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Der Blinde Passagier

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09.09.2015
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Der Blinde Passagier

Mit einem Koffer in der einen und einem heißen Kaffee in der anderen Hand, stand ich an diesem kühlen Frühlingsmorgen am Frankfurter Hauptbahnhof und wartete ungeduldig auf meinen Zug. Ich freute mich recht wenig darauf meine Familie in Kassel zu besuchen. Im Büro wäre noch so viel zu tun gewesen und für Freizeit hatte ich als junge Geschäftsführerin eigentlich überhaupt keine Zeit mehr. In Gedanken zählte ich die Stunden, die ich nach diesem Wochenende aufzuholen hatte und rief zum dritten Mal an diesem Morgen meine Sekretärin an, um sicher zu gehen, dass ohne mich nicht alles zur Grunde ging. "Ach, Sara! Wir kriegen das schon hin ohne dich! Jetzt schalt' mal ab und genieß' die Zeit mit deiner Familie!" beruhigte sie mein Gewissen und ich legte seufzend auf. Nach einer weiteren Viertelstunde fuhr der Zug ein und blieb quietschend vor mir zum stehen. Genervt schlängelte ich mich durch die Abteile und ließ mich schließlich auf einem leeren 4-er Platz nieder. Nur wenige Haltestellen später fiel mir ein junger Mann auf, etwa in meinem Alter, der sich auf der Suche nach einem Sitzplatz durch das Abteil tastete. Bei mir angekommen, bemerkte ich, dass seine Augen geschlossen waren. Er war blind. „Sie können sich mir gegenüber setzen. Der Platz ist noch frei." bot ich ihm an und er lächelte dankbar in meine Richtung. Eine Weile schwiegen wir und ich fing an ihn zu beobachteten. Ich fragte mich, ob er schon immer blind war oder es erst im Laufe seines Lebens geworden war und verspürte Mitleid mit diesem jungen Mann. Es musste schrecklich sein, nichts sehen zu können, dachte ich. „Würden Sie mir einen Gefallen tun?“ unterbrach der Blinde die Stille. Ich erschrak aus meinen Gedanken und nickte ihm zu, bis mir bewusst wurde, dass er dies überhaupt nicht sehen konnte. „Äh, ja klar. Was kann ich für Sie tun?" antwortete ich schließlich. „Erzählen Sie mir, was Sie sehen." Einen Moment war ich skeptisch. Was wollte der Blinde von mir hören? Ich blickte ihn an und er lächelte abwartend in meine Richtung. Also gut, dachte ich. Ich sah aus dem Fenster und versuchte schnell einzufangen, was ich sah, bevor der Zug weiterfuhr. Ich erzählte ihm, dass die Sonne schien und die Blätter grün blühten, von den gelben und blauen Häusern und dass die Vögel in Schwärmen am Himmel flogen. Gerade wollte ich weiter sprechen, als mich der Blinde durch sein lautes Lachen unterbrach. „Du kannst sehen und trotzdem bist du blind. Es geht nicht um die Farben der Häuser oder das Grün der Blätter. Es geht um das Magische, Übernatürliche. Du siehst nicht richtig hin." Verärgert schaute ich durch die Fenster. Ich machte mich für diesen Mann zum Affen und musste mir dann auch noch von ihm anhören, ich könnte nicht sehen. Was gab es denn zu sehen, außer dem Offensichtlichen? Ich fing an, mir Gedanken über die Worte des Mannes zu machen. Konnte er recht haben? Habe ich als Kind nicht auch viel mehr sehen können, als ich es jetzt tat? Noch einmal blickte ich aus dem großen Fenster des Zuges, doch dieses Mal versuchte ich nicht nur mit dem Auge, sondern auch mit dem Herzen zu sehen. „Die Sonne reflektiert auf der Wasseroberfläche des Sees und lässt die Flächen rechts und links aussehen, als gehörten sie zu zwei unterschiedlichen Welten und dort vorne, da steht ein Baum. Er wächst anders als die anderen, so als wäre er etwas Besonderes. Als verbärge er einen Schatz und am blauen Himmel ist nur eine einzige Wolke zu sehen, die aussieht wie ein Engel, der auf uns herunter sieht und aufpasst, dass wir alle den richtigen Weg finden." Als ich meinen Bericht beendete, war ich erstaunt über mich selbst. All diese Dinge hatte ich vorher nicht wahrgenommen, doch plötzlich erfüllten sie mein Herz, als hätten sie nur darauf gewartet, von mir entdeckt zu werden. "Du hast es geschafft." unterbrach der Blinde meine Gedanken und lächelte. "Du hast ihn wieder gefunden." "Was habe ich wieder gefunden?“ fragte ich. „Den Blick. Den, den wir beim Erwachsenwerden so schnell verlieren!“ Wieder lächelte er mich an und dieses Mal hatte ich das Gefühl, er schaue direkt in mich hinein. Noch lange nachdem der Blinde ausgestiegen war, dachte ich über seine Worte nach. ‚Ein Blinder lehrte mich heute, zu sehen‘ dachte ich und lächelte in mich hinein. Diese Bahnfahrt werde ich nie vergessen!

 

Hallo Safiy, eine seltsame Geschichte, deren Plot ich nicht folgen kann. Was ist an den Beobachtungen deiner Frau im Zug magisch oder gar übernatürlich? Sie hat halt genauer hingeschaut, mit einem photographischen Blick oder so, als wolle sie ein Bild malen. Ein Baum, der anders wächst, als die anderen, ist ein ganz normaler Baum, denn kein Baum gleicht einem anderen.

Warum sollten wir als Erwachsene den Blick für den Zauber der Natur verloren haben? Das Gegenteil ist der Fall, denke ich.

Vielleicht betrachte ich deine Geschichte zu persönlich. Ich fotografiere und male, da schaut mal halt genauer hin. Doch Übernatürliches kam noch nicht vor meine Linse. Schade eigentlich.

Liebe Grüße!
Amelie

 

Hallo Safiy95,

zunächst ein Willkommen hier.
Mir gefällt deine kleine Geschichte. :)

Das einzige, was ich mich frage, ist, warum der Anfang recht umfangreich die Arbeit der Frau erklärt. Ich finde, für den weiteren Verlauf der Geschichte ist das nicht unbedingt notwendig und ich habe deshalb zunächst etwas ganz anderes erwartet, als die Begegnung mit dem Blinden.

Außerdem täten dem Text ein paar Zeilenwechsel oder Absätze ganz gut. Gerade beim Sprecherwechsel sind diese unerlässlich.

Ansonsten gerne gelesen. :thumbsup:

Liebe Grüße und viel Spaß hier noch!
GoMusic

 
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Hallo GoMusic,

Erst einmal vielen Dank für dein Feedback und ich freue mich, dass dir die Geschichte gefallen hat!

Den Anfang habe ich so umfangreich beschrieben, weil ich das Bild einer jungen Frau beschreiben wollte, die sich hauptsächlich mit ihrer Arbeit beschäftigt und dabei kaum etwas um sich herum wahrnimmt.
Der Blinde erinnert sie daran, dass all das was uns als Kinder fasziniert hat in Vergessenheit gerät, weil man sich nicht mehr damit beschäftigt und vieles für selbstverständlich ansieht.

Vielen Dank und Liebe Grüße
Safiy95


***

Hallo Amelie,

Vielen Dank für dein Feedback!

Meiner Erfahrung nach sehen wir Menschen selten genau hin und besonders in der heutigen Smartphone-Generation sehe ich die meisten Leute nur noch mit dem Blick aufs Handy gerichtet durch die Straßen laufen.
Da ich mit Kindern arbeite sehe ich täglich den Vergleich und finde es immer wieder faszinierend was Kinder in Dingen sehen, die wir nicht im geringsten beachten würden. Jedenfalls die meisten von uns ;-)

Freue mich, dass du die Geschichte gelesen hast und für deine ehrliche Antwort.

Liebe Grüße
Safiy95

 

Hallo Safiy95 ,


ich finde das Thema sehr interessant. Grundsätzlich stimme ich dem zu, dass viele (es gibt Ausnahmen ;-)) Erwachsene den Blick für fantasievollere Vorstellungen verloren haben, weil sie sich auf das Wesentliche und Offensichtliche beschänken.

‚Ein Blinder lehrte mich heute, zu sehen‘

Finde ich sehr gut. Für mich persönlich sogar als Abschluss bzw. Ende ausreichend

wartete ungeduldig auf meinen Zug

- 'den Zug' finde ich besser.

dass ohne mich nicht alles zu(r) Grunde ging.

-den Bach runterging- als Alternative

blieb quietschend vor mir zum stehen.

hier: kam qiuetschend vor mir zum Stehen bzw. blieb quietschend vor mir stehen

Verärgert schaute ich durch die Fenster.

Ist das beabsichtigt mit dem Plural oder sollte es das Fenster heißen?

Er wächst anders als die anderen

Wie denn? Da fände ich persönlich eine näherer Beschreibung shön, wie z.Bsp. unten am Stamm tut sich eine Höhle auf oder Ähnliches- nach dem Motto ,,show don't tell"

Schöne Geschichte, sie hat mir gefallen.

Liebe Grüße

Julia

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Safiy95,

die Idee deiner kleinen Geschichte finde ich sehr gut. Sie erinnert mich ein bisschen an den Spruch von de Saint-Exupéry „Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“ Der Blinde möchte, dass die Ich-Erzählerin ihm nicht nur das beschreibt, was sie sieht, sondern das Magische, Übernatürliche.

Das ist ein schöner Gedanke. Die Umsetzung gelingt dir aber leider nur im Ansatz:

Die Sonne reflektiert auf der Wasseroberfläche des Sees und lässt die Flächen rechts und links aussehen, als gehörten sie zu zwei unterschiedlichen Welten

Was wird eigentlich reflektiert? Und was meinst du mit den beiden unterschiedlichen Welten? Beschreibe das, was du meinst, genauer, gehe in die Einzelheiten.

Und weiter:

… dort vorne, da steht ein Baum. Er wächst anders als die anderen, so als wäre er etwas Besonderes. Als verbärge (verberge) er einen Schatz und am blauen Himmel ist nur eine einzige Wolke zu sehen, die aussieht wie ein Engel, der auf uns herunter sieht (heruntersieht) und aufpasst, dass wir alle den richtigen Weg finden.

Das ist schon näher am Magischen, Übernatürlichen, bleibt aber auch wieder im Ansatz stecken. Warum vertieft die Ich-Erzählerin ihre Eindrücke nicht, erklärt das Besondere des Baumes, schildert das Tun des Engels? Warum z.B. beschreibst du es nicht so, wie ein Kind es sehen würde? Auch hier hast du ja schon in die richtige Richtung gedacht:

Habe ich als Kind nicht auch viel mehr sehen können, als ich es jetzt tat?
und in deinem Antwort-Kommentar:
Da ich mit Kindern arbeite sehe ich täglich den Vergleich und finde es immer wieder faszinierend was Kinder in Dingen sehen, die wir nicht im geringsten beachten würden.
Was würde ein Kind alles sehen, was würde ihm einfallen zu den Lichtreflexen auf dem Wasser, zu den Wolkenbildern usw.?

Dieser Teil deiner Geschichte ist ja ihr eigentliches Kernstück. Indem die Ich-Erzählerin dem Blinden ihre Eindrücke und Gedanken schildert, wird sie selber sehend, verwandelt sich vom ‚blinden Passagier’ zum sehenden. Das hättest du viel stärker ausbauen können. So bleibt dieser wichtige Teil deiner Geschichte zu oberflächlich. Vielleicht kannst du ihn ja noch vertiefen.

Noch ein paar Kleinigkeiten:

Ich freute mich recht wenig darauf K meine Familie in Kassel zu besuchen.
Vor dem erweiterten Infinitiv mit ‚zu’ steht ein Komma. Diesen Fehler machst du häufiger.

"Du hast es geschafft(.)"K unterbrach der Blinde meine Gedanken und lächelte.
Bei einem Aussagesatz fällt der Punkt innerhalb der wörtlichen Rede weg.

"Was habe ich wieder gefunden?“K fragte ich.
Die eigentliche wörtliche Rede wird immer mit einem Komma nach dem schließenden Anführungszeichen vom Begleitsatz abgetrennt.

… um sicher zu gehen …
um sicherzugehen

… wollte ich weiter sprechen …
weitersprechen

Auch ich heiße dich hier willkommen und wünsche dir viel Spaß im Forum.

Liebe Grüße
barnhelm

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo liebe Safiy,

"Meiner Erfahrung nach sehen wir Menschen selten genau hin und besonders in der heutigen Smartphone-Generation sehe ich die meisten Leute nur noch mit dem Blick aufs Handy gerichtet durch die Straßen laufen."

Jetzt haben wir des Rätsels Lösung. Das hast du gerade sehr schön beobachtet. Diese doofen Handys.

Viel Freude beim Texten wünsche ich dir weiterhin! Und zauberhafte Momente in der Natur!

Amelie

 

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