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Der erdachte Tag
Harte, große Tropfen setzten ein, der Himmel hatte sich schlagartig verdunkelt. Umso gemütlicher war es in diesem Haus, in dem sonderbar großem verwinkelten und schon lange leerstehenden Haus. Es hatte eine so sonderbare Atmosphäre, dass mir schlagartig war, als lebten hier andere Wesen. Schon sah ich wunderbar anmutige Feen vor meinem inneren Auge aufsteigen.
Hatte ich nicht letzte Woche einen so sonderbaren, aber wunderschönen Traum? Auf einer rassigen Schimmelstute ritt ich ihm entgegen. Er saß auf einem Rappen und beobachtete mich wartend…
“Do you know who lived in this house? It looks quite scary!“ unterbricht mich die Stimme, die ich liebe, aber deren Klang ich leider viel zu selten vernehme. Bitte Realität erschrecke mich nicht, bitte nicht heute, bete ich wie einen langen Gebetsspruch gedanklich herunter.
„Does it matter, John? As far as I know has this house been built by a Spanish guy. For building it he used the architecture of the Germans I reckon.” Entgegne ich ihm sanft. Dennoch klingt es ziemlich abweisend, macht wohl meine Wortwahl. Dieser Mensch mit der sexy Stimme ist ein Meisterwerk. Er scheint von Gott persönlich geschaffen, bis jetzt ist mir noch nicht ein Fehler an ihm aufgefallen. Sonst bin ich immer schnell mit meiner Kritik, ja gerade zu voreilig. Wo in mir hat sich dieser Hang zum Negativieren versteckt. Komisch beim Thema John, bleibt es aus.
„When does Cathrin come back, John?“ Mist, warum fange ich schon wieder an? Ich hatte mir doch versprochen, mich nicht selbst unglücklich zu machen, nicht mit Fragen oder Taten, die ich bereuen würde. Nun ist es meine eigene Schuld, dass ich mir diese so zärtlich ausgesprochenen Worte von seiner Freundin jetzt anhören muss. Diese sorgsam gewählten Worte erzählen von einer Welt, die nicht die meine ist und in die ich wahrscheinlich auch nie eintreten werde. Nebenbei nehme ich zur Kenntnis, dass Cathrin erstmal gar nicht zurückkommt, jedenfalls nicht die nächsten Wochen. Das beruhigt mich irgendwie.
Was führt mich an diesen Ort? Das Haus steht im Spanischen Park. Ich liebe ihn. Der Park ist seit eh und je so einladend für mich. Es berauscht mich, einfach herzukommen und ein paar Schritte zu laufen. Dies ist der Park der Freude, mein Park der Freude. Wie des Öfteren bin ich heute hierher gekommen, weil ich wieder eine Flucht brauchte.
Immer, wenn ich mal wieder einen Abstecher in eine Welt benötige, die nur für mich allein existiert, komme ich in diesen Park. Hier kann ich denken ohne jegliche Zensur. Radiohead durchflutet meine Gedanken“ we escape, we escape[…]pack and get dressed, Darling“ Das besungene Paar flüchtet zusammen vor dem Vater, ich flüchte vor mir selbst.
Ausgerechnet heute begegnete ich John. Er saß auf meinem Lieblingselefanten, der sonst immer allein auf dem Spielplatz stand. Die Kinder haben Respekt vor ihm. Das liegt wohl an seiner Ausstrahlung. Die scheinbar alles erkennenden Augen beinhalten eine für einen Spielplatzelefanten fast unmögliche Weisheit. Es ist wohl auch so, dass die Kinder denken, er könnte lebendig werden, wenn sie zulange auf ihm sitzen würden, das erzählte mir neulich eines der Kinder. Das ist auch der Grund, dass er nach Jahren noch aussieht wie neu. Die Sitzfläche glänzt und mir scheint sein ganzer Ausdruck fast ein wenig schelmisch.
Dort traf ich John heute, er saß auf dem Elefanten und hatte ein Buch in der Hand. Kurz darauf wurde es plötzlich kalt und er führte mich in das Haus. Ich hatte es schon von außen gesehen, hatte aber noch nie gewagt in das Innere einzutreten. Jetzt hoffte ich, wenn er mich in dieses Haus führt, würde ich gleichzeitig in seine Welt geführt.
„Hey Kristin, why do you not answer me? What´s wrong?” Er kommt mir näher, seine Gesichtszüge wirken sehr weich und sind einfach schön. Plötzlich spüre ich seine Lippen auf meiner Wange. Mir wird warm, nicht nur ums Herz. Er küsst mich, wie ein kleines Kind einen küsst, wenn man traurig ist. Umso trauriger werde ich, ich will nicht weinen in seiner Gegenwart.
Ich kann nicht anders reagieren, ich reagiere gar nicht und stehe einfach da. Mir scheint es, als ob sich meine innere Welt vor meinen Augen ausbreitet.
„What was that?“ Oh nein, langsam ist es an der Zeit mir selbst Verklärtheit zuzuschreiben, wie kann ich in der Lage sein, so etwas zu fragen. Die Antwort folgt genauso ehrlich wie der spontane Kuss, er entschuldigt sich bei mir mit einem mehr als verlegenen Ausdruck. Ich sage nichts, ich kann nichts sagen. Diese Welt macht mich hin und wieder sprachlos, damit er nichts sagt, lege ich ihm meine Finger auf den Mund. Mein Mund kann es nicht lassen und folgt meinen Fingern. Seiner öffnet sich in Bereitschaft meine Zunge zu empfangen.
Wo hat er seine Ideale gelassen? Sie kann nichts fassen, springt überraschenderweise und selbst überrascht auf, flüstert ihm ein „Sorry“ entgegen und rennt davon.
„Oh mein Gott, was habe ich getan?“ Es wohnen keine Elfen in diesem sonderbaren Haus, es sind Kobolde. Sie lachten mir ins Ohr, während wir uns küssten. War es Spott oder war es Freude?
Mein Körper verzehrt sich nach seinem. Ich renne schneller, muss weg von diesem Park, möchte nicht in meiner Welt zusammenbrechen, nicht hier Erkennen müssen, dass nicht nur mein Körper, sondern auch mein Selbst gegen den Schmerz des Verzichts immun werden müssen. Nein, ich will diese Niederlage nicht hier erleben und laufe schneller. Dort schon ist die stark befahrene Straße, die mich trennen wird von dem Park. Schwer atmend komme ich bei der Ampel an und warte auf Grün.
Die Ampel braucht ihre Zeit. Während sie auf Grün schaltet, merkt Kristin, dass sich eine Hand in die ihre legt.