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Der Blutschlüssel

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22.03.2005
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Der Blutschlüssel

„Hier ist es.“ Mirathans Stimme klang jetzt ganz fest, zumindest fester als bei den letzten beiden Malen, als sein magischer Sinn die verschollene Schatzkammer des Wissens gefunden haben wollte.
Liander blieb skeptisch. „Nicht dass ich an deinem Urteilsvermögen zweifeln würde, Mira, aber …“
Das ließ den Zauberer zornrot werden. „Es ist hier! Hier! Das schwöre ich bei allem, was mir heilig ist!“
„Das wäre aber auch Zeit“, knurrte Hauptmann Rutje. „Die Männer werden langsam unzufrieden.“
„Oh, natürlich. Denn Eure Männer können ja auch so gut beurteilen, wie schwierig es ist, magische Auren voneinander zu unterscheiden. Versucht es doch in Zukunft selbst, anstatt mir Euer ignorantes Genörgel ...“
„Es reicht, Mira, wir haben verstanden.“ Eigentlich mochte Liander Mirathan, aber die egozentrische Art des Magiers konnte ihn in den Wahnsinn treiben.
Es war ein Kolossbaum. Dieser hier hatte Umfang und Höhe eines gewaltigen Festungsturms.
Er war schon seit langer Zeit tot, aber noch nicht vermodert. Mit der grauen Rinde wirkte er eher wie versteinert. Eingefroren in der Zeit.
Liander verstand, warum die Einheimischen diesen Ort mieden. Nicht nur, dass die Umgebung ein nebliger, gefährlicher Sumpf war, in den sich nur ein Narr ohne lebenswichtigen Grund vorgewagt hätte. Es war dieser Hauch des Todes und des Verfalls, der alles einhüllte und auf alles und jeden überzugreifen schien. Mirathan hatte erklärt, dies sei ein Seelenbann, der Unbefugte fernhalten sollte. Doch dieses Wissen schützte nicht vor der Wirkung, auch Mirathan nicht. Es war unmöglich, sich des Gefühls zu erwehren, die Fäulnis krieche unter die Haut und durchdringe den ganzen Körper. Das war schon schwer einen Tag lang zu ertragen. Geschweige denn zwei Wochen.
„Mira, kannst du den Eingang der Kammer ausmachen?“
Mirathan schloss die Augen und konzentrierte sich. Er stapfte um den Stamm herum und blieb auf der rückwärtigen Seite stehen.
„Hier. Es gibt einen oberflächlichen Tarnzauber, aber sehr stabile Struktur, als wäre er für Jahrtausende gemacht. Und die sind eindeutig vergangen, er ist schon etwas brüchig.“
Mira murmelte eine Formel. Bläuliche Fäden waberten aus seinen Fingern, und plötzlich lag vor ihnen ein Stollen, der von einer Matte aus den Wänden wachsender Äste und Zweige versperrt war. Eindeutig hatte auch hier jemand Magie gewirkt. Es brauchte zwei Stunden, um mit Äxten den Eingang freizuhacken. Dann betraten sie das ausgehöhlte Innere des Baums.
Abgestandene Luft empfing sie, als sie die Treppe aus Baumstämmen hinabstiegen.
Liander wusste sofort, dass etwas nicht stimmte. Magische Energien waren in hoher Konzentration auch für Normalsterbliche spürbar. Hier merkte er nichts. Sogar der Seelenbann war unwirksam.
„Mira, bist du sicher, dass es hier Magie gibt? Ich spüre nichts.“
Der Zauberer sah verwirrt drein. „Seltsam. Draußen gibt es eine stabile Aura, die auch verhindert, dass der Stamm vermodert. Und Auren verlöschen von außen nach innen. Es ist, als ob … Nein, das ist unmöglich!“
„Was ist unmöglich?“
„Alte Legenden sprechen von Zaubern, die Magie aus einem Ort saugen können, um sie an einem anderen aufzuspeichern. Aber keinem Magier ist das je gelungen. Wir wissen mehr über das Wesen der Magie als irgendeine Zivilisation vor uns. Ich versichere dir, so etwas erfordert Kräfte, die über das menschliche Maß hinausgehen.“
„Du meinst, die Erbauer dieser Bibliothek konnten nicht mehr als wir? Warum sind wir dann die vielen Wochen durch die halbe Welt gereist, während zu Hause eine Stadt nach der anderen an die Trolle fällt?“
„Weil wir Magier glauben, dass die Erbauer einen anderen, gleichwertigen Zugang zur Magie hatten und unser Wissen ergänzen könnten. Niemals aber können sie etwas vollbracht haben, das nicht einmal eine Armee von uns zustande brächte.“
„Und was ist deiner Meinung nach dann passiert?“
„Ich … Ach, ich weiß nicht. Es muss einfach eine andere Erklärung geben.“
Die Soldaten begannen den Raum mit Fackeln auszuleuchten.
Es gab keine Regale, nur Fächer, in die jemand säuberlich Pergamente, Kristalle, Behälter und andere Artefakte abgelegt hatte. Die Trennwände schienen aus dem Stamm gewachsen zu sein, ebenso wie die Äste, die zwischen ihnen herausragten, so angeordnet, dass man leicht an ihnen emporklettern konnte wie an einer Leiter. Auch die Treppe wirkte so, als wäre sie gewachsen. Liander erkannte nirgendwo Spuren von Zimmererarbeit. Bis er sich den Fußboden genauer besah.
Der war mit kunstvollen Mosaiken geschmückt, in allen Farben, die Holz haben konnte, und er war glatt geschliffen.
Alles war von einer dicken Staubschicht bedeckt. Liander bemerkte erleichtert, dass die Pergamente noch in gutem Zustand waren. Das Wissen war zumindest nicht verloren.
„Mira, denk bitte einmal scharf nach. Angenommen, jemand hätte das Kunststück vollbracht, das du für unmöglich hältst, wie ließe sich die Magie wieder zurückholen?“
Der Zauerer setzte an, etwas zu sagen, als das Gespräch jäh unterbrochen wurde.
„Trolle!“, schrie eine panikerfüllte Stimme.
„Stellung halten! Haltet sie auf!“ Rutjes Stimme überschlug sich fast, schaffte es aber nicht, den Kampflärm zu übertönen.
Kurz darauf kam der Hauptmann hereingestürmt. Braunes, harzig wirkendes Blut klebte an seiner Schwertklinge.
„Die Trolle“, keuchte er. „Sie sind uns gefolgt. Wir können vielleicht nicht mehr lange standhalten. Wenn Ihr irgendeinen der Zauber hier anwenden könntet, wäre das sehr hilfreich.“ Damit stürmte er wieder nach draußen.
Liander blickte den Zauberer wieder an. Der fuhr sich nervös mit den Fingern über den grauen Bart.
„Es muss einen Schlüssel geben. Einen Auslöser, der Kontakt zur Magie hat und selbst magisch ist. Aber er ist wahrscheinlich schwer zu erspüren, und nur seine Erbauer wussten, wie man ihn anwendet.“
Und damit begann die Suche. Mirathans Finger glitten über den Fußboden.
Überrascht zog er sie plötzlich zurück. „Da ist etwas. Konzentrierte Magie, tief unter der Erde, durch einen altersschwachen Tarnzauber nur noch halb verborgen. Aber das heißt ja …“ Seine Stimme verriet plötzlich eine eigentümliche Mischung aus Erleichterung und Scham. „Sie haben es tatsächlich getan.“
Liander fiel ein gewaltiger Stein vom Herzen. Denn eines wusste der Gelehrte: Wann immer Mirathan widerwillig etwas zugab, dann musste es wahr sein. Der Magier sprang nicht leicht über den Schatten seiner Arroganz.
„Gut, dann lass uns diesen Schlüssel finden.“
Immer wieder blickten sie beide ängstlich zum Eingang, wo der Lärm der Schlacht immer lauter tönte. Mira hatte die Theorie, dass der Tarnzauber der vergrabenen Magie den Tarnzauber des Schlüssels überdeckt haben könnte, wenn er unter dem Boden verborgen wäre.
Außerdem konnte man in den Mosaiken einen Zugang verstecken. Und der verriet sich leicht, wenn man den Boden abklopfte. Es sei denn, die Tür war so dick, dass man den Hohlraum darunter nicht hören konnte. Tatsächlich fanden sie keine Stelle, die hohl klang.
Der Kampflärm ebbte endlich ab, und kein Troll kam in den Raum gestürmt. Dafür trugen die Soldaten ihre Verwundeten herein und legten sie überall auf dem Boden ab.
„Nein, nein, nein!“ Mirathan fuchtelte aufgebracht mit den Armen. „Wir können nicht arbeiten, wenn ihr uns im Weg herumsteht!“
„Ja, oder herumliegt, was?“ Wut und Empörung färbten Rutjes wettergegerbtes Gesicht. „Tut mir Leid, dass wir die Verwundeten nicht draußen im Sumpf liegen lassen!“
„Rutje, so war das nicht gemeint“, schaltete sich Liander rasch ein. „Wir müssen einen gut versteckten magischen Schlüssel finden, und im Moment sieht es damit nicht gut aus.“
„Was soll das heißen?“ Rutje wurde blass. „Wir sind Monate durch die Welt gereist, anstatt bei der Verteidigung des Reiches zu helfen, und jetzt sitzen wir in der Falle, sterben fern von unserer Heimat, die Hälfte meiner Männer ist jetzt schon tot oder verwundet, und nun war alles umsonst, bloß weil ihr Pergamentwälzer einen verdammten Schlüssel nicht findet?!“
Der Ausbruch des Hauptmanns traf Liander überraschend, war aber nicht verwunderlich. Sonderlich begeistert war er nicht gewesen, als der König ihn als Eskorte Lianders und Mirathans auf die Reise schickte, um der Legende einer alten magischen Schatzkammer nachzugehen, die es – angeblich - irgendwo am anderen Ende der Welt geben sollte. Und jetzt der völlig überraschende Überfall der Trolle, der ihn viele seiner Männer gekostet hatte, einige davon sicher Freunde. Und das alles in Verbindung mit seiner Verachtung gegenüber allen, die nicht Schwerter schwingend für ihr Reich kämpften – bis vielleicht auf die Kampfmagier. Mira war keiner.
„Verdammt, Hauptmann, beruhigt Euch!“ Mühsam kämpfte Liander seinen aufbrodelnden Zorn nieder. „Wir wissen selbst, worum es geht. Die Magie dieser Bibliothek wurde an einen Ort tief unter der Erde gebannt, und irgendwo hier ist der Schlüssel, sie wieder zurückzuholen. Wir glauben, er ist unter dem Boden versteckt. Wir brauchen Freiraum für die Suche.“
Der Gardehauptmann atmete tief durch. Er blickte ein wenig verlegen zu Boden, entschuldigte sich aber nicht, sondern wandte sich gleich an seine Männer. „Legt die Verwundeten nah an den Wänden ab. Die Meister der Weisheit wollen nach Geheimtüren suchen.“
Mit solchen Spitzen untergrub er seit langem Lianders und Miras Autorität als Anführer der Expedition. Leider konnten sie Rutje nicht als Befehlshaber absetzen, denn es gab niemanden, der ihn leicht ersetzen konnte. Sie brauchten ihn, und das wusste der verbissene Bastard nur allzu genau.
„Liander!“ Mira deutete aufgeregt auf ein besonders detailliertes Mosaik, das einen belaubten Baum zeigte, in dem sich verschiedene Wesen tummelten.
„Ich kann ihn ganz schwach spüren. Ein paar Mannslängen tief.“
Jetzt wusste Liander, wo er zu suchen hatte. Er entdeckte schon nach kurzer Zeit ein winziges Mosaikstück, kleiner als eine Fingerkuppe, das sich mit einem Zahnstocher ein wenig eindrücken ließ. Kurz danach fand er ein zweites, dann ein drittes, ein viertes. Als er schließlich zehn Stellen gefunden hatte, kamen keine weiteren mehr dazu. Alle lagen relativ nah beieinander, angeordnet in zwei Gruppen, wie Fingerspitzen einer übergroßen Hand.
„Hauptmann, ich brauche zehn Trollkrallen, um sie in diese Vertiefungen zu stecken.“
Trollkrallen waren besonders schlanke und spitze Dolche, dazu konstruiert, die Panzerhäute von Trollen zu durchdringen. Die Soldaten machten sich gleich ans Werk.
Der Teil des Mosaiks, der die Baumkrone darstellte, sackte plötzlich eine halbe Armeslänge nach unten und begann in einer Wand zu verschwinden. Hastig zogen die Soldaten die Trollkrallen wieder heraus, damit sie nicht blockierten. Liander hätte in diesem Moment am liebsten die Götter umarmt.
Vor ihnen gähnte ein Schacht, aus dessen Seitenwand speergerade Wurzeln herauswuchsen. Ein Soldat ließ eine Fackel hineinfallen, die nach drei Mannslängen den Boden erreichte.
Liander blickte Rutje in die Augen. Den Blick des Hauptmanns erkannte der Gelehrte fast nicht wieder: Zum ersten Mal erkannte er aufrichtigen, wenn auch widerwilligen Respekt darin, und auch zaghafte Hoffnung. Liander nickte ihm zu und machte sich an den Abstieg.
Unten gab es eine kleine Aushöhlung mit einer glatten Felswand, in die Symbole eingraviert waren.
Mit klopfendem Herzen trat Liander heran. Er hatte schon viele Schriftsprachen längst untergegangener Kulturen studiert, aber er wusste, dass sie nur ein Bruchteil dessen waren, was das Dunkel der Geschichte verschluckt hatte. Gut möglich, dass diese Zeichen ihm völlig unbekannt waren …
Das waren sie nicht. Sie hatten Ähnlichkeit mit einer Schrift, die er sehr gut kannte.
Die Nurja, ein Zwerggnomstamm, der unter dem Schutz der pargonischen Krone lebte, benutzten sie. Das kleine Volk brachte meist niedere Arbeitskräfte hervor und hatte eine knechtische Gesinnung, war aber stolz auf seine Kultur, zu der auch die Schrift gehörte. Ein Widerspruch, den man bei primitiven Völkern nicht oft antraf.
„Kannst … du diese Zeichen lesen?“ Miras Stimme bebte.
„Ja, ich denke schon.“ Liander wandte sich seinen Begleitern zu. „Es ist nur keine Schrift, die ich erwartet hätte. Offenbar haben wir soeben das Geheimnis gelüftet, wer den Nurja das Schreiben beigebracht hat.“
„Hier?“ Mira runzelte die Stirn. „Aber die Nurja sind doch nie so weit gereist. Sie sind Provinzhocker, das weiß doch jeder.“
„Das heißt nicht, dass sie immer so gewesen sind. Sie hätten auch niemals eine Schrift erlernen und erhalten können, wenn sie schon damals nur Gepäckträger und Kloakenreiniger für ihre Herren gewesen wären. Wir haben das kleine Volk wohl unterschätzt.“
Fasziniert ließ Liander seine Finger über die Gravuren gleiten.
Rutje räusperte sich. „Ihr habt gesagt, Ihr könnt diese Schrift lesen. Ich darf daran erinnern, dass wir jederzeit einen Trollangriff zu erwarten haben.“
„Hier steht sinngemäß etwas wie: ‚Lasst fließen den Saft des Lebens, drei Tropfen in …’ Ich bin mir nicht sicher, das Zeichen könnte ‚Abfluss’ oder ‚Rinne’ bedeuten… und die Kraft wird zurückfließen.’“
Es gab wirklich eine winzige Öffnung, in die jedoch kein kleiner Finger gepasst hätte. Das Loch schien abwärts zu führen, wie Liander mit einem Zahnstocher feststellte. Hier gab es eine Menge, das nicht für menschliche Hände konstruiert war …
Mira ritzte sich den Daumen und drückte ihn leicht an das Loch, einmal, zweimal, dreimal.
Sie warteten. Nichts passierte. Der Magier gab einen enttäuschten Seufzer von sich.
„Ich kann den Zauber spüren. Er will eindeutig Blut, aber meines hat er abgelehnt.“
Liander probierte sein eigenes Blut, dann war der Hauptmann an der Reihe. Nichts. Liander kam ein beunruhigender Gedanke.
„Erinnerst du dich an eine der Legenden von der Bibliothek? Dass sie verschwunden ist, nachdem die Elfen die Erbauer besiegt und in alle Winde zerstreut hatten?“
„Elfen sind ein Mythos. Es gibt keinen Beweis, dass sie je existierten, das hast du mir selbst gesagt.“
„Trotzdem drängt sich eine Frage auf: Wer sagt, dass die Erbauer Menschen waren?“
„Das ist doch völlig absurd! Es gibt kein anderes Volk, das nicht in Abhängigkeit von den Menschenreichen lebt, von ein paar Wilden abgesehen. Die meisten haben in Zelten und Höhlen gehaust, als wir schon Städte bauten. Glaube mir: Wer im Verständnis der Magie so weit ist wie die Erbauer, muss eine Hochkultur besitzen. Das können nur Menschen gewesen sein.“
„Oder ein anderer Stamm der Elfen, der genauso spurlos verschwunden ist.“ Aber das war ein unfruchtbarer Gedanke, der nichts als Verzweiflung brachte.
„Hauptmann, jetzt sind Eure Soldaten an der Reihe. Ich habe unter Euren Männern zwei Enok gesehen. Schickt sie als Erste herunter.“ Die blauhäutigen Enok galten in Legenden als die nächsten Verwandten der Elfen.
Rutje kam nicht zu einer Entgegnung. Ein Alarmruf ließ sie alle auffahren. „Trolle!“
Rutje war so schnell oben, dass Liander meinte, der Hauptmann hätte sich in eine Katze verwandelt.
Verzweiflung machte sich in dem Gelehrten breit. Wie konnten die Götter so grausam sein, sie ausgerechnet dann, als das Ziel zum Greifen nahe war, an einem simplen Zauber scheitern zu lassen? Er begegnete Miras Blick und sah, dass es dem Zauberer ähnlich ging. Der hob seine Hand wieder zum Loch.
„Ich ziehe nur schnell das Blut wieder heraus, um das Schloss zu säubern. Sicher ist sicher.“
Er murmelte ein paar Worte in einer unverständlichen Sprache, und bläuliches Licht schimmerte aus Miras Fingern. Dann floss ein kleines, rotes Rinnsal aus dem Loch, als wäre es gerade frisch vergossen. Da kam Liander ein Gedanke.
„Kannst du das auch mit dem Blut unserer gefallenen Soldaten machen? Es wieder verjüngen, meine ich.“
„Ich könnte für kurze Zeit Blut wieder beleben, wenn es nicht länger als ein paar Tage tot ist. Der Wächter dürfte keinen Unterschied bemerken.“
Sie warteten auf den Kampflärm, aber der kam nicht. Draußen brüllte Rutje aus Leibeskräften.
„Na kommt schon! Worauf wartet ihr? Hat euch der Mumm verlassen?“
„Wir verlangen euren Anführer zu sprechen“, ertönte die knarrende Stimme eines Trolls in klarem, wenn auch akzentbeladenem Pargonisch.
Liander hetzte die Wurzelleiter hinauf. Die Trolle wollten reden. Eine Chance, Zeit zu gewinnen. Und Liander war offiziell Anführer. Militärische Entscheidungen beanspruchte der Hauptmann aber für sich. Wenn der Hitzkopf den Titel an sich riss …
„Es gibt nichts zu bereden!“, schrie der Gardist. „Kommt ihr näher, spalten wir eure Schädel!“
Blitzschnell war Liander an der Seite Rutjes und ergriff das Wort.
„Ich bin der offizielle Gesandte des Königs. Was wünscht Ihr zu bereden?“ Er hoffte zumindest, wie ein weltgewandter Verhandlungsführer des Königs zu klingen und nicht wie ein verknöcherter Hinterstubengelehrter.
Der Sprecher der Trolle war ein Schamane; der Anzahl der geflochtenen Knoten in seinem zottigen Haupthaar nach von sehr hohem Rang. Magische Zeichen zierten überall seine an Baumrinde erinnernde Haut, und seine dürren langen Finger umschlossen einen Stab mit aufgestecktem Zwergdrachenschädel. Hinter ihm füllten seine Krieger den Raum zwischen den Bäumen. Zwischen ihnen huschten kleine Gestalten umher. Nurja …
„Wir fordern die Bibliothek der Altvorderen zurück. Dies ist ein heiliger Ort für uns. Wir sind bereit, über euren Frevel hinwegzusehen, weil ihr uns zu ihm geführt habt, aber ihr müsst unverzüglich gehen. Bleibt ihr oder versucht, den Abzug zu verzögern, wird jeder, der uns lebend in die Hände fällt, die schlimmste Marter erdulden, die für Entweihung vorgesehen ist.“ Der Ton ließ keinen Zweifel am Ernst der Worte zu.
Lianders Gedanken rasten. Dass die Trolle die Elfen als „Altvordere“ verehrten, war ihm so neu wie der Umstand, dass sie offenbar den Begriff „Bibliothek“ kannten. Er musste Zeit herausschinden, hatte aber keine Vorstellung, was er dem Schamanen hinwerfen sollte.
„Wir benötigen Zeit, um die Verwundeten aufzubahren und transportfähig zu machen. Es sei denn, euer Angebot gilt nicht für sie.“
„Ihr habt Zeit bis Sonnenuntergang!“, zischte der Troll. „Seid ihr bis dahin nicht abgezogen, wird euch die Strafe ereilen, die euch gebührt.“ Damit wandte er sich um und verschwand zwischen seinen Leuten. Die Reihen der Trolle lösten sich auf.
„Wie könnt Ihr es wagen?“ Rutje hatte sein Schwert noch nicht eingesteckt. „Niemals würde ich diesem Gesindel das alles überlassen, eher brenne ich es nieder!“
„Das habe ich auch nicht vor. Aber so gewinnen wir etwas Zeit, um die Magie doch noch zurückzuholen. Wir haben vielleicht zwei Stunden. Das ist nicht viel, also sollten wir besser gleich anfangen.“
Es war ein Desaster. Keiner der Soldaten, weder die Enok noch die Zwerge oder Großgnome, hatte das richtige Blut. Das überraschte Liander nicht. Keines dieser Völker hatte seines Wissens jemals überhaupt eine Hochkultur besessen. Bei den Menschen war es aussichtslos, aber immerhin entfernt möglich, dass ein Vorfahr einmal ein Elf gewesen war. Wie erwartet funktionierte es auch bei ihnen nicht.
Zwischendurch hatte er Mira gefragt, ob er wenigstens einen der Zauber, die in den Pergamenten beschrieben waren, irgendwie selbst spinnen könne. Aber der Zauberer hatte den Kopf gesenkt und zähneknirschend verneint, als hätte der Gelehrte ihm seine Unzulänglichkeit unter die Nase reiben wollen. Liander seufzte. Warum musste die Überlegenheit der Menschen immer von der Angst vor Minderwertigkeit begleitet werden?
Das Ultimatum lief ab. Jetzt kam der Teil, vor dem er sich am meisten gefürchtet hatte. Schweren Herzens wandte er sich an den Hauptmann.
„Rutje, wir schaffen es nicht. Aber auf gar keinen Fall können wir diesen Ort niederbrennen. Er ist für das Reich zu wertvoll. Die Trolle verehren ihn als Heiligtum, was bedeutet, dass sie ihm keinen Schaden zufügen werden. Und von praktischem Wert ist er für sie auch nicht.“
„Nein!“ Der Hauptmann zischte es zwischen den zusammengebissenen Zähnen hervor. „Ein Gardesoldat räumt nicht das Feld, bloß weil er den Tod fürchtet.“
„Dann tut es aus einem anderen Grund. Wenn wir hier sterben, wird der König nie erfahren, was mit uns geschehen ist. Er wird keine zweite Expedition ausschicken, nur einer Legende wegen. Wir müssen ihm Bericht erstatten. Und ganz wichtig: Er muss auch wissen, dass er den Nurja am Hof nicht mehr trauen kann. Wollt Ihr das abstreiten?“
Das schien zu dem Hauptmann durchzudringen. Er senkte den Kopf und schwieg.
„Ganz gleich, was Ihr über meine Motive denken mögt: Wir können es uns nicht leisten, uns nur um der Ehre willen zu opfern. Werdet Ihr meinem Befehl zum Abzug folgen?“
„Wer sagt denn, dass sie uns nicht ohnehin abschlachten werden, sobald wir die Bibliothek nicht mehr als ‚Geisel’ haben?“ Er klang eher missmutig als trotzig.
„Trolle lügen bei politischen Verhandlungen niemals", entgegnete Liander geduldig. "Es ist uns kein einziger Fall bekannt, wo das geschehen wäre. Oft haben sie gravierende taktische und strategische Nachteile in Kauf genommen, nur um ihr Wort zu halten, und wir haben es oft weidlich ausgenutzt. Als Soldat wisst Ihr das besser als ich.“
Der innere Kampf des Gardesoldaten zwischen seinem Verantwortungsgefühl und seinem Stolz war ihm deutlich anzusehen. Die Verantwortung gewann. Er nickte seinem Leutnant zu, der sofort verstand und begann, die entsprechenden Befehle zu erteilen. Rutje wandte sich ab und zog sich zurück. Er sprach während der Vorbereitungen kein Wort mehr.
Die Verwundeten wurden aufgebahrt oder von Kameraden gestützt. Ihr Stöhnen war das Hintergrundgeräusch, als die Kompanie schweigend, mit gebeugten Häuptern in einer langen Reihe aus dem Eingang des Riesenbaumes stapfte. Die Trolle und Nurja standen am Rand der Lichtung, fast wie ein Spalier, schweigend, einige mit hasserfüllten Blicken, aber keiner griff sie an.
Schließlich trat der Schamane zwischen seinen Kriegern hervor. Er wandte sich ihnen zu, reckte seine dünnen langen Klauen gen Himmel und rief ein paar Worte in seiner eigenen Sprache. Kollektives Grunzen und Knarren folgte als Antwort, das Trolläquivalent zu Jubel.
Liander stutzte. Irgendetwas beunruhigte ihn an dem Anblick, er konnte aber nicht den Finger darauf legen. Das Gefühl verstärkte sich, als der Schamane mit einigen anderen Stabträgern im Innern der Bibliothek verschwand. Er dachte an den offenen Schacht und den Blutwächter, den die Waldbewohner jetzt ohne Mühe finden würden. Es war Liander nicht gelungen, den Mechanismus zu finden, der den Zugang wieder verschloss. Würden die Nurja die Ähnlichkeiten der Schrift zu ihrer eigenen erkennen? Aber auch das war eine müßige Überlegung, denn die Trolle hatten wohl kaum einen Elf dabei. Und wie konnten sie mit ihrem begrenzten Wissen den Zauber überlisten? Ihre barbarische Praxis der Magie mochte in der Schlacht ihren Dienst tun, aber hier? Liander schüttelte energisch den Kopf, um die Grübeleien loszuwerden. Es half nicht. Der Schamane. Lange dürre Trollkrallen …
Sie waren noch nicht außer Sichtweite der Lichtung, als Mirathan plötzlich keuchte und sich an die Brust fasste. Und dann spürte Liander es auch: Ein Beben schien durch den Boden und die Luft zugleich zu gehen. Alles um sie herum, jeder Stein, jeder tote Ast, selbst das schlammige Wasser begann vor Leben zu vibrieren. Vögel und Insekten stoben in Schwärmen auf, alles mögliche andere Getier rannte und krabbelte davon, weg vom Baum.
Ein Donnerschlag ertönte aus Richtung des Baumes. Blitze zuckten von seiner gewaltigen blattlosen Krone in den Himmel, magisches Feuer umzüngelte seine turmdicken Äste. Der Stamm selbst schien von innen heraus zu glühen. Dann plötzlich schien die magische Energie sich in den Baum zurückzuziehen; außen ließ sie ihn aber in einem kräftigen, gesunden Braunton leuchten. Obwohl er immer noch keine Blätter trug, hätte kein Betrachter ihn mehr für tot gehalten.
Der Schamane trat aus dem Eingang, einen grell leuchtenden Gegenstand hoch erhoben. Er stieß Laute aus, die nur entfernte Ähnlichkeit mit solchen aus der Trollsprache hatten. Dann war es Liander, als würde sich plötzlich ein Druck von seiner Brust lösen. Einige Soldaten keuchten überrascht. Erst später begriff der Gelehrte, was geschehen war: Der Troll hatte den Seelenbann von den Sümpfen genommen.
Neben sich vernahm Liander ein entsetztes Wimmern. Er wandte sich Mirathan zu, wollte etwas sagen, das die Verzweiflung des Zauberers linderte. Aber Mira stand einfach nur da, den gläsernen Blick starr auf die Szenerie gerichtet, als stünde er unter einem Bann.
Rutje dagegen zitterte am ganzen Leib. Seine Miene verriet ein namenloses Grauen, von dem Liander nie geglaubt hätte, der hartgesottene Gardist könne es empfinden.
Frühere Gespräche mit ihm kamen Liander in den Sinn. „Ein Soldat, der in die Königliche Garde eintritt, verliert das Recht zu versagen“, hatte der Hauptmann oft betont. „Wer seine Niederlage überlebt, ist ein Verräter.“
Er zog sein Schwert und rannte schreiend wie am Spieß auf den Schamanen zu. Seine Soldaten taten es ihm gleich, erst einer oder zwei, dann ein halbes Dutzend, und schließlich ließ der Rest die Verwundeten fallen und stürmte ebenfalls vor, besinnungslos in die Speere der Trolle und die Kampfzauber des Schamanen rennend. An einigen der Schwerter klebten noch Reste von Trollblut. Des einzigen Blutes, das zu verwenden sie nicht in Erwägung gezogen hatten.

 

Hallo,

dies ist mein erster Beitrag für die Fantasy-Rubrik. Geschrieben war die Story schon vor Monaten, als Beitrag für die Ausschreibung "Geheimnisvolle Bibliotheken".
Da sie leider nicht aufgenommen wurde, teile ich sie jetzt einfach mit der ganzen Welt. Viel Spaß beim Lesen!

 
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Hey,

1.) Ich würd echt nicht unter einen Text schreiben, dass sie zu schlecht war für das eigentliche Ziel und dann hier abgeladen wird. Das wirkt so ein bisschen wie die Armenspeisung mit Speiseresten.
2) Der Text ist viel zu dicht. Viiiiel zu dicht. In den ersten 6Zeilen 3 Namen alles geht durcheinander, nichts hat Platz zum Atmen, alles ist ein Namen- und Infodump. Fantasy braucht oft Platz zum Atmen und zum Reifen. Hier wird die ganze Exposition im Dialog zueinander hingenuschelt, das aber eigentlich an den Leser geht. Es liest sich ja fast wie ein Theaterstück.
3) Techno-Babble. Der Tarnzauber wirkt noch, wir müssen ihn entzaubern, sonst erwischen uns die Romulaner, Captain ! So hatte ich den Eindruck mittendrin, alles ist eine SZene und alle reden zueinander und man weiß noch gar nicht, wer wer ist und alles so ... und man merkt wirklich dieses Techno-Babble, es ist schlimm. So auf 5 Zeilen acht Probleme und sieben davon versteht der Leser gar nicht, weil die Exposition noch nicht mal klar ist.
4) Das mit den Trollen noch und so, das sind so Bestandteile, ich hab da an fünftes Elemnt gedacht. So, wir haben schon eh totales Chaos hier, lass mal draußen die Trolle noch antanzen. Konflikt verschärfen aus dem Lehrbuch. Wie verschärft man einen Konflikt? Zeitlimit! Bedrohung von außen! Das ist wunderbar, wenn der Text schon solide ist. Kann wer dem Text folgen? Weiß einer nach 10 Zeilen um was es geht. Ich halte mich für einen ganz passablen Leser, aber so dicht und so kuddelig geschrieben. Da werden Sachen eingeführt in einer einzigen Dialogzeile zwischen Tür und Angel. Das ist kein gutes Erzählen. Der Text besteht fast nur aus Dialog. Der Dialog muss dann Exposition leisten. Das führt zu einem Info-Dump. Dann gehen da persönliche und Plot-Konflikte total durcheinander, dazu noch "trolle" und das Techno-Babble, also ... ja, nee.
5) Mit Zeilen-Beschränkung im Hinterkopf ist das doch geschrieben und dann hast du gemerkt, dass du viel zu viel Plot dafür hast? Also diese Ausschreibungstexte - wenn die schief gehen, gehen die ganz furchtbar schief. Weil da für nix Platz ist. Keine Exposition, keine Struktur. Der Text hat überhaupt keine Struktur.
6) So ein bisschen hat das auch was von generischer Rollenspiel-Fan-Fiction. Der abenteurer, die Zauberin, der Gardehauptmann, Verließ, Schutzvorrichtungen. Das sind alles so generische Pen&Paper-Elemente.
7) Sprache wär auch was, wo man mal im Detail ranmüsste. Schreiend wie am Spieß, Blitzschnell und halt echt das ... Technobabble, da kommt null Gefühl auf. Hier mal:

Mira hatte die Theorie, dass der Tarnzauber der vergrabenen Magie den Tarnzauber des Schlüssels überdeckt haben könnte, wenn er unter dem Boden verborgen wäre.
Ein Beispiel für dieses Technobabble.

Trolle lügen bei politischen Verhandlungen niemals. Es ist uns kein einziger Fall bekannt, wo das geschehen wäre. Oft haben sie gravierende taktische und strategische Nachteile in Kauf genommen, nur um ihr Wort zu halten. Das wisst Ihr so gut wie ich.
Trolle streichen, Klingonen setzen. Es klappt eins zu eins. Nichts gibt einem hier irgendwie das Gefühl, einem Gardehauptmann dabei zuzuhören, wie er etwas zu einem Abenteurer sagt.
Und 2. eben hier dieses "Das wisst Ihr so gut wie ich" - ja, genau. Es ist alles zum Leser gesprochen, nicht zu einander. Und es wird hier genau an der Stelle eingeführt, diese Information, wenn sie gebraucht wird.

Mal gucken, was andere dazu sagen, ich kann verstehen, warum der Text durchgefallen ist, also ... lass doch die Geschichten mal atmen, du schreibst doch schon lange genug. Stimmung erzeugen. Figuren zeichnen. Mal was auf der Zunge zergehen lassen. Spannung aufbauen. Schreiben ist nicht nur Plotpunkte abhaken und in der Textmenge A dem Leser möglichst viele Informationen B unterjubeln und eine Kurzgeschichte ist auch kein Roman, wo man alles über Bord wirft, außer die nackten Plotfakten.

Also tut mir leid, dass ich hier wenig Nettes zu sagen kann, vielleicht bin ich einfach so gar nicht die Zielgruppe für den Text, und anderen gefällt das
Quinn

 

Hi Quinn!

Jaja, die Zeichenbegrenzung. Die brachte mich regelrecht zur Verzweiflung. Alle von dir angesprochenen Probleme sind wahrscheinlich darauf zurückzuführen. Okay, und darauf, dass ich lieber den Text als den Plot zusammenstreichen wollte. ;)
Ich muss noch ein Gefühl dafür entwickeln, wieviel Plot in wieviel Zeichenzahl reinkann.
Wird interessant werden zu sehen, wieviel Länge der Text bei der Überarbeitung gewinnt.

Mir war aber nicht bewusst, dass "nicht aufgenommen" auch als "zu schlecht" interpretiert werden könnte. Die Info fand ich zum Verständnis wichtig, warum der Text so komprimiert geraten ist.

 

Ja, was soll man dazu sagen. Also mich hat dein Kommentar auch abgeschreckt. Das wirkt schon so, wie Quinn das gesagt hat, "Ja für den Wettbewerb war es zu schlecht, aber für euch ists gut genug". Und außerdem, natürlich hast du beim Wettbewerb diese Zeichenbegrenzung, die einen schon sehr hemmt, nur hast du die hier überhaupt nicht. Deshalb wirkt das auch seltsam, wenn du ihn einfach so hier rein setzt.

Wieso überarbeitest du die Geschichte nicht noch mal, lässt dem Plot Platz sich zu entfalten. Die Geschichte kann da nur gewinnen, denn in der jetzigen Form ist sie ja nun wirklich nichts Überragendes.

 

Hi Megabjörnie,

den Titel find ich toll, aber die Geschichte ist bei mir durchgefallen, tut mir leid. Mich hat es beim Lesen ziemlich gestresst, wie du versucht hast den Hintergrund zu erklären, Info-Dump trifft es ganz gut ;)
Ich weiß nicht, sowas müsstest du auf zehnfacher Länge des Textes in Ruhe machen, und immer erstmal den Leser mit den ganzen Völkern und magischen Mechanismen in Ruhe vertraut machen ... um dann später drauf zurückzukommen, wenn es in der Handlung gebraucht wird.
Nicht immer was nennen, dann Erklärung nachschieben, dann mit dem nächsten Volk/Namen/Gegenstand kommen, dann neue Erklärung nachschieben, ...

Mit der Perspektive werd ich auch nicht ganz warm. Da bin ich kein Experte, aber irgendwie schwankt das zwischen auktorialem Erzähler und manchmal personaler Erzähler auf Lianders Schulter, habe ich den Eindruck.

Ich würde sagen, mach da was Längeres raus (zwecks Entzerrung) ...

 
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Hi Megabjörnie!

Ich finde es nicht schlimm, wenn man eine Geschichte postet, die für eine Ausschreibung gedacht war und nicht genommen wurde. Bei einer Ausschreibung abgelehnt ist ja nicht gleichbedeutend mit schlecht. Und ich glaub Hannibal hat in Horror auch eine Geschichte, die für die gleiche Ausschreibung gedacht war :)

Trotzdem muss ich jetzt gleich in dasselbe Horn stoßen wie meine Vorredner: Man merkt der Geschichte die Zeichenbegrenzung ganz stark an, die konnte sich eindeutig nicht richtig entfalten. Aber jetzt wo sie hier im Forum steht, kannst du doch ausnutzen, dass es hier kein Limit gibt, und sie erweitern. :)

Aber auch wenn du die Geschichte verlängerst, würde ich an deiner Stelle versuchen, den Plot zu entschlacken, und dafür mehr Wert auf Show don’t Tell legen. Es ist doch so: diesen Plot kriegst du so oder so nicht innovativ, ganz egal wie ausführlich das erzählt wird. Menschen werden von ihrer Arroganz in den Hintern gebissen, weil sie irgendein angeblich unzivilisiertes Volk unterschätzt haben – das wird höchstens noch ganz junge Leser, die vorher kaum Fantasy gelesen haben, überraschen. Das heißt du musst hier versuchen, mit anderen Aspekten zu punkten – also Figuren, Stimmung, etc. Und das kommt hier alles zu kurz, weil sich zu viel Geschichte in zu wenige Zeilen drängelt.

Ich hab einfach mal ein paar Sachen gesammelt, die mir beim Lesen aufgefallen sind, ich hoffe das hilft beim Überarbeiten:

„Nicht dass ich deinem untrüglichen Urteilsvermögen nicht vertrauen würde, Mira, aber …“
Das ist sehr hölzern. Diese doppelte Verneinung – Nicht das ich dir nicht vertraue – würde ich versuchen zu vermeiden (z.B. nicht dass ich an deinem Urteilvermögen zweifle), und das untrüglich würde ich streichen. Es klingt einfach nicht gut (Alliteration mit u, bäh!) und es passt auch inhaltlich nicht – er meldet ja hier schon seine Zweifel an.
Mira als Kurzform ist unglücklich gewählt. Der Zauberer soll doch ein Mann sein (oder?), aber bei einem Namen, der auf a endet, geht man immer zuerst von einer Frau aus. Klar, das ist bloß kulturelle Prägung, aber warum machst du es den Lesern unnötig schwer mit der Zuordnung? Zumal Mirathan jetzt nicht so ein furchtbar langer Name ist, dass man den unbedingt abkürzen muss (außer man hat eine Zeichenbegrenzung einzuhalten :p)

„Es reicht, Mira, wir haben verstanden.“ Eigentlich mochte Liander Mirathan, aber die egozentrische Art des Magiers konnte ihn in den Wahnsinn treiben.
Show, don’t tell! Dass der Zauberer ein arroganter Schnösel ist, hab ich schon an seinem Dialog gesehen, und das Verhältnis zwischen den beiden will ich bitte auch gezeigt haben und nicht nur behauptet sehen :p

Liander wusste sofort, dass etwas nicht stimmte. Magische Energien waren in hoher Konzentration auch für Normalsterbliche spürbar. Hier fehlten sie völlig.
Liander ist doch ein „Normalsterblicher“ ohne magische Begabung, oder? Woher weiß er dann, dass da nicht bloß niedrigschwellige magische Energie unterwegs ist, die nur jemand mit einem feineren Sinn für Magie wahrnehmen kann, sondern ist sich so sicher, dass sie völlig fehlt?

„Ich … Ach, keine Ahnung. Es muss einfach eine andere Erklärung geben.“
Das ist jetzt nur so ein Bauchgefühl, aber „Ach, keine Ahnung“ passt meiner Meinung nach nicht in diese Art von Fantasy-Welt.

Liander erkannte nirgendwo Spuren von Zimmererarbeit.
Nein, das war nicht ganz richtig. Der Fußboden war mit kunstvollen Mosaiken geschmückt, in allen Farben, die Holz haben konnte, und er war glatt geschliffen.
Hmm. Es gab also nirgendwo Spuren von Zimmerarbeit, abgesehen von den eindeutigen
Spuren von Zimmerarbeit. So was mag ich nicht, wenn sich der Erzähler von einem Satz auf den anderen selbst widerspricht.

Der Zauberer seufzte. „Also schön. Den Legenden zufolge …“
„Trolle!“, schrie eine panikerfüllte Stimme.
Nee, also das fand ich nicht gut. Ich habe mich extra auf den Infodump eingelassen, also ich wollte dann auch wissen, was es mit der Magie da auf sich hat, und dann ruft einer „Stichwort für die nächste Actionszene!“ die ich dann nicht mal zu sehen kriege. :pah:

Die Nurja, ein Zwerggnomstamm, der unter dem Schutz der pargonischen Krone lebte, benutzten sie.
Also, das ist vielleicht Geschmackssache. Aber ich finde, wenn ein Name für die Geschichte keine große Bedeutung hat, hat er da auch nichts zu suchen. Also die Nurja sind okay. Aber muss ich wirklich wissen, dass das Reich Pargonien heißt? Können die nicht einfach unter dem Schutz der Krone stehen? Da ist doch eindeutig, dass es sich um die Krone handelt, der Liander dient.

„Ich ziehe nur schnell das Blut wieder heraus, um das Schloss zu säubern. Sicher ist sicher.“
Er murmelte ein paar Worte in einer unverständlichen Sprache, und bläuliches Licht schimmerte aus Miras Fingern. Dann floss ein kleines, rotes Rinnsal aus dem Loch, als wäre es gerade frisch vergossen. Da kam Liander ein Gedanke.
„Kannst du das auch mit dem Blut der Gefallenen machen? Es wieder verjüngen, meine ich?“
„Ich könnte für kurze Zeit Blut wieder beleben, das schon seit Tagen tot ist. Der Wächter dürfte keinen Unterschied bemerken.“
Das versteh ich nicht. Wieso ist das relevant? Die Leute, die da gefallen sind, sind doch alle gerade erst gestorben, wozu muss er da Blut wiederbeleben, das seit Tagen tot ist?

Warum musste die Überlegenheit der Menschen immer von der Angst vor Minderwertigkeit begleitet werden?
Warum müssen Leute in Geschichten immer über die Moral der Geschichte philosophieren? Ach Quatsch, das müssen die gar nicht. Das ist einfach bloß dick aufgetragen. :D

„Trolle lügen bei politischen Verhandlungen niemals. Es ist uns kein einziger Fall bekannt, wo das geschehen wäre. Oft haben sie gravierende taktische und strategische Nachteile in Kauf genommen, nur um ihr Wort zu halten. Das wisst Ihr so gut wie ich.
Streich das letzte da. Das stößt mich ja geradezu mit der Nase darauf, dass das eigentlich nur als Infodump für den Leser dient und nicht als echter Dialog. Ohne den letzten Satz könnte ich zumindest annehmen, dass der Hauptmann sich halt aus irgendeinem Grund mit Trolldiplomatie nicht so auskennt. :)

Hm, also Überarbeitung würde sich schon lohnen, und es könnte ruhig ein bisschen länger werden. Zu lang aber dann auch nicht. Bei Fantasy ist immer die Gefahr groß, dass über die Beschreibung von geografischen und historischen Details der Fantasiewelt die Geschichte in den Hintergrund tritt. Also jetzt bitte nicht die Balzgesänge der Nurja ausführlich beschreiben, sondern lieber die Protagonisten besser charakterisieren und die Dialoge überarbeiten :).

Grüße von Perdita

 
Zuletzt bearbeitet:

Alle lagen relativ nah beieinander, angeordnet in zwei Gruppen, wie Fingerspitzen einer übergroßen Hand.
Die Stelle finde ich gut. Sie deutet an, daß die Bibliothenk von Trollen gebaut worden ist. Du mußt nur irgendwo in der Geschichte beiläufig erwähnen, daß Trolle riesige Pranken mit Krallen haben.
Daß die Dolche zufällig "Trollkrallen" heißen, ist allerdings zu viel.

"Kannst du das auch mit dem Blut der Gefallenen machen? Es wieder verjüngen,meine ich?"
Mit dieser Stelle habe ich wirklich ein Problem. Hier habe ich geglaubt, daß Liander das Trollblut an den Schwertern meint.
Wenn der Leser weit vor den Charakteren zu dem richtigen Schluss kommt, wirken die Charaktere wie Idioten.

 

Hi zusammen!

Es hat ein wenig gedauert, aber besser spät als nie, was? :D

Die Einhelligkeit bei der allgemeinen Beurteilung gibt mir so sehr zu denken, dass ich bei künftigen Wettbewerben ( hab jetzt die "Kriegergeschichten" vom selben Verlag am Wickel ) bereits besondere Vorsicht bei der Gestaltung des Plots walten lasse, was den Umfang angeht. Ob es auch hilft, bleibt abzuwarten. ;)

Aus meinem Freundeskreis wurde sogar angeregt, doch bitte einen Roman daraus zu machen, was in dieselbe Richtung geht wie "zehnfacher Umfang".

Aus dem Stoff werden sehr wahrscheinlich ohnehin noch mehr Geschichten hervorgehen, weshalb ich über die Romanidee gründlich nachdenken werde.

Bis das dran ist, werde ich die Story aber in Orientierung an euren konkreten Vorschlägen überarbeiten.

 

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