Was ist neu

Der Engel des Friedens

Mitglied
Beitritt
26.08.2002
Beiträge
782
Zuletzt bearbeitet:

Der Engel des Friedens

Der Engel des Friedens (Neufassung)

Eines Nachts besuchte der Engel des Friedens den israelischen Ministerpräsidenten.
„Was willst du denn hier?“, fragte der israelische Ministerpräsident. Der Engel des Friedens sah sehr müde aus. „Ich komme im Auftrag Gottes. Falls du dich nicht mehr an ihn erinnern kannst, das ist der, den man den ‚Gott der Liebe’ nennt. Ich bringe dir einen Vorschlag von jenem. Es ist jenem klar, dieser Vorschlag ist gewissermaßen eine Kapitulation - aber Frieden ist jenem sehr wichtig, und ihr Israeli führt nun seit mehreren tausend Jahren Krieg gegen die Palästinenser...“
„Daran sind die Palästinenser schuld“, sagte der israelische Ministerpräsident.

„Ja, gewiss“, sagte der Engel des Friedens und gähnte. „Gottes Hoffnung auf Frieden zwischen euch ist mittlerweile nicht mehr größer als ein komprimierter Läusefurz ... die Hoffnung, dass ihr es alleine schafft ... kurzum, jener macht dir einen Vorschlag. Du hast 24 Stunden Bedenkzeit.
Wenn du zustimmst, wird Gott: „Es sei!“ sagen ... und alle Palästinenser sind noch in derselben Sekunde beseitigt. Danach gibt es auf der ganzen Welt keine Palästinenser mehr.“
„Keine Palästinenser mehr?“
„Nicht einen einzigen.“
„Auch keine kleinen?“
„Gar keine mehr. Schwupp-didel-dupp und weg! Bedenke es bis morgen, bis ich um die gleiche Uhrzeit wieder bei dir bin. Wie gesagt: „Es sei! und dideldupp - weg!“, sprach der Engel des Friedens und flog zum Fenster hinaus.

Der Ministerpräsident ging auf und ab. Vom logischen Standpunkt aus war nichts einzuwenden: Wenn Ziele die Mittel rechtfertigen - und viele Zeitgenossen waren dieser Ansicht - war natürlich die komplette Auslöschung des Gegners das effektivste Mittel, um Frieden zu schaffen - und danach vielleicht noch den Friedensnobelpreis zu bekommen. Und wenn dies noch dazu mit einer Art göttlichem Neutronenbomben-Spruch vonstatten gehen konnte ...

Mit zittrigen Händen griff der Ministerpräsident zum Telefon und tippte die Nummer des Palästinenserführers.
“Ich weiß schon“, sagte der. „Bei mir ist er auch schon gewesen und hat denselben Vorschlag gemacht - nur umgekehrt. Alle Israeli weg-auf-einen-Schlag und so.“
„Und wie denkst du darüber?“
„Ich denke, wir sind uns einig, nicht wahr?“, sagte der Palästinenserführer. „Die Auslöschung des Gegners wäre für jeden von uns eine ebenso große Katastrophe wie ein Frieden, der auf eine andere Art zu Stande kommt: Kein Auftauchen mehr in den täglichen Schlagzeilen weltweit - nicht mehr im Fokus internationaler Politik sein - keine wöchentlichen Interviews mehr über gescheiterte Friedensverhandlungen - keine durchgreifende Macht mehr durch Kriegsrecht - sondern stattdessen: abgleiten in politische und gesellschaftliche Bedeutungslosigkeit. Wir brauchen beide diesen Krieg und wir werden Gott den Frieden in den Dickdarm schieben!“, lachte der Palästinenserführer.

„Ich danke dir - jetzt bin ich erleichtert“, sagte der israelische Ministerpräsident. „Ich dachte schon...“
„Spinnst du?“, sagte der Palästinenserführer. „Noch was: Das Selbstmordattentat morgen, das schaffen wir erst bis kurz nach vier; kannst du mir noch sagen, wo genau du bombardieren wirst?“

Er erhielt keine Antwort mehr ... es verging der Flügelschlag eines Kolibris und es machte Dupp! - die beiden Telefonhörer fielen zu Boden ...
Der Engel des Friedens lächelte - ein müdes Lächeln, kaum zu sehen ...

 

Noch was: Das Selbstmordattentat morgen, das schaffen wir erst bis kurz nach vier; kannst du mir noch sagen, wo du zurückschlagen wirst, damit ich nicht in der Nähe bin?“

:lol: boah...was für ein Zynismus!


Lieber FlicFlac,

kurzweilige, flott zu lesende, gut pointierte kleine Satire, die mir gut gefallen hat.

Nicht so gut gefallen hat mir die Tatsache, dass der Engel beiden diesen Vorschlag gemacht hat, das halte ich für ein wenig unlogisch, aber es ist eine Satire und daher auch erlaubt.
Und ich fand, dass dein Engel ein wenig seriöser hätte reden können, dieses Schwupp-didel-dupp macht mir eher den Eindruck als wolltest du jetzt sehr viel Komik in die Sache zwängen. Auf der andren Seite musste ich bei deinem Engel und dieser Art zu reden an eine Verfilmung denken, in der John Travolta einen urkomischen Engel darstellt. :engel:

Lieben Gruß
lakita

 

Sehr amüsant -
wenn ich auch bisher immer dachte, Gott ist auf Seiten der Opfer und würde so Sachen sagen wie 'Es sei!' statt 'Schwupp-didel-dupp'. ;-)

Grüsse vom gox

 

Hall FlicFlac!

Einen wahrhaft bissigen Text über die Hauptakteure im Kampf um das `Heilige Land` hast Du da geschrieben!

„Ich komme im Auftrag Gottes. Falls du dich nicht an ihn erinnern kannst, das ist der, den man den ‚Gott der Liebe’ nennt. ...aber Frieden ist ihm nun mal leider sehr wichtig, ...
Diese Sätze zeigen überdeutlich, dass es den Beteiligten nicht um Liebe und Frieden geht, sondern um die Durchsetzung ihrer politischen Ziele. Immer nur gegenteilige Schuldzuweisung sowie fehlende Aussicht auf Beendigung der Kampfhandlungen, bei denen immer mehr Menschen geopfert werden. Kein Wunder, dass eine Beseitigung der obersten Drahtzieher zumindest als erster Weg für eine Beruhigung auf beiden Seiten ins Auge gefasst wird.

Die lockere Sprache des Engels sehe ich als Kontrapunkt zu der Verbohrtheit der Politiker.

Schön böse!


Ciao
Antonia

 

Das Ganze, FlicFralc, was du da geschrieben hast, ist ein wenig unlogisch. Gott weiß alles, kann daher keine wie immer geartete Hoffnung haben, und er weiß letztlich auch, wie sich die beiden entscheiden werden – mit anderen Worten: du hast ein wenig zu menschlich gedacht. Außerdem: es geschieht auf Erden ohnehin nur der Wille Gottes, der Krieg ist also gottgewollt.

Und, Antonia, leider muss ich dir hier widersprechen: der jüdische Gott ist wie der christliche nicht nur Gott der Liebe, sondern auch der der Rache – du weißt schon: Auge um Auge, Zahn um Zahn.

Dion

 

Geschrieben von Dion
Das Ganze, FlicFralc, was du da geschrieben hast, ist ein wenig unlogisch. Gott weiß alles, kann daher keine wie immer geartete Hoffnung haben, und er weiß letztlich auch, wie sich die beiden entscheiden werden – mit anderen Worten: du hast ein wenig zu menschlich gedacht. Außerdem: es geschieht auf Erden ohnehin nur der Wille Gottes, der Krieg ist also gottgewollt.

Und, Antonia, leider muss ich dir hier widersprechen: der jüdische Gott ist wie der christliche nicht nur Gott der Liebe, sondern auch der der Rache – du weißt schon: Auge um Auge, Zahn um Zahn.

Dion


Hallo Dion,

ein wenig habe ich mich amüsiert über dein Posting... weil du mit LOGIK argumentierst. Welche meinst du, fehlt? Die innere? Die immanente? Oder die religiöse??? Oder gibt es nur eine Logik? Und wo sind ihre Axiome?

Oder bist du der Auffassung, es gibt eine objektiv logische Religion? Womit die 'unbefleckte Empfängnis' auch streng logisch wäre **g?

GOTT weiß alles? Eine Hypothese - schließlich ist noch nicht mal klar, wer GOTT ist. Der christliche? Der indianische? Der der Wale und Delphine?

Oder kann man GOTT hier als Funktion auffassen? Und wenn auch nur für die Geschichte?

Und wenn GOTT keine Hoffnung hat, haben kann, warum gibt er den Menschen Anweisungen? Rein philosophisch gebe ich dir übrigens vollständig Recht:

"Es war nicht ganz so verlogen wie die Geschichte, dass ein ewiger (also immer-währender) Gott darauf angeblich wartete, wie man sich so aufführte auf Erden, um anschließend dann über Paradies oder Hölle zu entscheiden (wieso sollte er da warten?)."
(Aus der Geschichte DER LETZTE TAG, ebenfalls von mir in http://www.satirezeitung.net/herbstabo/index.html).

Ein ewiger GOTT kennt keine Zeit und kann jedes Ergebnis überschauen - gleichzeitig.

Für die Geschichte erscheint mir das aber nebensächlich, weil es nicht um GOTT geht in ihr, sondern um Menschen. Insofern ist die menschliche Denke völlig beabsichtigt.

Noch mal zur Philosophie: Es ist natürlich auch dir klar, dass hier ein Paradox besteht: Ist alles, was auf Erden geschieht, gottgewollt, so widerspricht dem GOTTES Wunsch, die Menschen möchten ihn lieben und ihre Feinde und so weiter. Sagt GOTT: Liebet einander, aber auch der Krieg ist gottgewollt, weil existent - so resultiert daraus WAHLLOSIGKEIT. Alles ist richtig und falsch, sogar das Gegenteil :-)) .

Philosophische Grüße!!

Robert

 

Wenn in einer Geschichte leibhaftigen (müden) Engel auftauchen, FlicFlac, dann gibt es nur eine Leseart: die, die auch den leibhaftigen Gott kennt – du hättest dir also die vielen Fragen sparen können.

Wir wissen, nicht Gott hat uns nach seinem Bilde erschaffen, sondern wir ihn nach unserem - Gott ist all das, was wir auch sind oder sein wollen, eine Projektion eben.

Gewiss wünscht man sich, das Nahostproblem – das ein religiöses ist, denn Palästinenser und Juden sind beide Semiten, sind also ein Volk, was sie trennt ist allein die Religion – würde sich wie durch ein deux ex machina in der Luft auflösen lassen, aber die Realität ist eine andere, gerade diejenigen, die bei ihrem Tun Gott auf den Lippen tragen, sind die Unversöhnlichsten unter ihnen.

Aber das ist nichts Neues, so war das schon immer, so wird das auch bleiben – solange es Götter gibt oder solange zu einem Gott auf unterschiedliche Weise gebetet wird.

Dion

 

hallo FlicFlac,

toll ... eine satirische kurzgeschichte par exelence, wenn ich das mal so sagen darf. trotz der recht kurzen länge schaffst du es, etliche gute pointen einzubauen, stets überschattet von der äußerst guten grundidee, welche sich für diese rubrik natürlich anbietet. ich muss dir in bezug auf die logik ebenfalls rechtsprechen, denn bei einer solchen geschichte hat eine diskussion um logik wahrlich keinerlei sinn. ich glaube ebenfalls, das logik in einer satirischen kurzgeschichte dieser art sowieso nichts verloren hat. nochmals mein kompliment

mfg,
nick155

 

hi flicflac,

also... na ja... ich weiss nicht. die ganze sache ist gut und witzig geschrieben, aber meiner meinung nach, fast ein bisschen zu niveaulos. Ich meine, das sind schon krasse Sachen, Krieg und so und du ziehst das hier alles ins lächerliche!? Aber ansonsten echt gut!

clyan

 

@Clyan

Was Satire DARF, hat Kurt Tucholski beantwortet: alles. Vielleicht stimme ich dem nicht ganz zu; aber "Krieg und so" ist eine so ernste Sache, DASS sie Satire braucht (und nicht Comedy). Satire ist an sich ernst, wenn ambitioniert.

Ich denke, würden die Friedensverhandlungen auch dann noch scheitern, wenn den Protagonisten echte Nachteile statt Vorteile zuteil würden? Wenn sie z. B. nach jeder gescheiterten Verhandlung ausgepeitscht würden?

Ich weiß selbst, so einfach ist das nicht; aber das Niveaulose ist in den uferlosen Rationalisierungen prallen Hasses zu finden, der uns allwöchentlich zu diesem Thema erreicht - meine ich. Lächerlich ist die Kindergarten-Kacke, mit der - über die Köpfe vieler leidender Menschen auf beiden Seiten - hinwegargumentiert wird. Ganz ernsthaft.

 

Hallo Lakita,

danke für die Antwort; mit dem 'Schwuppdideldupp' hast du vielleicht recht, ich bin noch am Überlegen, ob ich zumindest zu Anfang den Vorschlag 'Es sei!' - von gox - verwende und nur später das legere Schwuppdideldupp nehme. Natürlich ist es eine Anspielung auf 'Kindergartenlogik' Haust du mich hau ich dich dann du mich wieder' - denn "Spiele der Erwachsenen"/Eric Berne folgen durchaus diesen Prinzipien - wenn auch die Ausprägungen sehr viel komplexer ausfallen mögen. Gefühle sind rudimentärer und letztlich in Formen wie Hass und Liebe der grundsätzliche Antrieb.

Was mich wundert, ist, dass die 'Lächerlichkeit des Textes' schlimmer bewertet scheint, als die Lächerlichkeit der politischen Aktionen im nahen Osten.

Und ja, es ist zynisch, keine Frage.

Gruß, Flic

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom