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Der Bruch

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24.01.2016
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Der Bruch

Die Zigarette brennt langsam ab, das Bierglas steht halbvoll vor ihm. Sein Blick schweift durch die Kneipe: fahles Licht, dicke männliche Gesichter, alles sieht etwas speckig aus und der Wirt spült klischeehaft die Gläser. Welche Gläser spült er eigentlich oder besser wessen Gläser?
Die ganze Kneipe wirkt wie ein großer Seufzer. Zumindest empfindet er es so. Der Ort riecht nach verpassten Chancen. Er fühlt, dass er hier reinpasst. Er schaut in sein Glas und das sich darin spiegelnde Licht erinnert ihn an nichts. Sein Blick schweift durch die Kneipe: die anderen Gesichter kommen ihm weit weg und wie hinter Milchglas vor. Alles wirkt grau und wie in einer Zeitschleife konserviert. Niemand kommt und niemand geht.
Er nimmt einen Zug, einen tiefen und langen. Er spürt wie der Rauch erst seinen Mund und seinen Rachen und dann jeden Winkel seiner Lunge füllt. Der Rauch beißt nicht mehr. Er tut das schon länger nicht mehr. Er bläst ihn aus und würde gerne seufzen. Er kommt in diese leicht melancholische Stimmung und diese ganze Szenerie kommt ihm nicht mehr nur so vor wie ein Spiegelbild seiner Situation, sondern eher wie seiner letzten Jahre und Jahrzehnte. Das Bier löscht nichts, spült nichts weg, es läuft einfach kühl in seinen Magen. Es ist eher Gewohnheit als Wohltat oder Vergessen. Wenn er sich noch eins bestellen sollte, dann weniger aus Sucht als aus mangelnden Alternativen. Es wartet nichts und er erwartet auch nichts. Er ist im Moment, aber nicht wie es immer alle beschwören. Er ist nicht an diesem Punkt der Klarheit und des Bei-sich-seins, sondern es gibt einfach kein Danach und das Davor ist nichts wert. Er ist einfach an diesem Punkt des Jetzt, ganz ohne Erweckungs- und Erkenntnisromantik.

Er sitzt an einem schweren, dunkelbraunen Holztisch auf einem dünnen, dunkelbraunen Holzstuhl, seine faserigen Hände liegen ruhig vor ihm und in dem roten Werbeaschenbecher brennt seine Kippe ab. Die Anderen sehen ihm ähnlich. Manche sitzen auch so wie er, andere unterhalten sich, doch ihre Stimmen sind nicht zu hören. Jeder ist auf seine Weise für sich. Es gibt keine Mauern zwischen ihnen, sie sind einfach für sich. Es gibt keinen Wunsch nach Verbindung, noch die Ablehnung der Anderen. Man nimmt sich einfach nur wahr.
Ganz kann er es nicht abstreiten, dass der Rauch und das herbe Bier in ihm irgendetwas füllen.

Hätte er doch etwas nachgiebiger sein sollen? Hatte er seine Situation überschätzt? Wahrscheinlich stand ihm sein Stolz im Weg. Ein Verkäufer darf nicht zu viel Stolz haben, zumindest keinen echten. Er darf stolz sein auf vergangene Abschlüsse, aber nicht sein Ego an eine Wunschzahlengrenze binden. Stolz ist nur förderlich bis zur letzten Minute, doch wenn es hart auf hart kommt, muss man ihn ablegen wie eine Hülle. Nur der Erfolg darf einen stolz machen.
Er befand sich jetzt schon eine ganze Weile auf der Unterseite der Sinuskurve. Der Druck wächst, doch dieses Fünkchen Stolz wollte er im entscheidenden Moment doch nicht ablegen. Aus der Sicht des Systems ein Fehler. War es wirklich ein Fehler? Er wollte keine Antwort darauf. War alles insgesamt ein Fehler? Darauf wollte er schon erst recht keine Antwort haben.
Er nahm einen großen Schluck.

In dem klimatisierten, hellerleuchteten Besprechungsraum saß sein dunkelblauer Anzug noch perfekt. Die Krawatte war noch nicht gelockert und hing noch nicht zu lang über der Gürtelschnalle. Allerdings wirkten seine Gesprächspartner überlebensgroß und er hatte das Gefühl ihre Gesichter gar nicht mehr erkennen zu können, so sehr blendete ihn das Licht. Mehrmals deuteten sie an, dass der Preis entscheidend ist und seine Erwiderungen um die bessere Qualität drangen nicht wirklich durch. Er hätte den Spielraum gehabt sich mit ihnen zu einigen, doch ihn ärgerte die aggressive, selbstgefällige Arroganz. Er wollte sie in seine Logik zwingen und er scheiterte. Wie so häufig in letzter Zeit.

Wenn der Erfolg erst einmal ausbleibt, dann wird es eng. Eng in der Firma, eng bei den Kollegen und auch eng mit dem eigenen Selbstwertgefühl. Denn außer Erfolg gab es keinen Preis. Der Versuch hat in einer nach Zielerreichung gierenden Welt wenig Wert. Allerdings hat der Misserfolg -hatte er dieses Wort gerade wirklich gedacht?- auch eine klärende Wirkung, wenn auch auf eine grausame Art und Weise. Plötzlich erschienen ihm auch die Erfolge der Vergangenheit als lächerlich und der ganze Hype um sie als Affengeschrei in einem Käfig.
Es brach alles weg und er ließ es geschehen.

 

Hola Hoffender,

ich heiße Dich willkommen im Forum und finde Deinen Einstand passabel.
Das sage ich, weil Du in Deinem Profil schreibst:

Gerne möchte ich erfahren wie Menschen auf meine Geschichten reagieren.
Ja, sehr passabel. Schon anfangs hatte ich Deinen Hauptdarsteller und das Milieu vor meinen Augen:
Er schaut in sein Glas und das sich darin spiegelnde Licht erinnert ihn an nichts.

Wenn er sich noch eins bestellen sollte, dann weniger aus Sucht als aus mangelnden Alternativen.

Du schreibst fehlerfrei. Gibt’s nicht allzu oft:).
Es stört nichts im Lesefluss, der Text zieht gut durch.
Alles leuchtet ein, man kennt alles – und das ist allerdings der Punkt, an dem ich mäkele.
Wohlbekanntes lese ich ein weiteres Mal, es passiert nichts und meine Hoffnung, dass kurz vor Schluss doch noch etwas Unerwartetes geschieht, erfüllt sich nicht.
Aber eine unaufgeregt erzählte Geschichte hat auch ihren Reiz.

Das ist Dein erster Text hier und es ist m.E. unnötig, in die Details zu gehen (z. B. kam ich gleich zu Beginn mit dem Prot-‚er’ und dem Wirt-‚er’ durcheinander).
Ich schreibe Dir deshalb, weil ich Dich animieren möchte, mehr von Deinen KGs einzustellen – in zeitlichen Abständen, versteht sich. Bei Deinen Voraussetzungen würde ich mich darüber freuen.

Schöne Grüße!
José

 

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