dieses Ding in der Lage gewesen, unser Zimtotron von Platz 1 zu verdrängen? Wieso?“
„Das liegt an drei entscheidenden Faktoren, Herr Direktor. Es ist größer, teurer und verbraucht mehr Energie als das Zimtotron.“
Scheffler sog scharf die Luft ein.
„Verdammt, das ist genial! Diese Schweinepriester von H-I sind verflucht gerissen. Ehre, wem Ehre gebührt. So, genug davon! Kommen wir zum Kern, Zweikiesel. Also, wie kriegen wir Platz 1 zurück?“
„Das ist relativ offensichtlich – wir entwickeln ein Gerät, das noch größer, noch teurer und vor allem viel energieverbrauchender ist. Unser Stab hat bereits einen ersten Entwurf erarbeitet – der Multicurrymat. Ein Prototyp befindet schon in der Testphase.“
Bevor der Professor weiterdozieren konnte, ertönte ein tiefes Brummen am Himmel und wechselte zu dem heulenden Pfeifen einer Sirene. In steilem Sturzflug schoss ein schmales Flugzeug aus den Wolken auf den Parfümsee herab, in dem der Finanzminister seinen sich in der Sonne räkelnden Sekretär bewunderte. Das Kreischen des Flugzeugs wurde immer schriller und plötzlich löste sich ein riesiger, zappelnder Schatten vom Rumpf des Flugzeugs und klatschte mit einem hohen Aufspritzen der Wellen in den See.
Der Minister drehte verdutzt seinen Kopf und ließ den Blick zwischen Flugzeug, See und Sekretär hin- und herwandern. Im nächsten Moment stieß er jedoch einen hohen Schrei aus und eine blutrote Fontäne spritzte aus dem Wasser. Einen Augenblick später segelte auch schon ein abgetrenntes Bein durch die Luft. Der Sekretär fing nun seinerseits an zu kreischen und trennte sich von seinem Frühstück.
Scheffler kicherte zufrieden und betätigte sein Lewinsky-Modul.
„Zweikiesel? Ich schalte auf Konferenzschaltung mit Ofer um, dann können wir die Maßnahmen gleich in ein Memo schreiben. Ofer, sind Sie zugeschaltet?“
„Jawohl, Herr Direktor. Wir haben uns von Hagenbeck einen großen Weißen geliehen. Für eine Werbekampagne, haben wir gesagt. Die Kosten können wir selbstverständlich absetzen....obwohl....jetzt gibt’s ja keinen Finanzminister mehr, der unsere Steuererklärung absegnet.“
„Zerbrechen Sie sich gefälligst nicht meinen Kopf, Ofer. Wir lassen einen etwas komfortableren Minister wählen. Einen, der keine Subventionen verschenkt.“
„Nanu? Ofer, Sie hier?“, fragte der Professor dazwischen. „Wurden Sie nicht letzte Woche gefeuert und durch diesen kleinen Arschkriecher Neumann ersetzt? Ich hab so was in der Kantine gehört.“
Neumann stieß einen erstickten Schrei aus.
„Nein, Nein, äh...ich meine Ja, jedenfalls nicht so ganz. Verbessern Sie nur den Herrn Direktor nicht. Ich erkläre Ihnen das später. „Ofer“ ist schon ok.“ Neumann stutzte kurz. „Arschkriecher!? Ich hör wohl nicht recht!? Was erlauben Sie sich eigentlich, Sie glatzköpfiger kleiner Sausack? Ich werde Sie eigenhändig....“
„Schluss damit. Alle beide. Professor, Sie wollten mir vorhin etwas über den Multicurrymat erzählen?“ Scheffler sah befriedigt zu dem See herüber, in dem der Minister munter vor sich hin kreischte. Gerade flog ein zerfetzter Arm an den Strand. Der Sekretär war inzwischen ohnmächtig geworden. Die Nano-Matratze des Direktors färbte sich langsam von Schwarz wieder in ein tiefes Grün.
„Der Multicurrymat ist viel größer, teurer und verschwenderischer im Verbrauch als unser Zimtotron oder das Kardamometer. Wir werden den Multicurrymat nicht mit drei, sondern vier Anschlüssen versehen. Und es werden sage und schreibe viereinhalb Farben möglich sein. Da müssen wir noch ein wenig rumtricksen, aber unser Entwicklerteam ist insgesamt ziemlich zuversichtlich! Allerdings gibt es einen kleinen Pferdefuß an der Sache!“
Die Matratze wanderte wieder ins Schwarze. Die Sekretärin hatte mittlerweile ihre beiden Praktikantinnen als Verstärkung erhalten. Alle drei räkelten nun um die Wette. Dennoch besserte sich die Laune des Direktors dadurch nicht. Verzweifelt winkte die Sekretärin den Sekretär des Ministers zu sich, der aus seiner Ohnmacht erwacht war und beim Anblick seines Chefs wieder anfing zu kotzen. Das zweite abgerissene Bein verfehlte ihn nur knapp.
„Pferdefuß? Das gefällt mir nicht! Was für ein Pferdefuß?“
„Nun ja“, fuhr Zweikiesel fort, „die Entwicklung ist exorbitant teuer. Wir müssen eine Menge Geld dazu aufbringen. Durch den gewollt hohen Energieverbrauch des Multicurrymats werden wir zwar im nächsten Jahr beträchtliche Schmiergeld....äh.....Zuwendungen seitens der Energiekonzerne kriegen, aber die werden erst dann fließen, wenn der Multicurrymat in Serie geht. Bis dahin müssen wir die Entwicklungskosten vorschießen. Wir könnten vielleicht einen Teil unserer diesjährigen Gewinne dafür.....“
„UNSERE GEWINNE??? SIND SIE KOMPLETT WAHNSINNIG GEWORDEN???“ Die Matratze verwandelte sich in ein schwarzes Loch, das sich im Parfümsee auftat. Die Sekretärin sprang auf ihre Füße, was wegen der Wadenkrämpfe alles andere als einfach war, und sprintete in Rekordzeit zu dem sich übergebenden Sekretär hinüber. Mit resolutem Griff packte sie ihn am Arm und schleifte ihn zurück. Dann riss sie ihm grob seinen Kunstleder-Tanga vom Körper und schubste ihn in die Mitte der Praktikantinnen. Während dessen versuchte der Minister in dem mittlerweile blutroten Parfümsee ohne Beine und mit nur einem Arm an Land zu schwimmen. Der Hai biss ihm dabei ein großes Stück aus seinem fülligen Bauch und spuckte es an Land, wo sich bereits ein regelrechter Minister-Bausatz befand.
Scheffler hyperventilierte unterdessen und stieß zwischen seinen hechelnden Atemzügen krampfhaft ein höhnisches Lachen hervor.
„Unsere Gewinne re-investieren? Das ich nicht lache! Das kommt ja überhaupt nicht in Frage. Am Ende soll ich wohl den Spaß auch noch aus meiner eigenen Tasche bezahlen, wie? Was halten Sie denn davon, wenn ich statt dessen die alljährliche Gehaltserhöhung der leitenden Angestellten einfriere? Oder die Honorarprämien meiner Manager streiche? Oder die Gewinnbeteiligung der Chefetage kürze? Na? NA?!“
Neumann und Zweikiesel stießen beide schockierte Entsetzensschreie aus.
„Um Gottes Willen! Nur das nicht, Herr Direktor! Wir müssen doch auch über die Runden kommen! Das wäre doch völlig überzogen! Und auch sicher nicht nötig. Es wird bestimmt eine andere Lösung geben, nicht wahr?“, schluchzte Neumann.
Scheffler beruhigte sich angesichts der Panik, die er verursacht hatte, ein wenig.
„Natürlich gibt es eine andere Option, Ofer. Denken Sie vielleicht, ich wäre heute da, wo ich jetzt bin, wenn ich nicht über Weitsicht verfügen würde? Die Lösung liegt auf der Hand. Wir lassen die Steuern erhöhen. Schließlich rackern und schuften wir doch tagaus tagein nur für die Steuerzahler. Die Betonung sollte da ruhig mal wieder etwas mehr auf „Zahler“ liegen. Es ist schließlich nur fair, wenn die feinen Herrschaften zur Abwechslung mal zahlen, anstatt immer nur die Früchte unserer harten Arbeit einzustreichen. Das wird unsere Einnahmen erhöhen. Zeitgleich werden wir unsere Ausgaben senken, indem wir 50.000 Mitarbeiter entlassen. Diese Maßnahmen sollten die Forschungskosten für den Multicurrymat mehr als abdecken, will ich meinen.“
Zufrieden grunzte Pecunius und warf einen Blick auf seine Sekretärin, die beiden Praktikantinnen und den Sekretär, die sich alle krampfhaft in der Sonne räkelten. Dieses Bild zusammen mit dem allmählich schwächer werdenden Geschrei des Ministers und dem prächtigen Anblick seines letzten Arms, der aus dem Wasser geschleudert wurde, ließ das Schwarz der Matratze etwas heller werden.
„Eine Steuererhöhung wird der Opposition aber nicht gefallen, fürchte ich.“, sagte Professor Zweikiesel nachdenklich.
„Das regelt der neue Minister für uns. Dafür bezahlen wir ihn ja“, antwortete Scheffler schon eine Nuance ruhiger. Im Geiste begann er bereits die Einnahmen durch die Steuererhöhungen zu zählen. Die Matratze wanderte ins Grün hinein.
„Die Belegschaft und die Bevölkerung werden auch unruhig werden, wenn wir so viele Arbeiter entlassen.“, gab Neumann zu bedenken.
„Papperlapapp, Ofer. Dann soll die Entertainment- Abteilung eben eine neue Fernsehshow rausbringen. Das wird diese ewig unzufriedenen Nörgler schon ablenken. Irgendwas mit Talentwettbewerben vielleicht. Oder so eine kitschige Liebessendung. Ich will die Entlassungen in jedem Fall noch vor heilig Abend haben. So sparen wir die Weihnachtsgratifikationen.“ Das Grün wurde heller.
„Kein Problem, Herr Direktor. Gratifikationen erhalten ohnehin nur Vorstandsmitglieder.“ Neumanns Stimme hatte schon beinahe wieder ihren normalen servilen Tonfall angenommen.
„Um so besser, Ofer, um so besser.“ Im Geiste ging Pecunius die weiteren Gewinne der Personalrationalisierungen durch. Die Luftmatzratze hatte nun wieder Türkis erreicht. Die Sekretärin entlastete ihre völlig verspannten Muskeln und leerte, als der Direktor nicht in ihre Richtung sah, ein Flasche Champagner auf ex.
„Ich bin sicher, wir können den Multicurrymat in einem Monat in Serienreife haben. Mit Ersatzteil- Lieferungsverträgen für die nächsten fünf Jahre und Nachrüst- Optionen gegen Aufpreis.“, frohlockte Professor Zweikiesel.
„Gut so, Zweikiesel. Sehr gut so.“ Zusätzlich zu den Gewinnen aus Steuererhöhungen, Entlassungen, Produkteinnahmen und Nachfolgeverträgen kamen noch die Zuwendungen, die Pecunius von den Energielieferanten als Dankeschön für den gesteigerten Energieverbrauch des Multicurrymats auf seine Privatkonten erhalten würde.
Und aufgrund der positiven Konjunkturbilanz, des Wirtschaftswachstums und nicht zuletzt Dank der Eloquenz des neuen Ministers kämen bei der Jahresabschlusskonferenz dann noch die Steuervergünstigungen und Wertsteigerungen der Firmenaktien hinzu, was sich in einer wohlverdiente üppigen Gehaltserhöhung des Direktors niederschlagen würde.
Die ergonomisch geformten, selbstlenkenden, pneumatischen Nano- Luftmatratze leuchtet jetzt wieder in ihrem ruhigen, kräftigen Babyblau. Pecunius Scheffler streckte sich wohlig darauf aus.
„Ofer, ich will jetzt nicht mehr gestört werden, außer im Notfall.“ Der Direktor schaltete sein Lewinsky-Modul aus und ließ sich von den violetten Wellen des Parfümsees sanft hin- und herwiegen, während sich seine Sekretärin, die beiden Praktikantinnen und sein neuer Sekretär lasziv in der Sonne räkelten.
Das soll den Idioten eine Lehre sein, wer hier die Nase vorn hat!, dachte er zufrieden.