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Der Bunker
Der Bunker
Das Geschoss verfehlte Werle nur knapp. Sie waren umzingelt. Es war nun fast ein halbes Jahr her, seitdem er an die Ostfront strafversetzt wurde. Jetzt war er in der Nähe von Stalingrad, glaubte er.
Eine Explosion ertönte und ein Metallsplitter riss ihm ein Stück Fleisch aus dem Arm. Die Druckwelle war gewaltig und vor lauter Staub und Dreck in der Luft konnte er nichts sehen. Sein erster Gedanke war „raus hier“, aber es gab keinen Fluchtweg.
Seine zwei Kameraden, die eben noch an seiner Seite gekämpft hatten, waren verkohlt. Eine Granate hat den kleinen Graben getroffen, den sie als Zuflucht gesucht haben.
Er versuchte aufzustehen. Sein rechter Arm brannte wie Feuer. Er konnte sehen, dass ein Metallsplitter tief in seinem Arm, oberhalb des Handgelenks steckte. In dem Moment wurde ihm schwarz vor Augen und er verlor das Bewusstsein.
Er sah sein altes Elternhaus in Süddeutschland. Die Bäume hatten schon eine herbstliche Farbe angenommen. Vor dem Haus stand der Wagen seines Vaters. Er sah sich selbst auf dem Fahrrad fahren und konnte die wenigen Sonnenstrahlen auf seinem Gesicht spüren.
Im nächsten Moment wieder Dunkelheit und ein leicht benzinartiger Geruch. Ein heftiges Rumpeln gefolgt von neu aufflammenden Schmerzen seines Armes riss ihn aus seinen Träumen zurück. Er sah Stiefel um sich herum und merkte, dass er auf einem Lkw lag, der mit mäßiger Geschwindigkeit durch die zerbombten Häuserschluchten fuhr.
Vereinzelt fielen Schüsse, aber er musste von dem Ort, wo er gekämpft hatte, schon ein ganzes Stück entfernt sein. Sie haben dich gefangen genommen, dachte er. Sofort lief ihm der Schweiß die Seiten seines Rückens herunter. Sie werden Dich wegbringen, einsperren und womöglich foltern. Panik stieg in ihm auf, doch er sah keinen Ausweg. Seine Arme und Beine waren gefesselt und aus den Augenwinkeln sah der die Kolben der Kalaschnikows, die neben ihm auf dem Boden standen.
Nach knapp einer viertel Stunde wurde der Wagen langsamer. Werle konnte aus seiner Lage nicht viel erkennen, nur dass sie ein großes Tor passierten. Dunkle, schmutzige Mauern säumten den schmalen Weg zum Innenhof. Der Wagen stoppte mit quietschenden Bremsen.
„Derweil! Derweil!“ brüllte einer der Soldaten und packte ihn unter der Schulter. Die Schmerzen kamen wieder zurück und Werle dachte, dass er nicht mehr länger durchhalten kann.
Ein weiterer Russe packte ihn von der anderen Seite unter der Schulter und sie schleiften ihn in einen dunklen Backsteinbau. Jetzt sah er die Zellentüren im Abstand von drei Metern - kleine Gucklöcher und schwere Schlösser.
Am Ende des Ganges kam eine Treppe, die ins Kellergeschoss führte. Die Decke war hier niedriger als oben, aber das nahm er kaum war. „Wo bringt ihr mich hin? Das könnt ihr nicht machen, ich bin verletzt! Ich brauche einen Arzt“. Einer der Russen drehte ihn zur Seite und warf ihn gegen die Wand, sodass der Staub herunterfiel. Die Glühbirnen warfen ein schummriges Licht in den Gang und fingen an zu flackern. „Du bekommst hier gar nichts, mein Freund. Du wirst Dir wünschen diesen Ort niemals kennengelernt zu haben“. Sein Arm schmerzte höllisch. Er gab auf, keinen Widerstand mehr. Er wollte nur sitzen und sich ausruhen, vielleicht ein wenig schlafen.
Sie erreichten eine Biegung und weitere 15 Meter auf der rechten Seite kamen sie an eine kleine hölzerne Tür, die mit Eisen beschlagen war. Der Russe zu seiner rechten zog einen Schlüsselring aus der Tasche, schloss auf und drückte die Tür nach innen.
Es war kühl und dunkel. Er konnte kaum etwas erkennen. Durch die vernagelten Kellerfenster drang nur wenig Licht. Es war feucht. Werle wusste nicht, ob sich noch jemand in der Zelle befand, aber das war auch egal. Nachdem die Tür zugeworfen wurde, hörte er, wie sich die Schritte der Soldaten langsam entfernten. Er hörte sie lachen, laut lachen. Einer schlug mit der Faust gegen eine Metalltür. Werle suchte den Raum ab, aber hier war nichts. Der Raum war leer, bis auf einen kleinen Eimer. Er lehnte sich an die Wand und glitt an ihr hinunter.
Wieder vielen seine Augen zu. Er war müde. Irgendwie wird er das hier überleben, dachte er sich.
Werle verlor jegliches Zeitgefühl. Als er aufwachte, war es in dem Raum stockdunkel. Das restliche Licht, das vorher in die Zelle viel, war nun komplett verschwunden. Er hatte das Gefühl das er nicht mehr alleine war. „Ist da jemand?“ Sein Blick wanderte im Raum umher, aber es war nichts zu erkennen. In der Ferne fing jemand an, laut zu schreien und dabei gegen die Tür zu hämmern. Dann wieder Stille.
Er ging ein paar Schritte in die Mitte des Raums, als ihn von oben etwas an den Haaren streifte.
Ruckartig bewegte er die Hand über seinen Kopf und blickte nach oben. Er tastete vorsichtig und erwischte ein altes Stromkabel. Die Leitung war tot, sonst hätte er wahrscheinlich einen Schlag bekommen.
„Ihr verdammten Russen, lasst mich hier raus.“ Plötzlich hörte er Schritte auf dem Gang, die schnell auf seine Tür zukamen. Es wurde still. Jemand stand davor, soviel konnte er spüren.
„Hörst Du mich?“, vernahm er ein Flüstern. „Hörst Du mich Deutscher?“ Ein Schauer lief ihm über den Rücken. Er wünschte sich, er hätte noch nicht mit dem Lärm angefangen.
„Ich hab‘ hier was für Dich, Deutscher – damit Du nicht so alleine bist.“. Er hörte einen Riegel, der langsam aufgeschoben wurde. Eine kleine Luke öffnete sich am Boden der Holztür. Bis dahin dachte er, dass die Tür bestünde aus einem Stück, aber das war dumm. Wie sollten die Wachen denn Wasser und Brot reinreichen? Obwohl die Klappe nun offen war, konnte er nichts sehen. Der hintere Teil des Gangs war anscheinend schlecht beleuchtet, oder das Licht was ausgeschaltet.
Dann blitzschnell eine Hand mit einem Beutel, die ebenso schnell wieder verschwand. Die Klappe flog mit einem lauten Schnappen wieder zu und der Riegel gegen die Verankerung. Etwas auf dem Boden hatte sich bewegt, das konnte er sehen. Oder war es Einbildung? Ein schnelles trappeln durch den Raum. Wie die Füße einer Ratte, oder Maus? Aus der hinteren Ecke schien ihn etwas zu beobachten. Jetzt sah er es deutlich: Kleine rote Augen die ihn anstarrten, knapp über dem Boden.
„Verdammt, was ist das?“ - plötzlich waren die Augen verschwunden. Was auch immer in der Ecke war, befand sich jetzt woanders, oder hatte die Augen geschlossen.
Im nächsten Moment, Werle traf es wie ein Schlag, spürte er einen Stich am rechten Bein. Sein Bein wurde kühl. Es fühlte sich an, als würde es gefrieren. Dann wurde es warm. Er spürte mit seiner rechten Hand, dass ihn etwas gebissen hatte. Er blutete und seine Hose war an zwei Stellen gerissen. Das verdammte Biest hat ihn angesprungen.
Es war früh morgens, er merkte es nicht, aber er war doch wieder eingeschlafen. Sie schalteten das Licht ein. Da sah er es. In der Ecke saß ein katzengroßes Wesen. Es hatte die Augen dort, wo man eigentlich seine Ohren vermuten würde. Sie waren reptilienartig. Kleine messerscharfe Zähne lugten aus der Schnauze, die für das Tier viel zu groß wirkte. Es kauerte und saß in einer kleinen Pfütze aus Blut. Es hatte kein Fell. Die Haut der Kreatur schimmerte gräulich und war mit kleinen, roten Äderchen durchzogen.
Es war sein Blut. Er schaute sofort an sich herunter. Jetzt merkte er die Schmerzen. Er hatte seinen Arm total vergessen. Unterhalb seiner Kniescheibe war nichts außer einer roten schmierigen Masse. Seine Hose hing zerfetzt daran, als wäre er auf eine Mine getreten. „Was habt ihr mit mir gemacht? Was habt ihr mir angetan?“ Zwei Soldaten kamen in den kleinen Raum und der größere legte behutsam einen kleinen Kasten auf den Boden. Werle konnte kaum sehen, so schnell bewegte sich das etwas von der Ecke zurück zu den Soldaten, hinein in den Kasten. „Braves Tierchen“ er schaute Werle in die Augen „Deutscher - die Dinge, die wir hier haben, um zu bekommen was wir wollen, hast Du nie vorher gesehen. Das Bein brauchst Du nicht mehr. Du kannst froh sein, dass Du deinen Kopf noch hast.“
Die Soldaten hoben ihn gemeinsam hoch. Eine dritte Wache erschien in der Tür und nahm den Kasten an sich. Sie trugen ihn aus der Zelle und brachten ihn auf die Krankenstation. Es war nichts anderes als ein weiterer schmutziger Raum im ersten Stock, wo sechs Feldbetten in jeweils zwei Reihen angeordnet waren. Im Laufe des Tages wurde er versorgt und seine Wunden verbunden. Er bekam ein schwaches Antibiotikum und fiebersenkende Medikamente.
Als am Abend ein Arzt nach ihm schaute, konnte er sich nicht mehr beherrschen: „Warum bringt ihr mich nicht gleich um? Was seit ihr nur für Menschen?“ Der Arzt verstand ihn nicht - oder wollte ihn nicht verstehen. Er sah ihn kaum an.
Im Bett neben Werle lag ein übel zugerichteter Mann in Sträflingskleidung. Er konnte sehen, dass alle Gliedmaßen abgebunden waren. Das Gesicht war geschwollen und er konnte kaum durch die Augen schauen. „Hörst Du mich?“ flüsterte Werle „Sprichst Du meine Sprache?“ Nichts - sein Bettnachbar schien entweder unter starken Schmerzmitteln zu stehen, oder war bereits mehr tot als lebendig.
Werle versuchte es erneut und hatte Glück - er drehte den Kopf langsam auf seine Seite und öffnete leicht ein Auge. „Bitte töte mich – es ist schrecklich.“ Werle wusste nicht, was er sagen sollte, bekam aber ein ungutes Gefühl. „Wie heißt Du?“ Der Mann stammelte, war nicht zu verstehen. „Verstehst Du mich?“ „Edgar, mein Name ist E…“ Er verstummte - „Mein Name ist Werle, Peter Werle Strafbatallon 999. Ich bin seit zwei Wochen an der Ostfront“ - „Sie haben diese Maschine. Im Keller. Ich … ich will da nicht wieder hin, bitte kann… kannst Du mir helfen?“ In diesem Moment kam der Arzt zurück und sah, dass die beiden sich unterhielten. „Sei still Deutscher, nicht reden!“ Ehe Werle sich wehren konnte, bekam er eine Spritze mit einer gelblichen Flüssigkeit in den Arm. Er spürte, wie die Welt dahinglitt. Er sah verschwommen „ich…, was…“ - er verlor das Bewusstsein.
Als er wieder zu sich kam, lag er in seiner Zelle im Keller auf dem Boden. Die Wache hatte ein Bett aufgestellt, auf dem eine dünne Matratze lag, die furchtbar stank. Er lag unter einer Decke, oder vielmehr das, was mal eine Decke gewesen ist. Der Raum war diesmal erleuchtet. An der Decke glühte eine Birne, die gelegentlich flackerte. Vor der Zelle hörte er entfernt die Geräusche von schweren Stiefeln – Türen öffneten sich und Leute fingen an zu schreien. Die Häftlinge schienen große Angst zu haben, geholt zu werden. Werle bekam ebenfalls wieder Angst.
So vergingen zwei Wochen. Er bekam morgens und abends zu essen, dazu einen Krug Wasser für den ganzen Tag. Er konnte die Zelle nicht mehr ertragen. Er wollte nur noch raus. Nichts passierte. Er stank. Das Wasser war knapp und sie sagten ihm, dass er nur die kleine Ration bekäme.
Das Tier hat er in der Zeit nicht mehr gesehen. Trotzdem hatte er Angst sie würden es wieder benutzen. Er verhielt sich ruhig, in der Hoffnung, dass sie ihn in Ruhe lassen würden.
Dann ging alles sehr schnell. Es war in der Nacht. Die Tür wurde aufgeschlossen und vier Soldaten stürmten in den Raum. Er bekam einen Sack über den Kopf, konnte nichts mehr sehen. Sie legten ihm schwere Ketten an die Arme. Sie schleiften ihn nach draußen über den Gang. Er wusste nicht wie weit, dachte immer wieder an die Worte von Edgar „… sie haben diese Maschine … diese Maschine.“
Eine Tür wurde aufgeschlossen, dann eine weitere. Sie liefen wieder „Lasst mich los, ihr Schweine …“
Er flog auf den Boden. Kacheln - der Boden war gekachelt. Ein Ablauf, dies muss der Raum sein, indem sie die Häftlinge dazu bringen zu gestehen. Er war schweißnass. „Bitte. Ich weiß nichts, bitte …“ - eine der Wachen trat ihn ihm die Seite. Werle blieb die Luft weg.
Er spürte, wie sie ihn auf eine Art Stuhl spannten. Mit Eisenmanschetten befestigten die Wachen seine Handgelenke an den stumpfen Armlehnen. Sein linker Fuß ruhte auf einem Podest, der Teil des Stuhls war. Der Raum war mit Neonlampen hell ausgeleuchtet. Vor ihm stand auf einem Tisch etwas, das unter einem schwarzen Tuch verborgen war. Ein dickes Kabel führte zur Wand in einen Stromkasten, auf dem in Russisch Warnhinweise angebracht waren.
Er konnte sich nicht bewegen. Sie hatten ihn komplett fixiert. Der Raum war etwas größer als seine Zelle. Jedoch hatte er keine Fenster. Auf dem Boden, zwischen den Fliesen konnte er rote Spritzer entdecken. Wahrscheinlich war es Blut. Er hatte Angst. Was würden sie machen, was wollten sie von ihm. Er war im Strafbataillon das heißt er hatte keine kriegswichtigen Informationen preiszugeben. Es muss eine Verwechslung sein, dachte er sich. Es macht überhaupt keinen Sinn, dass er hier gefangen gehalten wird.
Die Soldaten verließen den Raum. Die Neonröhren erloschen und eine kleine schummrige, in der Wand eingelassene Glühbirne flackerte auf. Der Raum wirkte noch unheimlicher.
Die schwere Eisentür viel ins Schloss und es war totenstill. Dieser Raum ist schallisoliert. Soviel ist sicher, dachte er sich. Was jetzt? Er versuchte seine Handgelenke aus den Metallarmbändern zu befreien, doch ohne Erfolg. Hier haben bestimmt schon Dutzende vor ihm das Gleiche probiert und sind gescheitert. Hätte einer davon Erfolg gehabt, wäre der Stuhl angepasst worden. Aussichtslos!
Nach einer guten Stunde hörte er den Schlüssel in der Tür und zwei Russen betraten den Raum. Das Neonlicht flackerte wieder auf und es war Taghell. Einer der beiden schien ein Offizier zu sein, denn er trug Uniform. Der zweite mit Muskeln bepackt, hat dunkle Kleidung an. An seinem Bund hingen Handschuhe und eine Schutzbrille.
„Deutscher, Du bist hier, weil Du ein Feind unseres Landes bist. Ist Dir das klar?“ sagte der Offizier. „Wir haben hier schon genug von Deiner Sorte eingefangen und umgedreht. Wir machen aus Dir einen guten russischen Soldaten. Du wirst für unsere Seite kämpfen. Das ist unser Plan.“ Werle starrte den Mann ungläubig an. Wie sollten Sie ihn umdrehen? Niemals würde er die Seite wechseln und auf seine eigenen Kameraden feuern. „Ihr könnt mich mal, was wollt ihr denn machen? Wollt ihr mir Drogen geben, damit ich zum Kommunisten werde?“ Das war unklug. Er hatte sich im Ton vergriffen, denn er war nicht derjenige, der hier das Kommando hatte. Er bekam den ersten Schlag ins Gesicht. Der Hieb traf ihn mit einer Wucht, dass er Sterne sah. „Du hast hier nichts zu sagen Deutscher, Du wirst zuhören.“ Der Muskelmann rieb sich die Faust und grinste.
„Und hier ist die Überraschung, die schon viele Deiner Kameraden vor Dir kennengelernt haben.“ Werle hörte, wie der Offizier auf Russisch einen Befehl gab und der Muskelmann das Tuch mit einem Ruck vom Tisch wegzog.
Staub hing in der Luft. Werle sah eine Maschine. Sie sah aus wie ein Bohrer, ein überdimensionierter Bohrer der an seiner Spitze feine Härchen hat. Wie bei einer Katze dachte Werle.
Der Offizier drückte einen Knopf an dem Apparat und ging fünf Schritte zurück. Ein Lautes Klacken ging durch den Raum und die Lampen an der Decke flackerten kurz. Ein Motor lief an, wie eine Turbine. An der Seite waren mehrere, in Russisch beschriftete Leuchten angebracht, die nun langsam aufleuchteten. Um die Härchen an der Spitze des Geräts bildeten sich kleine rotierende blaue Kreise. Werle hatte so etwas noch nie vorher gesehen. Sie tanzen hin und her und knisterten leicht.
Der Muskelmann hatte sich in der Zwischenzeit die Handschuhe angezogen und die Brille aufgesetzt. Er hielt einen kleinen Kasten in der Hand, der über ein Kabel mit der Maschine verbunden war.
„So mein Freund, jetzt wirst Du die russische Ingenieurskunst kennenlernen“ Er gab einen weiteren Befehl, sodass der Muskelmann kurz nickte und einen Knopf drückte. Ein Schmerz ging durch seinen Körper. Über seiner Haut breitete sich blitzartig ein blaues schimmerndes Licht aus, das von dem Gerät zu kommen schien. Er fing an zu schreien. Es war, als würde er von innen verbrennen. Er bekam kaum noch Luft. Seine Arme und Beine zappelten unkontrolliert hin und her. Werle spürte, wie er sich in die Hose machte.
Ein neuer Befehl und das Leuchten auf seiner Haut war verschwunden. Die Kreise tanzten wieder am Kopf der Maschine wie zu Beginn.
„Das war Stufe eins von insgesamt zehn Härtegraden - so sagen wir dazu. Die letzte Stufe hat bisher niemand überlebt.“ Der Offizier putze sich die Nase. „Diese Maschine wird zusammen mit einer Droge eingesetzt. Sie heißt CROC. Sie erweitert Deine Sinne und lässt Dich eins werden mit dem blauen Licht, Du wirst sehen.“ Er gab den Befehl wieder auf Russisch. Der Muskelmann zog eine Spritze auf. „Nein, bitte … nicht ich kann nicht mehr, lasst mich“ Als er die Substanz in sich spürte, war es als wäre er für alles hochempfindlich, jedes knistern im Raum, das Schaben der Stiefel auf dem Boden, das Rattern der Maschine schien sich um ein vielfaches zu verstärken.
Er verbrachte die nächsten drei Stunden in diesem Raum. Seine Schreie wurden durch die Schallschutzwände geschluckt. Sie schafften es bis Stufe fünf, dann brach Werle zusammen.
Zurück in seiner Zelle merkte er, dass er jegliche Empfindung in seinem Körper verloren hatte. Seine Haut fühlte sich taub an. Sie hatten ihn ausgezogen, denn Kot, Schweiß und später das Blut das ihm aus Nase, Mund und Ohren lief, haben seine Sachen unbrauchbar gemacht.
Sie folterten ihn noch mehrere Wochen. Dabei setzten sie verschiedene Drogen ein. Irgendwann zerbrach Werle unter dem Druck. Er dachte oft daran sich das Leben zu nehmen, aber sie gaben ihm nicht die Gelegenheit dazu. Sie schafften es nicht, ihn umzudrehen. Er war nutzlos für sie geworden und der raue Ton wurde noch strenger.
Eines Morgens um fünf holten Sie ihn und er hatte Angst es würde erneut losgehen. „Du kannst gehen, Du hast Glück gehabt.“ Er konnte in sich die Erleichterung spüren – sie ließen ihn frei. Kann das sein? Warum? Er wollte nicht daran zweifeln. Endlich hatte er die Hoffnung hier rauszukommen.
Als er den Hof betrat, konnte er seit drei Monaten endlich wieder den Himmel sehen. Jedoch hatte sich seine Wahrnehmung verändert. Die Farben schillerten wie Öl im Wasser. Es war kein blau mehr -- es war mit schlieren durchzogen.
„Hast Du gedacht, Du hast es geschafft? Du kommst hier raus? Hast Du das tatsächlich geglaubt Deutscher?“ Die Wache lachte. Werle hörte ein Klicken, dann den Knall.
Er sah die Szene von oben, wie in einem Film. Zwei Soldaten, die über seinem Körper knieten. Einer fühlte am Hals nach dem Puls. Er entfernte sich immer mehr. Sah den Gefängnishof, die Mauern, die Straßenzüge.
Plötzlich wurde es dunkel. „Du bist schon wieder zu spät - ich habe Dir doch gesagt, Du sollst nicht so lange aufbleiben Peter. Immer muss ich Dich morgens aus dem Bett holen. Ich habe es satt, dass Du immer bis spät in die Nacht vor dem Computer hängst.“ Er kam zu sich. Er merkte, dass er in seinem Bett lag. An der Decke über ihm hing ein großes Foto seiner Lieblingsband. Der Monitor seines PCs flackerte noch, er sah‘ das Titelbild von Stalingrad. Ein Adventure, dass er bis spät in die Nacht gezockt hat. Überall Chipstüten und Cola-Flaschen. Nie mehr vor dem Schlafengehen, dachte er sich.
Er stand auf und ging ins Bad.
ENDE