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Der bunte Hund

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05.07.2006
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Der bunte Hund

((Überarbeitete Version))

Zum Glück gibt es den alten Flughafen. Friedlich treffen sich hier alle Hundegänger zum entspannten Gassi-Gehen; kein Geschimpfe und Gestreite mit Spatziergängern über den nirgendwo erwünschten Hunde-Freilauf. Seit Beginn der Fußballweltmeisterschaft ist jedoch alles ganz anders: Kein Auto weit und breit, wie ausgestorben der lange Weg zum Bach.

Ich begann, meine Spatziergänge in die Spielpausen zu legen. Auf dem Parkplatz flatterten mir hunderte, deutscher Fähnlein entgegen. Zwei pro Auto, mehrere zeigten weitere Beflaggung; um die Motorhaube geklemmt, die Rückscheibe bedeckend. Zu Beginn des Hundeweges, saß ein lediglich ein verirrter Teenie, gehüllt in eine Strandtuch-große Deutschlandfahne, auf dem Boden eine umgekippte Bierflasche. Daneben eine Klassenkameradin meiner Tochter, erschöpft döste sie vor sich hin. Ihr Gesicht war als Fußball geschminkt und mit einer schwarz-rot-goldenen Banderole geschmückt. Ich kannte sie, vor wenigen Tagen hatte sie sich in unserem Hause verächtlich über diese Sportart geäußert. Als sie mich kommen sahen, murmelte er ein undeutliches „Deutschland, Sieg!“, erhob sich, müde Beine, zu lang für sein Alter, und schlich seines Weges. Seine kleine Freundin ließ er zurück.

Erst am Bach trafen wir ein mittelgroßes Hundevieh mit Prachtgebiss, ich hatte es hier noch nie gesehen. Hinzu gesellte sich ein Pinscher. Ein vierter trottete hinzu, alt und nicht mehr fürs Toben zu begeistern, den kannte ich schon. Von den Hundehaltern jedoch keine Spur.

Mittlerweile hatte das Spiel wohl wieder begonnen, wie eine akustische Welle dröhnten Jubelgeschreie aus der Ferne, verhallten. Stille. Ich war wieder auf dem Rückweg, als ein Windhundmischling entgegenkam. Um den Hals hatte er ein Tuch gebunden in den deutschen Farben. In der Ferne sah ich eine riesige Dogge, beim Näherkommen erkannte ich im glänzend schwarzen Fell ein Italien-Halsband. Stolz trug sie ihre Beute, eine Deutschlandflagge. Auch hier kein Hundbesitzer weit und breit. Schon bald tauchte der Parkplatz auf. Zu den deutschbeflaggten Wägen hatte sich ein Bus gesellt; etwas älter, handbemalt, Grün, Weiß und Rot. Modernes Streifendesign.

Wieder war fernes Geschrei zu hören, es schwoll an, dazu gesellte sich aus der anderen Richtung Feuerwerk. Gegentor. Von links kam ein weiterer Vierbeiner, wohl ehemals weiß, jetzt bunt, eingefärbt mit Lebensmittelfarben. Sicher eine weitere Flagge, noch konnte ich sie nicht erkennen. Kurz vor den Autos hatte ich den ersten Hundebesitzerkontakt. Eine aufgeregte Dame informierte mich über den Spielstand, sie sei gegangen da sie es nicht aushielte, das Spiel, die armen Spieler. Nur ein kurzer Gang bis zur Wiese, der Hund müsse ja auch sein Geschäft erledigen, sagte sie im Weitergehen und zog eine schwarz/rot/goldene Hundkottüte aus ihrer Tasche.

Am Parkplatz sah ich sie dann, die ganzen Hundebesitzer. Vor einem ehemals doppelt beflaggten Auto, nunmehr nur noch mit einem Fahnenexemplar bestückt. Einer stand daneben, aufgeregt sprechend, wild gestikulierend. Abdrücke von Hundespuren waren auf dem schwarzen Lack zu sehen, auf diese deutete der Sprecher, dann nach oben, hin zu einem Rest der Fahnenstange. Die anderen versuchten ihn zu beschwichtigen, einer hatte ein feuchtes Tuch, ich glaube es war der Besitzer des Streifenbusses. Ein dritter schob ihn bei Seite, das ginge nicht, nein, man müsse die Spuren belassen um den Dieb zu überführen. Keiner achtete auf die illustre Hundemeute, die gerade um die Kurve in Richtung Parkplatz bog. Die treuen Gefährten waren vergessen, hier ging es um die Ehre. Als der Streit zu eskalieren begann, kam der bunte Hund. Ich erkannte nun auch sein Muster; nicht eine Fahne, viele waren da auf dem Fell. Hinter ihm die Dogge, im Maul noch die Fahnenbeute. Bevor einer der Hundebesitzer eingreifen konnte, rannte der Flaggenmusterhund auf das, seiner Fahne beraubte Auto zu. Mit einem schnellen Zungenschlapp wischte er die so wichtigen Pfotenspuren weg. Im selben Moment stürmte die Dogge zum Bus, stoppte, und legte die Fahne vorsichtig in die Hände seines Besitzers. Schwanzwedelnd, in freudiger Erwartung auf die Belohnung für das gebrachte Geschenk.

Ich ging an der Gruppe vorbei, unbemerkt, zu meinem Auto, das etwas abseits stand. Auf dem Weg zur Hauptstraße sah ich den bunten Hund. Friedlich ging er Richtung Waldrand. Mittlerweile war es dunkel geworden, bald war er kaum mehr zu sehen. Als er nur noch als kleiner Schatten zu erkennen war, ging über ihm ein prächtiges Feuerwerk los. Tausende von Lichtern explodierten, sie zersplitterten am abendlichen Himmel in alle denkbaren Farben, bildeten Muster in den einzelnen Landesfarben, die am obersten Punkt zusammentrafen, an Leuchtkraft verloren, und als gemeinsamer Widerschein im Dämmerlicht verblassten.

 

Hallo Sisypha,
habe deine Geschichte gelesen und leider, leider, nicht so ganz verstanden, oder doch? Bin mir nicht so ganz sicher...

Soll es eine Satire auf die vielen Fahnen jetzt bei der Fußball-WM sein, dass manche Leute sogar soweit gehen und ihren Hund in den Landesfarben anmalen und dass den Hundebesitzern die Hunde ganz egal sind, dass sie nur mal eben in der Halbzeitpause ne Viertelstunde mit denen raus gehen? Usw.?

Bitte um Aufklärung ;)

Mit ratlosen Grüßen,
Sebastian

 

Hallo Sebastian,

du hast die Geschichte nur zum Teil verstanden.

Mir geht es sozusagen um ein "falsches" Nationalbewusstsein.
Es äußert sich in meiner Geschichte während der WM, in übersteigerter Form: Plötzlich sind da die ganzen Fahnen, die nach der WM wieder weg sind.

Erster Hinweis darauf ist der Jugendliche, der sich in die Flagge eingehüllt hat; ihm ist das eigentlich restlos egal, WM wie auch Nationalgefühl, er will nur Party machen (Bierflasche neben ihm). Ich erlebe das bei meiner eigenen Tochter, die plötzlich auch so eine Fahne wollte, sich die ganzen Spiele mit angesehen hat, obwohl sie beides bis dahin nicht die Bohne interessiert hat.

Zweiter Part der Geschichte: Auf einmal werden da auch die Hunde einbezogen (Halsband, Hundekottüte...). Sie sind dann ebenfalls Träger dieses Nationalbewusstseins; Steigerung; Auto (leblos) – Hund (bei vielen schon Familienmitglied).

Die Eskalation: Normales Verhalten ist nicht mehr möglich; es ist eigentlich nichts schlimmes passiert und doch werden die Hundespuren und die, im Wert lächerlich geringe Fahne, die ja dann auch gleich wieder auftaucht, so behandelt als ob es um ein gravierendes Verbrechen ginge. => Das scheinbare Nationalbewusstsein kippt, hier kommen ganz andere Beweggründe zum Tragen, die unter dem nationalen Deckmäntelchen versteckt werden.

Der bunte Hund: Er ist international und zeigt eine normale Reaktion: „ Mit einem schnellen Zungenschlapp wischte er die so wichtigen Pfotenspuren weg“
Der bunte Hund ist in der Geschichte kein wirkliches Lebewesen, er ist die Idee von dem, wie es vor der WM auf dem alten Flughafen zugegangen ist; friedlich, jeder hat sich akzeptiert, egal welcher Gesinnung.

Ich hatte in der Geschichte direktere Hinweise, habe sie jedoch herausgenommen, da mir es zu direkt und plump erschien.

Ich hoffe etwas Aufklärung gebracht zu haben,
Grüße,
Siypha

 

Hallo Sisypha,

wenn man als Autor gezwungen ist, für den Leser erläuternde Erklärungen abzugeben, ist entweder der Leser das Problem oder der Autor. Ich tippe in diesem Falle auf den Autoren, denn auch mir erging es so, dass ich mit der insbesondere satirischen Intention deiner Geschichte etwas unsicher war.
Als der bunte Hund auftaucht wird es etwas klarer.

Über weite Teile deiner Story war ich aber ratlos. Du fängst du mit einer langangesetzten Einleitung an, so dass ich zunächst dachte, dass es keine Geschichte wird, sondern nur eine Aneinanderreihung von Beschreibungen. Weit dahinter beginnt dann erst dein eigentliches Anliegen und auch die Geschichte.
Es wäre insgesamt pfiffiger gewesen, wenn du die Einleitung einfach weggelassen hättest, und so nach und nach diejenigen Informationen in die Geschichte eingeflochten hättest, die in der Einleitung stehen.
Aber nicht alle, denn z.B. dass der Protagonist seit neuestem einen Hund hat und was der genau alles gerne macht und wie er sich verhält, ist für den weiteren Verlauf unwichtig. Wichtig ist nur, dass sich der Protagonist ebenfalls mit seinem Hund in einer bestimmten Gegend aufhält, in der sich jede Menge andere Hundebesitzer tummeln.
Da könntest du also nochmals gehörig straffen und dich jeweils immer wieder fragen, ob die jeweilige Aussage dem Fortkommen deiner Geschichte dient.

Die satirische Aussage müsstest du bei dieser Gelegenheit auch noch deutlicher herausschälen, damit solche Nachfragen, was du denn beabsichtigt hast, überflüssig werden.

Lieben Gruß
lakita

 

Liebe Lakita,

vielen Dank für diene Kritik, sie hat mir wirklich sehr geholfen.
Ich werde die Geschichte noch einmal komplett überarbeiten!

Gruß,
Sisypha

 

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