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Der EINE Tag im Leben
Der EINE Tag im Leben…
Die U-Bahn fuhr mit stetiger Geschwindigkeit an. Ich seufzte leise und griff nach der Tageszeitung, die ich mit mir führte. Ich blätterte ein wenig darin, ohne wirklich zu lesen.
Auf einer Seite stieß ich über folgende Überschrift: „Die großen Lieben unseres Lebens“ darunter waren Berichte von Frauen und Männern, die über das Thema sprachen. Mein Blick schweifte von der Zeitung weg, hin zum dunklen Fenster der rumpelnden U-Bahn, wo mir mein eigenes Spiegelbild entgegen blickte. Ich betrachtete mein Gesicht und musste feststellen, dass die letzten zwei Jahre ihre Spuren in meinem Gesicht hinterlassen hatten. Ich sah die leichten Augenringe und entdeckte, dass sich eine kleine Falte zwischen meinen Augen gebildet hatte, die vor kurzer Zeit noch nicht da war. War das der Tribut der großen Liebe? In der Zeitung standen nur Geschichten über die erfüllte Liebe. Doch was war mit der Unerfüllten? Was war mit meiner unerfüllten Liebe? Warum brachte etwas schönes so viel Leid? Ich schloss kurz die Augen und ließ meine Gedanken zweieinhalb Jahre zurückschweifen.
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Ich hatte Paul auf der Arbeit kennen gelernt. Es war nicht liebe auf den ersten Blick und doch entwickelte sich mit der Zeit zwischen uns eine unterschwellige Vertrautheit, von der nur wir wussten. Anders wäre es auch unmöglich gewesen. Paul war mein Vorgesetzter und zudem noch Verheiratet. Dennoch spürten wir beide, dass etwas zwischen uns war. Ich hatte schon oft über Seelenverwandtschaft gelesen und ich war mir sicher, das er und ich Seelenverwandte waren.
Unsere Verständigung brauchte nicht viel Worte. Ein Blick, ein Kopfnicken genügte und wir verstanden uns Stumm. So vergingen die Monate und Jahre und die Arbeit wurde immer wichtiger für mich. Denn dort konnte ich Paul nah sein und auch er suchte meine Nähe.
Trotz alledem ging es mit der Firma mehr und mehr bergab. Die Wirtschaft lahmte und traf auch den Bereich, in dem ich Arbeitete. Naiv wie ich war, ging ich davon aus, das es mich niemals treffen würde. Doch eines Tages rief mich Paul zu sich.
Ich war es, ich war die Erste die gehen musste. Der Schock war so unendlich groß, das ich lange brauchte, um zu begreifen, was geschehen war. Ich hatte noch einige Wochen Zeit, mich zu entscheiden, ob ich gehen wollte oder nicht.
Doch mir war klar, das es keinen anderen Ausweg gab. Ich musste gehen. Und doch las ich jedes mal in seinen Augen sein Leid. Er litt, das gerade er es war, der mir dies antun musste, er litt, vielleicht auf ähnliche Weise wie ich. Wenn ich an unseren Abschied von damals denke, steigen immer noch Tränen in mir auf.
Wir standen Stumm voreinander und ich hatte es irgendwie geschafft, nicht zu weinen. Ich wusste nicht, woher ich die Kraft nahm, es nicht zu tun. Vielleicht hatte ich einfach vorher schon zu viel Geweint.
Wir standen vor der Ausgangstür. Die mir nun den Weg in eine ungewisse Zukunft weisen würde. Eine Zukunft ohne Paul, die ich sowieso nie mit ihm gehabt hätte, und doch wären wir so wenigstens zusammen gewesen. Hätten die Nähe des Anderen genießen können.
„Auf Wiedersehen!“
„Ja! Vielleicht sieht man sich ja mal wieder!“ flüsterte ich schwach.
„Ja!“ er atmete hörbar ein. Und dann tat er etwas, mit dem ich nie gerechnet hätte. Er zog mich in seine Arme und drückte mich einen Moment an sich. Ich hörte seine sanfte Stimme an meinem Ohr. „Es tut mir so leid, ich wünschte, alles wäre anders gekommen!“
Ich verlor mich in seiner Umarmung, schlang meine Arme um ihn und presste mich fest an ihn. Diesen einen Moment wollte ich in mein Gedächtnis brennen. Unauslöschlich. Ich sog seinen Geruch in mir auf.
So plötzlich wie wir uns umarmt hatten, lösten wir uns auch wieder voneinander.
Ich schluckte die immer näher kommenden Tränen gewaltsam herunter und sah ihm noch einmal kurz in die Augen. Er presste seine Lippen zusammen und hob seine Hand zu einem Abschiedsgruß. Dann drehte er sich um und lief davon. Ich sah ihm noch einmal hinterher. Dann setzte ich mich in mein Auto und fuhr davon.
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Die blecherne Stimme der U-Bahn Ansage lies mich wieder hochschrecken. Ich war an meiner Station angekommen wo ich aussteigen musste. Ich faltete rasch die Zeitung zusammen und verließ die Bahn.
Die Menschenmenge schob mich mit sich und ich steuerte mich irgendwie zum Ausgang hin. Plötzlich hielt ich inne. Irgend etwas sagte mir, dass ich beobachtet wurde. Ich drehte mich um. Es durchfuhr mich wie bei einem Blitzschlag.
Paul. Da stand er, und starrte mich an. Nach zwei Jahren. Ich wünschte mir, das da irgend etwas wäre, woran ich mich festhalten könnte. Ich wusste, meine Beine konnten mich jetzt kaum halten. So sehr zitterten mir die Knie. Ich nahm nichts mehr um mich herum wahr. Da waren nur noch er und ich.
Langsam kam er auf mich zu. Sah mich mit ernstem Gesicht an, wand den Blick nicht von mir ab.
Als er bei mir angekommen war starrten wir uns einfach nur erst einmal an. Tränen rannen mir und auch ihm über die Wangen. Das, wovon ich zwei Jahre geträumt hatte, war eingetroffen. Ihn endlich einmal wieder zu sehen. Ich atmete tief ein.
„H-Hallo!“
„Hallo! Es ist, so schön, dich mal wieder zu sehen….“
Ich nickte heftig.
Paul zog mich in seine Arme und küsste mir zärtlich die Tränen weg.
„Komm, lass uns gehen!“ flüsterte er. „Lass uns diesen Tag zusammen verbringen!“
„Ja.“ erwiderte ich. „Dieser Tag gehört uns!“
Wir lächelten einander an und reihten uns wieder in den Strom der Menschen ein. Der uns nach draußen führte, in einen Tag, der DER Tag unseres Lebens werden sollte.