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Der Draht

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30.09.2003
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Der Draht

Nachmittags um neun verbog sich Spozz zu einer Büroklammer.
Stolz hüpfte er vor einen Spiegel und betrachtete sich. Gutes Werk, er war von einer echten Büroklammer nicht mehr zu unterscheiden. Im Büro der Sekretärin nebenan hörte er das typische Klacken, wenn jemand einen Brief auf einer Computertastatur schreibt.
Er sprang vom Tisch, schob sich unter dem Türspalt hindurch und verschaffte sich einen Überblick über die Lage. Die Luft war rein.
Plötzlich öffnete sich eine weitere Tür. Sie gab den Zutritt zum Büro des Chefs frei.
In dieses Büro wollte Spozz eindringen, dort hoffte er die geheimen Akten zu finden und konnte vielleicht noch seine Kameraden aus der Hand des magnetischen Büroklammerspenders befreien. Doch dazu musste er zunächst an der Sekretärin vorbei.
Durch die Tür kam der Chef herein und verlangte von ihr einen Kaffee mit Milch, Zucker und Whisky. Spozz hüpfte schnell um die Türeinrahmung und versteckte sich hinter dem Vorsprung. Sein Glück. Hanne Loringer bemerkte ihn nicht. Der Chef verschwand wieder hinter der sich verschließenden Tür. Nun war er ganz allein im Büro.
Es gab ein Geräusch. Er konnte jedoch nicht sehen, zu wem oder was es gehörte. Vorsichtig schlich er zum Stuhl, entlang der Spur, die eine Rolle im Teppich hinterlassen hatte und traute seinen Augen nicht. Ein Ziegenbock aus Kunststoff stand am Tischbein, schaute ihn an und gab einen Blöklaut von sich. Langsam ging er auf das Tier zu, angespannt, falls es ihn angreifen sollte. Auch wenn der Ziegenbock nur aus Plastik war und nicht mehr als doppelt so groß wie Spozz, konnte er einer Büroklammerimitation sicher Schaden zufügen. Aber der Bock grinste fröhlich und ließ sich von Spozz streicheln.
„Na du. Wo kommst du denn her?“ fragte Spozz.
„Aus dem Müll-Gebirge dort draußen. Was du vorhast, erahne ich. Meine Hilfe wirst du brauchen können. Ein guter Kletterer ich bin.“
„Wohin soll ich klettern wollen?“
„Auf den Tisch des Chefs. Erklimmen musst du diesen Tisch, denn dort oben warten sie.“
„Wer sie? Die Büroklammern?“
„Richtig. Nicht dumm du bist. Nur du sie befreien kannst. Aber dein Schicksal es ist. Platz du auf meinem Rücken findest. Gehen werden wir in das Büro, uns hochziehen an einem Seil. Absetzen werde ich dich dort und allein gehst du weiter.“
„Hm… was werde ich dort finden?“
„Nur, was du mitnimmst“, entgegnete der Bock.
„Na gut. Laß uns gleich aufbrechen. Bevor die Sekretärin zurück kommt und uns platt macht.“
„Nein. Noch zu früh es ist. Aufmachen wird sie uns die Tür zum Büro. Erst dann dringen wir ein.“
So vergingen einige Minuten. Dann stapfte die Loringer mit dem besagten Kaffee in ihr Büro und eilte zum Chef. Vor dem Chefbüro blieb sie stehen und räusperte sich noch einmal.
Spozz sprang auf den Bock, der seinerseits sofort losstürmte. Wenn die Tür nicht rechtzeitig geöffnet wurde, würden sie mit voller Wucht gegen sie krachen, was unweigerlich das Ende ihres Vorhabens bedeuten würde.
Aber wie auf Kommando ergriff die Loringer die Türklinke und drückte die Tür auf.
Der Bock rannte ins Chefbüro. Dann passierte alles innerhalb von wenigen Sekunden.
Ein Tropfen Kaffee aus der vollen Tasse schwappte über und fiel zu Boden. Der Bock konnte nicht mehr rechtzeitig ausweichen und lief direkt in die Pfütze. Durch das entstehende Aquaplaning verlor er das Gleichgewicht und rutschte auf seinen zwei rechten Beinen weiter. Während er versuchte, das Gleichgewicht wieder herzustellen, verlor Spozz den Halt und fiel vom Bock. Der Chef drehte sich in seinem Chefsessel herum und rollte etwas zur Seite und nach vorne. Dadurch erwischte er den noch rutschenden Bock und schleifte ihn auf einer Distanz von einem halben Meter zu Tode. Spozz purzelte über den Boden und wurde von der Sektretärin zertrampelt. Da der Chef in seinem Sessel zuviel Schwung hatte, stieß er mit der Loringer zusammen, die vor Schreck den Kaffee fallen ließ. Dieser ergoss sich über das schöne Oberhemd sowie die teure Hose des Chefs. Verärgert und wütend schnaubte er, kramte kurzerhand eine Pistole aus einer Schublade und erschoss die Sekretärin. In einer letzen Reaktion, als sie bemerkte, was der böse Chef ihr angetan hatte, nahm sie den gusseisernen Briefbeschwerer und schlug ihm auf den Kopf. Er sackte ebenso wortlos wie klaglos in sich zusammen und lag neben der Loringer.
Nach einer Weile kam der Kaffee wieder zu sich, warf einen Blick in die Runde und stellte zufrieden fest, dass alle tot waren. Nur ein kleiner Blutfleck an der Kaffeetasse störte ihn. Aber die brauchte er nicht mehr. Er huschte davon. Eine Etage tiefer ins nächste Büro.

Ende.

copyright by Tobias Zieseniß

 

Moin Tobias,

Erstmal herzlich willkommen auf KG.de. Endlich mal wieder jemand aus der wunderschönen Expo- und Weltstadt Hannover :D

Deine Geschichte hinterläßt mich zwiegespalten. Auf der einen Seite ist die Idee, Gegenstände zu personifizieren zwar nicht neu, aber (zumindest von mir) immer wieder gerne gelesen und die Pointe mit dem Kaffee ist wirklich gut. Aber auf der anderen Seite hat deine Geschichte mich leider nicht zum Lachen gebracht. Naja, Humor ist Geschmackssache. Aber den ein oder anderen Schmunzler hats schon gebracht.

Sein Glück. Die Sekretärin, sie hieß Hanne Loringer, bemerkte ihn nicht.
Zwei Dinge: erstens finde ich den ersten Satz ein wenig unglücklich und zweitens holpert der zweite Satz durch die Benennung der Sekretärin.
Vorschlag: "Zum Glück bemerkte Frau Loringer ihn nicht"
Da du im Satz zuvor die Sekretärin erwähnst und ansonsten keine andere Frau mitspielt, sollte es dem Leser so auch klarwerden, daß das Frau Loringer ist.

„Hm… was werde ich dort finden?“
„Nur, was du mitnimmst“, entgegnete der Bock.
Irgendwie mußte ich bei diesem Dialog ständig an ein grünes Männchen mit langen Ohren denken, das in einem Sumpf wohnt, als Hobby Flugzeuge aus dem Matsch zieht und durch seine eigenwillige Grammatik auffällt :D
Sowas ist nicht so ganz mein persönlicher Geschmack, aber als Idee nicht schlecht.

Spozz sprang auf den Bock, der seinerseits sofort losstürmte. Wenn die Tür nicht rechtzeitig geöffnet wurde, würden sie mit voller Wucht gegen sie krachen
Warum warten sie nicht einfach, bis die Tür offen ist und rennen erst dann los? Dann besteht die Gefahr nicht, daß sie zeitlich zu eng geplant haben und gegen die Tür rennen.

Verärgert und wütend schnaubte er, kramte kurzerhand eine Pistole aus einer Schublade und erschoss die Sekretärin.
Hihi... das ist mal ein Choleriker.

Insgesamt eine gute Geschichte, stilistisch sehr sauber, gut zu lesen und mit einer guten Idee. Ein wenig pointierter hätte es meinetwegen gut sein können, aber auch so hats Spaß gemacht, den Text zu lesen.

 

Hallo gnoebel!

Danke für Deine Tipps.

Also zum einen hatte ich mir bei dieser Geschichte überhaupt gar nichts gedacht. Einfach Blödsinnig sollte es werden. Oder albern. Wahrscheinlich noch nicht blödsinnig genug :D aber macht ja nix.
Der weitere Verlauf der Geschichte war aber so geplant (das mit der offenen Tür).
Tobias

 

den anfang der Geschichte fand ich nicht so gut, aber beim Dialog zwischen Spozz und "Yoda" musste ich doch schmunzeln.

Als sie sich dann auf ihre Mission begeben, beschreibst du alles ein wenig langweilig und der Witz ist wieder draußen, aber als schließlich noch der gewiefte Kaffee auftaucht, musst ich doch noch lachen oder sagen wir mal lächeln.

Ich finde die Geschichte gelungen, obwohl vieeeel mehr drin gewesen wäre.

Danke für die Aufmerksamkeit.

Gruß

I.

 

Danke für die Kritik.
Schreiben ist ja auch gar nicht einfach, wenn man das nicht oft tut. :)

Gruß zurück.
Tobias

 

Hallo Elichor,

der Anfangssatz ist gelungen, animiert zum Weiterlesen. Dein Text würde sicher durch einen unerwarteten Umschwung gewinnen. Nachdem er recht originell angefangen hat, verflacht er in einer Slap-Stick-Szene mit anschließendem Todschlag. Schade.

Tschüß... Woltochinon

 

Hi Elchior!

Tolle Geschichte! Mir hat sie sehr gut gefallen. Bei der Stelle mit "Yoda" musste ich ein wenig schmunzeln, beim schluss lachte ich schon offen vor mich hin aber der schluss mit dem kaffee war der absolute Hammer!

Ich will mehr!!!!!

Mfg, Dreamcatcher

 

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