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Der Brunnen auf dem Markt (Bürgermeisters Traum)

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10.04.2013
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Der Brunnen auf dem Markt (Bürgermeisters Traum)

Das Dörfchen lag scheinbar ermattet in der Glut des Mittags, recht hoch oben auf einem Hügel, der, bei aller gebotenen Phantasie, einem in der Landschaft kauernden Katzenbuckel ähnelte.
Aber halt, denn eigentlich handelte es sich um ein gar nicht einmal so kleines Dorf, verfügte es immerhin über einen Marktplatz, auf dessen Mitte ein gotisch anmutender Brunnen plätschernd das Wasser im Kreis spazieren führte, ehe er es am höher gelegenen zentralen Punkt in einem amorphen Strahl nach oben bugsierte. Ja, der Eindruck, er erbräche es, schien nicht weiter hergeholt, als das Wasser, welches durch ihn hindurch zirkulierte.

Nun, war es wirklich so heiß? Stand die Sonne hoch im Mittag? Nein, der Tag neigte sich bereits dem Abend zu, und obschon niemand im Dorf seiner leichten Bekleidung wegen fror, so klagte auch keiner über lastende Hitze. Und bei Licht besehen befand sich das Dorf eigentlich gar nicht auf einem Hügel, es mochte eine Erhebung sein - wer wollte da nachmessen?

Der Ort bot eine nicht geringe Zahl an Häuptern, die unterschiedlich hoch empor ragten, Männlein wie Weiblein, ein jeder warf den Schatten, den er verdiente - und darunter befand sich auch der Bürgermeister - all das soll, will und werde ich nicht zurücknehmen!

Der Bürgermeister war von kümmerlicher Statur, dürr und hager. Und gab er einmal einen Witz zum Besten, so gelang es niemandem, sich aufrichtig darüber zu amüsieren, was doch nicht vom Gebotenen herrührte, denn in der Humor verscheuchenden Art des Vortrags begründet lag.
Wer mochte sagen, weshalb ausgemacht dieser Mensch jenes Amt bekleidete und nicht ein solcher von stattlicher Erscheinung, rund und stämmig; jemand, der seinem Wesen nach etwas kauzig war, doch von erhabener Bodenständigkeit und gesegnet mit einem vielleicht etwas derben, doch nie je böswollenden Humor? Einer, der einen mächtigen Schatten warf, in welchem zu verweilen bedeutete, sich würdiger Finsternis und heiterer Geborgenheit anheimzugeben, als läge man tief im Wald unter einer fröhlichen Eiche?

Ich gebe zu, ein genau solcher Mensch war dieser Bürgermeister!

So sich die Bewohner des Dorfes mit diesen und jenen, ernsten und lächerlichen Sorgen herumplagten, wie überall sonst auf dieser Welt sich Menschen mit Sorgen herumplagten, schätzten sie sich doch glücklich, einen solchen Bürgermeister in ihrer Reihen zu wissen, dessen erdige, beruhigende Wesenheit vielen kleinen und großen Seelenkümmernissen und Beschwernissen zu mancher Leichtigkeit verhalf.

Des meist saß der Bürgermeister auf der alten Bank am Marktplatz - jedenfalls, sofern es nicht gar zu ungemütlich wetterte oder ein eisiger Wind winters den Frost durch die Gassen scheuchte. Von dieser Bank, aus schwerem Feldstein gehauen und einem Hünengrab nachempfunden, konnte er den Brunnen in seiner ganzen Pracht betrachten, wie dieser sich mit dem Wasser mühte. Auch - natürlich - beschaute er sich die Leute seines Dorfes, wie sie einherschritten, er kannte sie ja alle samt und sonders!

Und was er sah, war mannigfach, all das, was Menschlein-Sein begründet, daran gebrochen, was sie tun, was sie sind und wer und wie - Alte, die sich durch den November ihres Lebens schleppten, Kinder, die in alles toll hineinsprangen und - sausten, die Jugend und ihr Spiel der ziehenden Verlockung, die Tüchtigen in ihrer rastlosen Geschäftigkeit, die Trägen, Grübelnden, Bemutternden, Ekelhaften, Heiteren, Bitteren und entkernten Seelen.

Auch an diesem Tage saß der Bürgermeister auf der Bank beim Brunnen, und mehr , als diesen zu beschauen oder mit seinem Blick den Vorübergehenden zu folgen, mehr als all dies, dachte er nach, tief in sich versunken, denn er hatte einen Traum in der Nacht zuvor, einen Alp der Vernichtung und des Verderbens - bar wahren Lichts, einen Traum vom Ende dieses Dorfes.


Der Traum des Bürgermeisters

Der Ausgang befindet sich im Bereich einer nach unten führenden Treppe jenseits aller Vernunft. Wo hatte sich noch der Eingang befunden? Er war einst den Stufen gefolgt, die ihn nach unten führten, es sind dieselben, es sind aber dieselben. Die nach unten führenden Stufen des Eingangs können nicht die nach unten führenden Stufen des Ausgangs sein. Er benutzt die Stufen, die herab führen, den Ausgang, er kann ihn nicht hinaus geleiten, er führt hinab. Er führt hinaus? Obgleich das unmöglich ist, steht er jenseits des Ausgangs, was bedeutet: draußen.
Draußen, hier, um ihn herum nur Weite ohne Landschaft, eine Scheinwüste. Er dreht sich suchend im Kreise, blickt in die Ferne zum Horizont, über den neugierige Götter springen, auf welchem überbunte Weiber der Sehnsucht balancieren, sich ihrer Unnahbarkeit mutwillig, ja boshaft bewusst, da hört er das Plätschern, das so vertraute, es war von Anbeginn zu hören, doch die Götter in der Ferne und die ewig-keuschen, farbenklecksenden Sehnsuchtsweiber hatten ihn zunächst irren lassen, hört das Kreischen der Kinder, das Lachen der Mädchen, den schweren Husten der Alten, hört Vögel in den Bäumen und den Wind, der Schilder klappern macht, all dies, als sei es da. Es ist da. Er glaubt die Anstrengung der Wüste zu spüren, ihren Schein zu wahren. Ist es der ihre? Ist er die Wüste oder ihr Schatten?
Die Geräusche des Brunnens verstummen. Im gleichen Moment steht er neben dem Brunnen, steht auf dem Marktplatz, ringsherum die Häuser. Die Scheinwüste hat sich verwandelt, er hat sich verwandelt, das Dorf, das ohne Menschen, der Brunnen, der ohne Wasser, er spürt nichts, alles ist da, doch er spürt nicht, dass alles da ist, es ist nichts da, dass er für-wahr-nehmen könnte, er weiß nur, dass alles verloren ist.

Am späten Abend, als sich die Dunkelheit über das Dorf gebreitet hatte, als der Bürgermeister schon lange nicht mehr auf der Bank am Brunnen saß, sondern daheim am Kamin in seiner Stube ruhig und sanft eingeschlafen war, da schwieg mehr und mehr ein Alles und ein Jedes, auch die Tiere, und kaum ein Gefährt rumpelte noch durch die wenigen krummen Gassen mit ihrer schorfen steinernen Haut, und ein Tag war vergangen, ein neuer würde sich erheben, ja - doch die Nacht, diese Nacht verhieß nunmehr Stille.

Jedoch, das Spiel des Brunnens ruhte nicht, und so vernahm ein jeder Wanderer der Nacht - ich - dessen Plätschern und jenes mühende Geräusch, so der Brunnen das Wasser zu einer sprudelnden Krone zu formen trachtete und es doch nur zu erbrechen vermochte.

 

Hej 7miles,

ich glaub nicht, dass es was fruchtet, alles, was ich Dir sage. Du stehst einfach auf diesen verschwurbelten Stil, gegen den ich vllt weniger hätte, wenn Du nicht immer diese :fluch: Bremskötze einbauen würdest ...

bei aller gebotenen Phantasie
Soll'n das? Bringt doch nix. Ehrlich mal.

Aber halt,
Ganz im Gegensatz hierzu.

Stand die Sonne hoch im Mittag?
Sagt man so?

wer wollte da nachmessen?
:fluch:

all das soll, will und werde ich nicht zurücknehmen!
:fluch::fluch::fluch: (erinnert mich an den Deutschunterricht der 9. Klasse, rhetorische Figuren)

nicht ein solcher von stattlicher Erscheinung, rund und stämmig; jemand, der seinem Wesen nach etwas kauzig war, doch von erhabener Bodenständigkeit und gesegnet mit einem vielleicht etwas derben, doch nie je böswollenden Humor? Einer, der einen mächtigen Schatten warf, in welchem zu verweilen bedeutete, sich würdiger Finsternis und heiterer Geborgenheit anheimzugeben, als läge man tief im Wald unter einer fröhlichen Eiche?

Ich gebe zu, ein genau solcher Mensch war dieser Bürgermeister!

Hä? Der Bürgermeister ist von kümmerlicher Statur und anschließend wirft er einen mächtige Schatten?

wie überall sonst auf dieser Welt sich Menschen mit Sorgen herumplagten
herumplagen, sie tun und taten es, ständig, immer, überall - oder legst Du etwa Wert darauf, dass sie es in eben diesem Moment (wie sonst auch) und vor allem zu diesem Zeitpunkt taten?

dessen erdige, beruhigende Wesenheit vielen kleinen und großen Seelenkümmernissen und Beschwernissen zu mancher Leichtigkeit verhalf.
Ist das jetzt schon der Traum des Bürgermeisters von sich selbst (denn eigentlich ist er ja dünn und hager und hat irgendwie keine guten Sinn für Humor)?

Er war einst den Stufen gefolgt, die ihn nach unten führten, es sind dieselben, es sind aber dieselben.
Ist das Absicht?

farbenklecksenden Sehnsuchtsweiber
Schön :)

Er glaubt die Anstrengung der Wüste zu spüren, ihren Schein zu wahren. Ist es der ihre? Ist er die Wüste oder ihr Schatten?
Er glaubt, den Schein der Wüste zu wahren?. Er fragt sich, ob er selber die Wüste ist oder ihr Schatten? Und wenn ... na ja, Träume halt ...

würd ich schon noch etwas aufdröseln ...

doch die Nacht, diese Nacht verhieß nunmehr Stille.
:fluch:
Man könnte sich dazu auch vorstellen, wie ein Chor kleiner fetter Engel aus Tuffstein ein paar Zentimeter über dem Boden durch die Landschaft flattert und "Oh, Du Selige" singt.

ein jeder Wanderer der Nacht - ich -
:rotfl:
Wie unbescheiden.

Fakt ist: Viel erlebt hab ich nicht. Ich find's schade, wenn so viele Worte um so wenig Erlebnis herum gezimmert werden.
Vielleicht können andere mehr heraus lesen.

LG
Ane

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Ane,


- also ... ich zähle dieser da fünf. Zum Schluß schreibst du dann:

Viel erlebt hab ich nicht.

Da denke ich, hm, wer fünffach fluchend durch einen Text marschiert, dessen Erleben war ja dann immerhin nicht indifferent.

Aber es ist auch für Ironiker wie mich, die sich bereits daran laben, so ihr Text irgendeine Wirkung auf den Leser entfalten, gleichgültig, ob pos- oder negativ, nicht zu übersehen, dass 1. Dir diese Geschichte insgesamt nicht gefallen hat und 2. sie sonstens eine überaus spärliche Resonanz zu erfahren scheint, was mir wiederum einen Hinweis geben sollte, darauf, dass vermutlch viele ihre Flüche unterdrücken und es lieber unterlassen zwielichtigen Metakrempel zu besenfen, auf die Gefahr hin als engstirnige Metakrempelbesenfer die vermeindliche Arena verlassen zu müssen.
Um so dankbarer bin ich Dir, Ane, dass du mir hier (so wie auch in der Vergangenheit des häufigeren) Deine Flüche zur Verfügung stellst, nicht bloß, da Du mich so befähigst, lawinöse Erklärungen zu verfassen.
Insofern

ich glaub nicht, dass es was fruchtet, alles, was ich Dir sage.

ist das Gegenteil der Fall, es sei denn, Du möchtest mich davor bewahren, Werke zu schaffen, die Flüche auslösen. Aber das kann ich mir bei aller gebotenen Phantasie nicht vorstellen.
Diese Einschränkung verheißt nichts Gutes, und ich könne mir denken, dass auch dieser Kommentar noch den ein oder anderen Fluch bei Dir entfesselt.
Zur Geschichte. Stilistisch ist sie ja im Bereich des Schwurbelns angesiedelt, und was dich Bremsklötze dünken, sind im Grunde auf Geschwurbeltes oktroyiertes Geschwurbel. Wir haben es hier also mit einem Dorf zu tun, mit Wetter, einem Bürgermeister, mittig einem Brunnen sowie einer Traumsequenz. Ein Icherzähler geistert durch den Text, ganze dreimal taucht das Personalpronomen launisch auf. Das Geschilderte relativiert oder negiert sich des öfteren (Wetter, Dorfgröße, Dorflage, Bürgermeister),so dass "allen Ernstes" eigentlich der Eindruck entstehen müsste, dass die Situation insgesamt sich auf eine beliebige Weise inkonstant verhält. Der Traum des Bürgermeisters soll diesen Eindruck fundamental vertiefen, dass nämlich Lug und Trug herrsche statt seiner, eine Situation sich ausschliessender Wirklichkeit dieses Dorf gleichsam aufhebt, dessen Existenz also eigentlich nur auf diesen Widerspruch, Sand, gebaut ist (zu sein scheint). Die Sehnsuchtsweiber, die auf dem Horizont balancieren, sind eine Metapher für die Unerreichbarkeit einer soliden Realität. Dem Brunnen kommt eine Schlüsselrolle an der Schnittstelle dieser (Un)wirklichkeit zu. Er ist aber nicht in der Lage ob seiner verzweifelten Versuche den prekären Zustand zu überwinden und zeigt letztlich nur die fatale Unerlangbarkeit auf.

Wie du siehst, ich habe hier bloß meinen derzeitigen Seelenzustand verbraten. Hoffentlich nicht nur zuungunsten derer, die sich hier lesend Mühe bereiteten ...
7

 

Vielen Dank, 7miles, für deine interpretationistische Hilfestellung zu diesem zwielichtigen Metakrempel.

Ane schrieb:
Vielleicht können andere mehr heraus lesen.

schrieb Ane, und zumindest ich bemühte mich redlich, und war, muss ich sagen, mit meinen Interpretationsversuchen gar nicht mal so weit weg von deiner Intention, glaub ich.
Weil:

Der Bürgermeister war von kümmerlicher Statur, dürr und hager […] Wer mochte sagen, weshalb ausgemacht dieser Mensch jenes Amt bekleidete und nicht ein solcher von stattlicher Erscheinung, rund und stämmig;
[…] Ich gebe zu, ein genau solcher Mensch war dieser Bürgermeister!

Dieser scheinbare Logikfehler schien mir irgendwie eine Schlüsselstelle zum Verständnis der Geschichte zu sein, weil ich mir einfach nicht vorstellen konnte, dass dir dieser so offensichtliche Widerspruch aus schierem Versehen oder Schlampigkeit passiert sei. Und weil die Geschichte obendrein in der Rubrik Seltsam steht, überlegte ich, was ist hier nun Schein und was ist Sein, was ist des Erzählers Phantasterei und was des Bürgermeisters, was ist hier Lug und was ist Trug und was ist wahr oder zumindest wahrscheinlich. Tja, und so ging ich in dieser Geschichte sozusagen im Kreis ein paarmal, und dies sogar mit Vergnügen.
Eigentlich mag ich so symbolistischen Kram ja überhaupt nicht, hier gelingt es dir aber einmal mehr, mich mit deiner (durchgeknallten?) Erzählsprache zu fesseln.
Weil ich mag, zumindest hin und wieder, so einen Stil, mögen ihn andere (vielleicht sogar du selbst?) auch als artifiziell oder anachronistisch oder gar verschwurbelt ausschweifend empfinden, ja, manchmal lese ich sowas wirklich gerne, so es gut gemacht ist. Diese radikale Antithese zu moderner, verknappter, ökonomischer Schreibe eines z.B. Raymond Carver oder Cormac McCarthy ist mir bisweilen sozusagen ein amüsantes Korrektiv, bzw. ein Zeugnis für den Facettenreichtum und die unbegrenzten Möglichkeiten der geschriebenen Sprache, so wie ich mir nach einer halben Stunde New Model Army oder Public Image Limited ganz gerne dann z.B. Camille Saint-Saëns‘ Samson et Dalila anhöre oder Vincenco Bellinis Norma.

Also zumindest mich wirst du mit solch zwielichtigen Pretiosen nicht aus dem Forum vertreiben, im Gegenteil.

offshore

 
Zuletzt bearbeitet:

Weil ich mag, zumindest hin und wieder, so einen Stil, mögen ihn andere (vielleicht sogar du selbst?) auch als artifiziell oder anachronistisch oder gar verschwurbelt ausschweifend empfinden, ja, manchmal lese ich sowas wirklich gerne, so es gut gemacht ist.

Zunächst einmal möchte ich mich bei allen Klickern und Klickerinnen bedanken, sei es, sie klickten im Norden, im Süden, Westen oder gar im Osten. Ich halte dafür, dass ein jedes Klicken - und ich rede hier noch nicht einmal vom Doppelklicken -, ein Klicken ist, das auch und gerade im Gesamtkontext dritten Klickens, welches heute, und wenn ich heute sage, meine ich den aktuellen Zeitrahmen, mehr denn je ein hörbares sein sollte, eines, das landauf, landab nicht bloß klickt, sondern, ja, klackt. In diesem Sinne möchte ich meiner aufrichtigen Freude besonderen Ausdruck verleihen, ja schenken, dass, in der Gemengelage eines hundertfachen, nein tausendjährigen Klickens auch Dein Klick, Ernst, seiner Vernehmlichkeit sich zu erbieten getraute, ohne Wenn, ohne Aber, wiewohl in einer an Zuversicht grenzenden, unzertrennbaren Verklickung.

Dies ist Geschwurbel, odrr? Von welchem demnächst hier (dort) im Piefke-Land so manch eine Vollversion für erheiternde Hirnschwurbel sorgen dürfte (Wahl). Geschwurbel, also die Hernahme der Sprache als Verselbstzweckung ihrer selbst zum Zwecke des Schaffens mutwillig inhaltsleerer Hülsenkonstrukte, ist sicher- und hoffendlich nicht mein heiliges Wahl-Mittel, mir Ausdruck zu verschaffen.
Bemüßige ich mich dieser vorgeblich unzeitgemäßen Sprachvariante unserer Vorväter, so tue ich dies zuförderst deswegen, da es mir eine ungeheure Lust und Inspiration verursacht. Ich denke, die Zeit, in welcher solch Duktus üblich war (f.i. W.Raabe), war eine Zeit sprachlicher Blüte, vieles ist seither im Rückzug begriffen, womit ich nicht gesagt haben will, dass etwa eine karge Sprache nicht ihre Berechtigung hätte oder ich einem verbockten Konservativismus huldigte, aber ich stelle eine Verarmung fest, als Basistendenz, dem scheinbar bunten Iphonigen zum Trotz; auch bemerke ich, das das narrative Erzählen häufig in einer sprachlich stereotypen Beliebigkeit stattfindet, die Sprache lediglich als Mittel zum Zwecke degradiert, als sei es einerlei, ob man mit Blut schreibe oder mit roter Tinte, ob man sich die Welt erwandere oder ins Auto steige etc.
In gewisser Weise möchte ich das sprachliche Herz der Ahnen ins Heute verpflanzen zur Schilderung des Universellen, jedenfalls, genau, unabhängig davon, ob ich can, the clash oder pumpkins ihrem mehr oder weniger zeitlosen Herz- und Hirnschlag zulausche: manchmal.

Also zumindest mich wirst du mit solch zwielichtigen Pretiosen nicht aus dem Forum vertreiben, im Gegenteil.

Danke, Ernst, für's Verstehen
7

 
Zuletzt bearbeitet:

Hm.

Ich habe die Geschichte zu Ende gelesen. Fand den schwurbligen Stil durchaus passend zu den altmodischen Versatzstücken und der inkohärenten Handlung.

Dann habe ich innegehalten und gedacht:
"Also die Wirklichkeit - mal wieder, was sonst. Ihr Wesen gleicht dem Fisch, dem nassen / schlüpfrig ist's und nicht zu fassen".

Der letzte Satz, die Gewissheit, die sich ihrer Bodenlosigkeit gewahr wird: das könnte Hegel gewesen sein. Das Bewusstsein, dass sich seiner selbst bewusst wird. Oder Beckett, der hinter der Gewissheit nur Leere fand. Oder vielleicht nicht, dann war es ganz anders.

Hm. Je mehr ich darüber nachdenke... hast du, 7miles, an das Literaturschreiben im allgemeinen und besonderen gedacht, als du das Bild des Brunnens entworfen hast? Das "Plätschern und jenes mühende Geräusch, so der Brunnen das Wasser zu einer sprudelnden Krone zu formen trachtete und es doch nur zu erbrechen vermochte"? Nein? Ehrlich nicht? Verstehe... sonst stünde die Geschichte unter "Satire".

Und damit Klappe zu. Dass ich von Geschichten mehr als Gehirnschwurbel erwarte, das ist nur eine Marotte von mir. Muss ja nicht sein. Vor allem nicht in der Rubrik "Seltsam".

Viele Grüsse, Alec

 

Hallo DorisR,

danke für deinen Kommentar!

diskutieren da zwei ewige Germanistikstudenten seit ewigen Zeiten über ewig öde Themen?

Eine schöne Formulierung für das sprachliche Grauen schlechthin und offenbar dein Empfinden zum Text.
Das ist natürlich tragisch, und ich kann dir dazu nur schreiben, dass ich es bedaure.
Dass du mich allerdings herumkafkaren sahst, wenngleich eher hilflos, ringt mir Erstaunen ab, den hatte ich gar nicht im Hinterkopf. Scheint eine Art Reflex zu sein, Texte mit merkwürdigen Inhalten sogleich mit Franz abgleichen zu wollen?
Hast du eigentlich keine Ironie verspürt angesichts des Dorf-Geschehens, dieses sich stets widersprechenden, surrelalen Kammerstücks?
Falls nicht, so laste zur Hälfte ich mir's an, zur anderen argwöhne ich, dass du deinen erzählerischen Gewohnheiten und Erwartungshaltungen und den manchmal nicht so hilfreichen oben angesprochenen Reflexen allzu sehr die Treue hälst.
Gruß
7miles

Hallo Alec,

Ich habe die Geschichte zu Ende gelesen.

Ich empfand das spontan als Kompliment; als ich den Satz nochmals las als Ausdruck mir nicht unbedingt schmeichelnder Tapferkeit.
Also die Wirklichkeit - mal wieder, was sonst. Ihr Wesen gleicht dem Fisch, dem nassen / schlüpfrig ist's und nicht zu fassen

Da fühlte ich mich aber dann schon verstanden. Das Tragende, die trügerische Sicherheit des "Ist", die Scheinbarkeit verlässlicher Orientierung - das ist hier sicherlich das Thema: Die Bodenlosigkeit der Gewissheit.

In diesem Zusammenhang wurde mir klar, dass ich den Text von seiner ausleitenden (rethorischen) Frage befreien muss.

Das Brunnenbild ist die zentrale Metapher, sie steht für vieles und deine Frage

hast du, 7miles, an das Literaturschreiben im allgemeinen und besonderen gedacht, als du das Bild des Brunnens entworfen hast?

nicht von der Hand zu weisen, obgleich sie eben nicht allein zu diesem Zwecke den Dorfplatz ziert. Doch ohne Frage plätschert der Brunnen auch für den Text selber.

Du scheinst die Ironie somit erkannt zu haben, ohne welche das Stück tatsächlich kaum zu ertragen ist.
Vielen Dank und Gruß
7

 
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Lieber 7miles

Vorsicht! Jetzt hast du das Kind mit dem Bade ausgekippt. Ohne den letzten Absatz verrätselst du den Text nur noch mehr.
Ich mochte durchaus, dass ich am Schluss der Geschichte die vielen Fragezeichen, Widersprüche, stilistische Schwurbeleien erklärt bekam. Die Textaussage des letzten Satzes war für mich ehrlich sinnhaft, nach dem ganzen Unsinn obendrüber - etwas nervig, dass sie (wenn ich mich recht entsinne) in einer rhetorischen Frage verrätselt war. Ich fühlte mich wie wenn man ein Puzzle zusammensetzt: kein Stück passt zum anderen, und erst mit dem letzten Stück, der Deutung des Rauschens durch den absurden Ich-Wanderer (hab ich das noch richtig im Kopf?), fliegt das ganze windschiefe Bild wie von selbst zusammen.
Wenn man ein Puzzle fertig hat, ist das ein Grund zur Freude. Wenn man einen Text verstanden hat, auch. Aus dieser Freude, der Einsicht der Sinnhaftigkeit heraus ist mein launischen Kommentar entstanden. Ohne sie hätte ich den Text genervt zugeklickt und mir gedacht "jedem Tag sein Geheimnis - was soll's. Man muss nicht alles verstehen wollen".

Grüsse, Alec

 

Ja Alec,
ich verstehe den Punkt jetzt, zumal sich das für mich, der ich naturgemäß zu nah am Text stehe, von selbst nicht recht erschließt.
Die Absicht der Streichung der (erklärenden) Frage am Schluß soll auch bestimmt nicht sein, den Text absichtlich zu verdunkeln, nach dem Motto, hau was (scheinbar) Sinnfreies raus und nebel diesen Umstand ein zur Unkenntlichmachung eines Nichtvorhandenseins.
Ich werde also einen Ausklang für die Geschichte entwerfen, die der Verrätselung entgegenwirkt und den Puzzlespieler versöhnt, jedenfalls aber nicht als Frage, so, wie es dort zu lesen stand.
Vielen dank für dein fruchtbares Zudenkengeben
7

 

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