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Der falsche Mann fürs Dinner
Dies war einer der jenen Tage, die nicht den Anschein erweckten mein Leben sei eine Lüge. Ich fühlte mich gut und seelisch frei. Mental offen, lernte ich während eines Spaziergangs eine nette Frau kennen. Aufgefallen war sie mir schon öfter. Heute waren wir ins Gespräch gekommen. Sie stellte sich mir als Lydia Hollenbach vor. Ihr runder Bauch bestätigte mir, dass sie schwanger war. Sie erzählte Privates über sich, war drei Jahre jünger als ich und von ihrem Mann verlassen worden. Die ganze Zeit verstanden wir uns erstklassig. Lydia sprach anspruchsvoll, arbeitete, wenn sie gerade nicht schwanger war, in einem Spielkasino. Äußerlich erinnerte sie mich stark an Marlene. Ihre braunen Haare lagen dicht an, waren kurz getrimmt. Die relativ großen Brüste wölbten sich in einem angepassten Sport BH. Spontan entschieden wir uns, dass es ein schnelles Wiedersehen geben sollte. Ich lud sie für heute Abend zu mir in die Meinfeldt Villa ein.
„Was hältst du von Schaschlik?“, fragte sie. Ich nickte. „Bringe Zutaten mit. Freue mich schon.“
Auch ich freute mich. Vielleicht war diese Frau, einen Kopf kleiner als ich, die richtige für mich. Die Jahre der Isolation hatten ihre Spuren hinterlassen. Sozialverträglich war ich schon lange nicht mehr. Selbst auf der Arbeit schaffte ich es manchmal nur mit Mühe und Not meine zweite Persönlichkeit zu unterdrücken. Dieser brutale Mann, der jetzt schon ziemlich lange in mir hauste, zwang mich zum Handeln. Immer wieder. Ich selbst wollte es gar nicht, habe es nie gewollt. Schließlich fühlte ich mich verantwortlich. Mein Vater war eine Ausgeburt des Bösen. Ich war wie er. Genau das.
Letztendlich klingelte es um halb neun am Abend am Tor. Über die Fernsprechanlage hinterfragte ich den Ankömmling. „Hey, hier ist Lydia“, überraschte mich diese sanfte Stimme. Ich drückte den Knopf. Nach zehn Minuten fuhr Lydia mit einem schwarzen Damenrad vor. Staunend blickte sie sich um. „Wow, das ist aber ein schönes Haus“, bewunderte sie. Ihre Augen leuchteten.
Ich nickte und drehte mich um. Schon begann „ER“ in meinem Kopf zu rumoren:“ Was für ein schönes Haus, nicht wahr. Vielleicht kann man den Typen heiraten, um sich hinterher scheiden zu lassen. Rück die Kohle raus, Ricky! Ich habe dich nie geliebt, immer nur dein Geld geliebt.“
Unwirsch schüttelte ich mich. „Lass mich in Ruhe, du böser Mensch. Lass mich einfach einen Tag lang mal in Frieden“, versuchte ich das andere in mir zu verjagen. Tatsächlich knickte es ein und verkroch sich in seine Höhle.
Gemeinsam bereiteten Lydia und ich in der hellen, hochmodernen Küche die Spieße vor. Tomate, ein Stück Pute, eine Zwiebel, wieder ein Stück Pute und Paprika und Pute! Fertig war der Spieß. Wir machten für jeden sechs Stück.
Im Esszimmer standen zwei Kerzen. Ich hatte aus dem antiken Gläserschrank für uns Weingläser aufgestellt. Ein sündteurer Rotwein rundete das Arrangement ab. Das Meißner Porzellan und das Silberbesteck, lagen ordentlich dekoriert auf dem runden Esstisch. Alles war ordentlich. Ordnung musste sein, war das halbe Leben.
„Weißt du schon, ob es ein Junge oder ein Mädchen wird?“ fragte ich Lydia. Lydia trug nur eine feine Bluse.
„Ein Junge!“, bemerkte sie.
„Hast du schon eine Idee, wie du ihn nennen willst?“ Auch ich lächelte.
„Nein!“
„Wie wäre es denn mit Andreas? Das ist ein sehr schöner Name“, äußerte ich mich.
„Mein Mann will das Kind nicht. Ich denke, dass ich es nach der Geburt in ein Heim geben werde.“
Ich stutzte, sah sie schockiert an.
„Er will mich ja noch. Aber das Kind will er nicht! Es war ein Unfall“, stotterte Lydia, lief hochrot an.
„Hey Ricky, was ist das für eine Schlampe? Die will ihr Kind weggeben! Es wird das gleiche Schicksal erleiden wie du.“ Das Monster kam aus seiner Höhle um mich zu quälen.
Mein Blick veränderte sich. Ich wusste nicht, ob die nette Frau es bemerkt hatte. Ansehen konnte ich ihr nichts. Genüsslich aß sie einen Schaschlik nach dem anderen. Mein Appetit war vergangen.
„Hast du keinen Hunger, Ricky?“, hörte ich sie fragen. Ich sah es deutlich – Lydia war verschwunden. Am Tisch saß Marlene.
„Hans ist ein guter Vater, Ricky. Er wird sich um Andreas kümmern. Weißt du, wärst du sein Vater, so glaube ich, dass er derselbe Verlierer würde, wie du es bist. Ja Richard du bist ein Verlierer. Aus Mitleid bin ich mit dir zusammen gewesen“, erklärte sie mir. Ohne Anzeichen eines schlechten Gewissens, nahm sie sich den nächsten Spieß vor.
Für Mich war es an der Zeit ihre frechen Äußerungen zu unterbinden. Liebevoll strich ich meiner Marlene über die Stirn, was sofort half. Sie wurde zahm wie ein Lamm. Mit meiner freien Hand nahm ich ihr den Spieß ab.
„Beiß einfach nur ab“, schlug ich vor, himmelte sie dabei wie ein frisch verliebter Teen an. Unterhalb der Spitze des Metallspießes, hingen noch die Reste des Putenstückes. Als nächstes war Paprika an der Reihe.
„Iss meine Maus, mein Ein und Alles.“
Heiseres Geröchel drang an meine Ohren. Lydias Augen standen weit offen. Speichel triefte ihr aus dem Mund, vermischte sich schnell mit Blut. In ihrem Rachen sah ich nur noch den runden Ring am Ende. Den Rest hatte ich beabsichtigt hineingestoßen. Ich trat zur Seite, um einen besseren Blick zu erhaschen. Aus dem Nacken ragte funkelnd die blutige Spitze des Spießes. Aufgeregt griff ich nach einem abgenagten Metallspieß, der auf Lydias Teller lag und stopfte ihn der Zappelnden unter Gewaltanwendung direkt tief in den Rachen hinein. Lydia wand sich, während ich sie scharf unter dem Kinn hielt und zwang den Mund offen zu halten. Dabei sah ich ihre verdrehten Augen, hörte ihren rasselnden Atem.
„Du hast dir den falschen Mann fürs Dinner ausgesucht, Lydia“, erwähnte ich und fing an zu kichern. Immer mehr Blut spritzte auf den Tisch. Lydia griff sich mit beiden Händen an den Hals. Die Luft versagte. Ihre Augen glotzten mich an, sahen aus wie die eines gestrandeten Fisches.
„Schlechte Mütter kommen nicht in den Himmel“, erklärte ich der jungen Frau, die sich im Todeskampf hin und her wälzte. Ich brach in heilloses Gelächter aus und ließ sie alleine zum Sterben, ging in die Küche. Verwegen grabbelte ich meine Finger ab. Mein Blick strich das scharfe Filitiermesser auf der Spüle. Sollte ich oder sollte ich nicht. Ich legte meinen Kopf schief und dachte nach. „Also ja!“, entschied ich mich, schnappte das Messer und rannte in das Esszimmer zurück. Lydia saß auf dem Stuhl. Ihr Kopf hing über der Lehne, die Augen schielten leblos zur Seite. Ihre Wangen und das Kinn waren mit angetrocknetem Blut bedeckt.
Zuerst haderte ich. Meine Grundperson konnte sich nicht überwinden dies zu tun. „Ab in den Blutrausch“, befahl die innere Stimme. Das Böse in mir wurde wach. Ich verengte meine Augen, verwandelte mein Gesicht in eine Maske des Zorns und schritt zur Tat. Das Messer durchschnitt die Bluse der jungen Frau mühelos. Schließlich lag ihr runder Kugel-bauch vor mir. Sanft strich ich über den noch warmen Leib. Dann legte ich meine Ohren an die zarte Haut.
„Hallo Ricky, kannst du mich da drin hören? Hier spricht dein Papa!“, lachte ich. Nichts war zu hören. Es bewegte sich auch nichts. „Gut so“, bemerkte ich. „Dein Papa ist stolz auf dich, Ricky. Du bist der ungeborene Versager.“ Gackernd setzte ich die Spitze der Klinge einige Zentimeter oberhalb des Bauchnabels an und stieß sie fast voll senkrecht hinein. Blut quoll um die Klinge hervor. Ich hielt inne. Was für ein wunderschönes Rot, dachte ich und schnitt weiter. Innereien kamen zum Vorschein. Ich riss die Darmschlingen heraus und klappte die Hautlappen nach links und rechts. Mit beiden Händen suchte ich nach dem Fötus.
Alles voller Blut! Um den Stuhl, auf dem die Leiche saß, hatte sich ein kleiner Teich gebildet. Innereien lagen neben dem linken Stuhlbeinen. Ich schüttelte mich wie ein nasser Hund. Draußen schien die Sonne das Gute vom Himmel. Im Haus herrschte eine eisige Kälte. Ich verstand nicht, weshalb hier in meinem Haus eine Tote lag. Schockiert fasste ich mir an den Kopf.
„Was hast du nur wieder angestellt?“, flüsterte ich: „Das ist eine unsinnige Schweinerei!“
Heute war Samstag. Ein Samstag des Horrors. Grübelnd rannte ich in die gut sortierte Besenkammer und opferte mich dem Putzdienst. Schnell entsorgte ich die flüssige Schweinerei im Ausfluss. Während ich mir neben der Leiche auf einem Stuhl sitzend einen runterholte, kam mir die glorreiche Idee die Leiche zu zerstückeln. Nach dem von den blutigen Gedanken intensiviertem Abspritzen, zerstückelte ich also die Leiche und sortierte die Kleinteile in blaue Müllsäcke vor. Nach und nach würden sie ein neues Zuhause in Seen oder Mülltonnen finden. Natürlich ohne Fingerabdrücke. Mein alter Ego war in Sachen Spuren verwischen mittlerweile ein kleiner Profi.
Gegen ein Uhr am Mittag überkam mich der große Hunger. Meinen Braten hatte ich schon gestern gewürzt und in die Röhre geschoben. Ich stellte den hypermodernen Herd auf 200° Umluft an. Eine Stunde musste der Braten nun garen. Verziert hatte ich ihn mit allerlei gesundem Gemüse.
Letztendlich dauerte es nicht einmal eine Stunde und der Braten war fertig. Hungrig öffnete ich die Klappe und schnupperte. Es roch herrlich. Schön kross war der Braten übrigens auch. Erst auf dem Tisch bemerkte ich, dass es gar kein Braten im eigentlichen Sinne war. Vor mir auf dem Silbertablett dampfte der sorgsam ausgenommene Kadaver des Babys von Lydia Hollenbach. Die winzigen Hände waren an den Fingerspitzen schwarz verkohlt. Zaghaft trennte ich das rechte Ärmchen ab.
„Soll ich das wirklich tun, oder lasse ich es lieber sein?“, fragte ich mich.
„Tue es doch, Ricky. Jeder sollte einmal in seinem Leben Menschenfleisch gegessen haben. Egal man, mach es einfach. Die Chinesen fressen doch auch alles, wenn nicht weit ekligere Sachen.“ Nickend biss ich hinein. Es knurpste, ähnlich wie bei einer gerösteten Ente oder einem Hähnchenschenkel, als ich hinein biss. Geschmacklich erinnerte es mich auch ebenfalls an Geflügel. Jedenfalls konnte ich nicht sagen, dass es schlecht schmeckte.
Nach und nach sammelte sich ein Haufen kleiner Knochen an. Die Schale mit den Kartoffeln leerte sich und das Gemüse endete. Ich war fertig. Zufrieden wischte ich mir meinen Mund mit der akkurat gefalteten Serviette ab und gönnte mir einen Schluck Selters. Nur das Rülpsen verkniff ich. Das gehörte sich nicht für einen wohlerzogenen Millionär.
„Alles aufgegessen! Dann wird morgen die Sonne wieder scheinen“, lachte ich und erhob mich. Ich nahm den Teller mit den kleinen Knochen und wanderte damit in die Küche. Das andere Geschirr folgte. An der Spüle sortierte ich den Biomüll. Das Geschirr landete im Spüler.
Bonny kam mir entgegen. Sie wedelte mit ihrem Schwanz. Ich bückte mich zur ihr und lächelte. „Du bist ein guter Hund! Dein Herrchen macht nur noch den Rest und dann geht es ab in den Wald.“ Erst die Arbeit und dann das Vergnügen. An dieser Weisheit hielt ich immer noch fest.
Mein Rucksack wippte auf meinem Rücken. Die Hundeleine baumelte um den Nacken. Bonny lief ein Stück voraus und schnüffelte auf dem Waldboden. Sonnenstrahlen schlichen durch die hohen Baumkronen. Auf dem breiten Waldweg erzeugten sie helle Fleckchen. So liebte ich Waldspazier-gänge. Es roch herrlich nach Natur. Vögel piepten, zirpten und trällerten.
In meinem Rucksack befand sich eine Flasche Powerade für den kleinen Durst zwischendurch, einige Hundeleckerlis und ein Päckchen „Kaminwurzeln“. Ich zwickte mich. So stimmte es nicht ganz.
Nach einer halben Stunde Fußmarsch erreichte ich den Bachlauf. Die Strömung war hier recht stark. Lächelnd nahm ich den Rucksack ab und öffnete ihn. Mit meinen Einweghandschuhen holte ich eine blaue Plastiktüte heraus. Ich sah sie mir von allen Seiten genau an. Gerade eben hatten sie mit ihrem Inhalt in den Rucksack hineingepasst. Auf dem Tütenboden hatte sich Blut breitgemacht. In der Tüte befand sich nämlich der Kopf von Lydia Hollenbach - Die Frau, die sich den falschen Mann fürs Dinner ausgesucht hatte. Eine Frau mit einer grundsätzlich falschen Lebenseinstellung.
Die Tüte war doppelt verknotet. Lachend warf ich sie ins Wasser. Platsch! Jenes Geräusch erzeugte sie beim Aufschlag auf die Wasseroberfläche. Sie ging sofort unter.
„So Bonny, gehen wir weiter“, entschied ich, streichelte dabei meinen Hund, der mich mit treuherzigen Augen ansah. Sie bellte kurz, als wolle sie mir zustimmen. Ich erhob mich und ging meines Weges. Einige Kilometer hatten Bonny und ich noch vor uns. Gut gelaunt vor mich her pfeifend, folgte ich dem breiten Pfad. Bonny blieb dicht bei. Die Sonne schien, es war warm. Ein schöner Tag zum Spazierengehen. Es war ein Tag wie immer. Der ganz normale Wahnsinn im Leben eines mehrfachen Mörder.