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Der Brief des Anderen

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16.11.2003
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Der Brief des Anderen

Er packt seine Sachen ein um nach dem gemeinsamen Wochenende nach Hause zu fahren. Das übliche Prozedere, jeden Sonntag aufs Neue. Damit muss man leben, wenn man sich in einer Fernbeziehung befindet, die beruflich vorerst nicht zu ändern ist. Sie sieht ihm dabei zu, wehmütig und beschämt, weil sie so viel mehr weiß, als er. Die letzten Minuten von dem Film, den sie gemeinsam gesehen haben, fühlen sich wie ein Messer an, das langsam mit einer stumpfen Klinge tiefe Schnitte in ihr Herz treibt. Der Chanson, die Nacht in Paris, alles das, was nur noch romantische Gefühle in ihm weckt. Das alte Pärchen zum Filmende, das er so bewundert und ihr dabei ins Ohr haucht, dass er mit ihr genauso alt werden will. Doch sie weiß, dass es nicht so sein wird. Sie versucht seit Tagen und Wochen die richtigen Worte zu finden um ihm zu sagen, dass es so nicht weiter geht. Doch sie kann es nicht, findet keinen Anfang und keine Formulierung, die ihren Empfindungen gerecht würde.
Die Gefühle für ihn sind stark und sie hasst sich selber bei dem Gedanken ihm das antun zu müssen, obwohl sie permanent zweifelt ist, ob sie das wirklich muss. Ob die Entscheidung die richtige ist. Doch im Grunde ist sie sich sicher, dass früher oder später kein Weg dran vorbei führt, aber später wäre ihr so viel lieber, ihr größter Fehler. Die Schwäche es nicht zu gestehen, dass es diesen anderen Mann gibt. Aus Angst ihn zu verletzen, denn sie weiß, dass er sie so viel mehr liebt, als sie ihn, obwohl sie ihn sehr liebt. Ja sie liebt ihn, so sehr, dass es ihr wehtut, wenn sie daran denkt, was sie ihm antut, antun wird. Sie will ihn nicht verletzen, doch zu schweigen wäre nicht fair. Die Angst vor seinem enttäuschten Blick, den Tränen, den stummen Vorwürfen und der Einsamkeit bohrt sich in ihr Herz. Sie weiß, dass die Einsamkeit nicht nur für ihn kommen wird, sondern auch für sie. Dass sie jeden Freitag, wenn er nicht wie früher auftaucht, diesen dumpfen Schmerz in der Brust spüren wird, als ob sie die Verlassene wäre und nicht er.
Sie bringt ihn zur Tür und sieht, wie er alle Taschen packt, nachdem er sich mit vielen Küssen von ihr verabschiedet. Er sieht den Schmerz in ihren Augen und scheint sich zu freuen, dass sie seit längerer Zeit wieder den Tränen nahe ist, wenn er fährt. Doch er interpretiert dieses Zeichen falsch. Es ist nicht das Vermissen, was zwar immer noch da, aber meistens fast verklungen ist, sondern ihr Schmerz, dass sie sein Leben so gnadenlos aus den Angeln reißen wird. Es tut ihr selber so weh, dass sie es einfach nur verdrängen möchte und ihm wieder die Liebe geben, wie sie es am Anfang konnte. Doch sie kann es nicht mehr, ist nicht mehr dazu fähig.
Sie hatte sich oft ein Leben mit ihm vorgestellt, dem Mann der ihr Leben um so vieles reicher gemacht hatte und ihr die Vorstellung auf ein gemeinsames Leben und Familie nahe brachte. Sie weiß, dass es auch ihr eigener Wunsch war und sie sich am liebsten völlig diesem Traum hingegeben hätte, bis sie daraus herausgerissen wurde. Von dem anderen Mann.
Sie weiß, dass sie ihn so schmerzlich vermissen wird. Zweieinhalb Jahre gemeinsame Beziehung, ohne viel Streit, mit einer Menge Spaß und Romantik. Mit zu vielen schönen Erinnerungen. Er hat ihr alles gegeben, was er konnte, doch es war nicht genug, obwohl es schon zu viel war. So oft ist ihr seine Übertriebenheit auf die Nerven gegangen, wenn er von seinen Gefühlen gesprochen hat, weil sie ihm nicht glauben konnte, dass sie wirklich für ihn die perfekteste Frau auf der Welt ist. Obwohl es doch so leicht zu glauben gewesen wäre, da er dasselbe für sie bedeutete. Trotz all der vielen Fehler die er hatte, die ihr nie entgangen sind und die sie ihm nur zu gerne mitteilte, um von ihren eigenen abzulenken. Unter anderem ihn so selbstaufopferisch zu lieben, wie er es verdient hätte.
Er verabschiedet sich mit einem „Ich liebe dich“ und sie antwortet mit einem Kuss und „Fahr vorsichtig“. Er freut sich darüber, weil sie das lange nicht mehr gesagt hat. Das es eine Vermeidung des „Ich dich auch“ ist, fällt ihm gar nicht auf. Obwohl es noch nicht einmal gelogen wäre. Sie liebt ihn so, dass sie nicht mit ihm leben kann, wegen diesem anderen Mann.
Sie schließt die Tür hinter ihm und bricht in Tränen aus. Tränen aus Mitleid mit ihm, Tränen aus eigenem Schmerz und Tränen darüber, was sie zerstört, das Glück was schon zerbrochen ist und nicht wieder gekittet werden kann. Zumindest nicht bevor sie nicht eine ganze Zeit lang ihr Leben gelebt und Entscheidungen so frei getroffen hat, dass sie sich wieder so fest binden kann. Sie weiß, dass ein Großteil der Schuld, dass die Beziehung zerbrochen ist an ihr liegt und daran, dass sie ihn so früh kennen gelernt hat und die Beziehung direkt so intensiv war. Doch sie weiß nicht, ob man überhaupt von Schuld sprechen kann. Denn Schuld trifft im Grunde keinen, auch wenn sie sich selbst so schuldig fühlt. Schuld ihm Schmerzen zuzufügen. Obwohl die Schuld oder eher der Auslöser dafür bei dem anderen Mann liegt.
Es ist der Mann, den sie liebt. Der andere Mann, den sie liebt. Der Mann, der sich so plötzlich in ihr Leben eingebracht hat, dass es wie ein Schock war. Ein Kübel Eiswasser über den Kopf und auch genauso schmerzhaft. Er hat sich so plötzlich wieder in ihr Leben zurückgemeldet, wie er zuvor verschwunden ist. Denn diese Liebe ist noch älter, als die, die sie zu ihrem Partner verbindet. Ihre erste Liebe, die so schmerzhaft aus ihrem Leben verschwand und zurückkehrte mit einer Heftigkeit, die sie nie für möglich erachtet hätte und sie musste sich eingestehen, dass sie es nie verwunden hatte, diese Liebe zu verlieren.
Und dann kam sie so stürmisch wieder, mit diesem Brief bis zu dem sie gedacht hatte, dass sie nie wieder wegen dem Mann solche Schmerzen erleiden muss, wie er ihr einmal zugefügt hatte. Doch sie hatte sich getäuscht, aus purer Liebe hatte er ihr Herz zum zweiten Mal gebrochen. Nur durch einen Brief, den letzten den er ihr schrieb. Ein Liebesgeständnis in dem er ihr alles das sagte, was ihr Freund ihr zuvor gesagt hatte und doch nie so endgültig und zugleich ewig formulieren konnte. Ein Liebesgeständnis, bei dem sie sich immer ersehnt hatte, dass es ihr bewiesen würde. Dieses Liebesgeständnis hatte bewiesen, dass es wahr ist. Das Liebesgeständnis, was sie so ersehnt hatte und zugleich doch niemals wieder erhalten will. Das Liebesgeständnis, das jede Liebe ewig und zunichte macht. Eine einzelne Zeile, die ihr Leben auf den Kopf stellte. „Ich werde dich immer lieben, du bist mein Leben.“ Ein Brief postmortem aus seinem Nachlass.

 

Hallo Lenya

Er packt seine Sachen ein[KOMMA] um nach dem gemeinsamen Wochenende nach Hause zu fahren.

Damit muss man leben, wenn man sich in einer Fernbeziehung befindet, die beruflich vorerst nicht zu ändern ist.

Es ist wahrscheinlich nicht falsch an sich, doch falle ich bei dieser Formulierung aus dem Takt. Bspw. mit berufsbedingt erhielt es m. E. eine andere Betonung.

Der Chanson, die Nacht in Paris, alles das, was nur noch romantische Gefühle in ihm weckt.

Das Chanson

Sie versucht seit Tagen und Wochen die richtigen Worte zu finden[KOMMA] um ihm zu sagen, dass es so nicht weiter geht.

Die Gefühle für ihn sind stark und sie hasst sich selber bei dem Gedanken ihm das antun zu müssen, obwohl sie permanent zweifelt ist, ob sie das wirklich muss.

Das, bei dem Gedanken, lese ich wie ein Einschub, was vor und nach diesen Worten ein Komma bedingen würde. Schau mal, wie du es wahrnimmst. Anscheinend aus einer Umformulierung des Satzes blieb aber das ist nach dem zweifelt übrig. Damit es nicht verzweifelt, besser weg damit.

Obwohl es noch nicht einmal gelogen wäre. Sie liebt ihn so, dass sie nicht mit ihm leben kann, wegen diesem anderen Mann.

Hier nervt es mich schon, dieses wiederholte: wegen diesem anderen Mann. Vielleicht lässt es sich anders ausdrücken, oder besser gib ihm einen Namen. Wenn es aber zwingend so sein muss, dann: wegen dieses anderen Mannes.

Trotz all der vielen Fehler[KOMMA] die er hatte, die ihr nie entgangen sind und die sie ihm nur zu gerne mitteilte, um von ihren eigenen abzulenken.

Unter anderem ihn so selbstaufopferisch zu lieben, wie er es verdient hätte.

Selbstaufopfernd, wenn schon. Doch es klingt etwas prostituierend oder masochistisch, ihn zu lieben, nur weil er es verdient hätte. Mit Ehrlichkeit wäre der Situation doch Genüge getan, auch wenn es ihn schmerzen könnte?

Sie schließt die Tür hinter ihm und bricht in Tränen aus. Tränen aus Mitleid mit ihm, Tränen aus eigenem Schmerz und Tränen darüber, was sie zerstört, das Glück was schon zerbrochen ist und nicht wieder gekittet werden kann.

Das nehme ich ihr jetzt einfach nicht ab, das ist doch Selbstbetrug! Natürlich :D, redet sie sich das ein. Aber es ist reines Selbstmitleid, über den ihr fehlenden Mumm, ihm die Wahrheit zu sagen.

Ein Brief postmortem aus seinem Nachlass.

Hier würde ich eher postmortal verwenden. Sinngemäss meint es zwar das dasselbe, doch gewinnt es m. E. in einem solchen Fall, es geschieht nicht etwas, sondern sie erhält einen Brief, nuanciert die präzisere Form. Die andere Möglichkeit wäre es zu umschreiben, was ihm widerfahren ist, wenn es nicht einfach gewollt kurz pointiert sein soll.

Ich empfinde die Geschichte als stark narzisstisch. Die Protagonistin quält sich in einer Beziehung, die ihr eigentlich überdrüssig ist. Sie belügt sich selbst, wenn sie denkt, sie liebt ihn, doch für ihre verstorbene erste Liebe vielmehr empfindet und dies nicht einfach als Teil ihres früheren Lebens akzeptieren will. Wollte sie ehrlich mit sich umgehen, müsste sie erst mal diese Differenz zwischen ihrer Vergangenheit und Gegenwart bereinigen. Als dann bliebe ihr die Chance, sich ihrer Gefühle für ihren jetzigen Partner klar zu werden und sich für oder gegen ihn ehrlich zu entscheiden. So kann sie für sich selbst ja nur in einer desaströsen Situation landen. Aber dies wäre ja dann schon eine andere Geschichte.

In manchen Teilen könnte ich mir das Geschehen eleganter umschrieben vorstellen. Aber desungeachtet habe ich die Geschichte nicht ungern gelesen.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Hallo Lenya,

die Liebe hat es schwer in Kurzgeschichten. Insbesondere, wenn Du als Autorin versuchst, die Story als 1:1 Informationstext über die seelische Verfassung der Protagonistin aufzuziehen.

Oft wirkt es viel besser, die innere Bewegung der Protagonisten durch äußere Bewegungen sichtbar zu machen. Ein Mensch, der schluchzt und weint leidet (meistens). Das zu zeigen beeindruckt meist mehr, als zu schreiben "xy leidet".

Alles in allem scheint mir bei der Geschichte die Perspektive problematisch.

Gruß Achillus

 

Hallo Lenya,

um ganz ehrlich zu sein, mir hat es wenig gefallen. Die Geschichte hängt an so vielen Stellen, dass ich es ganz schwer fand, mich da reinzuversetzen. Da geht ordentlich was mit den Zeitformen durcheinander, dann brichst Du aus der Erzählperspektive um im nächsten Satz wieder hineinzuspringen, all diese inhaltlichen Wiederholungen, die den Text nicht voran bringen und die RS-Fehler. Ich habe beim Lesen irgendwann nur noch gedacht, Fehler, Wiederholung, Fehler, weiß ich doch schon ... und so den ganzen Text lang. Ich könnte jetzt ne riesen Liste basteln, aber da Du noch nicht einmal die Kommata von Anakreon eingefügt hast, sehe ich da jetzt wenig Interesse Deinerseits.

Die Gefühle für ihn sind stark und sie hasst sich selber bei dem Gedanken ihm das antun zu müssen, obwohl sie permanent zweifelt ist, ob sie das wirklich muss.

Da stimmt was ganz doll nicht ;).

Die Schwäche es nicht zu gestehen, dass es diesen anderen Mann gibt. Aus Angst ihn zu verletzen, denn sie weiß, dass er sie so viel mehr liebt, als sie ihn, obwohl sie ihn sehr liebt.

Hier ist die Kernaussage des Textes. Da steht es, in zwei Sätzen und der Rest dreht sich wie ein Kreisel drumrum und erzählt es mir noch- und noch - und nocheinmal.
Das ist jetzt wenig spannend. Mehr Handlung, weniger Gedanken, täte der Geschichte im Ganzen sehr gut. Wenn ein Ich-Erzähler nur über sich selbst erzählt, ist er meistens kein guter Erzähler ;). Das vielleicht für die Zukunft.

Die Idee hinter dem Text, die ist ja gut. Das kann alles ganz spannend erzählt werden, das kann interessante Charaktere hervorbringen und es ist ja auch wirklich ein Dilemma, in dem sie da steckt. Aber bis dahin, sind ne Menge Steine aus dem Weg zu räumen, so aus meiner Sicht. Keine Ahnung, ob Du da Lust drauf hast. Wenn es Dir Ernst mit dem Schreiben ist, wäre es sicher eine gute Übung.

Beste Grüße Fliege

 

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