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Der Brief
Stille. Nur ein Gewimmer ist zu hören. Ganz leise. Aus einer dunklen Ecke des Raumes. In der Hand hält Odette ein Stück Papier. Sie liest es. Zaghaft. Seufzer stößt sie aus. Mehrere hintereinander.
Es gab einen Streit. Einen Tag zuvor. Vasen gingen entzwei. Geschrei war zu vernehmen. Dann Gepolter. Treppen knarrten. Zugeknallt wurde die Tür. Je-mand war gegangen. Zurückkehren wird Philippe nicht. Dies entnimmt sie dem Brief. Denn… Er erträgt es nicht mehr. Die permanenten Vorwürfe. Die ständige Eifersucht. Die Verlassenängste. Er braucht Abstand. Er braucht Luft. Zum At-men. Er braucht seinen Freiraum. Deshalb geht er. Aus dem Staub wollte er sich machen. Heimlich und leise. Hatte er vorgehabt. Eigentlich. Doch… Er wurde überrascht. So begann der Zank. Ohne Vorwarnung. Wut war im Raum. Zorn flackerte auf. Und plötzlich… Totenstille.
Zurückblieb ein Wesen. Ein kauerndes und winselndes und zusammengekrümm-tes Etwas. Mit Tränen in den Augen. In der Ecke sitzend. Auf einem Stuhl. Ohne ein Wort zu sagen. Oder sich von der Stelle fort zu bewegen. Seelenruhig. Nur in der Hand haltend das Stück Papier.