Der bunte Hase
Ich kann alles. Mein Mund lacht immer, die Augen sind groß und freundlich. Genau so, wie es alle Menschen gern haben. Mein Dominik mag mich ganz besonders. Und dies, obwohl er mich oft schlägt. Manchmal sogar an meinem Fell zieht. Zum Glück sind so so fest an meinem Tierkörper befestigt, dass er ihnen nichts anhaben kann. Dabei wird er immer geschickter. Bald schon wird er mich richtig zerzausen. Erst einmal sehe ich die Welt. Denn jeden Nachmittag sind wir unterwegs, rollen die Straßen entlang, alle Wege der Vorstadtsiedlung entlang. Nur durch einen Kanal wird sie begrenzt.
In einem richtigen Leben hätte ich diese Welt mit wenigen Hüpfern durchquert. Leider ich bin nur nachgemacht. Aber der weiche Stoff um meinen Körper tröste mich so manches Mal darüber hinweg. Schließlich werde ich ganz besonders geliebt, mit zahnlosem Lachen. Ich bin ein bunter Hase. Obwohl, vielleicht sehe ich auch ein wenig einem Hündchen ähnlich. Das behauptet jedenfalls Mama. So trage ich die Möglichkeiten der verschiedensten Tierarten in mir. Krallen oder Zähne habe ich gar nicht erst. So werde ich gestreichelt und geknufft. Nach wenigen Handgriffen hänge ich wieder unter dem Dach des Kinderwagens und bewache den Schlaf des kleinen Dominik bewache.
Am liebsten mag ich den Weg am Kanal. Kurz vor dem Ufer gibt es eine Bank, an der wir oft Pause machen. Dann wiegt Mama den Wagen mit einer Hand hin und her, während sie in der anderen ein Buch hat. Ich würde gerne einmal zum abschüssigen Ufer vorstoßen, am Wasser ein kleines Abenteuer erleben. Oder mich sogar im Uferschlamm ein wenig wälzen.
In einem meiner Träume verwoben, merke ich zu spät, dass wir mit einem Male Fahrt aufnehmen. Erst stelle ich mir einen wilden Flug vor, doch dann schreit Mama auf. Ich erschrecke furchtbar. Wir holpern über Wurzeln. Jetzt ist auch Dominik wach und schreit. Wild schwanke ich nach allen Seiten. Und dann der Ast direkt in unserer Bahn. Erst schlägt er auf das Wagendach ein, doch dann halte ich ihn. Mit aller Kraft klammere ich mich an ihn fest. Ein hässliches Ritsch, dann dreht sich nur noch alles um mich.
Jetzt bin ich gar nicht mehr bunt, sondern zerschlissen und verquollen. Dominik darf mich nicht mehr schlagen, da ich für ihn zu dreckig bin. Bestimmt bekommt er demnächst einen neuen Schmusehasen. Einmal sehe ich ihn noch aus der Ferne. Von seinem Schrecken hat er sich erholt, sonst ist ihm nichts geschehen. Aus aufgeregten Gesprächen erfahre ich später: Wenigstens hat sich mein Einsatz gelohnt. Wertvolle Sekunden hielt ich den Sturz auf, bis Mama den Griff des Wagens erreichte.
Nur schade, dass ich jetzt gar nicht mehr spazieren gehen darf. Man wollte mich sogar schon in eine dunkle, stinkende Tonne stecken. Doch Mama schüttelte den Kopf. So bin ich nur auf den Speicher gekommen. Wenigstens nah an der Fensterluke. Den Staub puste ich mir weg, so dass ich jetzt von oben den Garten beobachte. Ganz bestimmt wird mich Dominik wieder entdecken, wenn er später einmal den Speicher erobert.