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Der Clown
Max erinnerte sich noch gut an den Tag, an dem sein Großvater ins Altersheim eingewiesen wurde. Damals verstand er nicht, was das bedeutete. Erst mit dem siebzehnten Lebensjahr war ihm langsam klar geworden, dass Menschen, die ins Heim eingewiesen werden, nicht einfach umziehen, sondern in eine Art soziale Abstellkammer gedrängt werden. Zu all den anderen Sachen, die irgendwie nützlich oder wertvoll sein können, die man aber selber nicht mehr pflegen möchte, beziehungsweise, die die Fähigkeit verloren haben, sich selbst ausreichend zu pflegen. Zuerst fand er das grausam. Doch nachdem er seinen Großvater erstmalig besucht hatte, war ihm klar geworden, dass auch Abstellkammern eine sinnvolle Erfindung waren: Die Person, die Max dort angetroffen hatte, war mehr ein Dummkopf als ein zu Intellekt fähiger Mensch gewesen. Andauernd hatte er etwas vergessen, Dinge wiederholt oder einfach nur den Kopf schief gelegt und gelacht. In seinem dreckigen roten Hemd, das in einer, ebenfalls dreckigen, grauen Hose gesteckt hatte, die wiederum von einem kleinen braunen Gürtel an der richtigen Stelle gehalten worden war, hatte er nur wie ein sehr alter Clown gewirkt. Ab und zu war ihm außerdem beim Reden Spucke aus den Mundwinkeln gelaufen. Früher, in seiner Kindheit, konnte Max sich mit ihm noch über wichtige Dinge unterhalten: Wie man am besten auf einen der vielen Bäume im Garten kletterte zum Beispiel. Oder über die Fußballergebnisse.
Mit seinen zwanzig Jahren waren Max diese Themen aber nun nicht mehr so wichtig und dieser eine Besuch hatte sowieso ein derart unwohles Gefühl hinterlassen, dass er beschloss, seinen Großvater ab jetzt dem Fachpersonal zu überlassen, das ihn stets als geistig und körperlich gesund bezeichnete. Dem Alter entsprechend gesund eben. Aber man wollte ihm ja auch entgegenkommen. Deswegen gab man ihm einen FSJler an die Hand, der nun jede Woche einmal vorbei schaute und sich das ganze wirre Zeug anhörte. Der lieb nickte und hier und da mal verständnisvoll lächelte oder interessiert tat. Sein Großvater war also in den besten Händen und er musste seine obskuren Ratschläge nicht länger über sich ergehen lassen. Konnte sich auf wichtigere Dinge konzentrieren; das Leben vor ihm fokussieren.
Max war nicht nur zwanzig Jahre jung, sondern auch motiviert. Seine Pläne dementsprechend hochtrabend. Das wusste er auch. Aber es machte ihm Spaß. Es machte ihm Spaß, in die Zukunft zu schauen und gar nicht erwarten zu können, dass eine aufregende Sache zu Ende ging, weil dahinter direkt eine neue, ebenfalls aufregende, Sache stand. Auch körperlich gefiel er sich selbst immer besser: Die pubertären Unproportionalitäten seines Körperbaus lösten sich langsam, aber bestimmt auf. Anstatt eines verunsicherten Teenagers, der gar nicht wusste, wie man mit dem ersten Bartflaum und der Akne umzugehen hatte, erblickte er mittlerweile einen perfekt rasierten jungen Mann im Spiegel. Außerdem wusste er inzwischen, wie man Dinge machte: Sein Puls sprang nicht mehr augenblicklich auf 180, wenn ein Mädchen ihn lediglich anlächelte. Dank des frisch erworbenen Abitur und des kürzlich begonnenen Studiums konnte er außerdem nicht nur hin und wieder mit fachlichem Wissen glänzen, sondern fühlte sich auch nicht mehr so verloren, wenn er mit Texten umgehen oder unangenehme Situation meistern musste. Kurzum: Sowohl körperlich als auch geistig wähnte er sich auf dem Höhepunkt seines Lebens.
Aber nicht nur Max ging das so: Seinen Freunden war ebenfalls anzusehen, dass sie sich zunehmend besser gefielen und ihr Selbstbewusstsein in die Höhe schoss. Gemeinsam tranken und feierten sie nicht nur zur Genüge, sondern kämpften auch für eine bessere Welt. Gingen auf die Straße für die Freiheit, zankten mit Ungleichgesinnten und organisierten Diskussionsrunden. Ein kleines Jugendcafé, in dem jeder willkommen war, der gerne in Austausch mit anderen Menschen gelangte, hatten sie sich mittlerweile sogar schon aufgebaut; das nötige Kleingeld, um für dieses Projekt eine kleine und heruntergekommenene Schrebergartenhütte anzumieten, hatten sie sich über zwei Jahre hart angespart, erarbeitet und erbettelt.
Doch trotz des schlechten Zustandes des Gebäudes stellte sie die monatliche Zahlung immer wiederkehrend vor eine Herausforderung. Mit dem Geld hielten sie es nämlich locker. Ihnen war es wichtiger, dass die Leute gemeinsam Zeit miteinander verbrachten, weit abseits des Kapitalismus, als dass ihr schönes Café zu einer Profitmaschine verkam. Selbst der Bürgermeister hatte sie schon für ihr Engagement gelobt und in Zukunft wollten sie weiter expandieren; die dreckigen und gefährlichen Ecken ihrer Stadt zu sauberen und friedlichen machen. Es war ihnen klar, dass sie sich damit einer schweren Aufgabe hingaben, gerade vor dem Hintergrund ihrer Einstellung gegenüber dem Geldwesen im Allgemeinen. Aber wofür lohnte es sich schon zu leben, wenn nicht für das Auflehnen gegen ein unfaires System? Wohin sollten die ganzen neuerworbenen Kräfte denn sonst fließen? Junge Menschen waren rebellisch. Das war das altbekannte Klischee und eben das bestätigten sie nur zu gerne.
Waren sie ganz ehrlich, dann ging es ihnen auch mehr darum, für etwas einzustehen. Eine Sache zu unterstützen. Vor allem aber darum, dagegen zu sein. Neues anzustreben. So neu, wie sie auch waren. Die Gesellschaft schön zu machen. So schön, wie sie auch waren. Die Menschen zu mobilisieren. So mobil, wie sie auch waren. Ja, es machte Spaß, Kraft zu haben. Es machte Spaß, die Wahrheit für sich gepachtet zu haben, sich einzureden, die Kritik älterer Semester wäre das Produkt ihres Neids auf ihren lebhaften, schnellen Geist, der ihren gesunden, schmerzfreien Körper in fließend-hektischen Bewegungen zu immer neuen Taten anregte. Andere in ihrem Alter nutzten diese Kraftreserven für ihren Sportverein, ihre Musik oder ihre Reisen; sie nutzten sie eben für die Politik. Und beizeiten würden sie die Welt schon noch gehörig verändern.
Der Begriff „Zeit“ wurde zum Mittelpunkt seiner schnell rotierenden Welt. Alles drehte sich nur noch um Zeit und wie viel davon vorhanden war. Morgens aufstehen. Nicht viel Zeit hier. Einen schnellen Kaffee, eine schnelle Dusche und ein schnelles Überwerfen des Anzuges. Schnell runter zum Auto laufen. Schnell den Zündschlüssel umdrehen. Schnell fahren. Schnell parken. Schnell aussteigen, schnell zum Eingang des grauen Gebäudes laufen. Schnell der Rezeptionistin zulächeln. Schnell in den Aufzug steigen, die Taste für den dritten Stock betätigen. Dem Aufzug war es dabei jeden Morgen egal, welches Tempo Max vorschützte und er blieb regelmäßig bei seinem gemächlichen Summen; gerade so, als wollte er seine stets hastig angestachelten Insassen mit einer entspannten Einstellung zur Bewegung provozieren.
Max ließ sich aber schon lange nicht mehr provozieren, sondern nutzte die Fahrt immer häufiger als Möglichkeit, nach seinem schnellen Morgen durchzuatmen. Hier hatte Max keine Kontrolle darüber, ob, wann und in welcher Geschwindigkeit er sein Ziel erreichte; das entschied nun der Aufzug und Max war nur noch ein unbeteiligter Part eines Ablaufes. So unbeteiligt, wie er sonst nie war. Im Großen und Ganzen gefiel es ihm gut, beteiligt zu sein. Das stellte die Grundvoraussetzung dafür dar, etwas zu verändern und voranzutreiben. Max warf einen Blick in den Spiegel, der eine Wand des Liftes bedeckte. Vor ihm stand ein aufstrebender, junger Mann von dreißig Jahren. Die Gesichtszüge wurden durch pures Koffein so an den richtigen Stellen gehalten, dass er wach und entschlossen wirkte: Ein nach außen gekehrtes Abbild seiner Ambitionen. Es war wichtig, das Äußere auf das Innere abzustimmen. Die Leuten mussten sehen, dass er etwas vorhatte und dass er die Kompetenz besaß, Sachen zum Laufen zu bringen. Sie mussten sehen, dass nun die neue Generation an Führungskräften anrückte und das Leben sie überholte. Noch waren sie fähig genug, ihre Posten zu verteidigen, doch jeder wusste, dass das nicht ewig so weitergehen würde. Alterung lag in der Luft.
Aber so war nun mal das Leben, Zeiten änderten sich. Er trauerte ja auch nicht mehr seinem zwanzigjährigen Ich nach, das planlos und verkrampft politisch durch die Welt wandelte. Das sich im Besitz der Wahrheit wähnte. Zwar vermisste er die körperliche Unbeschwertheit, der Wahrheit war er aber jetzt ein wenig näher gerückt als noch während seines Studiums: Um ein Projekt wie das Café, das lange Zeit seine Herzensangelegenheit gewesen war, zu realisieren, brauchte er jetzt keine 5 Jahre mehr, sondern nur noch einen kurzen Fingerzeig. Und trotz der ersten Sodbrennen-Anfälle war er immer noch von weit besserer Kondition als die alten Hasen in seiner Branche. Ja, die Wahrheit war etwas, das man nicht besitzen konnte, aber er begriff nun ein wenig mehr von ihr. Ein Lächeln umspielte seine Lippen. Was er wohl mit zwanzig zu seiner jetzigen Situation gesagt hätte? Dazu, dass er ein Jacket-Träger geworden war? Anzüge, pfui! Die waren nur für vom Raubtierkapitalismus fettgewordene Politiker! Und den Abiball.
Der Fahrstuhl gab ein helles „Kling“ von sich, die beiden Türen öffneten und er verließ den Aufzug. Zurück in diese wahnsinnig schnelle Welt.
Der Mittelpunkt seiner Welt bestand nicht nur aus Zeit, sondern ebenfalls aus einem ganz besonderen Menschen: Kennengelernt hatte er seine Verlobte noch zu Studienzeiten auf einer der vielen Unipartys. Mit der Zeit intensivierte sich sowohl ihre Beziehung als auch das Zeitproblem. Seinen Freunden erging es ähnlich; entweder fanden sie genauso jemanden, den sie auf lange Zeit dauerhaft an ihrer Seite ertrugen oder die Zeit holte sie ebenfalls ein. In vielen Fällen passierte auch beides. Er persönlich war nicht unglücklich darüber, wurden doch die Pläne, die sie beide schmiedeten, größer und in ihren Konturen schärfer. Es war ein guter Zyklus: Tagsüber eine hektische Welt, durch die er sich kämpfte, um für diese Pläne auch das nötige Geld zu sammeln. Abends ein entspannter Rückzugsort in ihren Armen. Sie machte ihn glücklich und er konnte sich gut vorstellen, mit ihr seine zukünftige Familie zu gründen. So wie er das mitbekam, ging es ihr ähnlich. Zugegeben, auch der Mensch aus der Mittelschicht, der mit ungefähr dreißig Jahren seinen Lebenspartner findet, war Klischee. Aber das war etwas, das sich seit seiner Jugend nicht geändert hat: Klischee machte ihm Spaß.
Dieser Manier entsprechend stellte auch die zunehmende Versorgungsbedürftigkeit seines Vaters für ihn kein allzu großes Drama dar. Er hatte es bei seinem Großvater schließlich schon beobachten können: Ab einem bestimmten Alter büßten Menschen mehr und mehr ihrer geistigen und körperlichen Fähigkeiten ein und veränderten sich zu eben jenem clownähnlichen Bild, das er bereits in seiner Jugend betrachtet hatte. Die Welt wurde schneller und irgendwann konnte der Intellekt nicht mehr mithalten; eine konstante Routine des Lebens. Seiner Meinung nach ging mit ihr auch die moralische Verpflichtung einher, angehenden Clowns ein angepasstes Umfeld zu finanzieren und sie in diesem auch zu unterstützen. Daher nahm er sich ein Mal die Woche Zeit und besuchte seinen Vater in dem Zirkus von Altenheim, das Max aus der Rente seines Vaters und seinem eigenen persönlichen Einkommen bezahlte. Hörte sich ein Mal in der Woche das ganze obskure Gerede an, das sein Vater von sich gab und bereute dabei, dass er es sich nicht zu Herzen genommen hatte, als er noch im Studium gesteckt hatte. Als sein Vater noch vollkommen zurechnungsfähig gewesen war. Aber damals war er ein Rebell gewesen. Jetzt war er schnell. Schnell und zielstrebig. Schnell, zielstrebig und intelligent.
Von einer gewissen Erschöpfung konnte er sich nicht freisprechen. Müde war er freilich von Zeit zu Zeit immer mal gewesen, aber er näherte sich einem Stadium an, in dem Koffein seine Gesichtszüge nicht mehr zurechtrückte und straffte. Manchmal fühlte er sich ein bisschen zwischen den Welten: Er war kein junger dreißigjähriger Optimist mehr, aber auch weit entfernt von einem sechzigjährigen, vor der Pensionierung stehenden Pessimisten. Vielleicht urteilte er auch vorschnell. Bestimmt waren die wenigsten Sechzigjährigen, vor der Pensionierung stehenden Mitmenschen Pessimisten. Eine gewisse Alltagskomik hatte er sich über die Jahre aber angewöhnt und das gar nicht im negativen Sinne. Es half ihm vielmehr, damit umzugehen, dass er weder der Weltrevolutionär, von dem er als Zwanzigjähriger geträumt hatte, noch der reiche Boss, den er sich als Dreißigjähriger für seine Zukunft vorgestellt hatte, geworden war. Irgendwo in die Mittelschicht hatte es ihn hinverschlagen und so ganz unglücklich war er darüber nicht. Neben einer wunderschönen und liebevollen Frau begleiteten seit einigen Jahren auch zwei Kinder seinen Gang in Richtung des vermeintlich pessimistischen Sechzigjährigen. Im Großen und Ganzen war Max dementsprechend zufrieden: Tagsüber pflegte er seine eingesessenen Routinen, durch die er monatlich ein ausreichendes Gehalt mit nach Hause brachte. Dank der Addition mit dem Gehalt seiner Frau wurde es ein gut ausreichendes und abends half ihm sein Humor, mit den immer wiederkehrenden Eltern-Kind-Konflikten umzugehen. Routine, Liebe und etwas zu essen im Magen. In seinen Augen kam das dem Inbegriff des Glückes schon ziemlich nahe und er wusste auch gar nicht mehr genau, woher er immer die Kraft und Motivation genommen hatte, abartig großen Zielen hinterherzujagen. Wie sagte schließlich schon Rousseau? „Glück besteht aus einem soliden Bankkonto, einer guten Köchin und einer tadellosen Verdauung.“ Das familiäre Leben in den Vierzigern: Auch das ein Klischee, das ihm gefiel.
Max war während seines bisherigen Lebens nie ein Pessimist gewesen. An vielen Stellen hatte er befürchtet, das würde „später“ kommen. Wenn die Physis einen verließ. So mit dreißig. Als er dann dreißig gewesen war, verschob sich sein „später“ auf fünfzig. Doch selbst jetzt, mit seinen fünfundsechzig Jahren, war er noch kein Pessimist. Man konnte zwar nicht bestreiten, dass sein Körper sich immer öfter bei ihm meldete, entgegen aller jugendlichen Erwartungen störte ihn das jedoch nur geringfügig. Wofür bräuchte er diese ganze unnötige Energie heute denn überhaupt noch? Die meisten Szenarien, die das Leben mit sich bringt, hatte er durchgespielt; mal sehr elegant, mal weniger elegant. Als junger Student hatte er vor Energie nur so gestrotzt, immer erpicht darauf, die andauernde Sache so schnell wie möglich abzuschließen. Einfach nur, weil dahinter schon wieder etwas unbekanntes und neues wartete. Diese übertriebene Sprunghaftigkeit ließ bei jedem neuen Satz nach. Immer nur wenig, aber konstant. Bis sie dann irgendwann in altangestammte Abläufe und ein spezifisches, fundiertes Wissen überging: Ihm reichte es jetzt, bei ausgewählten Debatten mitzustreiten, war er doch in eben jenen bereits erfahren und somit intellektuell schlagfertiger.
Junge Menschen hingegen, wie seine studierenden Kinder es waren, mussten immer alles machen. Alles musste beschnüffelt werden, alles musste betatscht werden und alles musste probiert werden. Inzwischen amüsierte er sich darüber, wenn sie sich dann daran verschluckten. Wenn er wieder mal schulterzuckend den Kopf schüttelte und kokett konstatierte: „Hab ich's dir doch gesagt!“ Wenn sie anschließend aufbrausend wurden, ihn als senil darstellten und seine Kritik als Neid abtaten. Ja, auch wenn eben dieses Amüsieren Teil der generationsübergreifenden Klischees war, machte es ihm Spaß. Es machte ihm Spaß, die Jugend stolpern zu sehen und sich dabei auszureden, dass dieser Sarkasmus nur auf seiner faktischen Überlegenheit in puncto Erfahrung und Intellekt beruhte. Nichts aber mit Neid auf den schmerzfreien Rücken und die Möglichkeit, noch einmal alles werden zu können, zu tun hätte.
Heute war Mittwoch. Das hieß, Anna kam. Anna war jemand, der freiwillig hier arbeitete. Sie war 22. Sie war immer fesch gekleidet und redete unglaublich schnell. Er musste ihr Tee anbieten. Junge Leute kamen nicht oft zu ihm. Sie waren draußen in der schnellen Welt. Kämpften sich durch Konflikte, die er nicht versteht. Konflikte, die ihnen reserviert waren. Alles, was er machen musste, war, sein rotes Hemd in die graue Hose zu stecken und alles mit einem braunen Gürtel zu befestigen. Es klopfte. Er öffnete die Tür und Anna trat ein. Er bot ihr Tee an. Sie lehnte ab. Er fragte sie nach ihrem Tag. Sie erzählte von einer Diskussion mit ihrem Chef. Chef und Diskussion: Diese beiden Wörter kannte er auch. Das konnte er auch. Er erzählte ihr von seinen Diskussionen und von seinen Chefs. Er erzählte ihr von einem Café, das er in ihrem Alter betrieben hatte. Anna lächelte nett und nickte interessiert. Er mochte sie. Sie war eine der wenigen, die sich mit ihm unterhielten. Früher hatten das seine Freunde getan. Seine Freunde waren zum größten Teil tot. Seit sie tot waren, ging es auch mit ihm den Bach runter; er wurde zum Clown. Das wusste er. Aber das fand er nicht schlimm, auch wenn es ein Altersklischee war. Er bot Anna Tee an und dabei lief ihm Spucke aus den Mundwinkeln. Er hatte sein Leben lang in Klischees und Normalität gelebt. Und das hatte ihm Spaß gemacht.