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Der Dom
Was für ein Tag für eine Busreise durch Thüringen! Als ob es nicht reichen würde dass wir unsere einzige Jugendherberge in zwei Jahren in einem spießigen Hotel, wo es nur lauwarme Kartoffeln mit Brokkoli zu Essen gab, verbringen mussten. Es war uns nicht einmal vergönnt ein bisschen Ruhe für uns zu haben, weil jeder der drei Tage von unseren lieben Lehrern vollständig verplant worden war.
Heute also zu irgendeinem Dom. Super, klasse. Ich liebe Kirchen, weil ich so christlich bin. Nein, mal ehrlich: Ich hasse sie.
Es regnete die ganze Zeit während der Fahrt, und dann fing es an zu schütten. Mit engen Capes und Schirmen ausgestattet machte unsere Meute sich also auf den Weg, auch an einem Rummelplatz vorbei, bei dem wir natürlich nicht für eine kurze Zeit bleiben konnten, weil so etwas ja Spaß machen könnte.
Der schräge Typ fiel mir gleich auf, als wir die Steinstufen zum Dom hoch stolperten. Ein Häufchen Elend, dass vor der Eingangstür saß, und ein Schild neben sich gestellt hatte. „Geben sie etwas, wenn sie ein Herz haben" oder so stand darauf. In der Plastikschüssel lagen nur zwei Cent.
Dann sahen wir uns alle zusammen den Dom an, der so hässlich war, dass ich hätte kotzen können. Es gab nicht einmal schön verzierte Glasfenster oder so. Für mich hätte das Ganze, ohne das riesige Kreuz und den Altar, genauso gut ein Bunker sein können.
Als ich die Kerzen sah, die man für 20 Cent anzünden durfte, und die dümmsten meiner Mitschüler, die sogar zahlten, hatte ich echt große Lust „Satan Hail" zu schreien oder mit Graffiti ein Pentagramm auf die Stirn des gekreuzigten Jesus zu malen. Aber ich wollte keinen Ärger, nicht hier, nicht jetzt. Ein andermal wenn meine Eltern dann nicht mehr für die Scheiße die ich baute herhalten müssten.
Wenigstens fanden Sina und Vanessa den Dom auch scheiße, und wir konnten uns über den Pfarrer lustig machen. Es ist gut zu wissen, dass man nicht allein mit seiner Meinung dasteht.
„Nachher gehen wir noch in die Stadt", schlug Vanessa vor. Ich sah nach wie viel Geld ich noch hatte, es waren 24 Euro. Ungewöhnlich für mich, die immer knapp bei Kasse ist. Es ist krass, wenn man Omas hat die einen vor so einer Tour reichlich versorgen.
Als wir endlich gehen durften, blieb ich ein Stück hinter dem Mann mit der Plastikschüssel stehen. Vier Euro, dachte ich, das ist nicht zu viel, und warf sie ihm hin. „Danke", hat er gesagt und mich kurz angesehen. Die anderen haben ihn nicht bemerkt.