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Der ewige Kampf
Der ewige Kampf
Egal wo ich war, er war bei mir. Egal wohin ich ging, er kam mit. Egal was ich tat, er tat es auch. Als ob er mein Schatten wäre. Was konnte ich gegen ihn tun? Gar nichts. Ich war abhängig von ihm, würde nie von ihm loskommen. Es war unser Schicksal für immer zusammen zu bleiben. Doch es musste einen Weg geben, ihm zu entkommen, so konnte es nicht weitergehen. Er machte mich fertig, ich verlor immer und immer mehr den Anschluss an die Wirklichkeit, lebte fast nur noch in unserer gemeinsamen Traumwelt, wo Tage Minuten waren und nichts außer uns beiden zählte. Es gab aber durchaus Tage, da brauchte ich ihn nicht. Diese perfekten Tage waren sehr selten. Ich wollte auch gar nicht ohne ihn sein, wollte mein Leben mit ihm teilen. Aber es kostete mich zu viel, lange würde ich es mit ihm nicht mehr durchhalten. So sehr ich es auch wollte, es gab keine gemeinsame Zukunft für uns.
Wie konnte ich ihn nur schon wieder wollen? Ich wusste doch genau, was er mir angetan hatte. Nur Probleme hatte er mir bereitet, mein ganzes Leben hatte er mir versaut. Es war lächerlich. Als wäre ich so schwach, dass ich ihm nicht wiederstehen könnte. Aber es hat immer so viel spaß gemacht, früher. Nur durch ihn konnte ich so offen reden. Damals war jeder Tag ein guter Tag. Bis sich das Blatt dann irgendwann wendete und alles zum Höllentrip wurde.
Ich blickte hinunter auf meinen Bauch und zog mein T-shirt ein wenig hinauf. Eine riesige Narbe kam zum Vorschein. Das waren noch Zeiten. Plötzlich spürte ich ein großes Verlangen, es wieder zu tun, mich wieder zu verletzen. Jetzt aber war alles komplizierter. Noch mehr Verletzungen würden auffallen. Fieberhaft suchte ich nach einer Idee, mich zu verletzen, ohne dass es jemand mitbekommen würde.
Meine Gedanken spielten verrückt. Einerseits plagten mich große Schuldgefühle, mich wieder zu verletzten, andererseits wollte ich es unbedingt und mir war sowieso egal was die anderen dachten, sollte doch jeder sehen, wie es mir ging. Doch, es war eine gute Idee, es war genau, was ich jetzt brauchte. Meine Entscheidung war gefallen, ich würde es wieder tun. Ich werde mich einfach auf der selben Stelle wieder verletzen, dann gäbe es keine neue Narbe und niemand würde etwas bemerken. Ich tat es. Es tat schrecklich weh, aber die Schmerzen waren auf eine seltsame Art und Weise angenehm. Es würde auch noch länger wehtun, aber das war ja gewollt. Bald schon würde sich eine Brandblase bilden und die Haut würde abgehen. Und dann ist wieder alles vorbei, aber die Narbe wird mich immer daran erinnern, wird mich diese schweren Zeiten nie vergessen lassen.
Anfangs hatte er mir die ganze Welt versprochen, gab mir das Gefühl, dass nun alles besser werden würde, aber so war es nicht, er machte alles nur noch schlimmer. Am liebsten würde ich ihn für immer aus meinem Leben verbannen. Wer glaubt er eigentlich, dass er ist, mir das anzutun? Ich hatte gelernt, ohne ihn auszukommen, aber das wollte ich jetzt nicht mehr, trotz all der negativen Dinge, die er mit sich brachte. Mit ihm war es eben doch besser, als ohne ihn.
Ich stand auf und ging hinüber zur Couch, unter der er, der Wein, versteckt lag. Ich öffnete die Flasche und goss mir ein Glas ein.
Meine Hände begannen zu zittern. Was zum Teufel tat ich da schonwieder?
Der erste Schluck war überwältigend. Wie konnte ich nur so lange darauf verzichten? Ich nahm noch einen Schluck. Der Wein wurde immer besser. Ich konnte gar nicht genug bekommen, kippte das Glas hinunter und goss mir noch eines ein. Wie kann man etwas, dass man so sehr liebt, einfach so aufgeben? Diese Frage verschwand einfach nicht aus meinem Kopf. Doch jetzt waren wir endlich wieder vereint, nur wir zwei gegen den Rest der Welt. Als ob mein bester Freund endlich wieder da wäre. Andererseits wusste ich natürlich, wohin das führen würde, wohin es immer führt, und mir war klar, warum ich das Trinken aufgegeben hatte und warum ich auch nie wieder damit beginnen wollte. Der Wein wirkte bereits. Ich spürte wie ich eins mit mir selbst wurde, mich endlich wieder verstand, nichts und niemand auf dieser Welt konnte mich derart zufriedenstellen wie der Alkohol es konnte. Endlich vergaß ich wieder alles um mich herum. Nur das hier und jetzt zählte. Keine Daniela, keine Jenny, alle anderen waren unwichtig. Ich wollte nur mit ihm allein sein. Leider wusste ich, dass dieser Tag heute nur eine Ausnahme war, dass wir uns morgen wieder trennen müssten. Irgendeine höhere Macht wollte unser Glück zerstören, wollte uns mit aller Gewalt auseinanderbringen. Doch würde ich das zulassen? Nein, das würde ich nicht. Egal, was die anderen sagten, ich brauche ihn. Dann bin ich eben verrückt, ich werde mich trotzdem nicht von ihm trennen. So fest entschlossen, so loyal ihm gegenüber war ich schon lange nicht mehr gewesen. Es machte mir ein wenig Angst, aber das war okay. Ich wurde immer müder und trauriger. Was tat ich da? War meine Vergangenheit nicht schon genug? Hatte ich früher nicht schon genug Probleme wegen ihm? Ich konnte nicht wieder zu trinken anfangen, auf diese Erkenntnis brauchte ich ein drittes Glas. Prost. Unbeschreiblich, was der Alkohol mit mir machte. Noch nie war ich wegen etwas so zerrissen, so unsicher, was ich denken sollte, was richtig und was falsch war. Erneut kamen mir die Tränen, ich war soeben dabei ,mein Leben zu versauen. Einmal im Leben einen Fehler zu machen ist okay. Aber denselben Fehler immer wieder zu machen? Was war nur los mit mir? Die anderen brauchten ja auch keinen Alkohol, warum ich dann? Was, wenn es mein Schicksal war? Wenn es so enden sollte? Ich wusste einfach nicht, was zu tun war und ich war mir sicher, dass mich keiner verstehen würde. Auch das dritte Glas war jetzt leer. Ich spürte die Wirkung des Alkohols jetzt schon ziemlich stark, aber das machte mir nichts aus, im Gegenteil, das war genau, was ich wollte. Nein, ich war nicht verrückt, einfach nur anders. Ob auf eine gute oder eine schlechte Art, würde sich noch zeigen, aber der Alkohol tat mir gut, das wusste ich jetzt. Nachdem ich das vierte Glas auf einmal ausgetrunken hatte, war ich mir sicher, dass es das richtige war. Mit einem Mal war ich todmüde und legte mich in mein Bett. Es war genug für heute, ich wollte nur noch schlafen. Am nächsten Morgen erwachte ich immer noch leicht betrunken. Jetzt war wieder alles wie früher, die Vergangenheit hatte mich eingeholt.