Was ist neu

Der Buchhalter des Teufels

Mitglied
Beitritt
22.02.2002
Beiträge
2

Der Buchhalter des Teufels

Pater Michael besuchte wie jeden Freitag abends das Gasthaus zur Post. Es war eine heruntergekommene Spelunke, die die Bezeichnung Gasthaus nicht verdient hatte, doch musste man auf den nächsten Zug warten, so gab es keine Alternative. Der Bahnhof war eine kleine Station mitten in den Grasländereien von Hagaast, der Ort hieß Notting. Pater Michael betrat die verrauchte Spelunke. Drinnen roch es nach Bier und der leicht säuerliche Geruch von Erbrochenen hing in der Luft. Da hatte jemand lange auf den Anschlusszug warten müssen. Das Gasthaus war kaum besucht, nur ein paar Männer standen an der Bar rum und eine Frau mittleren Alters telefonierte im hinteren Bereich der Bar. An den abgenutzten Tischen saß nur ein Gast. Michael grüßte den Barkeeper. Sie kannten einander nun schon sehr lange, was in Notting, einer 200 Seelen-Gemeinde nicht besonders schwer war. Der Pater begab sich an die Bar, die Männer dort drehten ihm sofort den Rücken zu, sie wollten kein Gespräch mit ihn. Nichts besonderes, Michael beschloss erstmals sich ein Bier zu genehmigen. Während er es mit kleinen Schlücken leerte, betrachtete er aufmerksam den Mann an den Tischen. Er schien etwa 40 zu sein, schwarzes, kurzes Haar, das früher einmal mit Gel behandelt worden war, nun aber wirr vom Kopf wegstand. Der Mann war nervös, denn sein Blick huschte unentwegt durch den Raum. Schließlich trafen sich ihre Blicke und der Mann winkte Michael zu sich.
„Ja, mein Sohn was willst du?“, fragte Michael mit ruhiger Stimme.
„Ich möchte, dass sie mir zuhören, Pater“, erwiderte der Mann mit zittriger Stimme. Er schien unter enormen Druck zu stehen, Schweißperlen hatten sich auf seiner Stirn gesammelt.
„Ich möchte, dass sie mir zuhören, aber stellen sie keine Fragen, geben sie keine Kommentare ab. Dies ist keine Beichte, ich brauche keine Absolution!“, fuhr der Mann den Priester an. Seine Rechte Hand, zur Faust geballt, sauste auf die Tischplatte. Plötzlich wurde es im Gasthaus still. Alles blickte auf den Pater und den Fremden.
„Ist in Ordnung“, erwiderte Pater Michael ruhig und gelassen.
„Es war vor zwei Jahren, während der großen Entlassungswelle in der staatlichen Verwaltung. Mich hatte es auch erwischt, und so saß ich Abend für Abend in den elendsten Spelunken meiner Stadt herum, und wartete darauf, dass sich die politische Lage wieder beruhigen würde, und ich wieder Arbeit bekomme.
War es an einem Freitag? An einem Samstag? Ich weiß es beim besten Willen nicht mehr. In einem meiner Stammlokale lernte ich Herrn Meiser kennen. Wir saßen beide an der Bar, und es ergab sich ein Gespräch. Er war freier Handelsvertreter, und nur auf der Durchreise. Als ich ihm erzählte, dass ich Buchhalter sei, hat er mich sofort angestellt. Mann, war ich froh. Gleich am nächsten Morgen fing ich bei ihm an.
Seine Verkaufstaktik war ungewöhnlich. Er war nicht darauf aus Aufmerksamkeit zu erregen, oder Kunden anzusprechen. Es schien mir eher so, als ob er nicht entdeckt werden wollte. Sein Verkaufsstand bestand aus einem kleinen Stehtisch und zwei Klappsesseln. Sein Warenlager waren seine Reisekoffer. Im ersten Augenblick glaubte ich an einen schlechten Scherz, doch Herr Meiser beruhigte mich, ich solle ihm nur ein wenig vertrauen. Mein erster Vormittag ging vorüber, kein Mensch beachtete unseren Verkaufsstand, und so schön langsam wurde ich unruhig. Am Nachmittag hatten wir endlich unsere erste Kundschaft. Es war eine junge Mutter mit zwei kleinen Kindern, echten Nervensägen. Sie rüttelten und zerrten an ihrer Mutter rum, als wäre sie ein Obstbaum. Meiser sah die beiden Kinder kurz an, lächelte und holte aus seinen Reisekoffer ein nagelneues Kartenspiel. Sofort ließen die süßen Kleinen von ihrer Mutter ab und stürzten sich auf die Karten. Währenddessen kümmerte sich Meiser um die Frau, ließ sie auf meinen Sessel niedersitzen.
Anstatt ein Verkaufsgespräch über unsere Produkte zu führen, begann Meiser über völlig belangloses Zeug mit ihr zu reden. Die Stunden vergingen, und noch immer redeten und redeten die beiden. In der Zwischenzeit wusste Meiser alles über die Frau, ihre Sorgen und Probleme, während die Kinder mit wachsender Begeisterung Karten spielten. Erleichtert erhob sich die Frau, und lächelte Meiser und mich an. Das Gespräch hatte ihr gut getan, erst jetzt bemerkt ich, wie hübsch die Frau war. Meiser drängte ihr noch eine neue Hautlotion auf, er meinte die würde ihr gut tun, sie entspannen. Jetzt kommt der Clou: Er verlangt weder für das Kartenspiel, noch für die Lotion irgendeinen Cent. Dafür musste ich die Adresse der Frau notieren, ihren Namen, Geburtsort, Mädchennamen, alles bis ins kleinste Detail. Ich kam aus dem Staunen nicht mehr heraus, zumal die Frau bereitwillig Auskunft gab. Die nächsten Tage verliefen in ähnlicher Weise, Meiser änderte seine Strategie nur darin, dass er manchmal die Sachen ohne ein Wort zu sagen den Leuten gab, dann kamen sie zu mir, ich schrieb alles auf und so weiter. Manchmal brauchte es ein „Beratungsgespräch“, so wie er es nannte, und dann musste ich die Sachen verteilen und die Namen notieren. Man möchte meinen, dass einem die Leute mit dieser Taktik die Bude einrennen würden, doch Meiser hatte alles im Griff. Es schien sogar als ob die Leute sich im Gelände rumtrieben, bis sie an der Reihe waren. Es war ein ruhiges Kommen und Gehen, einer nach dem anderen.
Wir wechselten wieder einmal unseren Verkaufsstandort. Meiser tat dies nach eigenen Gutdünken, manchmal nach einer Woche, manchmal nach einem Monat oder nach einem Tag. Wir fuhren dann immer mit den Zug weiter, so auch in dieser Nacht. Ich las ein Buch, mit dem Titel „Rhetorik im Verkauf“, denn Meiser und seine Strategie gefielen mir, und ich hatte schon halb beschlossen ebenfalls Vertreter zu werden, vielleicht sogar Meisers Partner, vorher sollte ich ihn aber noch auf den Geschmack des Geldes bringen.
Plötzlich fing Meiser an leise zu lachen, ich blickte von meinen Buch hoch und er lächelte mich an: „Versuchen Sie die Leute zu überzeugen, nicht zu überreden.“
Ich wollte ihn fragen, was er damit meine, doch er lächelt mich weiter an: „Ihnen scheint mein Verkaufsstil zu gefallen? Sehr gut, Sehr gut. Um es ihnen leichter zu machen, sollten sie sich erst einmal das hier ansehen.“ Er holte einen altmodischen Telefonhörer und ein nagelneues Handy aus seinem Reisekoffer und nahm beide Geräte in die Hand. Er hob das alte Telefongerät hoch: “Was können Sie mit diesem Gerät machen? Richtig, Telefonieren.“. Was können sie mit diesem Gerät machen?“. Nun hob er das Handy hoch, und ich begann in bester Vertretermanier Meiser von der fabelhaften Technik des Gerätes zu überzeugen, doch er winkte rasch ab: “Was machen 90% der Leute mit diesem Gerät? Richtig, Telefonieren. Wir haben hier also zwei technische Geräte, dazwischen steht ein Quantensprung an Entwicklung. GPRS, WAP und wie dieser sinnlose Schnick Schnack auch immer heißen mag, bleibt ungenutzt. Trotzdem würde kein Mensch dieses Handy kaufen, wenn es diese Stückchen nicht spielen würde.“ Er schob das Handy in seinen Koffer, während ich hinter den Sinn seiner Worte zu kommen versuchte. „Wissen Sie, der Mensch ist ein sehr neugieriges Wesen, neugieriger als alle anderen Wesen auf dieser Erde. Seine Neugier wird eigentlich nur von seiner Dummheit übertroffen und die ist ja bekanntlich unendlich. Die Menschen sind Mangelwesen, immerzu gibt es etwas, nach dem sie sich sehnen. Nie fühlen sie sich eins mit sich selbst. Zufriedenheit und Gelassenheit kennen die Menschen nicht, denn sie glauben, dass das Neue sie endlich vervollständige. Sie wollen das werden, was sie nicht sind, nicht sein können. Warum glauben, sie ist der Mensch in der Savanne plötzlich aufrecht gegangen? Wollte er den Himmel sehen, seine Feinde überragen? Warum hatte er das Rad erfunden, das Schwarzpulver, das Telefon? Diese ganzen Entwicklungen und Entdeckungen haben den Menschen nur flüchtige Momente der Zufriedenheit gebracht. Die Forschung und deren Ergebnisse sollten den Menschen befreien, doch er hat das in seiner Maßlosigkeit umgekehrt. Ihre Neu-Gier und ihre Dummheit, das werden unsere Ansatzpunkte sein.“
Ich versuchte dem Ganzen einen Sinn zu geben und um die Verwirrung komplett zu machen fragte ich, warum wir eigentlich nie Geld für unsere Produkte nähmen. Verächtlich fing Meiser an zu schnauben und wütend holte er einen zerknüllten Geldschein aus seiner Sakkotasche, den er auf das Tischchen schleuderte: “Geld? Nutzlos. Was wird es morgen noch wert sein? Die Hälfte? Das Doppelte? Nein, wir verlangen kein Geld, das ist eine Erfindung der Menschheit, es soll die ihre bleiben. Das, mein lieber Freund, das ist unser Kapital“, er klopfte auf den Ordner, in dem sich die Liste mit den Namen aller „Kunden“ befand. In der Zwischenzeit mussten es Tausende sein.
“Wir investieren in dieses Kapital mein Freund, jeder einzelne Name, jede einzelne Angabe ist ein Gewinn für uns. Den Preis für meine Leistungen werden die Leute bezahlen!“ Seine Augen blitzten zornig, sein Kopf war rot wie der einer Tomate, die Adern auf dem Kopf traten hervor. Er verharrte für einige Sekunden, dann beruhigte er sich und fuhr mit sachlicher Stimme fort: “Doch nun gehen Sie schlafen, morgen ist ein schwerer Tag für uns.“ Meiser lehnte sich in seinen Sessel zurück und fing schon nach wenigen Minuten an leise zu schnarchen.
Ich beschloss, dass es das beste sei, zu verschwinden und stieg beim nächsten Bahnhof aus den Zug.“. Der Mann blickte auf seine Uhr: “Ich muss los. Leben Sie Wohl.“
Er legte einen Geldschein auf den Tisch und verschwand durch die Tür. Zurück blieb ein Ordner, gefüllt mit Hunderten, wenn nicht Tausenden Namen.
Am nächsten Morgen wurde eine männliche Leiche am Bahndamm gefunden. Die Verstümmelungen der Leiche machte eine Identifizierung unmöglich, Personaldokumente wurden keine gefunden.
Pater Michael kannte als einziger den Namen. Er war der letzte der langen Liste: Maximilian Bauer, geb. 23.4.1962, wohnhaft in Brusen, Buchhalter, gestorben am 22.1.1992
Letzten Freitag.

 

Nun gut habe mir mal diese ältere Geschichte rausgesucht:

Ich gehe davon aus das du nicht mehr auf der Site bist, aber nichtsdestodrotz:

Die Idee hinter deine Geschichte ist gut, nicht neu aber aufjedenfall zeitgemäss umgesetzt.
Der Schreibsteiel ist auch nichtchlecht, auch wenn du ein Problem mit dem armen Datiev hast:

An den abgenutzten Tischen saß nur ein Gast.
es muss an dem abgentzten Tisch... heißen.
sie wollten kein Gespräch mit ihn
Auch hier wieder : es muss " mit ihm" heißen.

Du hast noch mehr Fehler in der Art, schau einfach noch mal nach.

Was das ende deiner Geschichte angeht, bin ich etwas enttäuscht, da hätte man mehr draus machen können, sie endet zu abrupt und zu einfach.

Aber dennoch ist deine Geschichte auf jedenfall Wert gelesen zu werden. ;)

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom