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Der, der sie hält

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31.07.2012
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Der, der sie hält

Sie hat in den letzten Nächten oft geweint. Den Schmerz hinfort und sich in Träume, in denen er noch immer da war. So nah, dass sie seine Stimme hören konnte. Nur die Stimme, sonst nichts. Sie versteht nicht was er sagt und sie versteht nicht, warum er nicht da ist. Bei ihr und ihrem gemeinsamen Wolkentraumschloss. Sie versteht die Einsamkeit nicht. Die Leere in sich. Das Verstehen hat er mitgenommen. Damals, als er in den Zug und anschließend in das Flugzeug gestiegen war. Damals, als sie „Lebewohl“ gesagt hatten. Und dem Schicksal seinen Lauf gelassen.
Auch heute Nacht weint sie wieder still in sich hinein. Weil ihre Tränen für das ganze Ausmaß ihrer persönlichen Katastrophe nicht mehr reichen. Sie fühlt nichts mehr und die Welt sich nach gar nichts mehr an. Sie drückt sich in ihr Kissen, bis sie kaum mehr Luft bekommt. Das macht nichts. Das Atmen fällt ihr sowieso schwer. Sie zittert. Vor Kälte. Vor Trauer. Sie sehnt sich in ihre Erinnerung an ihn hinein. Das ist ihr noch geblieben von seinem Zauber. Sie sucht nach Bildern von ihm in ihrem Kopf. Dann ist er doch noch hier, denkt sie. Und weint.
Ihr Handy klingelt, reißt sie in die Welt zurück, und ein freundlicher Mann ist am anderen Ende der Leitung. Sie kennt ihn. Schon seit einiger Zeit. Sie mag ihn fast ebenso lange.
„Komm zu mir“, sagt er, „komm endlich her.“
Sie lächelt. Sie merkt es nicht. Aber sie lächelt.
„Brauchst du mich so sehr“, fragt sie und lacht.
„Ich hab schon so lange drauf gewartet“, sagt er.
Sie weiß, sie wird zu ihm gehen. Jetzt gleich. Sie weiß, er will sie. Und er weiß, sie will ihn. Er weiß aber nicht, warum er so wichtig ist. Sie nennt ihn im Geiste nur ihren „Traumfänger“. Weil er ihre Träume einfängt und sie verpackt, damit sie nicht immer an den anderen Mann denken muss. Immer dann, wenn er mit ihr redet und sie so anschaut, als sei die Welt in Ordnung. So ist das eben, mit den Traumfängern.
Sie zieht sich wieder um, steigt in ihr Auto und fährt zu ihm. Weg von dem Anderen.
Zwei Stunden später sitzt sie vor ihm auf dem Boden und sieht an ihm hoch. Seine Augen blitzen belustigt.
Sie ist so schüchtern. Plötzlich. Obwohl es das ist, was sie die ganze Zeit gewollt hatte. Hier zu sein, mit ihm. Hier drin. Und die traurige Welt draußen in der Nacht.
Er kennt ihre Schüchternheit nicht. Nicht nach all den Dingen, die sie ihm so oft geschrieben hatte. Wie heiß sie auf ihn ist und was sie von ihm will. Jetzt sitzt sie da, die Beine eng am Körper und schaut ihn einfach an. Als ob sie auf irgendetwas wartete. Ihre Augen sehen ihn forschend an.
„Willst du ein Bier“, fragt er und sie schüttelt nur den erröteten Kopf.
Sie kennt sich gerade selbst nicht, fühlt sich wie ein kleines Mädchen vor dem ersten Mal. Gewissermaßen ist es das auch. Das erste Mal nach der Tragödie.
„Komm her zu mir. Ich tu dir nix“, sagt er und grinst dabei schelmisch.
Sie schaut ihn schief an, geht zu ihm auf das Sofa, aber sie sagt kein Wort. Ihr fällt nichts ein und so wartet sie.
„Ich tu nix, was du nicht magst“, sagt er und lächelt.
Seine Augen sind dunkelblau, bemerkt sie, und sie blitzen lustig aus seinem Bartgesicht hervor. Sie mag ihn. Vielleicht ist es das, warum sie so schüchtern ist. Sie mag ihn wirklich. Sie liebt ihn nicht, nein, das wird auch nie passieren. Das weiß sie, als sie ihn so ansieht. Es liegt nicht nur an seiner Freundin, die er schon so lange hat.
„Küsst du mich- bitte“, sagt sie. Sie braucht ihn. Denn das Wolkentraumschloss schleicht schon wieder draußen herum und sie will sich in seinem Bart verbergen, damit es sie nicht findet. Nicht heute Nacht.
Er küsst sie. Endlich, nach all den Monaten, in denen sie sich nach seiner heiteren Nähe gesehnt hatte. Weil er ihre Traurigkeit aussperren kann. Mit einer Leichtigkeit, die sie sich für sich selbst wünscht.
Während des Kusses legt sich ihre Nervosität. Er berührt sie im Gesicht, streicht Haarsträhnen weg und sie fühlt sich gut. Begehrt, schön, frei. Es ist leicht. Es ist so leicht. Sie schwebt in seinen Armen den bösen Träumen davon. Ihre Haut hört auf sich nach dem Anderen zu verzehren. Sie hört dessen Abschiedsworte nicht mehr, sondern nur ihr Herz, das tatsächlich noch schlägt.
Dunkelblaue Augen sehen sie an und sie will nicht, dass der, dem sie gehören, jemals aufhört mit den Dingen, die er jetzt endlich tut. Tun kann, weil sie hier ist. In dem kleinen Zimmer, Kilometer von zu Hause entfernt. Tausende Kilometer von dem Anderen entfernt. Ein anderer Geruch, ein anderes Lachen, ein anderer Blick- wie eine andere Welt. Das Wolkentraumschloss ist verschwunden.
Und sie ist bei ihm. Er lächelt sie an. Immer wieder. Streicht ihr über die Haut, als gäbe es kein Morgen. Kein Übermorgen. Als gäbe es überhaupt nichts mehr. Er beugt sich über sie. Er küsst sie lachend. Und voller Verlangen. Sie vergisst, wer sie ist, wer sie war und weiß nicht, wer sie morgen sein wird. Eine Andere, so hofft sie still zwischen den Küssen und dem Kitzeln seines Bartes.
Sie ist glücklich hier zu sein. Hier, wo es die bösen Träume von haselnussgrünen Augen und Sternschnuppen nicht gibt, sondern nur die dunkelblauen Augen, die immerzu funkeln und blitzen.
Stunden später schläft sie in seinen Armen ein. Ganz ruhig, schön und seit langem wieder frei. Für eine Nacht hat der Andere sie gehen lassen. Für eine Nacht erträgt sie, dass der Andere nicht mehr lebt. Für eine Nacht nur lebt sie selbst.
Am nächsten Tag fährt sie ihn zurück in Stadt und sie weiß, dass sie ihn noch brauchen wird. Immer dann, wenn sie fällt und nicht mehr sehen kann. Immer, wenn der Verlust des Anderen sie zu zerreißen droht, wird sie zu ihm gehen. Wird sich küssen und begehren lassen, um die Träume abzuschütteln. Wird mit ihm reden und manchmal lachen, um zu wissen, dass es sie noch gibt.
„Meld dich mal“, sagt er zu dir und grinst funkelnd.
„Natürlich“, sagt sie gar nicht mehr schüchtern zu ihm.
Er schlägt die Autotür zu und geht davon. Über den Rückspiegel sieht sie ihm nach. Dann fährt sie los und merkt nicht einmal, dass das Wolkentraumschloss heute nicht da ist.
Die Sonne scheint. Es ist Juni. Und sie ist heute freier, als sie gestern noch gehofft hatte. Der Wintermärz scheint lange fort. Sie fährt der Sonne ein Stück entgegen.

 

Hallo Helena,

und herzlich Willkommen hier auf kg.de :).

Mit deinem ersten Text hier erzählst du den Verlust eines geliebten Menschen und einem anderen, der ab und zu als Gedankenvertreiber herhalten muss, damit es der Protagonistin manchmal etwas besser geht in ihrem Schmerz.

Den gesamten Inhalt deiner Geschichte habe ich in einem Satz zusammenfassen können - und das ist auch für mich der Punkt, an dem ich meine Kritik ansetzen möchte. Du wiederholst dich mit der Beschreibung der Gefühle von ihr sehr oft - andererseits weiß man überhaupt nichts von der Person. Weder Alter, noch Name, noch wo sie wohnt und wie sie mit dem verlorenen Menschen zusammen war. Du beschreibst einen Ist-Zustand, ohne eine Geschichte zu erzählen. Das wird dann mit der Zeit mühsam, den Text weiterzulesen.

Gib doch ihr und dem Lover Namen, erzähl, wieso sie so traurig ist - was hat der Verlorene denn so besonders gemacht? Beleuchte ein paar Punkte etwas genauer, gerne auch mit Dialogen.

Im Moment ist die Geschichte sehr trocken und monoton erzählt. Versuche doch, mit Gesprächen und direkten Situationen Leben hineinzubringen.

Liebe Grüße
bernadette

 

Vielen Dank für die Kritik und Hilfestellung. Ich werde meinen Beitrag etwas überarbeiten

 

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