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Der Exerzierplatz

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08.06.2022
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Der Exerzierplatz

Ich gehe gerne hier spazieren, ein kleines Naturschutzgebiet mitten in der Stadt. Ein 1890 angelegtes deutsches Armeegelände, dann nach dem Krieg besetzt von Amerikanern, schließlich vor einigen Jahren von der Stadt zurückgekauft. Es hat etwas Urzeitliches, eine sandige, niedrig bewachsene Landschaft. Im Sommer ist sie trocken und staubig, den Rest des Jahres von kleinen, stinkenden Tümpeln durchzogen. Darin seltene Kröten, Lurche und anderes Getier, deren glasige Körper sich in der warmen Suppe winden. Mir wird schlecht, vielleicht ist es die warme, feuchte Luft heute. Sie schmeckt ein bisschen nach Blut. Oder wie eine Batterie vielleicht.

Nacktschnecken. Hunderte von Nacktschnecken die über meinen Weg kriechen. Einige wurden bereits unter den Schuhen von Spaziergängern zertreten oder von Fahrradreifen zerquetscht. Die anderen kriechen unbeirrt weiter oder machen sich über die verschmierten Körper ihrer Artgenossen her.

Ich gehe normalerweise gerne hier spazieren. Heute sind viele Leute unterwegs. Ein paar Meter vor mir unterhält sich ein junges Paar auf Englisch. Sie grüßen eine ältere Dame, die uns entgegenkommt. Es kommt mir komisch vor, fast feindselig. Ist es ihnen auch so unangenehm wie mir? Ich fühle mich fremd und seltsam nackt, spüre Blicke, doch jedes mal wenn ich mich umdrehe, ist da niemand der mich ansieht. Ständig ist da ein Kribbeln von Augen auf meinem Rücken, das Gefühl von mir zugewandten, blassen Gesichtern im schwarz-weißen Bereich meines Sichtfeldes. Augen, die mich verurteilen, mich als Beobachter lächerlich machen. Ich gehe schneller, nach Hause.

Nacktschnecken haben kaum Fressfeinde, die meisten Tiere verschmähen sie. Einige der wenigen, die den bitteren, klebrigen Geschmack ihrer Körper ertragen können, sind ihre Artgenossen.

Zwei Straßen von meinem Haus entfernt stellt eine junge Frau ein paar Blumentöpfe und verkratzte Rollschuhe an den Gehweg. Freundliche, breite Hände, ihr Rücken etwas von der Sonne verbrannt. Auf einem der Töpfe balanciert sie ein handgeschriebenes Schild, alter fleckiger Karton, die Schrift bereits verlaufen, als hätte sie es durch die ekelhaften Tümpel voller Laich und Lurche gezogen. Kostenlos, steht da in unordentlicher Schrift. Sie hört meine Schritte. Ihr Gesicht erscheint mir ungewohnt nah, die Augen und Zähne gläsern und riesengroß, als wäre sie ein paar Schritte auf mich zugegangen, anstatt sich nur umzudrehen. Obwohl sie einen guten Meter von mir entfernt ist, erscheint mir ihr Gesicht so nah, als wäre es mein eigenes, als hätte jemand eine Maske durch den Nebel der stickigen, warmen Luft nach mir geworfen. Etwas zieht sich in mir zusammen.

„Greifen Sie nur zu, Sie können alles mitnehmen!“

Ich will nichts.

Nacktschnecken sind nicht giftig, aber im Gegensatz zu Weinbergschnecken, deren Innereien sich in ihrem Haus befinden, sind sie bei Nacktschnecken im Fuß, was es schwierig macht sie zu entfernen.

„Danke, ich brauche nichts.“

Ich weiß nicht warum, aber sie lacht und ihre offene Freundlichkeit ist so überraschend, dass sich der Takt meiner Schritte verändert, dass sich auf meinem eigenen Gesicht ein Lächeln abzeichnet, dass das was sich in mir beim Anblick ihres Gesichtes zusammenzog, gegen meinen Willen löst, dass sich etwas in mir umkehrt.
Meine zuvorige Übelkeit ist auf einmal ein nicht zu ignorierender Ekel vor dieser Fremden, vor mir selbst. Eine Widerwärtigkeit, die ich noch niemals zuvor gespürt habe, als hätte sie mit ihren schönen Händen tief in meinen hässlichen Leib gegriffen und dort einen bitteren, klebrigen Schleim hinterlassen.

Nacktschnecken sind trotz allem essbar. Wenn du sie am Bauch entlang aufschneidest und die Innereien und den Dreck entfernst, sie danach gut kochst um die Parasiten abzutöten, sind sie genießbar. Wenn es also mal um Leben oder Tod gehen sollte, kann es somit von Vorteil sein, sich nicht vor ihnen zu ekeln.

 

Hallo @Rob F !

Erstmal vielen Dank für die Begrüßung und deinen Kommentar, hat mich sehr gefreut.

Die von dir als Details angesprochenen Fehler habe ich gleich verbessert, danke dass du dir die Zeit genommen hast.

Ich gehe normalerweise gerne hier spazieren.
Ist es hier Absicht, diesen Satz fast genauso zu schreiben wie den ersten?
Ja

Zum Ende hört es dann nur ziemlich plötzlich auf, da könntest zum Beispiel den Lesern einen Hinweis geben, ob sich das Weltbild des Prota durch die Begegnung mit der Fremden doch noch zum Positiven verändert, oder es eher hoffnungslos ist ...
Gute Anregung, ich stimme dir zu, dass das Ende selbst für diese sehr (sehr) kurze Geschichte sehr abrupt ist. Ich werde mir das noch mal genau durch den Kopf gehen lassen.

Gerne gelesen, dann noch viel Spaß hier!
Vielen, vielen Dank!

Grüße,
Peb6les

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Peb6les,

da ich in meinen Garten immer wieder Schneckenprobleme habe, im Moment sind es eher Weinbergschnecken, die zum Glück die Gehege der Nacktschnecken auffressen und ich somit nicht alle morgens in eine weit entfernte Wiese trage, habe ich deine Geschichte mit Interesse gelesen. Da ich Vegetarierin bin, fand ich den Hinweis, dass man Nacktschnecken auch essen kann, interessant, aber ich werde davon Abstand nehmen.

Verstehe ich deine Geschichte richtig? Dass dein Prota mit Schnecken die gleichen Probleme wie mit Menschen hat?

Oder wie eine Batterie vielleicht.
Woher weiß er wie Batterien schmecken?:)
Ich gehe normalerweise gerne hier spazieren.
Würde das Füllwort weglassen.
Es kommt mir komisch vor, fast feindselig. Ist es ihnen auch so unangenehm wie mir? Ich fühle mich fremd und seltsam nackt, spüre Blicke, doch jedes mal wenn ich mich umdrehe, ist da niemand der mich ansieht. Ständig ist da ein Kribbeln von Augen auf meinem Rücken, das Gefühl von mir zugewandten, blassen Gesichtern im schwarz-weißen Bereich meines Sichtfeldes. Augen, die mich verurteilen, mich als Beobachter lächerlich machen. Ich gehe schneller, nach Hause.
Verstehe ich nicht so ganz, er geht oft hier spazieren und auf einmal hat er dieses Gefühl warum gerade jetzt?
Blumentöpfe und verkratzte Rollschuhe an den Gehweg.
Müsste es nicht auf den Gehweg heißen?
Freundliche, breite Hände, ihr Rücken etwas von der Sonne verbrannt.
Wie erkennst du freundliche Hände?:)
Gesicht erscheint mir ungewohnt nah, die Augen und Zähne gläsern und riesengroß, als wäre sie ein paar Schritte auf mich zugegangen, anstatt sich nur umzudrehen. Obwohl sie einen guten Meter von mir entfernt ist, erscheint mir ihr Gesicht so nah, als wäre es mein eigenes, als hätte jemand eine Maske durch den Nebel der stickigen, warmen Luft nach mir geworfen. Etwas zieht sich in mir zusammen
Hier habe ich auch Schwierigkeiten es nachzuvollziehen, mir ist noch niemals das Gesicht eines anderen wie mein eigenes erschien. Auch kann ich nicht nachvollziehen wo plötzlich der Nebel herkommt.

Ich weiß nicht warum, aber sie lacht und ihre offene Freundlichkeit ist so überraschend, dass sich der Takt meiner Schritte verändert, dass sich auf meinem eigenen Gesicht ein Lächeln abzeichnet, dass das was sich in mir beim Anblick ihres Gesichtes zusammenzog, gegen meinen Willen löst, dass sich etwas in mir umkehrt.
Mein Lieblingssatz in deiner Geschichte. Ich denke weil ich ihn gut verstehe, weil es mir oft genauso geht. Wenn ich nicht gut drauf bin und ein lächelndes Gesicht mich anschaut, hebt sich meine Stimmung.
Meine zuvorige Übelkeit ist auf einmal ein nicht zu ignorierender Ekel vor dieser Fremden, vor mir selbst. Eine Widerwärtigkeit, die ich noch niemals zuvor gespürt habe, als hätte sie mit ihren schönen Händen tief in meinen hässlichen Leib gegriffen und dort einen bitteren, klebrigen Schleim hinterlassen.
Meinst du hier, dass er sich ekelt, weil er dieser Frau die Macht einräumte,
etwas in ihm zu verändern?
Nacktschnecken sind trotz allem essbar. Wenn du sie am Bauch entlang aufschneidest und die Innereien und den Dreck entfernst, sie danach gut kochst um die Parasiten abzutöten, sind sie genießbar. Wenn es also mal um Leben oder Tod gehen sollte, kann es somit von Vorteil sein, sich nicht vor ihnen zu ekeln.
So ist es alles hat seine guten Seiten. Auch wenn man sie erst sieht, wenn man knapp vor dem verhungern ist.

Du kannst erzählen, ich habe deine Geschichte gerne gelesen. Wenn sie auch Fragezeichen bei mir hinterlässt. Doch vielleicht liegt es an mir. Nimm dir von meinen Gedanken was du brauchen kannst.

Schönes Wochenende und liebe Grüße
CoK

 

Hallo @CoK !

Erstmal vielen Dank für deinen Kommentar und vor allem für die vielen inhaltlichen Fragen/Kritiken.

Aber zuallererst:

Da ich Vegetarierin bin, fand ich den Hinweis, dass man Nacktschnecken auch essen kann, interessant, aber ich werde davon Abstand nehmen.
Das letzte was ich will, ist es Menschen zum Essen von Nacktschnecken zu bekehren. Die Beschreibungen zu deren Verzehr habe ich mir zwar nicht einfach so ausgedacht, sind aber Teil einer fiktiven Geschichte und nicht als ernsthaftes Survival-/Prepper-Tutorial oder Einladung zum Nachmachen gedacht. Bitte keine Nacktschnecken essen! :lol:


Oder wie eine Batterie vielleicht.
Woher weiß er wie Batterien schmecken?:)
Hat vielleicht mal an einer geleckt? Die Frage verstehe ich nicht so ganz.


Ich gehe normalerweise gerne hier spazieren.
Würde das Füllwort weglassen.
Es soll zeigen, dass an diesem Tag etwas anders ist. Etwas tollpatschig formuliert, da gebe ich dir Recht.


Es kommt mir komisch vor, fast feindselig. Ist es ihnen auch so unangenehm wie mir? Ich fühle mich fremd und seltsam nackt, spüre Blicke, doch jedes mal wenn ich mich umdrehe, ist da niemand der mich ansieht. Ständig ist da ein Kribbeln von Augen auf meinem Rücken, das Gefühl von mir zugewandten, blassen Gesichtern im schwarz-weißen Bereich meines Sichtfeldes. Augen, die mich verurteilen, mich als Beobachter lächerlich machen. Ich gehe schneller, nach Hause.
Verstehe ich nicht so ganz, er geht oft hier spazieren und auf einmal hat er dieses Gefühl warum gerade jetzt?
Es sind viel mehr Menschen unterwegs als sonst. Die Ängste des Protagonisten beeinflussen seine Wahrnehmung.


Freundliche, breite Hände, ihr Rücken etwas von der Sonne verbrannt.
Wie erkennst du freundliche Hände?:)
Gesicht erscheint mir ungewohnt nah, die Augen und Zähne gläsern und riesengroß, als wäre sie ein paar Schritte auf mich zugegangen, anstatt sich nur umzudrehen. Obwohl sie einen guten Meter von mir entfernt ist, erscheint mir ihr Gesicht so nah, als wäre es mein eigenes, als hätte jemand eine Maske durch den Nebel der stickigen, warmen Luft nach mir geworfen. Etwas zieht sich in mir zusammen
Hier habe ich auch Schwierigkeiten es nachzuvollziehen, mir ist noch niemals das Gesicht eines anderen wie mein eigenes erschien. Auch kann ich nicht nachvollziehen wo plötzlich der Nebel herkommt.
Die Geschichte spielt sich fast vollständig in den Gedanken des Ich-Erzählers ab. Wenn es sich hier um die Beschreibungen eines neutralen oder personalen Erzählers handelte, würde ich dir zustimmen, dass diese wenig Sinn machen. Sie sollen hier eher der Charakterisierung des Protagonisten dienen.


Wenn sie auch Fragezeichen bei mir hinterlässt.
Dass vieles für dich nicht nachvollziehbar ist, ist natürlich schlecht und zeigt mir, dass ich da bei den Beschreibungen des Innenlebens des Protagonisten irgendwo versagt habe. Das ist auch der Kern dessen was ich aus deinem Kommentar rauslese und mir für zukünftige Geschichten merken werde.

Nochmal danke fürs Lesen/Kommentieren und auch dir ein schönes Wochenende!

Grüße,
Peb6les

 

Hallo @Peb6les,

Hat vielleicht mal an einer geleckt? Die Frage verstehe ich nicht so ganz.
Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass jemand weiß wie Batterien schmecken.
Die Geschichte spielt sich fast vollständig in den Gedanken des Ich-Erzählers ab. Wenn es sich hier um die Beschreibungen eines neutralen oder personalen Erzählers handelte, würde ich dir zustimmen, dass diese wenig Sinn machen. Sie sollen hier eher der Charakterisierung des Protagonisten dienen.
Jetzt verstehe ich. Danke.
Dass vieles für dich nicht nachvollziehbar ist, ist natürlich schlecht und zeigt mir, dass ich da bei den Beschreibungen des Innenlebens des Protagonisten irgendwo versagt habe. Das ist auch der Kern dessen was ich aus deinem Kommentar rauslese und mir für zukünftige Geschichten merken werde.
Es ist ja nur mein Eindruck, er kann bei anderen Lesern ganz anders sein.

Grüße von der schwäbischen Alb.

 

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